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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.08.2024, RV/7103526/2020

Keine Berücksichtigung eines Pauschbetrages nach § 5 der VO über außergewöhnliche Belastungen mangels Nachweis von Mehraufwendungen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Sonja Stradner in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019, Steuernummer ***Bf-StNr***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) beantragte im Rahmen seiner Arbeitnehmerveranlagung 2019 den Pauschbetrag gemäß § 5 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen (VO) sowie die Berücksichtigung von Heilbehandlungskosten iHv 2.000,- € im Zusammenhang mit der Behinderung seiner Tochter.

Nach durchgeführtem Vorhalteverfahren erließ das Finanzamt am den Einkommensteuerbescheid 2019 und berücksichtigte weder den beantragten Pauschbetrag für Mehraufwendungen gemäß § 5 der VO noch die zusätzlich geltend gemachten Krankheitskosten für die behinderte Tochter. Stattdessen wurde ein Freibetrag iHv 401,- € wegen Behinderung eines Kindes gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 zuerkannt. Begründend wurde ausgeführt, dass ein Freibetrag nach § 5 der VO nur entsprechend des Verhältnisses der Kostentragung der behindertenbedingten Aufwendungen vom Unterhaltspflichtigen beansprucht werden könne. Das Verhältnis der Kostentragung sei nicht nachgewiesen worden, weshalb der Freibetrag nicht zustehe. Die zusätzlichen Kosten seien nur als außergewöhnliche Belastungen unter Anwendung des - in diesem Fall höheren - Selbstbehaltes zu berücksichtigen.

Dagegen erhob der Bf. mit Eingabe vom Beschwerde und brachte vor, dass er keine tatsächlichen Kosten für die Behinderung eines Kindes geltend machen möchte.

Das Finanzamt wertete die Eingabe als neuerlichen Antrag auf Zuerkennung des Pauschbetrages gemäß § 5 der VO über außergewöhnliche Belastungen und wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab.

Der Bf. beantragte noch am selben Tag die Vorlage an das Bundesfinanzgericht und brachte vor wie in der Beschwerde.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor, wobei der Fall der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung am zugeteilt wurde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. bezieht im Streitjahr 2019 Einkünfte aus nicht selbständiger Tätigkeit.

Die minderjährige Tochter des Bf. lebt im Haushalt der Kindesmutter. Der Bf. leistet monatlich Geldunterhalt iHv 300,- €. Die Kindesmutter bezieht für die Tochter erhöhte Familienbeihilfe. Pflegegeld wird für die Tochter im Jahr 2019 nicht bezogen.

Im Zusammenhang mit der Behinderung seiner Tochter hatte der Bf. im Jahr 2019 Mehraufwendungen iHv 2.000,- €. Die Aufwendungen betreffen Kosten für eine in Serbien durchgeführte Augenoperation der Tochter. Weitere Aufwendungen sind dem Bf. nicht entstanden.

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und den - im Rahmen der amtswegigen Ermittlungspflicht - beim Finanzamt bzw. bei der Pensionsversicherungsanstalt eingeholten Auskünfte über den Bezug der erhöhten Familienbeihilfe bzw. eines möglichen Pflegegeldes.

Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durfte das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung von den obigen Sachverhaltsfeststellungen ausgehen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

§ 34 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988, in der Fassung BGBl. I Nr. 103/2019, lautet auszugsweise:

Außergewöhnliche Belastung

§ 34. (1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. […]

(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

[…]

- Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

[…]

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (in der Folge: VO), BGBl. Nr. 303/1996, in der Fassung BGBl. II Nr. 430/2010, lautet auszugsweise:

§ 4. Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät,Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zuberücksichtigen.

§ 5. (1) Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262 Euro vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) zu berücksichtigen. […]

(3) Zusätzlich zum (gegebenenfalls verminderten) Pauschbetrag nach Abs. 1 sind auch Aufwendungen gemäß § 4 sowie das Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

§ 6. Haben mehrere Steuerpflichtige Anspruch auf einen Pauschbetrag nach §§ 2, 3 oder 5, dann ist dieser Pauschbetrag im Verhältnis der Kostentragung aufzuteilen. Weist einer der Steuerpflichtigen seine höheren Mehraufwendungen nach, dann ist beim anderen Steuerpflichtigen der Pauschbetrag um die nachgewiesenen Mehraufwendungen zu kürzen.

Der Begriff Mehraufwendungen im § 34 Abs. 6 EStG 1988 stellt klar, dass nur die aus der Behinderung des Kindes erwachsenden Aufwendungen der begünstigten Behandlung als außergewöhnliche Belastung (kein Abzug des Selbstbehaltes) unterliegen. Nur solche Aufwendungen und nicht Aufwendungen schlechthin (Unterhaltskosten) werden auch durch die im § 5 der VO vorgesehenen Pauschbeträge abgedeckt (). Nicht maßgebend ist, ob der Steuerpflichtige selbst oder jemand anders (etwa das Kind oder - wie hier - die Kindesmutter) die erhöhte Familienbeihilfe bezieht ( sowie Fuchs in: Hofstätter/Reichel, EStG-Komm54, 2013, § 34 Abs. 6 bis 9 Rz 16).

Der Bf. hatte 2019 entsprechend seiner Leistungsfähigkeit eine gerichtlich festgesetzte, gesetzliche Unterhaltsverpflichtung iHv 300,- € monatlich. Daneben erwuchsen dem Bf. Kosten iHv 2.000,00 € für eine Heilbehandlung (Augenoperation) seiner Tochter. Da es sich dabei um Aufwendungen im Sinne des § 4 der VO handelt, waren diese gemäß § 5 Abs. 3 der VO beim Bf. ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes als außergewöhnliche Belastungen in Abzug zu bringen.

Soweit der Bf. die Berücksichtigung des Pauschbetrages nach § 5 Abs. 1 der VO beantragt, übersieht er, dass ihm neben den angeführten Aufwendungen keine weiteren entstanden sind. Auch wenn die Höhe der Mehraufwendungen nicht nachgewiesen werden muss, so muss es zumindest möglich gewesen sein, dass dem Bf. derartige Mehraufwendungen entstanden sind (, , RV/7100419/2020). Da der Bf. selbst angibt, dass ihm 2019 neben den genannten Operationskosten keine weiteren Aufwendungen für die Tochter entstanden sind, war die Berücksichtigung eines Pauschalbetrages im Sinne des § 5 Abs. 1 der VO nicht möglich.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage ergibt sich eindeutig aus den rechtlichen Vorgaben sowie der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, sodass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at