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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.06.2024, RV/7103423/2012

Wurden gemäß § 295 BAO abgeleitete Bescheide zu Recht erlassen?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des FA Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom , und betreffend Einkommensteuer 2003, 2004, 2006 und 2007, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der angefochtenen Bescheide werden abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) war in den Streitjahren u.a. an der INET Internet Service GmbH & atypisch Still, St.Nr. *** (INET II) beteiligt. Weiters war er in den Jahren 2006 und 2007 an der Galileo Datenbank Consulting GmbH (St.nr. ***) beteiligt und in den Jahren 2003 bis 2009 an der DVM Consulting GmbH & atypisch stille Gesellschafter (St.Nr. ***, DVM I) und in den Jahren 2004 bis 2008 an der DVM Consulting-IT F&E GmbH und atypisch stille Gesellschafter (St.Nr. ***, DVM II) sowie im Jahr 2007 an der Rembrandt Rest Betr GmbH u Mitg (St.nr. ***). In den Jahren 2006 und 2007 war er außerdem an der EW Digitale Übertragungssysteme GmbH & atypisch stille Gesellschafter (St.nr. ***) beteiligt sowie an der Claasen Ind Mang GmbH& atyp. St. (St.nr. ***).

Gegen die oa., am (betr. ESt 2003 und 2004), (ESt 2006) sowie (ESt 2007) erlassenen (gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten) Einkommensteuerbescheide für 2003, 2004, 2006 und 2007 erhob der Bf. mit Schriftsatz vom Berufung (nunmehr: Beschwerde).

In der Beschwerde wurde Folgendes vorgebracht:

"Die Bescheide vom 9., 11. Und stützen sich auf die Grundlagenbescheide anderer Finanzämter und zwar:

"2003 StNr ***1*** vom betreffend DVM

2004 StNr ***1*** vom betreffend DVM

2006 StNr ***1*** vom betreffend DVM

StNr ***2*** (gemeint: ***2***) vom betreffen iNET

2007 StNr ***1*** vom betreffend DVM

StNr ***3*** vom betreffend Rembrandt

Hinsichtlich der Grundlagenscheide zu StNr ***1*** und StNr ***3*** hat der BW Berufung gegen die Grundlagenbescheide erhoben (beiliegend). Diese Grundlagenbescheide sind zwar dem BW diesmal zugestellt worden, dies ändert aber nichts daran, dass sie nicht rechtskräftig sind und nicht Grundlage einer nachträglichen Feststellung einer Nachzahlung zur Einkommenssteuer sein dürfen.

Die Anwendung des § 295 Absatz 1 BAO setzt die Bindung eines nachfolgenden Bescheides an einen vorangehenden bzw. die Wirksamkeit dieses Grundlagenbescheides gegenüber dem Adressaten des abgeleiteten Bescheides voraus. Bestehen diese Bindungen bzw. Wirkungen nicht, liegt eine Abänderungsbefugnis der Abgabenbehörde gemäß § 295 Absatz 1 BAO nicht vor (vgl. 93/15/0088 und die darin zitierte Literatur sowie Ritz, BAO, RZ 13 zu § 295 mvN).

Mangels rechtswirksam ergangener Feststellungsbescheide erfolgt die Erlassung der gemäß § 295 Absatz 1 BAO erlassenen Änderungsbescheide in Form der angefochtenen Bescheide zu Unrecht. Sie sind daher aufzuheben. Durch eine allenfalls neuerliche Erlassung der Gundlagenbescheide, ist dieser Mangel nicht sanierbar (vgl. Vwgh zu 93/14/0203).

Der BW bestreitet die Richtigkeit der Nichtfeststellung von Einkünften als stiller Gesellschaft wie in den Grundlagenbescheiden zu StNr ***3*** und zu StNr ***1*** vorgenommen.

Der BW verweist inhaltlich auf seine Ausführungen in den beiden Berufungen, die beiliegend übermittelt werden.

Desweiteren wird darauf hingewiesen, dass zu 50 HV 16/11x des Landesgericht Wiener Neustadt ein Strafverfahren gegen Herrn *** und andere wegen § 146 StGB u.a. durchgeführt wird und die Hauptverhandlung am 11.4. beginnt. Da in diesem Verfahren auch zu klären sein wird, ob der BW und die übrigen Stillen durch die Personen, die hinter DVM und Rembrandt standen, getäuscht wurden, ist aus Sicht des BW das Ergebnis des Strafverfahrens abzuwarten. Das Strafverfahren wird zeigen, dass der BW zu keinem Zeitpunkt über die tatsächlichen Vorkommnisse informiert war und daher auch keine Information darüber hatte, dass eine gewinnorientierte Tätigkeit von Anfang an nicht geplant gewesen wäre.

Mit Rücksicht auf die Berufungen zu den Grundlagenbescheiden erhebt der BW daher Berufung gegen die Bescheide vom 9., 11. Und und beantragt, die nachträgliche Festsetzung von Einkünften ersatzlos zu beheben."

Am wurden die Beschwerde (früher: Berufung) dem Unabhängigen Finanzsenat Außenstelle Wien (nunmehr: Bundesfinanzgericht) zur Entscheidung vorgelegt. Im Bezug habenden Vorlagebericht führte das Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg zu den Streitpunkten Folgendes aus:

"Strittig ist, ob gem. § 295 BAO abgeleitete Bescheide zu Recht erlassen wurden (ob nichtige Grundlagenbescheide vorliegen - INET und DVM). Betreffend das Jahr 2005 wurde der letzte § 295 BAO-Bescheid auf einen Grundlagenbescheid des FA Graz-Stadt gestützt (***StNr4***). Gemäß § 274 BAO gilt die Berufung vom gegen den gemäß § 295 BAO geänderten Bescheid vom weiter. Der Schriftsatz vom (Berufung betreffend ESt 2004) stellt einen ergänzenden Schriftsatz zur Berufung vom dar (§ 274 BAO)."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Strittig ist im vorliegenden Fall, ob die gemäß § 295 BAO abgeleiteten angefochtenen Bescheide zu Recht erlassen wurden bzw. ob ein nichtige Grundlagenbescheide vorgelegen sind.

§ 295 Abs. 1 BAO weist folgenden Wortlaut auf:

"§ 295. (1) Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist."

Fest steht im gegenständlichen Fall, dass die Grundlagenbescheide mittlerweile rechtskräftig geworden sind sowie dass die Grundlagenbescheide gegenüber dem Adressaten der abgeleiteten Bescheide (= Bf.) wirksam geworden sind.

Gemäß § 295 Abs. 1 BAO kommt es nicht darauf an, ob der Feststellungsbescheid im Zeitpunkt der Erlassung des abgeleiteten Abänderungsbescheides bereits rechtskräftig war (…ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist..).

Auf § 295 Abs. 1 gestützte Bescheide setzen die Abhängigkeit (somit ein Verhältnis Grundlagenbescheid zu abgeleitetem Bescheid) voraus. Weiters darf ein auf § 295 gestützter Bescheid nur ergehen, wenn ein Grundlagenbescheid nachträglich somit nach Zustellung des abgeleiteten Bescheides) erlassen oder abgeändert wird und wenn dieser nachträgliche Bescheid dem Adressaten des abgeleiteten Bescheides gegenüber wirksam ist (vgl. ; , 2010/15/0064). § 295 Abs .1 gilt auch, wenn die Aufhebung des Feststellungsbescheides durch den VwGH erfolgt (vgl. Ritz, BAO, 6. Auflage, § 295 Tz 3)

Da die genannten Voraussetzungen bei den angefochtenen Bescheiden sämtlich vorliegen, sind diese zu Recht ergangen.

Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb betragen daher nunmehr wie folgt (in Euro):

Einkommensteuer 2003:

Einzelunternehmen: 149.190,48

Beteiligung INET II: 2.745,52

Beteiligung DVM I: -15.000,00

Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2003 laut BFG: 136.936,00

Einkommensteuer 2004:

Einzelunternehmen: 164.315,15

Beteiligung DVM II: -51.476,70

Beteiligung DVM I: -681.72

Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2004 laut BFG: 112.156,73

Einkommensteuer 2006:

Einzelunternehmen: 121.915,65

Beteiligung Claasen Ind Mang GmbH & atyp. St.: -4.465,00

Beteiligung DVM I: 0,00

Beteiligung DVM II: 0,00

Beteiligung EW: -30.035,00

Beteiligung INET II: -1.635,14

Beteiligung Galileo: 0,00

Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2006 laut BFG: 85.780,51

Einkommensteuer 2007:

Einzelunternehmen: 124.830,71

Beteiligung DVM I: 0,00

Beteiligung DVM II: 0,00

Beteiligung EW: -2.052,37

Beteiligung Classen Ind Mang GmbH & atyp. St.: +155,00

Beteiligung Rembrandt: 0,00

Beteiligung INET II: 0,00

Beteiligung Galileo: 0,00

Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2007 laut BFG:122.933,34

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Weder weicht das gegenständliche Erkenntnis von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103423.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at