Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.07.2024, RV/5101410/2016

1. Voraussetzung für eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist auch, dass die Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. 2. Vorliegen von Verlängerungshandlungen 3. Besteuerung von Einkünften eines in Österreich wohnhaften Gesellschafter-Geschäftsführers einer deutschen GmbH mit Ort der Geschäftsleitung in Deutschland

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/5101410/2016-RS1
Die Zulässigkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens hängt damit nicht nur von der Voraussetzung, dass (ua) Tatsachen neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, sondern auch von der weiteren Voraussetzung ab, dass die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Diese weitere Voraussetzung ist jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn der Spruch der im Fall einer tatsächlich erfolgten Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 307 Abs 1 BAO mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid zu verbindenden Sachentscheidung nicht anders lautet, als der Spruch des im abgeschlossenen Verfahren ergangenen Bescheides ().
RV/5101410/2016-RS2
Das Schreiben des Finanzamtes nimmt Bezug auf das Einkommen für die Zeiträume "seit Bestehen der Firma". Inhaltlich liegt somit eine Amtshandlung vor, die geeignet ist, die Verjährungsfrist um ein Jahr zu verlängern. In GZ 2001/15/0111 sprach der VwGH hinsichtlich eines Ersuchens um Ergänzung betreffend „2007 und Vorjahre“ aus, dass dieses nicht den angeführten Anforderungen an eine Verlängerungshandlung iSd § 209 Abs. 1 BAO für die Einkommensteuer 2003 entspricht. Im Betreff hat das Ersuchen lediglich den Vermerk "2007 und Vorjahre" enthalten und auch in weiterer Folge war nicht zu erkennen, welche Jahre das Ersuchen – abgesehen vom Jahr 2007 – konkret umfasst hat. Anders als im vom VwGH in GZ 2011/15/0111 zu beurteilenden Fall handelt es sich bei der Formulierung des gegenständlich zu beurteilenden Ersuchens um einen (geschlossenen) Zeitraum, der erkennen lässt, welche Jahre er konkret umfasst.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache Verlassenschaft nach ***Bf1***, zuletzt wohnhaft ***Bf1Adr***, vertreten durch LeitnerLeitner GmbH Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Ottensheimer Straße 32, 4040 Linz, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes ***1*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2012 und 2013, betreffend Einkommensteuer 2007 bis 2013 sowie über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***1*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer 2014, Steuernummer ***BF1StNr1***,

A. zu Recht erkannt:

I.1. Der Beschwerde betreffend Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2012 und 2013 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.

2. Den Beschwerden betreffend Einkommensteuer 2007 bis 2011 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.

Der Beschwerde betreffend Einkommensteuer 2014 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

B. beschlossen:

I. Die Beschwerden betreffend Einkommensteuer 2012 und 2013 werden gemäß § 261 Abs. 2 BAO als gegenstandslos erklärt.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1.a. Am reichte der Beschwerdeführer die Einkommensteuererklärungen 2012 und 2013 ein. Darin erklärte er ua. ausländische Einkünfte mit Progressionsvorbehalt i.H.v. € 55.665,00 für 2012 und i.H.v. € 57.000,00 für 2013, welche in gleicher Höhe für die Berechnung der Einkommensteuer in den entsprechenden Bescheiden 2012 und 2013, beide vom , übernommen wurde.

2.a. Im Jahr 2015 fanden bei der ***2***, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Beschwerdeführer war, eine Außenprüfung ua. betreffend die Körperschaftsteuer 2007 bis 2013 und beim Beschwerdeführer eine Außenprüfung ua. betreffend die Einkommensteuer 2007 bis 2013 statt.

b. Die Außenprüfung stellte in der Tz 1 des Berichtes über das Ergebnis der Außenprüfung vom betreffend den Beschwerdeführer fest, die ***2*** sei ein österreichisches Unternehmen, da sich der Ort der Geschäftsleitung in Österreich befinde, und die Bedingungen für die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht seien in Österreich erfüllt; diesbezüglich verwies der Prüfer auf Tz 1 im Schlussbesprechungsprogramm der ***2***. Der Beschwerdeführer sei alleiniger 100% Gesellschafter-Geschäftsführer der ***2*** und erhalte dafür eine Geschäftsführervergütung. Sein ständiger Wohnsitz befinde sich in Österreich. Alle Einkünfte einer natürlichen Person mit Wohnsitz in Österreich unterlägen der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht.

Hinsichtlich der Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2012 und 2013 wurde in Tz 2 dieses Berichtes über das Ergebnis der Außenprüfung vom hinsichtlich Sachverhalt und rechtlicher Würdigung festgehalten: "In den Jahren 2012 und 2013 wurden Einkommensteuererklärungen abgegeben und Einkommensteuerbescheide erstellt. Hier wurden die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und die deutschen Einkünfte für den Progressionsvorbehalt berücksichtigt. In Tz. 1 wurde festgestellt, dass [der Beschwerdeführer] nur noch Einkünfte bezieht die unbeschränkt zu besteuern sind. Die Feststellungen in Tz. 1 sind neue Tatsachen, die in den abgeschlossenen Verfahren für 2012 und 2013 nicht bekannt gewesen sind. Daher sind hier Wiederaufnahmen der Verfahren gemäß § 303 (1) BAO erforderlich."

c. In Tz 1 des Berichtes über das Ergebnis der Außenprüfung bei der ***2***, ebenfalls vom , führt das Finanzamt nach Wiedergabe der gesetzlichen Normen und damit zusammenhängender Literatur und Judikatur im Wesentlichen an, der Beschwerdeführer als alleiniger Gesellschafter, Geschäftsführer und einziger Dienstnehmer der ***2*** sei mit dem betrieblichen Pkw zu Kunden in Österreich und auf Messen gefahren und habe dort Munition und Teile von Jagdwaffen sowie Wildwarngeräte vorgestellt. Die ***2*** habe Vermittlungsprovisionen von einem Händler erhalten, von dem die Kunden die Produkte gekauft hätten. Am deutschen Sitz der Gesellschaft befinde sich das Büro des Steuerberaters und der gewerblichen Buchhaltung. Beide erfüllen im Auftrag der Gesellschaft die Vertretung in steuerlichen Angelegenheiten, die Erstellung des Jahresabschlusses, die laufende Buchhaltung und die Entgegennahme von Poststücken, griffen aber in das Tagesgeschäft nicht ein. Sämtliche Gegenstände des Betriebsvermögens befänden sich nicht am deutschen Sitz. Dieses befinde sich in Österreich am Wohnsitz des Beschwerdeführers - ein Büroraum im Erdgeschoss und Lagerräumlichkeiten im Keller im Wohnhaus, das der Gattin gehöre. Die beiden Pkw der Gesellschaft seien dauerhaft auf dem Privatgrund geparkt. Es gäbe zwei Mobiltelefone mit österreichischen Nummern und ein österreichisches Festnetztelefon. Vom Festnetztelefon seien Telefonate mit großteils betrieblichen Hintergrund getätigt worden. Somit sei davon auszugehen, dass sich der Ort der Geschäftsleitung in Österreich befinde.

d. Sodann erließ das Finanzamt am Wiederaufnahmebescheide betreffend die Einkommensteuer 2012 und 2013 und (neue) Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2013.

In beiden Wiederaufnahmebescheiden führte das Finanzamt an, die Wiederaufnahme erfolgte aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind.

In den Einkommensteuerbescheiden berücksichtigte es die - jeweils um Privatanteile für die Nutzung mehrerer PKWs, Betriebsausgabenpauschalen, in Deutschland bezahlte (Sozial)Versicherungsbeiträge und Grundfreibeträge korrigierten - Geschäftsführerbezüge der ***2*** als (unbeschränkte) Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

3. Nach verlängerter Beschwerdefrist reichte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom , beim Finanzamt eingelangt am , Beschwerde gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme der Einkommensteuer 2012 und 2013 sowie gegen die Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2013 ein. Darin bringt er im Wesentlichen vor, hinsichtlich der Veranlagungsjahre 2007 und 2008 sei mangels entsprechender Verlängerungshandlungen Verjährung eingetreten; diese wäre von Amts wegen zu beachten. Die Geschäftsführervergütungen seien in Deutschland zu versteuern, da die ***2*** ein in Deutschland ansässiges Unternehmen sei und die Einkünfte somit von der österreichischen Einkommensteuer befreit seien; diesbezüglich werde auf die Beschwerde der ***2*** verwiesen. Es liege zudem kein Wiederaufnahmegrund vor, da eine bloße rechtliche Umqualifizierung keinen Wiederaufnahmegrund darstelle; das Finanzamt habe davon Kenntnis gehabt, dass der Beschwerdeführer Einkünfte als Geschäftsführer der ***2*** beziehe, diese habe er im Rahmen des Progressionsvorbehaltes erklärt. Bereits im Jahr 2000 habe es entsprechende Ermittlungen über das Tätigwerden des Beschwerdeführers gegeben; schon damals sei der Beschwerdeführer für die ***2*** für deren Marktaufbereitung bzw. den Vertrieb von Jagd- und Sportartikel in Österreich zuständig und somit hauptsächlich in Österreich tätig gewesen und habe keinen Zweitwohnsitz in Deutschland besessen. Dies habe sich auch in den Jahren 2012 und 2013 nicht geändert.

Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide 2012 und 2013 sowie der Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2013. Weiters beantragte er eine mündliche Verhandlung und die Entscheidung durch den Senat und dass die mündliche Verhandlung nicht öffentlich stattfindet.

4.a. Am wurden die Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide 2012 und 2013 mit Beschwerdevorentscheidungen als unbegründet abgewiesen. In der Begründung verwies das Finanzamt auf den Prüfungsbericht und die darüber aufgenommene Niederschrift sowie auf die Stellungnahme des Prüfers.

b. Die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 wurden mit Beschwerdevorentscheidungen vom als unbegründet abgewiesen; begründend führte das Finanzamt aus, in den Jahren 2012 bis 2014 bzw. 2013 bis 2014 seien laufend Verlängerungshandlungen gesetzt worden: Amtshilfeersuchen an die deutschen Abgabenbehörden über das CLO im Jahr 2013, Ergänzungsersuchen an das Finanzamt ***12*** vom und Betriebsprüfungsverfahren 2015.

c. Die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2009 bis 2013 wurden mit Beschwerdevorentscheidungen vom als unbegründet abgewiesen. In der Begründung verwies das Finanzamt auf die umfangreichen Ausführungen im Betriebsprüfungsbericht und die Stellungnahme des Prüfers.

5. Mit Schreiben vom , beim Finanzamt eingelangt am , beantragte der Beschwerdeführer betreffend die Wiederaufnahmebescheide 2012 und 2013 sowie die Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2013 die Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag). In der Begründung brachte er ergänzend vor, die Verweise auf die Ausführungen im Betriebsprüfungsbericht und die Stellungnahme des Prüfers tragen den in der Beschwerde vorgebrachten Argumenten nicht Rechnung. Hinsichtlich der Verjährung führte er aus, die in den Beschwerdevorentscheidungen angeführten Amtshandlungen seien nicht als Verlängerungshandlungen iSd § 209 Abs. 1 BAO zu qualifizieren. Dem Rechtshilfeersuchen vom fehle die Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruches, insbesondere auch des Abgabenzeitraumes. Der Aktenvermerk des Finanzamtes ***12*** vom über die USt-Nachschau sei keine nach außen erkennbare Amtshandlung, zudem betreffe er den Nachschauzeitraum 2011 bis 2012. Das Auskunftsersuchen an das Bundesministerium für Finanzen in Deutschland im Jahr 2013 umfasse explizit nur die NoVA und die KfzSt bis . Somit seien im jeweiligen fünfjährigen Verjährungszeitraum keine die Einkommensteuer 2007 und 2008 betreffende Verlängerungshandlungen gesetzt worden und seien diese Zeiträume somit verjährt.

Weiters wiederholte er die Anträge hinsichtlich mündlicher Verhandlung und Entscheidung durch den Senat.

6.a. Am reichte der Beschwerdeführer die Einkommensteuererklärung 2014 elektronisch ein und erklärte ua. ausländische Einkünfte mit Progressionsvorbehalt i.H.v. € 43.016,04 sowie außergewöhnliche Belastungen für die auswärtige Berufsausbildung des Sohnes im Ausmaß von 12 Monaten.

b. Am erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2014 und setzte Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.H.v. € 48.873,00 an. Begründend führte es aus, für das Jahr 2014 lägen die gleichen Verhältnisse wie für die Jahre 2007 bis 2013 vor. Den Pauschbetrag für die auswärtige Berufsausbildung berücksichtigte das Finanzamt erklärungsgemäß.

c. In der Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 beantragte der Beschwerdeführer das Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung und die Festsetzung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.H.v. € 0,00. In der Begründung brachte er vor, der Ort der Geschäftsleitung sei nicht in Österreich, und verwies zudem auf die Beschwerde und den Vorlageantrag betreffend die Einkommensteuer 2007 bis 2013.

Weiters beantragte der Beschwerdeführer eine mündliche Verhandlung, die Entscheidung durch den Senat und dass die mündliche Verhandlung nicht öffentlich stattfindet.

7. Am wurden die Akten betreffend die Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide 2012 und 2013 sowie die Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2013 und - ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung - der Einkommensteuerbescheid 2014 dem Bundesfinanzgericht vorgelegt. Begründend führte das Finanzamt aus, aufgrund der in den Jahren 2012, 2013 und 2014 unternommenen Verlängerungshandlungen verlängere sich die Verjährungsfrist bis ins Jahr 2015, in dem die Außenprüfung erfolgt sei, hinsichtlich der Jahre 2007 und 2008 sei somit Verjährung noch nicht eingetreten. Der Ort der Geschäftsleitung der ***2*** liege in Österreich, der Beschwerdeführer sei daher in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig.

8. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichts vom wurde der gegenständliche Akt dem bisher zuständig gewesenen Richter gemäß § 9 Abs 9 BFGG abgenommen und der Gerichtsabteilung ***3*** zugewiesen.

9. Im Erörterungsgespräch am wurden der Antrag auf mündliche Verhandlung und jeder auf Entscheidung durch den Senat zurückgenommen. Zudem wurde der Sachverhalt dargelegt, weder seitens des Beschwerdeführers noch vom Finanzamt wurden dazu neue Vorbringen erstattet.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer war im Streitzeitraum 100% Gesellschafter-Geschäftsführer der ***2***, deren Sitz sich in ***4***, Deutschland befindet (siehe Protokoll über den Erörterungstermin vom im Beschwerdeverfahren der ***2***, RV/5101411/2016).

Der Beschwerdeführer wohnte im strittigen Zeitraum bis in der ***5*** und danach in ***6***, Österreich. Am TT. Februar 2024 ist der Beschwerdeführer verstorben (siehe Abfrage des Zentralen Melderegisters vom ).

2. Das Finanzamt verfügte nach der Außenprüfung mit Bescheiden vom die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2012 und 2013 (siehe Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2012 und Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2013, beide vom ; siehe auch Punkt 2. des Verfahrensganges).

In den Einkommensteuerbescheiden 2012 und 2013 vom hat das Finanzamt erstmals die Einkünfte des Beschwerdeführers aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der ***2*** als solche aus selbständiger Arbeit angesetzt (siehe Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013 vom und vom ).

3. Im Ersuchen um Rechtshilfe vom forderte das Finanzamt ***1*** das Finanzamt ***11*** in Deutschland unter anderem auf, Ablichtungen der Steuererklärungen und Beilagen sowie einen Einkommensnachweis des namentlich genannten Geschäftsführers der ***2***, also des Beschwerdeführers, seit Bestehen der Firma zu übermitteln.

Dieses Ersuchen wurde ohne Zustellnachweis an das Finanzamt ***11*** übermittelt (siehe Stellungnahme des Finanzamtes vom ) und von diesem nicht beantwortet (siehe handschriftlicher Vermerk auf dem Ersuchen vom und Stellungnahme des Betriebsprüfers vom ).

4. Im Auskunftsersuchen vom ersuchte Österreich Deutschland um einen Informationsaustausch auf Ersuchen mit der Bitte um eine spezielle behördliche Ermittlung nach der Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG und verlangte Informationen über den Beschwerdeführer und die ***2*** hinsichtlich der Steuerart Normverbrauchsabgabe und Kraftfahrzeugsteuer für den Ermittlungszeitraum 01/01/2007 bis 06/06/2013, da der Verdacht bestehe, dass es sich bei der Firmenadresse der ***2*** um einen Scheinsitz handle, um der österreichischen Normverbrauchsabgabe und Kfz-Steuer zu entgehen (siehe Auskunftsersuchen vom ).

Dieses Ersuchen wurde beantwortet (siehe am Ende des Auskunftsersuchens vom ).

5. Im Ersuchen des Finanzamtes ***1*** an das Finanzamt ***12*** (Deutschland) vom wurde für die im Betreff angeführte Firma ***2*** um Ergänzung folgender Unterlagen gebeten: Kopien der Bilanzen samt Beilagen für die Jahre ab 2009, Kopien von allenfalls durchgeführten Prüfungen, Kopien von allenfalls vorhandenen Schreiben des Beschwerdeführers etc. Das Ersuchen erfolgte "in erster Linie zur Vorschreibung der Normverbrauchsabgabe und der Kfz-Steuer" (siehe Ersuchen vom ).

Dieses Ersuchen wurde beantwortet (siehe Schreiben des Finanzamtes ***12*** vom ).

6. Die Haupttätigkeit der ***2*** war im Streitzeitraum die Vermittlung von Geschäftsabschlüssen im Bereich Jagd- und Sportschützenausrüstung für ein österreichisches Unternehmen, wofür die GmbH eine Vermittlungsprovision erhielt. Zudem entwickelte und vertrieb sie Wildwarner (siehe Protokoll über den Erörterungstermin vom im Beschwerdeverfahren der ***2***, RV/5101411/2016).

Steuern und Lohnabgaben führte die ***2*** in Deutschland ab (siehe Vorlageantrag vom und Protokoll über den Erörterungstermin vom , beide im Beschwerdeverfahren der ***2***, RV/5101411/2016).

Geschäftsführer und einziger Mitarbeiter der ***2*** war der Beschwerdeführer. Im Regelfall hielt er sich zweimal wöchentlich am Standort in ***4*** auf, wo er alle anfallenden Bürotätigkeiten erledigte, die sich aus den Reisetätigkeiten an den übrigen Tagen ergeben hatten. Bei der Reisetätigkeit wurden in der Regel drei bis vier Kunden in Österreich und Deutschland besucht (siehe Protokoll über den Erörterungstermin vom im Beschwerdeverfahren der ***2***, RV/5101411/2016).

7. Am Sitz der ***2*** befand sich das Steuerbüro ***7*** und das Buchhaltungsbüro ***8*** (siehe Protokoll über den Erörterungstermin vom im Beschwerdeverfahren der ***2***, RV/5101411/2016).

An der Fassade des Hauses war ein Hinweisschild angebracht, dass sich dort auch die Firma ***2*** befand (siehe Foto (Kopie 16), welches im Zuge des Erörterungstermins vom im Beschwerdeverfahren der ***2***, RV/5101411/2016, vorgelegt wurde).

8. Der Geschäftsführer verfügte dort über einen Schreibtisch und Regale im Steuerbüro seines Buchhalters, dieses war ein nicht abschließbares Büro in einem größeren Raum. Er hatte einen Schlüssel zu den Räumlichkeiten und dort wichtige Unterlagen, Rechnungen, Produktkataloge usw. gelagert. Miete wurde keine bezahlt, diese wurde in der Gesamtabrechnung der Buchhaltungsarbeiten durch den Buchhalter berücksichtigt (siehe Vorlageantrag vom und Protokoll über den Erörterungstermin vom , beide im Beschwerdeverfahren der ***2***, RV/5101411/2016).

Die Geschäftspost ging an den Sitz der ***2*** in Deutschland. Die ***2*** verfügte über ein deutsches Bankkonto (siehe Protokoll über den Erörterungstermin vom im Beschwerdeverfahren der ***2***, RV/5101411/2016).

Der Beschwerdeführer besaß im Streitzeitraum ein Mobiltelefon mit einer österreichischen Nummer (siehe Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung bei der ***2*** vom ). Den Großteil der dienstlichen Gespräche führte der Beschwerdeführer mit seinem Mobiltelefon (siehe Protokoll über den Erörterungstermin vom im Beschwerdeverfahren der ***2***, RV/5101411/2016).

9. Am Wohnsitz des Beschwerdeführers in Österreich waren im Kellergeschoß Waffen, Munition und vereinzelt Vorführobjekte gelagert. Dafür bezahlte die ***2*** an die Ehegattin des Beschwerdeführers - der Eigentümerin des Wohnhauses - ein Entgelt, da der Beschwerdeführer nach Dienstschluss seine Waffen sicher verwahren musste und diese waffenrechtlich nicht im Auto lagern durfte (siehe Protokoll über den Erörterungstermin vom im Beschwerdeverfahren der ***2***, RV/5101411/2016).

Beim Kellerraum handelte es sich weder um einen Ausstellungs- noch um einen Verkaufsraum (siehe Beschwerde der ***2*** vom ); eine Lagerung von Handelswaren oder Geschäftsunterlagen erfolgte dort nicht (siehe Protokoll über den Erörterungstermin vom im Beschwerdeverfahren der ***2***, RV/5101411/2016).

Das seitens des Finanzamtes als Büro bezeichnete Zimmer am Wohnsitz des Beschwerdeführers war 9,88 m² groß und als Jugendzimmer des Sohnes in Verwendung (siehe Fotos, Rechnung und Einrichtungsplan (Kopien 10 bis 14), welche im Zuge des Erörterungstermins vom im Beschwerdeverfahren der ***2***, RV/5101411/2016, vorgelegt wurden). Der Sohn des Beschwerdeführers, geboren 1994, hat bis Mitte 2013 die HTL besucht und von Oktober 2013 bis März 2014 seinen Präsenzdienst absolviert; ab Oktober 2014 studierte er in Salzburg (siehe Beschwerde der ***2*** vom , siehe auch https://www.yumpu.com/***/***9*** abgefragt am ).

Das am Schreibtisch im Jugendzimmer stehende Telefon war ein Haustelefon, mit dem keine Gespräche nach außen geführt werden konnten. Das Festnetztelefon befand sich in der Diele, von dem aus fallweise dienstliche Gespräche geführt wurden (siehe Protokoll über den Erörterungstermin vom im Beschwerdeverfahren der ***2***, RV/5101411/2016).

Das bereits vollständig abgeschriebene Inventar der ***2*** befand sich im Streitzeitraum nicht mehr in betrieblicher Nutzung und auch nicht im Jugendzimmer am Wohnsitz (siehe Protokoll über den Erörterungstermin vom im Beschwerdeverfahren der ***2***, RV/5101411/2016). Es handelte sich dabei um Wärmeschränke und diverse Großküchengeräte aus der Zeit, als die ***2*** noch Großkücheneinrichtungen vertrieben hat (siehe Vorlageantrag der ***2*** vom ).

10. Der Ort der Geschäftsleitung der ***2*** befand sich im Streitzeitraum in ***4***, Deutschland.

11. In den Jahren 2007 bis 2011 hat der Beschwerdeführer keine Einkünfte in Österreich erzielt. Im Jahr 2012 erzielte er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. € 7.186,57, im Jahr 2013 i.H.v. € 4.396,94 und im Jahr 2014 i.H.v. € 342,00 (siehe Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2013, alle vom , und Einkommensteuerbescheid 2014 vom ).

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den in Klammer angeführten Unterlagen und aufgrund folgender Überlegungen:

1. Die Ausführungen zum Sitz und zur Ausstattung in Deutschland ergeben sich aus dem unwidersprochen gebliebenen Parteivorbringen und aus den beim Erörterungstermin am im Beschwerdeverfahren der ***2***, RV/5101411/2016, vorgelegten Unterlagen. Diese wurden dem Finanzamt im Rahmen des Parteiengehörs im streitgegenständlichen Verfahren vorgehalten; das Finanzamt hat dazu keine Stellungnahme abgegeben. Zudem wurden diese Sachverhaltselemente beim Erörterungstermin am besprochen; die Parteien haben dagegen keine Einwendungen erhoben und den Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes auch nicht widersprochen.

2. Die Angaben zur Anwesenheit am Sitz in ***4*** ergeben sich aus den Parteivorbringen und aus den gleichlautenden Angaben des deutschen Steuerberaters im Beschwerdeverfahren der ***2***, RV/5101411/2016. Diese erscheinen dem Bundesfinanzgericht als glaubwürdig und werden im vorliegenden Verfahren auch vom Finanzamt nicht angezweifelt.

3. Das vom Finanzamt als Büro bezeichnete Zimmer am Wohnsitz wurde vom Beschwerdeführer nicht als solches benutzt. Dies ergibt sich aus den beim Erörterungstermin am im Beschwerdeverfahren der ***2***, RV/5101411/2016, vorgelegten Unterlagen, die die Einrichtung des Zimmers als Jugendzimmer zeigen.

Der gegenteilige persönliche Eindruck des Prüfers während des Prüfungsverfahrens bei der ***2*** steht dem nicht entgegen. Zwischen einem Jugendzimmer eines jungen Erwachsenen und einem Büroraum ergeben sich Überschneidungen. So gibt die ***2*** in der Beschwerde vom selbst an, dass das ehemalige Jugendzimmer des Sohnes von der Familie "jetzt" (im Jahr 2016) als Arbeitszimmer genutzt wird, jedoch nicht für Zwecke der ***2***. Es waren auch keine Akten der ***2*** in diesem Raum.

Zudem kann es sich bei der im Anlagenverzeichnis 2008/2009 angeführten Geschäftsausstattung der ***2*** entgegen der Ansicht des Finanzamtes (siehe Stellungnahme des Außenprüfers vom ) nicht um jene Möbel handeln, die sich im Jugendzimmer am Wohnsitz des Beschwerdeführers befinden, weil zum einen aus der Rechnung betreffend die Möbel des Jugendzimmers hervorgeht, dass dieses 1997 angeschafft wurde, die Geschäftsausstattung der ***2*** wurde jedoch in den Jahren 1991, 1996 und 1998 angeschafft, und zum anderen die Gegenstände nicht mit jenen übereinstimmen, die sich im Jugendzimmer befinden. Im Übrigen hat das Finanzamt während des Erörterungstermins im Beschwerdeverfahren der ***2*** am und auch während des Erörterungstermins am im streitgegenständlichen Verfahren nicht eingewandt, dass die von der ***2*** vorgelegten Unterlagen betreffend das Jugendzimmer nicht die vom Außenprüfer vorgefundene Einrichtung wiedergegeben hätte.

4. Die fallweise Nutzung der Kellerräume erklärt sich schlüssig daraus, dass die Waffen und die Munition, die der Beschwerdeführer zur Produktvorführung benötigte, ordnungsgemäß gelagert werden mussten, da der Beschwerdeführer diese Gegenstände nicht im Auto lagern durfte. Die im Keller gelagerten Waren wurden nicht an Kunden vertrieben. So führt auch das Finanzamt in Tz 1 des Berichtes über das Ergebnis der Außenprüfung bei der ***2*** vom aus, dass diese Munition beim Kunden vorgeführt und getestet wurde. Dass es am Wohnsitz des Beschwerdeführers zu Produktvorführungen gekommen wäre, wird weder vom Beschwerdeführer angegeben noch vom Finanzamt vorgebracht und ergibt sich auch nicht aus dem Akteninhalt.

Bei einem Teil der im Keller gelagerten Munition wird es sich auch um private Munition gehandelt haben, wie der Beschwerdeführer im Betriebsprüfungsverfahren bei der ***2*** eingewandt hat. Dieses Vorbringen ist für das Bundesfinanzgericht nachvollziehbar und glaubwürdig, da sowohl der Beschwerdeführer selbst als auch sein Sohn im Streitzeitraum passionierte Jäger und erfolgreiche Tontaubenschützen waren (siehe bspw. Artikel in den ***10*** vom , beigelegt dem Vorlageantrag der ***2***).

5. Hinsichtlich des Festnetzanschlusses kann dessen fallweise betriebliche Nutzung für die ***2*** festgestellt werden. Aufgrund der Lage des Telefons in der Diele des Wohnhauses (siehe Protokoll über den Erörterungstermin vom im Beschwerdeverfahren der ***2***, RV/5101411/2016) erscheint eine überwiegende betriebliche Nutzung unwahrscheinlich. Zu den vom Festnetzanschluss geführten Telefonaten mit dem Provisionsgeber und diversen Lieferanten gab der Beschwerdeführer während der Außenprüfung an, dass er und seine Gattin diese Personen auch privat kennen würden und entsprechend Privatgespräche führen würden, was vom Finanzamt nicht in Zweifel gezogen wurde (siehe Tz 1 des Berichtes über das Ergebnis der Außenprüfung bei der ***2*** vom : "Dies mag auch fallweise zutreffen.").

Zudem war der Beschwerdeführer überwiegend im Außendienst tätig, worüber zwischen den Parteien Einigkeit besteht. Dabei nutzte er zweifellos das Mobiltelefon mit österreichischer Telefonnummer, auf die auch die Homepage der ***2*** hingewiesen hat (siehe Protokoll über den Erörterungstermin vom im Beschwerdeverfahren der ***2***, RV/5101411/2016).

6. Insgesamt kann somit festgestellt werden, dass keine wesentliche betriebliche Nutzung des Wohnhauses in Österreich durch die ***2*** stattgefunden hat.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt A.I. (Erkenntnis)

3.1.1. zu Spruchpunkt A.I.1. (Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2012 und 2013):

1. Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag der Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

2. Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme auf Antrag die betreffende Partei, bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die für die Entscheidung über die Wiederaufnahme zuständige Behörde. Nur dieser solcherart festgelegte Tatsachenkomplex bildet die "Sache", dh den Gegenstand des Wiederaufnahmsverfahrens. Ein Austausch von Wiederaufnahmsgründen im Beschwerdeverfahren (also eine Bestätigung der Wiederaufnahme aus anderen Gründen) ist unzulässig (vgl. ).

Wird auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung oder auf den Bericht und dort auf einzelne Textziffern in den Feststellungen verwiesen, so ist dies zulässig ().

3. Das Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel ist ausschließlich aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens und nicht aus anderen Verfahren, bei denen diese Tatsachen möglicherweise erkennbar waren, zu beurteilen. Das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln iSd § 303 Abs 1 lit b BAO bezieht sich folglich auch auf den Wissensstand (auf Grund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen) des jeweiligen Veranlagungsjahres ().

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht geführt hätten. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse (neuen Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - sind keine. Die nachteiligen Folgen einer früheren unzutreffenden Würdigung oder Wertung des der Partei bekannten Sachverhaltes oder einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung lassen sich demnach bei unveränderter Tatsachenlage nicht nachträglich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigen ().

Wiederaufnahmsgründe sind nur entscheidungswesentliche Sachverhaltselemente (vgl zB ; ). Dies sind solche, die im neuen Sachbescheid zu berücksichtigen, somit seinen Spruch zu beeinflussen geeignet sind (vgl zB Stoll, BAO, 2917).

Die Zulässigkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens hängt damit nicht nur von der Voraussetzung, dass (ua) Tatsachen neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, sondern auch von der weiteren Voraussetzung ab, dass die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Diese weitere Voraussetzung ist jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn der Spruch der im Fall einer tatsächlich erfolgten Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 307 Abs 1 BAO mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid zu verbindenden Sachentscheidung nicht anders lautet, als der Spruch des im abgeschlossenen Verfahren ergangenen Bescheides ().

4. Bei der Ermessensübung, die zu begründen ist, hat die Abgabenbehörde unter Bedachtnahme auf die amtswegige Wahrheitsermittlungspflicht (§ 115 Abs 1 BAO) grundsätzlich der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) den Vorrang vor der Rechtsbeständigkeit (Rechtskraft) einzuräumen.

5. Der Beschwerdeführer hat am die Einkommensteuererklärungen 2012 und 2013 beim Finanzamt eingereicht. Abgesehen von der Bekanntgabe von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung hat er jeweils die KZ 440 befüllt. Zu diesen ausländischen Einkünften, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, hat er keinerlei zusätzliche Angaben gemacht.

Die Einkommensteuern 2012 und 2013 wurden zunächst in den jeweiligen Bescheiden vom unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer in den Erklärungen bekannt gegebenen ausländischen Einkünfte ermittelt.

Als Wiederaufnahmegrund führte das Finanzamt an, dass der Beschwerdeführer nur noch Einkünfte bezieht, die unbeschränkt zu besteuern sind, und verwies auf Tz 1 des Berichtes über das Ergebnis der Außenprüfung beim Beschwerdeführer vom . Dort stellte das Finanzamt fest, die ***2*** sei ein österreichisches Unternehmen, und verwies auf Tz 1 des Berichtes über das Ergebnis der Außenprüfung bei der ***2*** vom selben Tag. Darin wurden mehrere Tatsachen angeführt.

6. Gegenständlich ging das Finanzamt davon aus, dass sowohl neu hervorgekommene Tatsachen vorliegen, als auch, dass deren Kenntnis im abgeschlossenen Verfahren zu anders lautenden Bescheiden geführt hätte. Das Finanzamt nahm daher die entsprechenden Verfahren mit Bescheid wieder auf und erließ auch tatsächlich anders lautende neue Sachbescheide.

Nach Ansicht des Beschwerdeführers hat das Finanzamt eine bloße rechtliche Umqualifizierung vorgenommen und waren dem Finanzamt die genaueren Umstände des Beschwerdeführers und seiner deutschen GmbH seit dem Jahr 2000 bekannt; an diesen Umständen hat sich in den Jahren 2012 und 2013 nichts geändert.

Letzterem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer in den Einkommensteuererklärungen 2012 und 2013 keine weiterführenden Angaben zu seinen (ausländischen) Einkünften gemacht hat. Das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismittel ist aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen und es kommt auf den Wissensstand insbesondere auf Grund der Abgabenerklärungen und der Beilagen des jeweiligen Veranlagungsjahres an. Auch wenn Tatsachen der Abgabenbehörde etwa in einem früheren Veranlagungsjahr bekannt waren, hindert dies ein Neuhervorkommen in einem späteren Jahr nicht.

7. Für die Zulässigkeit der Wiederaufnahme ist eine Voraussetzung, dass (ua) Tatsachen neu hervorkommen, eine weitere Voraussetzung ist aber, dass die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Mit anderen Worten ist eine Wiederaufnahme dann unzulässig, wenn- in Stattgebung der Beschwerde hinsichtlich der neuen Sachbescheide - für die Jahre 2012 und 2013 gleichlautende Einkommensteuerbescheide wie bereits vor Wiederaufnahme des Verfahrens (in den abgeschlossenen Verfahren) erlassen werden.

Den Beschwerden betreffend Einkommensteuer 2007 bis 2011 und 2014 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben, da sich der Ort der Geschäftsleitung der ***2*** in diesen Zeiträumen in Deutschland befunden hat (siehe unten Pkt 3.1.3.). Der Ort der Geschäftsleitung der ***2*** befand sich auch in den Jahren 2012 und 2013 in Deutschland; diesbezüglich wird auf die Begründung in Pkt. 3.1.3. verwiesen. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ist die Kenntnis der vom Finanzamt als neu hervorgekommen beurteilten Tatsachen nicht geeignet, im Spruch gegenüber den ursprünglichen Sachbescheiden anders lautende Bescheide herbeizuführen. Zwingende Konsequenz, dass sich der Ort der Geschäftsleitung der ***2*** in Deutschland befindet, ist aber, dass die oben aufgezeigte, über das neue Hervorkommen von Tatsachen hinausgehende weitere Voraussetzung für die Wiederaufnahme jedenfalls nicht erfüllt ist (). Bereits aus diesem Grund ist der Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide 2012 und 2013 zu entsprechen.

Im vorliegenden Fall kann damit nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes dahingestellt bleiben, ob das Finanzamt einen eine Wiederaufnahme rechtfertigenden Grund in den Wiederaufnahmebescheiden 2012 und 2013 bzw. im Prüfungsbericht genannt hat.

Somit erübrigen sich auch weitere Ausführungen zum Vorbringen des Beschwerdeführers, eine bloße rechtliche Umqualifizierung stelle keinen Wiederaufnahmegrund dar, sowie hinsichtlich des Ermessens.

3.1.2. zu Spruchpunkt A.I.2. (Verjährung der Einkommensteuer 2007 und 2008):

1. Gemäß § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung. Nach dem ersten Satz des Abs. 2 leg. cit. beträgt die Verjährungsfrist bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre.

2. Gemäß § 209 Abs. 1 BAO idF BGBl. I Nr. 163/2015 verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr, wenn innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen werden. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.

Eine Verlängerungshandlung iSd § 209 Abs. 1 BAO setzt voraus, dass die Abgabenbehörde in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise etwas zur Feststellung des Steueranspruches unternimmt (vgl. ). An den Abgabepflichtigen gerichtete Vorhalte, Anfragen oder Aufforderungen zur Vorlage von Unterlagen verlängern die Verjährungsfrist, wobei derartige Schreiben der Abgabenbehörde nur hinsichtlich jener Abgaben Verlängerungswirkung zukommt, auf die das Schreiben Bezug nimmt, wobei ein implizites Abzielen auf die Geltendmachung bestimmter Abgabenansprüche ausreicht (vgl. wiederum ; ). Die Amtshandlung muss erkennen lassen, welche Abgaben und Jahre sie konkret umfasst ().

Schriftliche Erledigungen verlängern die Verjährungsfrist nur dann, wenn sie ihren Empfänger erreicht haben, diesem somit zugestellt wurden (). Allerdings muss die Amtshandlung nicht gegen den Abgabenschuldner selbst gerichtet sein (). Die behördlichen Schritte müssen der schließlich als Abgabenschuldner in Anspruch genommenen Person nicht zur Kenntnis gelangt sein (; ; ), damit ihnen Verlängerungswirkung zukommt.

3. Ohne Verlängerungshandlungen würde für die Einkommensteuer 2007 mit Ablauf des Jahres 2012 und für die Einkommensteuer 2008 mit Ablauf des Jahres 2013 (Festsetzungs-)Verjährung eintreten.

Im vorliegenden Fall vermeint das Finanzamt, das Rechtshilfeersuchen vom , das Auskunftsersuchen vom , das Ergänzungsersuchen vom und das Betriebsprüfungsverfahren im Jahr 2015 verlängern die Verjährungsfristen hinsichtlich der Einkommensteuer 2007 und 2008 um jeweils ein weiteres Jahr. Nach Ansicht des Beschwerdeführers handelt es sich weder beim Rechtshilfeersuchen vom noch beim Auskunftsersuchen vom um eine Verlängerungshandlung iSd § 209 Abs. 1 BAO.

a. Im Rechtshilfeersuchen vom an das deutsche Finanzamt ***11*** ersucht das Finanzamt ***1*** um Übermittlung von Ablichtungen der Steuererklärungen und Beilagen sowie einen Einkommensnachweis des namentlich genannten Geschäftsführers seit Bestehen der Firma ***2***. Dieses Schreiben nimmt somit Bezug auf das Einkommen des Beschwerdeführers als deren Geschäftsführer und zwar für die Zeiträume "seit Bestehen der Firma", also seit 1984. Somit zielt dieses Rechtshilfeersuchen auf die Geltendmachung bestimmter Abgabenansprüche (u.a. Einkommensteuer 2007 und 2008) ab, nämlich jene seit Bestehen der Firma. Inhaltlich liegt somit eine Amtshandlung vor, die geeignet ist, die Verjährungsfrist um ein Jahr zu verlängern. Wenn der Beschwerdeführer im Vorlageantrag einwendet, das Rechtshilfeersuchen lasse die von der Rechtsprechung geforderte Konkretisierung hinsichtlich der Veranlagungsjahre 2007 und 2008 vermissen, so ist dies aus den angeführten Gründen nicht richtig. Anders als im vom VwGH in GZ 2011/15/0111 zu beurteilenden Fall (in dem er hinsichtlich eines Ersuchens um Ergänzung betreffend "2007 und Vorjahre" ausführte, dieses entspricht den angeführten Anforderungen an eine Verlängerungshandlung iSd § 209 Abs. 1 BAO für die Einkommensteuer 2003 nicht, weil es im Betreff lediglich den Vermerk "2007 und Vorjahre" enthält und auch in weiterer Folge nicht erkennen lässt, welche Jahre das Ersuchen - abgesehen vom Jahr 2007 - konkret umfasst) handelt es sich hier um einen (geschlossenen) Zeitraum, der nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes erkennen lässt, welche Jahre er konkret umfasst.

Nicht festgestellt werden konnte aber, ob dieses Rechtshilfeersuchen dem Finanzamt ***11*** auch zugestellt wurde. Einen Zustellnachweis konnte das Finanzamt ***1*** nicht vorlegen. Das Ersuchen wurde auch nicht beantwortet.

b. Fest steht, dass das Auskunftsersuchen vom lediglich die Normverbrauchsabgabe und die Kraftfahrzeugsteuer für den Zeitraum Jänner 2007 bis Juni 2013 umfasst hat, nicht jedoch die Körperschaftsteuer (bei der ***2***) oder die Einkommensteuer beim Beschwerdeführer. Diese beiden Abgabenarten wurden vom ersuchenden Staat nicht ausgewählt. Somit entspricht dieses Auskunftsersuchen nicht den angeführten Anforderungen an eine Verlängerungshandlung iSd § 209 Abs. 1 BAO hinsichtlich der Einkommensteuer 2007 und 2008. Daran ändern auch die Ausführungen des ersuchenden Staates hinsichtlich des Verdachtes, dass es sich bei der Firmenadresse der ***2*** um einen Scheinsitz handle, nichts, da wiederum nur auf die Normverbrauchsabgabe und die Kraftfahrzeugsteuer eingegangen wird.

c. Im Ersuchen vom wurde das deutsche Finanzamt ***12*** um Unterlagen gebeten, die benötigt wurden "in erster Linie zur Vorschreibung der Normverbrauchsabgabe und der Kfz-Steuer". Zwar deutet diese Formulierung darauf hin, dass die Unterlagen für das österreichische Finanzamt auch für die Vorschreibung anderer Abgabenansprüche relevant sein könnten, genannt wurden diese Abgaben aber nicht. Im Schreiben wurde ua. um Übermittlung von Kopien der Bilanzen samt Beilagen für die Jahre ab 2009 ersucht. Bei den anderen angeforderten Unterlagen wurden keine zeitlichen Einschränkungen gemacht, allerdings lässt die Formulierung des Ersuchens nicht erkennen, dass - abgesehen von den Jahren "ab 2009" - auch die Jahre 2007 und 2008 konkret umfasst waren. Schließlich wird im Betreff nur die Firma ***2*** angeführt, der Beschwerdeführer selbst wird nur hinsichtlich allenfalls vorhandener von ihm verfasster Schreiben beim deutschen Finanzamt namentlich erwähnt. Auch diese Formulierung lässt nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes nicht erkennen, dass diese Schreiben des Beschwerdeführers in Zusammenhang mit dessen Einkommensteuer 2007 und 2008 stehen. Vielmehr beziehen sich diese auf die im Betreff angeführte ***2***. Daraus ein zumindest implizites Abzielen auf die Geltendmachung dieser Abgabenansprüche abzuleiten, geht somit zu weit. Gleiches gilt für die Ausführungen im Ersuchen hinsichtlich des Ortes der Geschäftsleitung. Somit liegt auch im Jahr 2014 keine Verlängerungshandlung iSd § 209 Abs. 1 BAO hinsichtlich der Einkommensteuer 2007 und 2008 vor.

d. Unabhängig davon, ob das Rechtshilfeersuchen vom an das Finanzamt ***11*** zugestellt wurde und somit eine Verlängerungshandlung iSd § 209 Abs 1 BAO darstellt, ist jedenfalls in Ermangelung von Verlängerungshandlungen in den Jahren 2013 und 2014 für die Einkommensteuer 2007 bzw. im Jahr 2014 für die Einkommensteuer 2008 Verjährung eingetreten; im Jahr 2015 durften - unabhängig davon, dass in diesem Jahr auch die Betriebsprüfung der streitgegenständlichen Jahre stattgefunden hat und diese unzweifelhaft eine Verlängerungshandlung iSd § 209 Abs. 1 BAO darstellt - daher Einkommensteuern für 2007 und 2008 nicht mehr festgesetzt werden.

Den Beschwerden betreffend die Einkommensteuer 2007 und 2008 war daher zu entsprechen.

3.1.3. zu Spruchpunkt A.I.2. (Einkommensteuer 2009 bis 2011 und 2014):

1. Gemäß Art 16 Abs. 2 des Abkommens vom , BGBl. III Nr. 182/2002 (AÖF Nr. 214/2002), zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen idF des Abänderungsprotokolls vom , BGBl. III Nr. 32/2012 (in der Folge kurz DBA-D) dürfen Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer einer Gesellschaft bezieht, die in dem anderen Vertragsstaat ansässig ist, im anderen Staat besteuert werden.

Derartige Bezüge werden zur Besteuerung somit dem Staat überlassen, in dem die diese Bezüge zahlende Gesellschaft ansässig ist (Quellenstaat; siehe Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I/1 Aufsichtsratsvergütungen (Stand , rdb.at) Z 16 Anm 1).

2. Für Belange der Körperschaftsbesteuerung verknüpft das KStG 1988 die unbeschränkte Steuerpflicht in erster Linie mit dem Ort der Geschäftsleitung; befindet sich dieser im Inland, tritt sonach unbeschränkte Steuerpflicht ein.

Zum Ort der Geschäftsleitung enthält § 27 Abs. 2 BAO folgende Aussage: Als Ort der Geschäftsleitung ist der Ort anzunehmen, an dem sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung befindet.

Ist eine Kapitalgesellschaft nach ausländischem Recht errichtet und befindet sich daher auch ihr statutarischer Sitz im Ausland, vermag die Finanzverwaltung aber festzustellen, dass der Ort der Geschäftsleitung im Inland gelegen ist, dann unterliegt diese ausländische Gesellschaft der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht in Österreich (doppelt ansässige Gesellschaft). Gewinnverlagerungen in Domizilgesellschaften (ds im Wesentlichen funktionslose Gesellschaften, die lediglich ihren statutarischen Sitz im Ausland haben) können auf diese Art unterbunden werden; denn auch der inländische Wohnsitz des leitenden Geschäftsführers einer solchen ausländischen Gesellschaft kann als Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung angesehen werden (Loukota/Jirousek/Schmidjell-Dommes/Daurer, Internationales Steuerrecht I/1 I. Unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht (Stand , rdb.at) Z 00 Anm 40).

Der Ort der Geschäftsleitung ist dort, wo der für die Geschäftsführung maßgebende Wille gebildet wird, wo also die für die Führung des Unternehmens notwendigen und wichtigen Maßnahmen angeordnet werden, wo die unternehmenslenkenden Dispositionen getroffen werden. Welche Maßnahmen für die Führung des Unternehmens notwendig und wichtig sind, muss im Einzelfall gewichtet und abgewogen werden. Wo die unternehmenslenkenden Dispositionen vollzogen und wirksam werden, ist für die Frage nach dem Ort der Geschäftsleitung nicht wesentlich (Loukota/Jirousek/Schmidjell-Dommes/Daurer, Internationales Steuerrecht I/1 I. Unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht (Stand , rdb.at) Z 00 Anm 42).

Unter gewissen Voraussetzungen kann die Annahme gerechtfertigt sein, eine Gesellschaft habe überhaupt keinen Ort der Geschäftsleitung. Bei dezentralisierter Geschäftsführung ist der Ort der Geschäftsleitung dort, wo sich die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht bedeutungsvollste Stelle befindet (Ritz/Koran, BAO7 § 27 Rz 5). Dabei ist nach einer qualitativ-quantitativen Methode vorzugehen. Zunächst sind die geschäftsleitenden Entscheidungen (qualitativ) zu bestimmen und danach ist festzustellen, an welchem Ort die überwiegende Zahl dieser Entscheidungen (quantitativ) getroffen wird (Achatz/Kirchmayr, KStG, § 1 Tz 57).

Entscheidend ist das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse in organisatorischer Hinsicht (; ). Daher ist nicht ausschlaggebend, wer rechtlich zur Geschäftsführung befugt ist, sondern wo alle für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden (zB ; Drüen in Tipke/Kruse, AO, § 10 Tz 1). Welche Anordnungen wie maßgebenden sind, wird insbesondere davon abhängen, welche Art der Tätigkeit ausgeübt wird (zB Lechner in Stoll-FS, 401). Maßgebend ist die laufende Geschäftsführung. Zu ihr gehören die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt, und solche organisatorische Maßnahmen, die zur gewöhnlichen Verwaltung der Gesellschaft gehören ("Tagesgeschäfte", ; ). Es kommt nicht auf die Handlungen im laufenden Tagesgeschäft selbst an, sondern auf jene wesentlichen Geschäftsentscheidungen, die dann im Tagesgeschäft umgesetzt werden. Für die Beurteilung sind nach der Rechtsprechung insb Art, Umfang, Struktur und Eigenart des Unternehmens zu berücksichtigen (BFH , I R 22/90, BStBl II 554). Zu ihnen gehören nicht die Festlegung der Grundsätze der Unternehmenspolitik und die Mitwirkung der Gesellschafter an ungewöhnlichen Maßnahmen bzw an Entscheidungen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung (BFH , I K 1/93, BStBl 1995 II 175, zu Kapitalgesellschaften).

Der Sitz einer juristischen Person ist der rechtsgeschäftlichen Bestimmung der Parteien (nur) insoweit zugänglich, als die gesetzlichen Vorschriften Wahlmöglichkeiten eröffnen. Entspricht der statutarisch bestimmte Sitz nicht den gesetzlichen Vorgaben, oder wird an einem gesetzlich zulässigen Ort der maßgebende Sachverhalt nicht verwirklicht, liegt ein Scheinsitz vor. Ein Scheinsitz liegt bei einer GmbH etwa dann vor, wenn sich an dem satzungsmäßig bestimmten Ort weder ein Betrieb noch die Geschäftsleitung befindet und auch keine Verwaltung geführt wird. Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl zB , V R 51/93, BStBl II 1996, 620; , V B 135/98, BFH/NV 1999, 1253) liegt ein Scheinsitz vor, wenn am angegebenen Firmensitz weder Geschäftsleitungs- und Arbeitgeberfunktionen noch Behördenkontakte und Zahlungsverkehr stattfinden.

Ein Scheinsitz ist abgabenrechtlich ohne Bedeutung (Ritz/Koran, BAO7, § 27 Tz 1; Stoll, BAO, 349; ; ). Für die Bestimmung des abgabenrechtlichen Sitzes ist in diesen Fällen auf den Ort der Geschäftsleitung abzustellen (Achatz/Kirchmayr, KStG, § 1 Tz 85f).

Der Ort der Geschäftsleitung wird im Allgemeinen in der Praxis dort angenommen, wo sich das Büro des Oberleiters befindet. Im Fall einer kaufmännischen und einer technischen Leitung ist der Ort des kaufmännischen Büros entscheidend (BFH , BFH/NV 2002, 1128). Sind Büroräume nicht erforderlich und auch tatsächlich nicht vorhanden, kann der Wohnsitz des leitenden Geschäftsführers als Ort der geschäftlichen Oberleitung herangezogen werden (vgl bereits RFH , RStBl 1934, 1078; ; zum Fall einer ausländischen Domizilgesellschaft, die an ihrem ausländischen Sitz keine Geschäftstätigkeit entfaltet; vgl. Achatz/Kirchmayr, KStG, § 1 Rz 42).

Die Feststellung des Ortes der Geschäftsleitung ist unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen (§ 167 Abs. 2 BAO; freie Beweiswürdigung). Dabei genügt es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überwiegende Wahrscheinlichkeit oder gar Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (vgl. ).

3. Gemäß Art 23 Abs. 2 lit a und d DBA-D wird bei einer in der Republik Österreich ansässigen Person die Steuer wie folgt festgesetzt: Bezieht eine in der Republik Österreich ansässige Person Einkünfte und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen in der Bundesrepublik Deutschland besteuert werden, so nimmt die Republik Österreich diese Einkünfte von der Besteuerung aus. Einkünfte einer in der Republik Österreich ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in der Republik Österreich auszunehmen sind, dürfen gleichwohl in der Republik Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen der Person einbezogen werden.

Österreich wendet somit grundsätzlich die Befreiungsmethode unter Progressionsvorbehalt an.

4. Der Sitz der ***2*** war im hier strittigen Zeitraum unstrittig in ***4***, Deutschland. Die Gesellschaft war im Streitzeitraum in der Vermittlung von Geschäftsabschlüssen im Bereich Jagd- und Sportschützenausrüstung sowie in der Entwicklung und im Vertrieb von Wildwarnern tätig. Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der GmbH. Büro- oder Vertriebsmitarbeiter wurden nicht beschäftigt.

Bei der Beurteilung, wo die wichtigen Entscheidungen für den "normalen", dh gewöhnlichen laufenden Geschäftsbetrieb getroffen werden, ist daher allein auf den Beschwerdeführer abzustellen. Der Ort der Geschäftsleitung liegt dort, wo er diese Entscheidungen trifft bzw. wo er seinen Arbeitsplatz hat.

Die ***2*** gibt in ihrer Beschwerde vom an, der Beschwerdeführer wickelte seine Vermittlungsgeschäfte ausschließlich vor Ort beim Kunden (in Österreich und in Deutschland), bei seiner Auftraggeberin sowie auf Messen und diversen anderen Veranstaltungen ab; in ***4*** wurden vom Beschwerdeführer jedoch die Bankunterlagen bei der Bank abgeholt, die Post bearbeitet, Abrechnungen vorgenommen, sämtliche Korrespondenz erledigt, Verwaltungs- und Buchhaltungsaufgaben entweder selbst wahrgenommen oder an die Mitarbeiter des vor Ort befindlichen Buchhaltungsbüros zur Bearbeitung weitergegeben und Termine mit der Bank oder dem steuerlichen Vertreter der ***2*** wahrgenommen.

Der Beschwerdeführer verbrachte im Streitzeitraum in der Regel drei Tage im Außendienst und zwei Tage in seinem Büro bzw. an seinem Arbeitsplatz bei der ***2*** in ***4*** (Deutschland). Es ist davon auszugehen, dass er an diesen Tagen im Büro die wichtigen Entscheidungen bei der Aufarbeitung der Außendiensttätigkeit und des Posteinganges getroffen hat. Nur wenn ein solcher Arbeitsplatz samt Archiv für die Geschäftsunterlagen in Deutschland nicht vorhanden wäre, könnte man auf den Wohnsitz des Geschäftsführers zurückgreifen. Dass sein Arbeitsplatz kein eigenes, absperrbares Büro war, sondern lediglich ein Teil eines großen Raumes mit Schreibtisch und Schränken, aber funktionell ausgestattet, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern.

Dass diese wichtigen Entscheidungen während der Fahrt oder bei Kundenbesuchen getroffen wurden, erscheint nicht wahrscheinlich; ebensowenig, dass diese Entscheidungen getroffen wurden, wenn der Beschwerdeführer nach einem Arbeitstag an seinen Wohnsitz zurückkehrte und dort sein Familienleben und seine Freizeit stattfanden.

In freier Beweiswürdigung ist demnach davon auszugehen, dass der Ort der Geschäftsleitung der ***2*** nach der Gesamtbetrachtung der Verhältnisse des konkreten Beschwerdefalls am Arbeitsplatz des Beschwerdeführers in ***4*** (Deutschland) gelegen ist.

Da der in Österreich wohnhafte Beschwerdeführer im Streitzeitraum Vergütungen in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft bezogen hat, sind derartige Bezüge gemäß Art 16 Abs. 2 DBA-D zur Besteuerung somit dem Staat überlassen, in dem die diese Bezüge zahlende Gesellschaft ansässig ist, somit Deutschland. Österreich hat daher die Vergütungen des Beschwerdeführers, die dieser in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der ***2*** im Zeitraum von 2009 bis 2014 bezogen hat, unter Progressionsvorbehalt steuerfrei zu stellen.

Den Beschwerden hinsichtlich der Einkommensteuer 2009 bis 2011 und 2014 war daher zu entsprechen.

5. Hinsichtlich der Einkommensteuer 2014 hat der Beschwerdeführer für seinen Sohn für das gesamte Kalenderjahr 2014 außergewöhnliche Belastungen für eine Berufsausbildung außerhalb des Wohnortes geltend gemacht.

Gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 gelten Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 110 Euro pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.

Der Sohn des Beschwerdeführers hat im Oktober 2014 sein Studium in Salzburg begonnen, daher steht nur für drei Monate der Pauschbetrag zu.

3.2. Zu Spruchpunkt B.I. (Beschluss - Gegenstandsloserklärung hinsichtlich der Beschwerde betreffend Einkommensteuer 2012 und 2013):

1. Wird einer Bescheidbeschwerde gegen einen gemäß § 299 Abs. 1 BAO oder § 300 Abs. 1 BAO aufhebenden Bescheid oder gegen einen die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid (§ 307 Abs. 1 BAO) entsprochen, so ist gemäß § 261 Abs. 2 BAO eine gegen den den aufgehobenen Bescheid ersetzenden Bescheid (§ 299 Abs. 2 BAO bzw. § 300 Abs. 3 BAO) oder eine gegen die Sachentscheidung (§ 307 Abs. 1 BAO) gerichtete Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) oder mit Beschluss (§ 278 BAO) als gegenstandslos zu erklären.

2. Den Beschwerden gegen die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2012 und 2013 wurde entsprochen (siehe Spruchpunkt A.I.1.a.). Die Gegenstandsloserklärung der Bescheidbeschwerde liegt nicht im Ermessen und war daher zwingend auszusprechen.

3.3. Zu Spruchpunkt A.II. und B.II (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist nicht zulässig, da es sich ausschließlich um die Beantwortung von Tatfragen handelt und die zugrunde liegenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des VwGH und das Gesetz ausreichend beantwortet sind.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 16 Abs. 2 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise






BFH , I R 22/90
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5101410.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at