Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.07.2024, RV/4100029/2021

Option zur unbeschränkten Steuerpflicht

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Richter*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen der festgesetzten Abgabe sind am Schluss der Ausführungen zur rechtlichen Beurteilungen (II, 3.1.) angeführt und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer reichte am die "Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2018" ein und machte hierbei Werbungskosten für Familienheimfahrten geltend. Mit Datum vom wurde vom Beschwerdeführer die "Bescheinigung der ausländischen Steuerbehörde zur Einkommensteuererklärung für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums" eingereicht (Formular E9). Mit Bescheid vom wurde von der belangten Behörde von der Festsetzung der Einkommensteuer gemäß § 206 lit.c BAO Abstand genommen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass mangels Vorliegen einer Optionserklärung zur unbeschränkten Steuerpflicht es zu einer Steuernachforderung kommen würde. Der Beschwerdeführer habe am einen Antrag auf Veranlagung nach § 102 Abs. 3 EStG gestellt (gemeint war von der belangten Behörde wohl § 102 Abs. 1. Z. 3 EStG). Da bei der Berechnung der Einkommensteuer bei beschränkter Steuerpflicht ein Betrag von 9.000 € dem Einkommen hinzuzurechnen sei, würde eine Veranlagung zur Einkommensteuer bei beschränkter Steuerpflicht eine Nachzahlung zur Folge haben. Um diese Nachzahlung zu vermeiden, hätte er die Möglichkeit, den Antrag auf Veranlagung im Wege einer Berufung (nunmehr: Beschwerde) zurückzuziehen. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit werde daher von einer Festsetzung der Abgabe Abstand genommen, da der behördliche Verwaltungsaufwand außer Verhältnis zur Höhe der festgesetzten Abgabe stehe. Weiters führte das Finanzamt aus, dass der Pflichtige die Möglichkeit hätte, einen Antrag gemäß § 1 Abs. 4 EStG zu stellen, um als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden. Er müsse hierfür die Formulare E9 und L1i einreichen und die darin enthaltenen Erfordernisse nachweisen. Im Falle einer Veranlagung bei unbeschränkter Steuerpflicht entfiele die Hinzurechnung des Betrages von 9.000 Euro zum Einkommen. Mit Datum vom wurde von der beschwerdeführenden Partei die Beilage L 1i zum Formular L1 und beinhaltend der Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 4 EStG nachgereicht. Am erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde, in der er die Option in die unbeschränkte Steuerpflicht als nicht berücksichtigt rügte. Mit Vorhalt vom ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer bekanntzugeben, ob Auslandseinkünfte vorhanden sind und diese mit entsprechenden Lohnabrechnungen nachzuweisen. Mit Unterfertigung vom reichte der Beschwerdeführer erneut das Formular E9 ein. Mit Bescheid vom wurde die Beschwerde mittels Beschwerdevorentscheidung abgewiesen. Das Finanzamt führte aus, dass mangels Vorlage von entsprechenden Unterlagen bzw. einer detaillierten Stellungnahme die Beschwerde abzuweisen gewesen sei. Mit Beschwerde (gemeint war vom Beschwerdeführer wohl: Vorlageantrag) vom erklärte der Beschwerdeführer, dass er in keiner anderen Firma außer der Firma Holz ****Firma**** beschäftigt gewesen sei, dies vom bis . Mit Vorhalt vom wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde dargelegt, dass, um beurteilen zu können, ob seine Beschwerde berechtigt sei, er bekanntgeben müsse, wo er in der Zeit vom bis (gemeint war von der belangten Behörde wohl: vom bis ) gearbeitet habe und was er in dieser Zeit an Lohn erhalten habe. Ohne diese Information könne auch das Bundesfinanzgericht nicht über die Beschwerde entscheiden. Das Finanzamt forderte den Beschwerdeführer auf, die Informationen zu übermitteln und die nötigen Belege vorzulegen. Im Vorlagebericht führte die belangte Behörde aus, dass, da die Voraussetzungen für die unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 4 EStG aus Sicht des Finanzamtes nicht vorlagen, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen gewesen sei. Ausführlich ergänzend führte die belangte Behörde über Nachfrage des erkennenden Gerichts aus, dass kurzfristig beschäftigte ausländische Arbeitnehmer ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich in der Regel beschränkt steuerpflichtig seien, weil sich diese Personen nie unter Umständen in Österreich aufhielten, die darauf schließen ließen, dass es nicht nur vorrübergehend sei. Einen Wohnsitz begründe der Arbeitnehmer nicht, wenn der Arbeitgeber ihm lediglich eine Schlafstelle zur Verfügung stelle, die er mit anderen Personen teilen müsse. Saisonarbeiter und Erntehelfer verfügten im Inland daher meist über keinen Wohnsitz im Sinne des § 26 Abs. 1 BAO. Verfüge ein ausländischer Saisonarbeiter im Inland nicht über einen Wohnsitz im Sinne des § 26 Abs. 1 BAO, könne er aufgrund seines gewöhnlichen Aufenthaltes unbeschränkt steuerpflichtig sein, wenn er eine Arbeitsbewilligung oder einen Arbeitsvertrag für eine Dauer von mehr als sechs Monaten besitzt oder ein zusammenhängender Aufenthalt im Inland länger als sechs Monate dauere. Laut aufliegenden Lohnzettel sei der Beschwerdeführer vom bis bei der Firma ****Firma**** in Österreich als Forstarbeiter beschäftigt gewesen. Aus den Grunddaten des Beschwerdeführers, welchen die Informationen aus dem zentralen Melderegister zugrunde liegen, ergäbe sich, dass der Beschwerdeführer vom bis mit Nebenwohnsitz in ***Adr1*** gemeldet gewesen wäre. Laut eingereichter Erklärung (Formular L1) und dem Finanzamt vorliegenden Informationen habe der Beschwerdeführer in Österreich weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt, weshalb der Beschwerdeführer nur beschränkt steuerpflichtig sei. Der Beschwerdeführer habe am mittels L1 die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung eingebracht. Durch die bloße Abgabe eines Formulars L1 werde weder ein Antrag auf Veranlagung als beschränkt steuerpflichtig (§ 102 Abs. 1 Z. 3 EStG) noch ein Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 Abs. 4 EStG) gestellt. Durch die Abgabe des Formulars L1 werde nur ein Antrag auf Veranlagung bei unbeschränkter Steuerpflicht gestellt. Da im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für eine Veranlagung bei unbeschränkter Steuerpflicht nicht vorliegen, habe das Finanzamt mit Bescheid vom und mit Beschwerdevorentscheidung vom die Arbeitnehmerveranlagung 2018 bzw. die Beschwerde mangels Vorlage von entsprechenden Unterlagen bzw. einer detaillierten Stellungnahme und Voraussetzungen als unbeschränkt Steuerpflichtiger behandelt zu werden, abgewiesen. Ein Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 4 EStG könne durch Abgabe der Formulare L1, L1i (auszufüllen seien die Punkte 1. und 6.) gestellt werden. Auf Verlangen des Finanzamtes sei zwingend das Formular E9 als Nachweis über die Auslandseinkünfte vorzulegen. Der Wille des Beschwerdeführers, einen Antrag Behandlung als unbeschränkt steuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 4 EStG zu stellen, sei durch Abgabe des Formulars E9 zwar erkennbar, aber mangels Antragstellung (L1i) nicht möglich. Der Beschwerdeführer gebe im Formular E9 keine Einkünfte, die im Ansässigkeitsstaat der Besteuerung unterlägen, bekannt. Ein glaubhafter Nachweis betreffend Einkünfte über das erste Halbjahr 2018 wurde vom Beschwerdeführer trotz mehrmaliger Aufforderung (auf die erhöhte Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten werde verwiesen) nicht erbracht. Das Finanzamt könne aufgrund fehlender Nachweise die Voraussetzungen für die Option nicht überprüfen. In einer nachfolgenden Stellungnahme führte das Finanzamt aus, dass die Antragstellung mittels Formular L1 doch erfolgt sei und der Beschwerdeführer vom bis einen Nebenwohnsitz in ***Adr2*** gehabt habe. Als Unterkunftgeber sei die Firma Holz ****Firma**** GmbH registriert gewesen. Dem Finanzamt lägen keine weiteren Informationen dazu vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Sacherhalt gründet sich auf die vorliegende Aktenlage, dem Vorbringen und Vorlagen des Beschwerdeführers, den Auskünften der belangten Behörde und den Erwägungen des erkennenden Gerichts.

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger der Republik Bosnien und Herzegowina und (mit Unterbrechungen) seit dem Jahr 2003 als Saisonarbeiter in Österreich beschäftigt. Seit dem Jahr 2003 ist er an verschiedenen Orten in Österreich mit Nebenwohnsitz gemeldet, im streitgegenständlichen Jahr in ***Adr1*** und ***Adr2***. Die Meldungen laut ZMR (zentrales Melderegister) in Österreich umfassen in diesem Jahr den Zeitraum von bis . Als Arbeitgeber im Zeitraum bis fungierte die Holz ****Firma**** GmbH. Der Beschwerdeführer hat für den streitgegenständlichen Zeitraum den Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 4 EStG gestellt. Die Formulare L1, L1i und E9 wurden von ihm für das betreffende Jahr 2018 eingereicht. Der Beschwerdeführer selbst führte im Formular L1i aus, dass er keinen Wohnsitz in Österreich hat, im Formular L1 wird jedoch als Wohnanschrift eine Adresse in Österreich genannt. Der Beschwerdeführer verfügt über keine Einkünfte gem. § 1 Abs. 4 EStG in Höhe von über 11.000 €, die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegen.

2. Beweiswürdigung

Streitgegenständlich war die Frage, ob der Beschwerdeführer mit seinen Einkünften in Österreich der beschränkten oder unbeschränkten Einkommensteuerpflicht unterlag. Eine unbeschränkte Steuerpflicht liegt gemäß 1 Abs. 2 EStG 1988 vor, wenn eine natürliche Person im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Der Beschwerdeführer arbeitete seit vielen Jahren saisonbedingt in Österreich. Hierfür wurden ihm in den letzten Jahren mehrere Wohnungen zur Verfügung gestellt. Es entspricht nach Ansicht des Gerichts den gewöhnlichen Lebensumständen, dass ein seit 15 Jahren in Österreich arbeitender und an verschiedenen Orten wohnhaft gemeldeter Arbeitnehmer diese Wohnsitze auch faktisch regelmäßig benützt. Im Jahr 2018 betrafen die Meldungen praktisch das ganze Jahr. Es ist davon auszugehen, dass ein längerer Aufenthalt es erfordert, dass auch persönliche Gegenstände hierin verwahrt werden, ferner Möglichkeiten zum Waschen und der Essenszubereitung gegeben sind. Eingedenk der Entfernung zum Ansässigkeitsorts des Beschwerdeführers in Bosnien von über 600 km und einer Fahrtdauer, die je nach Strecke und Verkehrssituation ca. 7 bis 9 Stunden in eine Richtung beträgt, ist anzunehmen, dass eine oftmalige Fahrt nach Bosnien eingedenk der Einkommenssituation unwirtschaftlich und beschwerlich ist. Auch aus der Höhe der geltend gemachten Werbungskosten ist ersichtlich, dass die Fahrt nur selten getätigt wurde. Somit ist von einem längeren Aufenthalt und Nutzung der Wohnung in Österreich auszugehen. Obwohl durch diese Erwägungen davon auszugehen ist, dass eine Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2 EStG gegeben ist, muss berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer im Formular L1i explizit eine Wohnung in Österreich verneint hat. Im offenkundigen Gegensatz dazu führt er im Formular L 1 als derzeitige Wohnanschrift ***Adr2*** in Kärnten an. Auf Grund der zahlreichen Meldungen über Wohnsitze in Österreich, die zeitlich deutlich über den Zeitrahmen der Beschäftigung liegen und den anderen oben angeführten Gründen geht das Gericht davon aus, dass ein Wohnsitz in Österreich gegeben ist und die widersprüchlichen Ausfüllungen der Formulare lediglich auf Verständigungsprobleme zurückzuführen sind.

Zum Problemkreis der Einkünfte gemäß § 1 Abs. 4 EStG ist auszuführen, dass es für das Gericht glaublich ist, dass die in dieser Bestimmung erwähnten, nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte weniger als 11.000 Euro betragen. Es wurde vom Beschwerdeführer mehrmals das E9 Formular eingereicht, in dem der Beschwerdeführer ausführt, dass er keine Einkünfte im Ansässigkeitsstaat bezieht. Diese Formulare wurden auch behördlich bestätigt und mit einem Siegel versehen. Es liegen keine Anzeichen vor, dass dieses nicht authentisch ist. Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, dass diese Eingabe insoweit inhaltlich nicht stimmig ist, dass doch Einkünfte im Ansässigkeitsstaat bezogen werden, geht das Gericht davon aus, dass diese unter 11.000 € liegen. Hierbei war zu erwägen, wie hoch der bezogene Lohn in Österreich im Jahr 2018 gewesen ist, die generelle Einkommenssituation in Österreich und Bosnien, die Beschäftigung, die der Beschwerdeführer nachgeht sowie diese Umstände in den zuvor veranlagten Jahren. Nach Ansicht des Gerichts gibt es sowohl weder vom curriculum vitae des Beschwerdeführers noch von der Art der Beschäftigung her Anzeichen hierfür, dass er in Bosnien deutlich mehr verdient hat, als in Österreich, was für den Fall der Nichtanwendbarkeit der Bestimmung des § 1 Abs. 4 EStG jedoch notwendig wäre. Da die Echtheit der Bestätigung und die Angaben des Beschwerdeführers nicht anzuzweifeln und keine Indizien gegeben sind, die eine betragsmäßige Infragestellung der Anwendbarkeit des § 1 Abs. 4 EStG nahelegen, ist nach Ansicht des Gerichts dem Antrag stattzugeben.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Zum Wohnsitz

Gemäß 26 Abs. 1 BAO liegt ein Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften dort vor, wo der Steuerpflichtige eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Ein Wohnsitz i.S.d. 26 Abs. 1 BAO ist an die objektive Voraussetzung des Besitzes einer Wohnung geknüpft (). Erforderlich ist, dass der Steuerpflichtige die Wohnung "innehat", sie also jederzeit für die eigenen Wohnbedürfnisse nutzen kann (vgl. ). Dieses "Innehaben" muss unter Umständen erfolgen, die darauf schließen lassen, dass der Steuerpflichtige die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Um einen Wohnsitz zu begründen, bedarf es der tatsächlichen Verfügungsmacht über bestimmte Räumlichkeiten, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sind, also ohne wesentliche Änderungen jederzeit zum Wohnen benutzt werden können und ihrem Inhaber nach Größe und Ausstattung ein dessen persönlichen Verhältnissen entsprechendes Heim bieten (; ; ). In diesem Sinne können auch Untermietzimmer, im Fall einer Dauermiete sogar Hotelzimmer eine Wohnung und damit einen Wohnsitz gemäß § 26 Abs. 1 BAO darstellen (; ). Da ein Mensch mehrere Wohnungen haben kann, sind gleichzeitig auch mehrere Wohnsitze möglich. In welchem zeitlichen Ausmaß eine Wohnung tatsächlich genutzt wird, ist nicht entscheidend (). Auch eine nur teilweise Einrichtung reicht aus (). Nach dem Verwaltungsgerichtshof ist nicht entscheidend, in welchen Ausmaß eine Wohnung tatsächlich genutzt wird, insbesondere trifft es nicht zu, dass nach der VwGH-Rechtsprechung eine bestimmte Mindestanzahl von jährlichen Nächtigungen Voraussetzung dafür ist, eine Wohnung als Wohnsitz im Sinne des § 26 Abs. 1 BAO zu qualifizieren (VwGH, , Ra 2019/15/0145)

Damit Räumlichkeiten nach der Verkehrsauffassung als Wohnung geeignet sind, müssen sie so ausgestattet sein, dass sie es erlauben, sich nicht nur ganz kurzfristig dort aufzuhalten. Die Möglichkeit zum Schlafen, zur Körperpflege, zur Zubereitung von Essen und zur Aufbewahrung persönlicher Gegenstände muss gewährleistet sein (BFG. ,RV/2100743/2014). Einen Wohnsitz können begründen: Untermietzimmer, im Falle einer Dauermiete sogar Hotelzimmer, sowie ein vom Arbeitgeber zur Verfügung gestelltes und während der Woche benütztes Zimmer am Arbeitsort (). Die Wohnung muss nicht den Mittelpunkt der Lebensinteressen bilden (VwGH, , 89/15/0115) . Eine ununterbrochene tatsächliche Benützung ist nicht nötig. Es reicht nach Ansicht des VwGH (, 89/16/0020) aus, wenn die Wohnung jährlich mehrere Wochen (2-3 Monate) benützt wird. Im Erkenntnis vom , (310/69) hat der VwGH eine tatsächliche jährliche Benutzung von etwa vier Wochen für die Annahme eines Wohnsitzes als ausreichend beurteilt.

Zum Antrag gemäß § 1 Abs. 4 EStG

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind unbeschränkt steuerpflichtig jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte. Beschränkt steuerpflichtig sind gemäß § 1 Abs. 3 EStG 1988 jene natürlichen Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf die im § 98 aufgezählten Einkünfte. Nach § 1 Abs. 4 EStG 1988 werden auch Staatsangehörige von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anzuwenden ist, als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 98 haben. Dies gilt nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90% der österreichischen Einkommensteuer unterliegen oder wenn die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 11.000 Euro betragen. Inländische Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, gelten in diesem Zusammenhang als nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegend. Nach der Rechtsprechung des EuGH steht die Option auch dann zu, wenn die ausländischen Einkünfte zwar mehr als 11.000€ betragen, der Wohnsitzstaat jedoch aufgrund des geringen Einkommens die persönliche Situation des Steuerpflichtigen steuerlich nicht berücksichtigen kann (EuGH, , C-39/10, Kommission/Estland). Die Höhe der nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte ist durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Abgabenbehörde nachzuweisen. Der Antrag kann bis zum Eintritt der Rechtskraft des Bescheides gestellt werden.

Wenn auch die Bestimmung des § 1 Abs. 4 EStG nur von Staatsangehörige von Staaten, die der EU oder der EWR angehören, spricht, ist diese Bestimmung auch auf Angehörige eines Drittstaates anzuwenden, soweit der Staat mit Österreich ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat, das ein mit Art 24 OECD-MA vergleichbares Diskriminierungsverbot vorsieht (UFS, , RV/1792-W/05). Dieses Abkommen wurde von Österreich mit Bosnien und Herzegowina geschlossen (siehe BGBL III, Nr. 168/2011).

Formalrechtliche Bestimmungen

Gemäß § 250 BAO hat eine Bescheidbeschwerde die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet, die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird, eine Erklärung, welche Änderungen beantragt werden sowie eine Begründung zu enthalten.

Der Beschwerde vom ist zu entnehmen, dass sie sich gegen den Bescheid vom richtet, durch die Formulierung "Option in die unbeschränkte Steuerpflicht" ist das Begehren des Beschwerdeführers artikuliert. Dem Inhaltserfordernis wird nach Meinung des VwGH auch entsprochen, wenn der Bescheid in seinem gesamten Umfang angefochten wird und beantragt wird, eine erklärungsgemäße Veranlagung vorzunehmen (VwGH, , 1093/76) die beantragten Änderungen sind insoweit bestimmbar, als dass eine Veranlagung in die unbeschränkte Steuerpflicht begehrt wird. Die Begründung ist dem Satz im "Vorlageantrag" abzuleiten, dass der Beschwerdeführer ausschließlich bei der Firma Holz ****Firma**** gearbeitet habe. Aus dem Gesamtzusammenhang ist das Begehren auf Antrag nach § 1 Abs. 4 EStG zu entnehmen.

Vorlageanträge nach § 264 BAO sind formfrei, insbesondere müssen sie nicht begründet werden. Die Interpretation des Schreibens als Vorlageantrag ist also gegeben, auch wenn die Beschwerdevorentscheidung in ihm nicht genannt worden ist. Aus Sinn und Zweck des Schreibens ist ersichtlich, welches Jahr und welche Beschwerdevorentscheidung gemeint sind. Als Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung genügt es, dass aus dem gesamten Inhalt der Antragsbeschreibung hervorgeht, wogegen er sich richtet, und das Verwaltungsgericht aufgrund des Antragsvorbringens nicht zweifeln kann, welche Beschwerdevorentscheidung angefochten wird (Rauscher SWK, 2015, 356)

Die Voraussetzungen der §§ 250 und 264 BAO sind somit erfüllt.

Vereinzelte Fehlbezeichnungen der gegenständlichen Jahre oder der Rechtsmittel von Seiten der Behörde und des Beschwerdeführers sind unschädlich (falsa demonstratio non nocet), da der Wille und das tatsächlich Gemeinte klar erkennbar waren.

Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus nach Ansicht des erkennenden Gerichts wie folgt: Die Voraussetzungen der unbeschränkten Steuerpflicht in Österreich sind gegeben. Der Einkommensteuerbescheid 2018 ergeht somit laut Erklärung des Pflichtigen. Die Kennzahl 300 ist in der beantragten Höhe (400,00 €) anzusetzen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da genannte Voraussetzungen für eine ordentliche Revision nicht gegeben sind, war diese nicht zuzulassen.

Klagenfurt am Wörthersee, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.4100029.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at