Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.07.2024, RV/5100380/2023

Mittelpunkt der Lebensinteressen einer Studentin aus Nigeria, die mit ihren 3 Kindern in Österreich wohnt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch J2tax Steuerberatung GmbH, Paschinger Str. 59, 4060 Leonding, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung Familienbeihilfe 04.2021-05.2022 Sozialversicherungsnummer ***123*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Dem Antrag der Beschwerdeführerin vom auf Familienbeihilfe für Ihre Kinder ***X*** (geb. am ***124***), ***Y*** (geb. am ***125***) und ***Z*** (geb. am ***126***) ab 04/2021 wurde zunächst entsprochen.

Mit Bescheid vom wurde die Familienbeihilfe sowie Kinderabsetzbeträge für die drei Kinder für den Zeitraum April 2021 bis Mai 2022 zurückgefordert.

Begründet wurde der Bescheid wie folgt:

"Der Mittelpunkt Ihrer Lebensinteressen liegt nicht in Österreich. Daher haben Sie keinen Anspruch auf Familienbeihilfe (§ 2 Abs. 8 Familienlastenausgleichsgesetz 1967).

Was ist der Mittelpunkt der Lebensinteressen?
Eine Person hält sich ständig in Österreich auf und es bestehen auch die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Österreich. Eine Wohnsitzmeldung oder die österreichische Staatsbürgerschaft alleine reichen nicht aus, um den Lebensmittelpunkt in Österreich anzunehmen.

Ihr Ehemann lebt und arbeitet in Nigeria, somit bestehen die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen nicht in Österreich, sondern in Nigeria."

Gegen den Rückforderungsbescheid richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom mit folgender Begründung:

"Gem § 2 Abs 8 Familienlastenausgleichgesetz 1967 haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

Nach der Rechtsprechung (VwGH 2011/13/0091) sind unter persönlichen Beziehungen all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, in dem er einen Wohnsitz hat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art.

Frau ***N*** sowie ihre drei Kinder halten sich seit März 2021 rechtmäßig in Österreich auf, die gültigen Aufenthaltstitel sowie Meldebestätigungen und Mietvertrag finden Sie in der Beilage.

Weiters geht Fr. ***N*** geregeltem Einkommen nach. Die Bestätigung des Dienstgebers sowie den Einkommensnachweis legen wir ebenfalls bei.

Weiters haben die Kinder ***Y***, ***X*** und ***Z***, welche im gemeinsamen Haushalt mit Frau ***N*** leben, laut Nachweis im Zeitraum von April 2021 und Mai 2022 regelmäßig den Kindergarten und Schule besucht.

So ergibt die Gesamtabwägung aller Umstände, dass Fr. ***N*** und Ihre Kinder im Zeitraum von April 2021 bis dato die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Österreich haben.

Nachdem wir die obengenannten Unterlagen dem Finanzamt beilegen stellen wir den Antrag, den Rückforderungsbescheid vom Finanzamt Österreich auf Rückzahlung der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrages aufzuheben."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab.

"[…] Die Aufenthaltsbewilligung "Schüler/Student" ermöglicht einem Drittstaatenangehörigen in Österreich zu studieren. Eine Nebenbeschäftigung wird geduldet, wenn dadurch der Fortgang im Studium nicht beeinträchtigt wird.

Ihre Aufenthaltsbewilligung "Student" wurde erstmals vom Magistrat der Stadt ***W*** am ausgestellt. Die derzeitige Verlängerung endet am . Die Aufenthaltsbewilligung der Kinder wurden als "Familiengemeinschaft" ausgestellt. Dem Ehegatten wurde vom Amt der *** Landesregierung der Aufenthaltstitel erstmals am der Aufenthaltstitel "Student" ausgestellt. Er endet am .

Folgende Nachweise liegen vor:
Mietvertrag
***W***, Einkommensnachweis des Ehegatten aus Nigeria, Mietvereinbarung des Ehegatten in Nigeria, Kontoauszüge von Ihnen, Schulbestätigungen der Kinder, Karten der Familie Aufenthaltsrecht "Student" und "Angehörige", Inskriptionsbestätigungen, Prüfungsnachweise.

Der Aufenthalt in Österreich wurde für die Zeit des Studiums bewilligt. Somit liegt kein Mittelpunkt der Lebensinteressen vor."

Dagegen wurde fristgerecht am ein Vorlageantrag eingebracht. Darin wird wie folgt ausgeführt:

"[…] In der Beschwerdevorentscheidung vom kommt die Behörde zu der Entscheidung, dass kein Mittelpunkt der Lebensinteressen von Frau ***N*** in Österreich, aufgrund des vorliegenden Aufenthaltstitels als Studentin, vorliegt. In diesem Sachverhalt liegt unserer Ansicht nach sehr wohl der Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich.

Bereits im Jahr 2012, nach einem Deutschlandaufenthalt, hat die Familie den Entschluss gefasst in ein deutschsprachiges Land auszuwandern. Im Jahr 2019 wurde beschlossen, dass die Familie ***N*** mit ihren drei Kindern nach Österreich auswandern wird. Die Familie hat beschlossen, dass zuerst Frau ***N*** mit den drei Kindern nach Österreich kommt und Herr ***N*** nachkommt. Frau ***N*** erschloss in Österreich alles notwendig und versuchte mit denKindern einen neuen Lebensmittelpunkt in Österreich aufzubauen, bevor der Ehegatte nach Österreich kam. Herr ***N*** konnte unter anderem aufgrund eines Todesfalls in der Familie nicht sofort nach Österreich kommen, außerdem verdiente Herr ***N*** noch ausreichend Geld, um das Vorhaben Auswanderung Österreich mit einer ordentlichen Finanzsituation bestreiten zu können. Ab dem Jahr 2020 kam dann das Coronavirus noch erschwerend hinzu. Während der Gatte noch zusätzlich Geld für das Vorhaben Österreich in Nigeria verdiente, gelang es Frau ***N*** und den drei Kindern einen neuen Lebensmittelpunkt in Österreich aufzubauen.

Der Ehegatte ist seit Oktober 2022 auch in Österreich erfolgreich gemeldet. Wie geplant lebt nun die gesamte Familie in Österreich. Es ist leider kein zeitlich durchgängiger gemeinsamer Haushalt möglich, da der Gatte in ***S*** studiert. Am Wochenende ist der Herr ***N*** bei Frau und den Kindern in ***W***. Mit Fertigwerden des Studiums wird dies viel mehr, da die Anwesenheit stetig rückläufig ist. Es sind ausreichende Finanzmittel vorhanden, da der Ehegatte in Nigeria einen guten Job hatte. Die entsprechenden Gehaltsnachweise sind bereits bei der Behörde. Herr ***N*** besitzt laut Auskunft des Klienten auch Kapitalbeteiligungen, welche einen Vermögenswert darstellen. Es wird laut Familie ***N*** beabsichtigt nach Abschluss des Studiums in Österreich zu verbleiben, anbei finden sie ein unterschriebenes Schriftstück der Familie, dass nach abgeschlossenem Studium kein Rückzug nach Nigeria geplant ist.

Der Mittelpunkt der Lebensinteressen wird im § 2 Abs 8 FLAG 1967 folgendermaßen erläutert: "Personen haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat. "

Der persönliche Mittelpunkt der Lebensinteressen von Frau ***N*** ist unter allen genannten Umständen in Österreich, da diese in Österreich neben ihrem Studium arbeitete und auch ihre Kinder in Österreich sind und hier die Schule bzw. den Kindergarten besuchen. Der wirtschaftliche Mittelpunkt von Frau ***N*** war auch in Österreich, da ihr Ehegatte einen Teil seiner Einkünfte seiner Ehegattin nach Österreich überwies, hierzu liegen die Unterlagen bereits bei der Behörde. Die engeren wirtschaftlichen Beziehungen bestehen in Österreich, da zum einen Einkünfte Vorlagen und zum anderen das Vermögen der Familie in Österreich investiert wurde.

Im Beschluss RV/7102797/2015 des in Verbindung mit und , wird darauf hingewiesen, dass der Aufenthalt zu Studienzwecken dem Mittelpunkt der Lebensinteressen am Studienort nicht entgegensteht. Frau ***N*** hat seit dem Jahr 2021 den Aufenthalt mit ihren Kindern in Österreich, daher ist der Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich, die zuvor erwähnten Urteile besagen, dass eine Aufenthaltsgenehmigung als Studentin dem Mittelpunkt der Lebensinteressen gem. § 2 Abs 8 FLAG 1967 nicht entgegensteht. Das ergibt sich auch aus demPlan der Familie, zuerst erfolgte der Zuzug von Frau ***N*** und den Kindern, nach sässig werden von Frau ***N*** ist ihr Ehegatte nachgekommen. Es besteht ein langfristiger Plan der Familie sich in Österreich zu integrieren und zu verwurzeln. Ein Rückzug nach Nigeria ist nicht geplant. Die Kinder sind im Kindergarten und der Schule bereits sehr gut verwurzelt und sprechen bereits deutsch.

[…]

Dem Vorlageantrag lag auch ein persönliches Schreiben der Beschwerdeführerin bei.

Mit Vorlagebericht vom wurde der Akt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Familienbeihilfe für Ihre Kinder ***X*** (geb. am ***124***), ***Y*** (geb. am ***125***) und ***Z*** (geb. am ***126***) ab 04/2021 wurde zunächst entsprochen.

Mit Bescheid vom wurde die Familienbeihilfe sowie Kinderabsetzbeträge für die drei Kinder für den Zeitraum April 2021 bis Mai 2022 zurückgefordert.

Die Beschwerdeführerin ist nigerianische Staatsbürgerin und seit in Österreich gemeldet.

Sie hat einen gültigen Aufenthaltstitel (Student). Ihr Hauptwohnsitz ist seit in ***Bf1-Adr***. Die Wohnung hat eine Größe von 79 m².

Im März 2021 holte die Beschwerdeführerin ihre 3 Kinder aus Nigeria zu sich nach Österreich. Die Kinder haben seit einen durchgehenden Aufenthaltstitel (Familiengemeinschaft mit Student). Sie waren seither nicht mehr in Nigeria.

Die Beschwerdeführerin ging ab Juli 2021 einer Teilzeitbeschäftigung nach.

Der Gatte der Beschwerdeführerin musste auf Grund eines bestehenden Dienstverhältnisses und auf Grund von familiären Verpflichtungen (sein Vater war verstorben) zunächst noch in Nigeria bleiben. Er ist seit April 2022 in Österreich. Zu Studienzwecken hatte er seinen Wohnsitz von November 2022 bis Februar 2023 in ***S***.

Der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Beschwerdeführerin liegt in Österreich.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind aktenkundig bzw ergeben sich diese aus den nicht der Aktenlage widersprechenden und auch von der belangten Behörde nicht widerlegten Ausführungen der Beschwerdeführerin.

Zum Mittelpunkt der Lebensinteressen: In einem persönlichen Schreiben der Beschwerdeführerin, dass dem Vorlageantrag beiliegt gibt sie an, dass der Wunsch in ein deutschsprachiges Land zu ziehen bereits 2012 entstanden sei, als ihr Ehemann von einer Reise nach Deutschland zurückgekehrte. Für Österreich habe man sich entschieden, weil es ein kleines Land mit guten Strukturen, wenig Vielfalt, gutem Essen und viel Kultur sei. Ursprünglich sei geplant gewesen, die Kinder für die Anton Bruckner International School anzumelden, dieser Plan sei wegen der Entfernung zu ihrem eigenen Studienort gescheitert.

Ihr Ehemann habe wegen eines bestehenden Dienstverhältnisses in Nigeria nicht sofort mit nach Österreich kommen können. Auch habe die Beschwerdeführerin und ihr Gatte jeweils den Vater verloren und hatte der Gatte der Bf., (so verlange es die Familientradition) noch einige Rituale durchzuführen.

Die Kinder seien bereits jetzt gut integriert und sprächen fließend Deutsch. Ihr Mann studiere nunmehr in ***S***. Da das Studium sehr anspruchsvoll sei, müsse er die ersten Semester in ***S*** wohnen. Er verbringe aber auch viel Zeit in ***W***, bei seiner Familie.

Es sei von Anfang an geplant gewesen, langfristig in Österreich zu bleiben. Die Familie fühle sich wohl, und habe Freunde gefunden.

Das Bundesfinanzgericht hält die Ausführungen der Beschwerdeführerin für glaubhaft, den Ausführungen wurde auch von der belangten Behörde nicht widersprochen.

Vor diesem Hintergrund können die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Nach § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder. Der Anspruch auf Familienbeihilfe wird durch Abs 8 der genannten Bestimmung an das Vorliegen einer weiteren Voraussetzung geknüpft, da nach diesem Absatz ein Anspruch nur für Personen besteht, wenn sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Erläuternd normiert der Gesetzestext, dass eine Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat hat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

§ 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967

Gemäß § 3 Abs. 1 FLAG 1967 haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, oder nach § 54 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 NAG oder nach § 54 AsylG 2005 rechtmäßig in Österreich aufhalten (§ 3 Abs. 2 FLAG 1967).

Zur Definition des Mittelpunktes der Lebensinteressen vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass eine Person zwar über mehrere Wohnsitze verfügen, jedoch nur einen Mittelpunkt der Lebensinteressen haben kann. Unter persönlichen Beziehungen sind dabei all jene zu verstehen, die jemand aus in seiner Person liegenden Gründen auf Grund der Geburt, der Staatsangehörigkeit, des Familienstandes und der Betätigungen religiöser und kultureller Art, mit anderen Worten nach allen Umständen, die den eigentlichen Sinn des Lebens ausmachen, an ein bestimmtes Land binden. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens bestehen im Regelfall die stärksten persönlichen Beziehungen zu dem Ort, an dem man regelmäßig und Tag für Tag mit seiner Familie lebt. Daraus folgt, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer verheirateten Person - bei gemeinsamer Haushaltsführung - regelmäßig am Ort des Aufenthaltes ihrer Familie zu finden sein wird (). Bei Bestehen mehrerer Wohnsitze sind die auf diese entfallenden Aufenthaltszeiten ein bedeutsames quantitatives Kriterium ().

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 89/14/0054, ausführte, normiert § 2 Abs. 8 FLAG 1967 den (ständigen) Aufenthalt eines Antragstellers im Inland nicht einmal als zwingende Voraussetzung für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Entscheidend ist vielmehr, ob sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Berufungswerberin in einem bestimmten Zeitraum in Österreich befunden hat oder nicht. Dabei ist jedenfalls zu berücksichtigen, dass es - allenfalls im Gegensatz zu vergangenen Zeiten - auf Grund der verstärkt zu erkennenden Mobilität beispielsweise durchaus immer häufiger der Fall ist, dass eine Berufsausbildung aber auch eine berufliche Tätigkeit über einen bestimmten Zeitraum an einem Ort, in einem anderen Zeitraum an einem anderen Ort ausgeübt wird und dies dazu führen kann, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen - auch mehrmals - verlagert. Gleiches gilt auch für die Aufnahme bzw. Beendigung persönlicher Beziehungen, die einen (wiederholten) Wohnortwechsel mit sich bringen können. Dies vorausgeschickt kommt den oben bereits erwähnten Aussagen des Verwaltungsgerichtshofes zum "Familienwohnsitz" für die Festlegung des Ortes, an welchem sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet, entscheidende Bedeutung zu

Für das Bundesfinanzgericht steht fest, dass die Beschwerdeführerin ab dem Zeitpunkt, als sie im März 2021 den gemeinsamen Wohnsitz mit ihren Kindern in Österreich begründet hat und an diesem Wohnsitz durchgehend und nicht nur überwiegend, sondern sogar ausschließlich lebt, auch eine Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen an den Ort des gemeinsamen Wohnsitzes mit den Kindern stattgefunden hat. Die Kinder besuchen hier die Schule bzw. den Kindergarten, die Beschwerdeführerin geht neben ihrem Studium einer Beschäftigung nach. Somit bestand im Beschwerdezeitraum Anspruch auf Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag.

Zu den Argumenten der belangten Behörde:

Begründet eine ausländische Studentin in Österreich mit ihren Kindern einen eigenen Wohnsitz, der auch regelmäßig benutzt wird, befindet sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich. Daran ändert auch eine überwiegende Kostentragung durch den noch in Nigeria lebenden Ehepartner nichts (vgl. auch UFSI vom , RV/0383-I/08).

Die Beschwerdeführerin hat glaubhaft dargetan, dass der Ehemann aus familiären und aus finanziellen Gründen noch in Nigeria verweilen musste. Ab November 2022 hatte auch er einen rechtmäßigen Aufenthaltstitel als Student in Österreich.

Wenn die belangte Behörde vermeint, dem Aufenthaltstitel "Student" stünde die Begründung eines Mittelpunktes der Lebensinteressen entgegen, ist dem entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten hat, dass ein Aufenthalt im Bundesgebiet zu Studienzwecken die Beurteilung nicht ausschließt, der oder die Studierende habe den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich (vgl. z.B. , und ).

Aus diesen Gründen war der Beschwerde vollinhaltlich stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Soweit im Beschwerdefall Rechtsfragen zu lösen waren, folgt das Bundesfinanzgericht der im Rahmen der rechtlichen Beurteilung angeführten Rechtsprechung des VwGH, weshalb gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden war.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100380.2023

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