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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.08.2024, RV/6100386/2023

Zeitlich befristete Erhöhung der berücksichtigbaren Aufwendungen für Familienheimfahrten aufgrund der Erhöhung der Pendlerpauschale für den Zeitraum Mai 2022 bis Juni 2023

Beachte

Revision eingebracht (Amtsrevision).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. Patrick Brandstetter in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022 (Steuernummer ***BF1StNr1*** ) zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden diese einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2022 machte der Beschwerdeführer unter anderem Werbungskosten in Form von Familienheimfahrten in Höhe von EUR 4.896,00 geltend.

Das Finanzamt Österreich setzte in weiterer Folge mit Bescheid vom die Einkommensteuer des Beschwerdeführers für das Jahr 2022 fest. Hierbei wurde von den geltend gemachten Aufwendungen für Familienheimfahrten ein Betrag in Höhe von EUR 3.672,00 berücksichtigt und begründete das Finanzamt Österreich diese Vorgehensweise mit einem Verweis auf § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988, wonach Aufwendungen für Familienheimfahrten nur im Ausmaß der höchsten Pendlerpauschale, sohin EUR 3.672,00, berücksichtigt werden könnten.

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer am Beschwerde ein und begründete er diese im Wesentlichen dergestalt, dass die Pendlerpauschale gem. § 124b Z 395 lit. b EStG 1988 für den Zeitraum von Mai 2022 bis Juni 2023 um monatlich EUR 153,00 erhöht worden sei. Da das Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 auf § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 verweise, sei der erhöhte Pendlerpauschalbetrag zu berücksichtigen.

Diese Beschwerde wies das Finanzamt Österreich mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab und führte es in der Begründung aus, dass Aufwendungen für Familienheimfahrten nicht von der temporären Erhöhung der Pendlerpauschale betroffen seien. Aufwendungen für Familienheimfahrten seien nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 iVm § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 mit EUR 3.672,00 begrenzt.

In Reaktion auf diese Beschwerdevorentscheidung brachte der Beschwerdeführer am einen Vorlageantrag ein, in dem er das Beschwerdevorbringen wiederholte.

Im Zuge der Beschwerdevorlage an das Bundesfinanzgericht führte das Finanzamt Österreich im Vorlagebericht aus, dass sich aus der Formulierung des § 124b Z 395 EStG 1988 ergebe, dass nicht die Pauschalbeträge gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 erhöht worden seien, sondern könnten zeitlich befristet zusätzlich zu diesen Pauschalbeträgen weitere Pauschalbeträge geltend gemacht werden. Folglich sei es zu keiner Änderung der Pauschalbeträge in § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 gekommen und sei daher der Höchstbetrag an berücksichtigbaren Aufwendungen für Familienheimfahrten nach § 20 EStG 1988 mit EUR 3.672,00 begrenzt.

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer lebte im Jahr 2022 mit seiner Ehegattin und seinem Sohn in ***WO***. Der Beschwerdeführer war im Jahr 2022 als Universitätsprofessor an der ***Universität*** tätig und hat er zur Ausübung seines Berufs eine Wohnung in der Stadt ***X*** angemietet.

Die Distanz zwischen ***WO***, und ***X*** beträgt 357 Kilometer und werden zur Bewältigung dieser Strecke mit einem Personenkraftwagen ca. 4 ½ Stunden benötigt.

Die Ehefrau des Beschwerdeführers war im Jahr 2022 als Gymnasiallehrerin am Standort der ***Schule*** in ***Ort***, tätig.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt hat seine Grundlage in dem vorgelegten Mietvertrag vom über die Anmietung einer Wohnung in der Stadt ***X***, der vorgelegten Bescheinigung der Steuerverwaltung des ***WO*** vom , der die Beschäftigung der Ehefrau des Beschwerdeführers an der ***Schule*** entnommen werden konnte, der vorgelegten Wohnsitzbestätigung des Ausländer- und Passamts des ***WO***, der vorgelegten Meldebestätigung des Einwohner- und Standesamt der Stadt ***X***, den im bekämpften Bescheid angeführten Lohnzetteldaten sowie dem mit diesen vorgelegten Dokumenten übereinstimmenden und daher glaubhaften Vorbringen des Beschwerdeführers.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 in der Fassung des BGBl. I Nr. 108/2022 lautet wie folgt:

"Ist dem Arbeitnehmer die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar, beträgt das Pendlerpauschale abweichend von lit. c:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bei mindestens 2 km bis 20 km
372 Euro jährlich,
bei mehr als 20 km bis 40 km
1 476 Euro jährlich,
bei mehr als 40 km bis 60 km
2 568 Euro jährlich,
bei mehr als 60 km
3 672 Euro jährlich.

"

Nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 in der Fassung des BGBl. I Nr. 194/2022 dürfen Kosten für Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d angeführten Betrag übersteigen, bei den Einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden.

§ 124b Z 395 EStG 1988 in der Fassung des BGBl. I Nr. 63/2022 lautet wie folgt:

"a) Zur Abgeltung der erhöhten Treibstoffkosten sind im Zeitraum Mai 2022 bis Juni 2023 zusätzlich zu den Pauschbeträgen gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c folgende Pauschbeträge nach Maßgabe der Bestimmungen des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. e bis j zu berücksichtigen:

 Bei einer einfachen Fahrtstrecke von


Tabelle in neuem Fenster öffnen
mindestens 20 km bis 40 km
29 Euro monatlich
mehr als 40 km bis 60 km
56,50 Euro monatlich
mehr als 60 km
84 Euro monatlich

b) Zur Abgeltung der erhöhten Treibstoffkosten sind im Zeitraum Mai 2022 bis Juni 2023 zusätzlich zu den Pauschbeträgen gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d folgende Pauschbeträge nach Maßgabe der Bestimmungen des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. e bis j zu berücksichtigen:

 Bei einer einfachen Fahrtstrecke von


Tabelle in neuem Fenster öffnen
mindestens 2 km bis 20 km
15,50 Euro monatlich
mehr als 20 km bis 40 km
61,50 Euro monatlich
mehr als 40 km bis 60 km
107 Euro monatlich
mehr als 60 km
153 Euro monatlich

c) Im Zeitraum Mai 2022 bis Juni 2023 steht zusätzlich ein Pendlereuro gemäß § 33 Abs. 5 Z 4 von 0,50 Euro monatlich pro Kilometer der einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu. Für die Berücksichtigung des zusätzlichen Pendlereuros gelten die Bestimmungen des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b und lit. e bis j entsprechend.

d) Bei Steuerpflichtigen, die Anspruch auf ein Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 haben, erhöht sich der nach § 33 Abs. 8 Z 2 errechnete und zurückzuerstattende Betrag im Kalenderjahr 2022 um 60 Euro und im Kalenderjahr 2023 um 40 Euro.

e) Wenn die Einkommensteuer (Lohnsteuer) durch Abzug eingehoben wird, und für Lohnzahlungszeiträume von Mai 2022 bis Juni 2023 lit. a bis c noch nicht berücksichtigt wurden, hat der Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer eine Aufrollung gemäß § 77 Abs. 3 so bald wie möglich, jedoch spätestens bis durchzuführen, sofern die technischen und organisatorischen Möglichkeiten dazu vorliegen."

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist in Bezug auf den beschwerdegegenständlichen Fall das Folgende auszuführen.

Wiewohl der Wortlaut des § 124b Z 395 EStG 1988 für die Ausführungen des Finanzamts Österreich in der Stellungnahme zum Vorlagebericht vom sprechen möge, wonach der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung im Gegensatz zu § 124b Z 52 EStG 1988 keine Änderung der Beträge in § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 vorgenommen habe, kann dieser Argumentation des Finanzamts Österreich vor dem Hintergrund des Berichts des Finanzausschusses des Nationalrats vom und den Ausführungen der Abgeordneten sowie des Bundesministers für Finanzen im Rahmen der 153. Sitzung des Nationalrats der Republik Österreich am nicht gefolgt werden. So ist dem Bericht des Finanzausschusses in Bezug auf § 124b Z 395 EStG 1988 zu entnehmen, dass mit dieser Bestimmung eine zeitlich befristete Erhöhung der Pendlerpauschale um 50 % aufgrund der Erhöhung der Treibstoffkosten vorgenommen werden soll (AB, BlgNR 1439, XXVII. GP, S. 1). Etwaige Ausführungen, wonach zu den bereits in § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 vorgesehenen Pauschalbeträgen zusätzliche Pauschalbeträge eingeführt werden sollten, finden sich in diesem Bericht hingegen nicht.

Aber auch dem stenographischen Protokoll betreffend die 153. Sitzung des Nationalrats der Republik Österreich am kann in Bezug auf die Beiträge der Abgeordneten sowie des Bundesministers für Finanzen im Rahmen der parlamentarischen Diskussion zu § 124b Z 385 EStG 1988 eine etwaige Einführung allfälliger zusätzlicher Pauschalbeträge zu den in § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 bereits vorgesehenen Pauschalbeträgen, wie vom Finanzamt Österreich argumentiert, nicht entnommen werden, sondern sprechen sämtliche Personen ausschließlich von einer zeitlich befristeten Erhöhung der Pendlerpauschale um 50 %.

In Anbetracht dieses Berichts des Finanzausschusses des Nationalrats sowie der Ausführungen der Abgeordneten und des Bundesministers für Finanzen im Rahmen der 153. Sitzung des Nationalrats der Republik Österreich am kann somit nicht die Rede sein, dass der Gesetzgeber mit § 124b Z 395 EStG 1988 beabsichtigte, zu den in § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 bereits vorgesehenen Pauschalbeträgen zusätzliche, zeitlich befristete Pauschalbeträge einzuführen. Vielmehr verfolgte der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung das Ziel, eine zeitlich befristete Erhöhung der Pendlerpauschalbeträge vorzunehmen, was in weiterer Folge aufgrund des Verweises in § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 auf § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 zur Auswirkung haben muss, dass auch die Höchstgrenze an als Werbungskosten berücksichtigbaren Aufwendungen für Familienheimfahrten für den Zeitraum Mai 2022 bis Juni 2023 erhöht wurde.

Hinsichtlich des Zeitraums Mai 2022 bis Juni 2023 sind somit nur jene Aufwendungen in Zusammenhang mit Familienheimfahrten vom Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 umfasst, die den sich aus § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 iVm § 124b Z 395 EStG 1988 ergebenden monatlichen Höchstbetrag in Höhe von EUR 459,00 übersteigen. Folglich waren die Aufwendungen des Beschwerdeführers für dessen Familienheimfahrten betreffend den Zeitraum Jänner bis April bis zu dem Betrag in Höhe von monatlich EUR 306,00 sowie betreffend den Zeitraum Mai bis Dezember bis zu dem Betrag in Höhe von monatlich EUR 459,00, sohin insgesamt EUR 4.896,00, als Werbungskosten bei der Festsetzung der Einkommensteuer zu berücksichtigen und war der Beschwerde daher stattzugeben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist im gegenständlichen Fall nicht zulässig, da angesichts der zitierten parlamentarischen Dokumente eine klare Rechtslage in Bezug auf § 124b Z 395 EStG 1988 vorliegt, die keine Auslegungsschwierigkeiten bereitet.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.6100386.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at