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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.08.2024, RV/7103293/2020

Die Tatsache und der Nachweis der Behinderung hat gemäß § 35 Abs. 2 EStG durch eine amtliche Bescheinigung zu erfolgen

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2024/13/0110.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Gertraud Hausherr in der Beschwerdesache Ing. ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Rebekka Stern, Hintere Zollamtsstraße 15/1/30, 1030 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg nun Finanzamt Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 und 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert und wie in den Einkommensteuerbescheiden vom festgesetzt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Herr ***1***, Jahrgang 1929, beantragte in seinen Einkommensteuererklärungen (Arbeitnehmerveranlagung) für 2017 und 2018 die Berücksichtigung von tatsächlichen Kosten auf Grund einer Behinderung als außergewöhnliche Belastung.

Das Finanzamt ersuchte dazu um folgende Ergänzung:

"Der vorgelegte Behindertenpass gilt erst ab

-Vorlage Behindertenpass gültig ab 2016 und Vorlage Gutachten dazu

(der Hinweis im Schreiben vom

"Das Vorliegen der Behinderung in Höhe von 60% ab 2016 wurde im genannten Gutachten bereits festgestellt" reicht nicht)

-Beiblatt zum Behindertenpass gültig ab in dem die zugrundeliegende Krankheit angeführt ist

-Kosten der Behinderung 2016 (€ 16.274,-), 2017 €16.354), 2018 (€ 16.274,-):

>Vorlage einer Aufstellung zur Nachvollziehbarkeit der beantragten Summen. Bitte pro Kalenderjahr getrennt aufgliedern.

Kostenersätze, Zuschüsse und Pflegegeld sind anzuführen und in Abzug zu bringen

bei stationären Aufenthalten ist eine Haushaltsersparnis abzuziehen (€ 5,23 pro Tag bzw. € 156,96 monatlich).

-Es soll auch der Zusammenhang mit der Art der Behinderung hervorgehen (Leiden It. Feststellung des Bundessozialamtes bzw. pflegebedingter Aufwand bei Pflegegeldbezug), andere Krankheitskosten die nicht die Behinderung betreffen sind zu trennen/gesondert anzuführen.

> Belege entsprechend der Aufstellung geordnet beilegen"

Durch die steuerliche Vertretung wurden folgende Unterlagen vorgelegt:

  • Ein Sachverständigengutachten ohne Datumsangabe

  • Ein Befundbericht ohne Datumsangabe

  • Kostenaufstellung der beantragten Kosten für 2017 und 2018 und die dazugehörigen Belege

Das Finanzamt erließ Einkommensteuerbescheide in denen es die beantragten Kosten für Behinderung als außergewöhnliche Belastung für 2017 und 2018 nicht anerkannnte.

Die Begründung für 2017 war, dass

"Der vorgelegte Behindertenpass (60% Behinderung ab ) gilt erst ab 2019. Die Notwendigkeit einer Diätverpflegung wurde nicht bescheinigt.

Die belegmäßig nachgewiesen Krankheitskosten iHv € 1.462,60 können daher nur als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt in Ansatz gebracht werden.

Unterbringung Heim:

Eine besondere Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit liegt bei einem behinderten Steuerpflichtigen iSd § 35 EStG 1988 vor, wenn behinderungsbedingt nicht mehr die Fähigkeit besteht, den Haushalt selbst zu führen und daher eine Betreuung erfolgt, wie sie in einem Alters- oder Pflegeheim typisch ist (). Der besondere Pflege- oder Betreuungsbedarf eines Behinderten (iSd § 35 EStG 1988) ist durch ein ärztliches Gutachten oder durch Bezug von Pflegegeld nachzuweisen.

Eine Behinderung wurde für 2017 nicht nachgewiesen.

Die vorgelegte ärztliche Bestätigung (ohne Datum, Zeitraum) reicht nicht um die Kosten als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt zu berücksichtigen.

Wir haben jene Aufwendungen berücksichtigt, für die nachvollziehbare Beweise vorlagen.

Die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen haben wir nicht berücksichtigt.

Der Grund: Die Aufwendungen sind niedriger als der für Sie gültige Selbstbehalt in Höhe von 4.458,37 Euro."

Die Begründung für 2018 war, dass

"Der vorgelegte Behindertenpass (60% Behinderung ab ) gilt erst ab 2019. Die Notwendigkeit einer Diätverpflegung wurde nicht bescheinigt.

Die belegmäßig nachgewiesen Krankheitskosten iHv € 1.719,71 können daher nur als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt in Ansatz gebracht werden.

Selbstbehalt Krankenhaus € 1.409,-:

Die im § 34 gebotene Zwangsläufigkeit muss nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe nach vorliegen. Krankheitskosten, für die von d. gesetzlichen Krankenversicherung keine Ersätze geleistet werden, sind nur absetzbar, wenn eine "Kassenleistung" aus besonderen, triftigen medizinischen Gründen im Einzelfall ohne erhebliche gesundheitliche Nachteile nicht beansprucht werden kann. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung erfolgt freiwillig und deckt diese üblicherweise Sonderleistungen ab (z.B. Behandlung auf Sonderklasse), die grundsätzlich (wie o.a. nicht absetzbar sind).

Unterbringung Heim:

Eine besondere Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit liegt bei einem behinderten Steuerpflichtigen iSd § 35 EStG 1988 vor, wenn behinderungsbedingt nicht mehr die Fähigkeit besteht, den Haushalt selbst zu führen und daher eine Betreuung erfolgt, wie sie in einem Alters- oder Pflegeheim typisch ist (). Der besondere Pflege- oder Betreuungsbedarf eines Behinderten (iSd § 35 EStG 1988) ist durch ein ärztliches Gutachten oder durch Bezug von Pflegegeld nachzuweisen. Eine Behinderung wurde für 2017 nicht nachgewiesen. Die vorgelegte ärztliche Bestätigung (ohne Datum, Zeitraum) reicht nicht um die Kosten als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt zu berücksichtigen."

In der gegen die Einkommensteuerbescheide 2017 und 2018 durch die steuerliche Vertretung erhobenen Beschwerde wurde ausgeführt, dass

"Bei der Veranlagung der Einkommensteuer 2017 und 2017 und 2018 wurde von den beantragten Krankheitskosten ein Selbstbehalt in Abzug gebracht und die als außergewöhnliche Belastung beantragten Heimunterbringungskosten wurden gänzlich unberücksichtigt gelassen mit der Begründung, dass für die betroffenen Jahre keine Behinderung nachgewiesen worden ist. Rubr. Mandant ist körperlich behindert und leidet an einer Vielzahl von gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Trotz Hüftoperation im Jahr 2000 hat rubr. Klient permanente Gehprobleme, die noch verschlimmert werden durch eine akute Lumbalgie und durch COPD, eine Lungenkrankheit, die chronisch und nicht reversible ist, was zu dauernden Atemproblemen und zu einem schwankenden Gang führt. Häufige Schwindelanfälle, welche von der Halswirbelsäule verursacht werden verschlimmern die Situation. Die regelmäßigen Infiltrationen entfalten bedauerlicherweise keine Wirkung. Während rubr. Klient im rechten Knie eine Prothese implantiert hat, wird mittels Injektionen versucht das linke Knie zu erhalten.

Im Sachverständigengutachten Grad der Behinderung des Sozialministerium Service über den festgestellten Grad der Behinderung ist die flimmernde koronare Herzkrankheit mit 40% festgehalten worden. Trotz Implantierung eines Herzschrittmachers im Jahr 2013 verbleibt eine 40%ige körperliche Beeinträchtigung samt arterieller Hypertonie. Weiters wird im Gutachten festgestellt eine körperliche Beeinträchtigung von30% aufgrund degenerativer Gelenksveränderungen trotz beidseitiger Hüft-Totalendoprothese im Jahr 2000 und rechter Knieprothese im Jahr 2008. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen seit 2010 und COPD seit 2012 wurden im Gutachtenmit jeweils 30% Beeinträchtigung festgehalten. Die Begründung der steuerlichenNichtanerkennung der beantragtenPflegeheimkosten und der Krankheitskosten nur mit Selbstbehalt als außergewöhnliche Belastungmit dem Hinweis, dass in den Kalenderjahren2017und 2018 eine körperliche Behinderung noch nicht vorgelegenhat, wird durch das Sachverständigengutachten des Sozialministerium Service widerlegt. Im Sachverständigengutachten des SozialministeriumService wird ein Befund vonDr. Martin Glöckner,Facharzt für Chirurgieerwähnt. Dr. Martin Glöcknerhat für rubr. Klienten eine medizinisch induzierte Empfehlungzur Unterbringung Pflegeheim schriftlich bestätigt. Wenngleich die ärztliche Bestätigung nicht datiert ist, erwähnt der Arzt die jahrelange Patientenbeziehung in der Bestätigung. Rubr. Klient erfüllt alle rechtlichenVoraussetzungen für die ungekürzte steuerliche Anerkennung der gesamten beantragtenaußergewöhnlichen Belastungen. Da der Spruch des Bescheides nicht dem Gesetz entspricht, ist der Inhalt des Bescheides nicht richtig. Um Aufhebung des Einkommensteuerbescheide 2017 und Einkommensteuerbescheides 2018 jeweils vom und um neuerliche Veranlagung der Einkommensteuer 2017 und 2018der Einkommensteuer 2017 und 2018 unter Berücksichtigung der gesamten beantragten außergewöhnlichen Belastungen ohne Selbstbehalt wird ersucht."

Das Finanzamt ersuchte folglich um folgende Ergänzung:

"Für die Erledigung der Beschwerde sind noch folgende Unterlagen vorzulegen:

- Bescheid des Sozialministeriumservice über die festgestellte Behinderung ab 2017"

Durch die steuerliche Vertretung wurde ein Schreiben des Sozialministeriums vom vorgelegt, in dem ausgeführt wird, dass gemäß dem Antrag vom dem Beschwerdeführer ein Behindertenpass ausgestellt wird.

Das Finanzamt wies die Beschwerden mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab:

Begründung war, dass

"Die Kosten der Unterbringung und der Verpflegung stellen grundsätzlich keine außergewöhnlichen Belastungen iSd des § 34 EStG 1988 dar. Außergewöhnliche Belastungen können aber gegeben sein, wenn Krankheit, Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit Aufwendungen verursachen ().

Eine besondere Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit liegt bei einem behinderten Steuerpflichtigen iSd § 35 EStG 1988 vor, wenn behinderungsbedingt nicht mehr die Fähigkeit besteht, den Haushalt selbst zu führen und daher eine Betreuung erfolgt, wie sie in einem Alters- oder Pflegeheim typisch ist (). Der besondere Pflege- oder Betreuungsbedarf eines Behinderten (iSd § 35 EStG 1988) ist durch ein ärztliches Gutachten oder durch Bezug von Pflegegeld nachzuweisen.

Grundsätzliche Voraussetzung für die Betreuungskosten ohne Selbstbehalt ist das Vorliegen einer Behinderung im Sinne des § 35 EStG 1988. Dies ergibt sich eindeutig nach der gesetzlichen Bestimmung des § 34 Abs. 6 EStG 1988. Da im gegenständlichen Fall keine Behinderung im Sinne des § 35 EStG 1988 für das Kalenderjahr 2017 vorliegt, war spruchgemäß zu entscheiden!"

Für 2018 war die Begründung wortgleich.

Die steuerliche Vertretung beantragte am die Vorlage der Beschwerden an das Bundesfinanzgericht.

Begründend wurde ausgeführt, dass

"Rubr. Klient hat für die Kalenderjahre 2017 und 2018 die steuerliche Berücksichtigung von Pflegeheimkosten sowie Kosten von Heilmittel- und Heilbehelfe samt Kosten der Heilbehandlung beantragt. In der Begründung der Einkommensteuerbescheide 2017 und 2018 vom wurde darauf hingewiesen, dass die Kosten der Unterbringung in einem Seniorenwohnheim keine außergewöhnliche Belastung sind, da keine Behinderung für das Kalenderjahr 2017 nachgewiesen ist. Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wurden die Erstbescheide bestätigt.

Rubr. Mandant hatte im Kalenderjahr 1982 einen Vorderwandinfarkt und im Jahr 1986 einen lebensgefährlichen Hinterwandinfarkt. 1991 folgte eine Bypassoperation.

Rubr. Klient laborierte jahrelang an den Folgen und gab schließlich im Kalenderjahr 1994 seine selbständige Tätigkeit krankheitshalber auf und entschied sich kaum ein Jahr später im Kalenderjahr 1995 mit seiner Gattin in ein Seniorenheim zu ziehen. Ab dem Kalenderjahr 2000 folgten eine Reihe von Operationen, die jede für sich eine starke körperliche und seelische Belastung für den Klienten waren. Im Laufe der Jahre zeigte sich eine permanente Kurzatmigkeit, worauf hin im Jahr 2012 Lungenemphysem diagnostiziert wurde, eine chronische Erkrankung, die sich nicht wieder zurückbildet. Im Jahr 2013 wurde die Implantierung eines Herzschrittmachers notwendig. Die Atemprobleme begleiten rubr. Klienten ungebrochen weiter. Die Bewältigung des täglichen Lebens außerhalb eines Senioren-und Pflegeheimes wäre ausgeschlossen zumal auch seine Gattin im Kalenderjahr 2013 verstorben ist.

Im Kalenderjahr 2019 hat rubr. Klient einen Antrag auf Bestätigung seiner körperlichen Beeinträchtigungen gestellt mit zahlreichen Krankenhausbefunden als Beweisgrundlage.

Mit Sachverständigengutachten vom wurde ihm eine 60%ige körperliche Beeinträchtigung bescheinigt.

Aufgrund vorgelegter Krankenhausberichte hat jener Arzt, welcher das Sachverständigengutachten verfasst hat auch die jahrzehntelange Leidensgeschichte rubr. Klienten dokumentiert und auf dieser Grundlage den Behindertengrad ermittelt. Dass dieser Behindertengrad nicht erst seit dem Jahr der Ausstellung der Behindertenbescheinigung besteht, bedarf keiner weiteren Beweiswürdigung.

Es ist grundsätzlich üblich im Sachverständigengutachten festzuhalten, seit wann der Gesamtgrad der Behinderung vorliegt. Das hat der sachverständige Arzt offenbar übersehen. Denn dass der Zustand des Klienten nicht erst mit dem Tag der Ausstellung des Gutachtens besteht versteht sich von selbst und geht auch klar aus dem Gutachten hervor. Liegen der Behörde entsprechende Befunde vor, kann festgestellt werden, dass der Grad der Behinderung schon ab einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit vorgelegen hat. Das hat der Gutachten erstellende Arzt übersehen oder vergessen.

Anlass für die Pflegeheimunterbringung des Klienten waren seine sämtlichen Erkrankungen. Es entspricht nicht den gesellschaftlich geübten Brauch, dass ein Steuerpflichtiger anlässlich seiner Pensionierung für den Rest seines Lebens in ein Seniorenheim übersiedelt. Jedenfalls ist die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß bzw der Grad der Behinderung amtlich bescheinigt. Damit stehen dem Steuerpflichtigen die in § 34 Abs 6 EStG 1988 und § 35 EStG 1988 vorgesehenen steuerlichen Begünstigungen zu. Da der Spruch des Bescheides betreffend des Einkommensteuerbescheides 2017 und 2018 jeweils vom nicht dem Gesetz entspricht, ist der Inhalt der Bescheide nicht richtig. Ich ersuche, dass das Gericht Ihr Ermessen unter Bedachtnahme auf Billigkeit iS von Angemessenheit in bezug auf die berechtigten Interessen meines Mandantenausübt, dass Sie in Ihrer abschließenden Entscheidung über die Beschwerde dem Antrag, die Einkommensteuerbescheide 2017 und 2018 vom unter ungekürzter steuermindernder Berücksichtigung aller beantragten außergewöhnlichen Belastungen abzuändern, stattgibt."

Am nahm das Finanzamt die Einkommensteuerbescheide für 2017 und 2018 wieder auf und erließ neue Sachbescheide, in denen es neue Mitteilungen über Spenden mitberücksichtige.

Das Finanzamt legte die Beschwerden 2017 und 2018 mit folgender Stellungnahme vor:

"Sachverhalt:

Mit Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2017 und 2018 jeweils vom wurden tatsächliche Kosten aus einer Behinderung (60 %) in Höhe von 16.274 € (2017) und 18.464 € (2018) geltend gemacht.

Mit Ersuchen um Ergänzung vom wurde um Vorlage diverser behinderungsbedingter Unterlagen (ua Gutachten) und Aufstellungen ersucht.

Mit Schreiben vom wurde das Ersuchen um Ergänzung beantwortet.

Im Rahmen der Erlassung der Einkommensteuerbescheide 2017 und 2018 jeweils vom wurden abweichend von den Erklärungen die beantragten tatsächlichen Kosten der Behinderung nicht berücksichtigt. Begründend wurde ausgeführt, dass die Behinderung erst ab 2019 vorläge.

Mit Schreiben vom wurde gegen die Einkommensteuerbescheide 2017 und 2018 Bescheidbeschwerde erhoben. Begründend wurde ua unter Verweis auf den schlechten Gesundheitszustand und diverse Vorerkrankungen angeführt, dass die Begründung der steuerlichen Nichtanerkennung der beantragten Pflegeheimkosten und der Krankheitskosten nur mit Selbstbehalt durch das Sachverständigengutachten des Sozialministerium Service widerlegt werde.

Mit Ersuchen um Ergänzung vom wurde der Beschwerdeführer nochmals ersucht den Bescheid des Sozialministeriumservice über die festgestellte Behinderung ab 2017 vorzulegen.

Mit Schreiben vom wurde nochmals das bereits aktenkundige Gutachten hinsichtlich des Vorliegens einer Behinderung im Ausmaß von 60 % ab dem Jahr 2019 übermittelt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurden die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2017 und 2018 abgewiesen. Begründend wurde ua ausgeführt, dass grundsätzliche Voraussetzung für die Betreuungskosten ohne Selbstbehalt das Vorliegen einer Behinderung im Sinne des § 35 EStG 1988 wäre. Dies ergebe sich eindeutig aus der gesetzlichen Bestimmung des § 34 Abs. 6 EStG 1988. Da keine Behinderung im Sinne des § 35 EStG 1988 vorläge, wäre spruchgemäß (abweisend) zu entscheiden gewesen.

Mit Schreiben vom wurde die Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragt. Begründend wurde nach nochmaliger Darstellung der Krankengeschichte des Beschwerdeführers ua angeführt, dass es grundsätzlich üblich wäre im Sachverständigengutachten festzuhalten, seit wann der Gesamtgrad der Behinderung vorläge. Dies habe der sachverständige Arzt offenbar übersehen. Denn dass der Zustand des Klienten nicht erst mit dem Tag der Ausstellung des Gutachtens bestünde verstehe sich von selbst und ginge auch klar aus dem Gutachten hervor.

Mit erfolgte eine automatisierte Wiederaufnahme der Einkommensteuerbescheide 2017 und 2018 auf Grund einer sonderausgabenabzugsfähigen Spendenübermittlung.

Beweismittel:

10, , Antwortschreiben

11, , Befundbericht

13, , Antwortschreiben Beilage

14, , Antwortschreiben elektronisch

Stellungnahme:

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss dabei folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. sie muss außergewöhnlich sein,

2. sie muss zwangsläufig erwachsen und

3. sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 können ua Aufwendungen im Sinne des § 35 EStG 1988, die an Stelle der Pauschbeträge gemäß § 35 Abs. 5 EStG 1988 geltend gemacht werden, ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden.

Gemäß § 35 Abs. 1 EStG 1988 steht einem Steuerpflichtigen ein Freibetrag zu, wenn er außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat und weder er, noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), erhält.

Gemäß § 35 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen, in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung. Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist, der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente, die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern und in allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Der Entscheidung der Abgabenbehörde sind die jeweils vorliegenden Daten zugrunde zu legen (vgl. ). Eine rückwirkende Ausstellung eines Behindertenpasses ist grundsätzlich nicht möglich. Ist die Behinderung aber die Folge eines Ereignisses (Unfall, Operation, Spitalsaufenthalt), gilt der festgestellte Grad der Behinderung auch für steuerliche Zwecke rückwirkend bis zum Zeitpunkt des Ereignisses, wenn das Bundesamt die Behinderung rückwirkendfestgestellt hat (siehe zB ; -I/11). Werden die Daten rückwirkend bescheinigt bzw. nachträglich geändert, kann der Einkommensteuerbescheid gemäß § 295a BAO geändert werden (-I/11) (vgl. Peyerl in Jakom EStG, 12. Aufl. 2019, § 35, Rz 11).

Nach Rechtsansicht der Finanzverwaltung (dargelegt in Rz 839g LStR 2002 ist bei Zuerkennung von Pflegegeld, sofern ein Behindertenpass (noch) nicht ausgestellt wurde, von einer mindestens 25%igen Erwerbsunfähigkeit (Grad der Behinderung) auszugehen, sodass in diesen Fällen ein Nachweis nicht erforderlich ist. Gemäß § 35 Abs. 5 EStG 1988 können anstelle des Freibetrages auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden.

An Stelle des Freibetrags (nicht daneben, ) können die tatsächlichen Kosten der Behinderung geltend gemacht werden. Darüber hinaus bedarf es eines unmittelbaren, ursächlichen Zusammenhangs der geltend gemachten Kosten mit der Behinderung, die der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu Grunde liegt (). Werden pflegebedingte Geldleistungen bezogen, können die übersteigenden Aufwendungen nach § 34 EStG 1988 ohne Selbstbehalt geltend gemacht werden. Die Aufwendungen müssen mit der die Behinderung begründenden Krankheit allerdings in ursächlichem Zusammenhang stehen(andernfalls Selbstbehalt, ) (vgl. Peyerl in Jakom EStG, 12.Aufl. 2019, § 35, Rz 13).

Eine besondere Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit liegt bei einem behinderten Steuerpflichtigen iSd § 35 EStG 1988 vor, wenn behinderungsbedingt nicht mehr die Fähigkeit besteht, den Haushalt selbst zu führen und daher eine Betreuung erfolgt, wie sie in einem Alters- oder Pflegeheim typisch ist ().

Nach der Rechtsprechung des VwGH (, 2293/59; , 91/14/0046; , 99/14/0001) führen Aufwendungen für eine Wohnung grundsätzlich zu keiner außergewöhnlichen Belastung. Diesbezüglich hat der VwGH (vgl. , 2013/13/0063) sogar erkannt, dass der Mehraufwand (Mietzinsdifferenz) aufgrund eines Wohnungswechsels, den eine Querschnittlähmung erforderlich gemacht hat, keine außergewöhnliche Belastung begründet.

Im gegenständlichen Fall liegen für die Jahre 2017 und 2018 keine Gutachten des Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, über das Vorliegen einer Behinderung, vor. Ein solches Gutachten liegt erst ab dem Jahr 2019 vor. Nach der oben zitierten Rechtsprechung des UFS, BFG und VwGH ist die Abgabenbehörde an die vorliegenden Daten gebunden. Nur wenn im Gutachten eine rückwirkende Bescheinigung der Behinderung vorliegt, können auch rückwirkend außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden. Eine solche rückwirkende Bescheinigung liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Der Entscheidung kann nur der Inhalt des vorliegenden Gutachtens zu Grunde gelegt werden. Für Ermessen oder Interpretation bleibt dabei kein Spielraum.

Da in den Jahren 2017 und 2018 auch kein Pflegegeld bezogen wurde, konnten auch die Bestimmungen nach Rz 839g der LStR 2002 nicht angewendet werden. In den vorliegenden Abrechnungen der Seniorenresidenz Fortuna wurden keine Pflegeleistungen verrechnet. Lediglich die Unterkunft mit Frühstück sowie die Grundversorgung war Leistungsgegenstand. Es liegen daher ausschließlich reine Wohnkosten vor, die im Sinne der zitierten ständigen Rechtsprechung des VwGH zu keiner außergewöhnlichen Belastung führen können.

Da in den Jahren 2017 und 2018 keine bescheinigte Behinderung iSd § 35 Abs. 2 EStG 1988 vorliegt, können auch keine außergewöhnlichen Belastungen gemäß § 34 Abs. 6 iVm § 35 Abs. 5 EStG 1988 berücksichtigt werden.

Die Abgabenbehörde beantragt daher die Beschwerden als unbegründet abzuweisen."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Herr ***1*** zog nach seiner Pensionierung 1994 im Jahr 1995 in ein Seniorenheim. In den folgenden Jahren traten vermehrt gesundheitliche Probleme auf. Ab dem Jahr 2000 unterzog er sich mehreren Operationen, hatte Probleme mit der Lunge und bekam einen Herzschrittmacher eingesetzt.

Weder bezog der Beschwerdeführer 2017 und 2018 Pflegegeld noch beantragte er bis zum Jahr 2019 einen Behindertenausweis.

Im 90. Lebensjahr, am , beantragte er beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen die Ausstellung eines Behindertenpasses. Dieser wurde ihm gemäß dem Antrag vom nach einer Untersuchung durch einen Sachverständigen am mit einem festgestellten Gesamtgrad der Behinderung von 60% ausgestellt.

Das Sachverständigengutachten stellt für die einzelnen Erkrankungen, die bis ins Jahr 2002 zurückreichen, im Jahr 2019 nur je einen Grad der Behinderung zwischen 10% und 40% fest. Zusammen ergibt dies im Jahr 2019 einen festgestellten Gesamtgrad der Behinderung von 60%.

Das Sachverständigengutachten hat die Behinderung nicht rückwirkend festgestellt.

Auch nach einer nochmaligen Aufforderung durch das Finanzamt wurde im Vorlageverfahren kein Sachverständigengutachten vorgelegt, dass eine rückwirkende Behinderung bescheinigte.

In seinen Anträgen auf Arbeitnehmerveranlagung machte der Beschwerdeführer außergewöhnliche Belastungen ab eine Behinderungsgrad von 25% oder Pflegegeldbezug geltend. Anstelle eines Pauschbetrages beantragte er die tatsächlichen Kosten.

2. Beweiswürdigung

Dies ergibt sich aus dem bisherigen Verfahren, den Anträgen und den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Rechtliche Bestimmungen:

Einkommensteuergesetz, EStG:

Außergewöhnliche Belastung

§ 34. (1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

(4) Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen

von höchstens 7 300 Euro …………………………………… 6%.

mehr als 7 300 Euro bis 14 600 Euro …………………… 8%.

mehr als 14 600 Euro bis 36 400 Euro …………………. 10%.

mehr als 36 400 Euro ………………………………………... 12%.

…….

(5) Sind im Einkommen sonstige Bezüge im Sinne des § 67 enthalten, dann sind als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Zwecke der Berechnung des Selbstbehaltes die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, erhöht um die sonstigen Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 und 2, anzusetzen.

(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

…………..

- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).

- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

§ 35. (1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen

- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,

……

und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3)

(2) Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:

- Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

- Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder

Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

- In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von

Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

(3) Es wird jährlich gewährt

bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von ein Freibetrag von Euro

25% bis 34% ............................................................. 75

35% bis 44% ............................................................. 99

45% bis 54% ............................................................. 243

55% bis 64% ............................................................. 294

65% bis 74% ............................................................. 363

75% bis 84% ............................................................. 435

85% bis 94% ............................................................. 507

ab 95% ...................................................................... 726.

…………..

(5) Anstelle des Freibetrages können auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6).

Rechtliche Würdigung:

Gemäß § 34 Abs. 6 EStG kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5) ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes als außergewöhnliche Belastung abziehen.

Voraussetzung für die Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt ist ebenso wie bei den pauschalen Freibeträgen, dass gemäß § 35 Abs. 1 eine eigene körperliche Behinderung vorliegt.

Die Tatsache der Behinderung und der Grad der Behinderung muss ausdrücklich gemäß § 35 Abs. 5 EStG durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachgewiesen werden.

Im gegenständlichen Beschwerdefall hat das zuständige Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diesen Grad der Behinderung mit 60% festgestellt. Dies wurde durch eine Untersuchung am festgestellt. Der Behindertenpass wurde gemäß dem Antrag des Beschwerdeführers vom ausgestellt.

Es wurde im ganzen Beschwerdeverfahren keine rückwirkende Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vorgelegt, die einen Gesamtgrad der Behinderung für das Jahr 2017 und 2018 - wie § 35 Abs. 5 EStG als Voraussetzung für die Berücksichtigung normiert, bescheinigt.

Besondere Betreuungs- oder Pflegebedürftigkeit liegt bei einem behinderten Steuerpflichtigen vor, wenn er behinderungsbedingt einen besonderen Betreuungs- oder Pflegebedarf hat. Diesen besonderen Betreuungsbedarf oder Pflegebedarf hat der Steuerpflichtige nachzuweisen.

Es wurden vom Beschwerdeführer aufgrund seiner Krankheiten nie Pflegegeldleistungen bezogen und wurde auch keine Bescheinigung über den Grad der Behinderung, wie gesetzlich vorgeschrieben, für die Jahre 2017 und 2018 vorgelegt, sodass die tatsächlichen Kosten für das Seniorenwohnheim nicht berücksichtigt werden können.

Die Bescheinigung durch dazu befähigte Organe ist dadurch begründet, dass nur ein medizinischer Sachverständiger den Gesamtgrad einer Behinderung feststellen kann. Würde man die einzelnen Grade der die Behinderung begründenden Krankheiten im Beschwerdefall (40%, 30%, 30%, 30%, 10%, 10%, 10%) einfach addieren, käme man auf einen Gesamtgrad von 150%. Es ist einem medizinischen Sachverständigen vorbehalten das Zusammenwirken der einzelnen Krankheiten in einem Gesamtzusammenhang zu bringen und zu beurteilen. Dies ergibt im beschwerdegegenständlichen Fall 60%. Es kann auch nur ein Sachverständiger beurteilen, ab welchem Zeitpunkt oder Zeitraum welcher Grad der Behinderung vorliegt, da chronische Erkrankungen sukzessive zu einer Verschlechterung führen. Dies muss von einem medizinischem Sachverständigen erfolgen und wird daher in § 35 EStG auch als Voraussetzung für die Berücksichtigung der Behinderung so normiert.

Diese Bescheinigung wurde für die beschwerdegegenständliche Jahre 2017 und 2018 nicht erbracht.

Da keine Bescheinigung über den Grad der Behinderung vorliegt, können die geltend gemachten Krankheitskosten, die vom Beschwerdeführer auch belegmäßig nachgewiesen wurden, nur gemäß § 34 EStG mit Selbstbehalt berücksichtigt werden.

Die Voraussetzungen des § 34 EStG müssen kumulativ vorliegen. Eine Voraussetzung ist, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Diese wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist gemäß § 34 Abs. 4 EStG bei einem Einkommen von mehr als 14 600 Euro im Jahr bei Überschreiten eines Selbstbehaltes von 10% des Einkommens beeinträchtigt.

Der Beschwerdeführer begehrte für das Jahr 2017 Krankheitskosten von € 1.462,60 zu berücksichtigen. Der Selbstbehalt wurde somit nicht überschritten.

Der Beschwerdeführer begehrte für das Jahr 2018 Krankheitskosten von € 1.719,71 und Krankenhauskosten von € 1.409,00 zu berücksichtigen. Mit dem Betrag von € 3.128,71 wurde der Selbstbehalt nicht überschritten.

Die Beschwerden sind daher als unbegründet abzuweisen.

Am wurden die Bescheide für 2017 und 2018 amtswegig gemäß § 303 Abs. 1 BAO wiederaufgenommen, da nachträgliche Mitteilungen über Zuwendungen gemäß § 18 Abs. 1 Z 7 EStG berücksichtigt wurden.

Die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide vom werden abgewiesen und werden im Sinne der Einkommensteuerbescheide vom abgeändert.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist nicht zulässig, da das Erkenntnis den rechtlichen Bestimmungen, die die Voraussetzungen für den Nachweis einer Behinderung festlegen, folgt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103293.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at