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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 12.08.2024, RV/7100130/2017

Keine Schätzungsberechtigung bei (ausschließlich) geringer Kalkulationsdifferenz (3%)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Senatsvorsitzenden MMag. Gerald Erwin Ehgartner, die Richterin Mag. Corinna Engenhart sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Gertraud Lunzer und Mag. Petra Ibounig in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ECA Schreiner und Schreiner Immo GmbH, Wiener Straße 86-88/2/13, 3500 Krems/Donau, über die Berufung (nunmehr: Beschwerde) vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Waldviertel (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatzsteuer 2008 - 2010, Umsatzsteuer 2008 - 2010, Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer 2008 - 2010 sowie Einkommensteuer 2008 - 2010, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin Denise Schimonek zu Recht:

I. Den Beschwerden gegen die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer betreffend das Jahr 2008 wird Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden gemäß § 279 BAO aufgehoben.

und fasst den Beschluss:

II. Der Einkommensteuerbescheid und der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2008 vom scheiden aus dem Rechtsbestand aus. Die gegen diese Bescheide gerichteten Beschwerden werden daher gemäß § 261 Abs 2 BAO iVm § 278 Abs 1 BAO als gegenstandslos erklärt.

III. Der Vorlageantrag vom wird, soweit er sich gegen die Beschwerdevorentscheidungen betreffend Wiederaufnahme der Einkommen- und Umsatzsteuerverfahren betreffend die Jahre 2009 und 2010 sowie gegen die Beschwerdevorentscheidungen betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer betreffend die Jahre 2009 und 2010 richtet, gemäß § 256 Abs 3 BAO in Verbindung mit § 264 Abs 4 BAO als gegenstandslos erklärt.

Damit gelten die diesbezüglichen Beschwerden gemäß § 264 Abs 3 BAO wieder als durch die Beschwerdevorentscheidungen vom erledigt.

IV. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 bzw. Abs 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Im Jahr 2013 fand bei dem Beschwerdeführer, der als Einzelunternehmer einen Hafner- und Fliesenlegerbetrieb führt, eine Außenprüfung betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 2008 bis 2010, statt.

Im Rahmen der Außenprüfung kalkulierte der Prüfer den nach Erfahrungswerten jeweils zu erzielenden Jahresumsatz. Zur Berechnung des jeweiligen Leistungsumsatzes multiplizierte der Prüfer die für den Beschwerdeführer selbst (unter Annahme einer Einbindung in den produktiven Arbeitsprozess von 45%) angenommene und für seine Mitarbeiter (unter Annahme von Stehzeiten im Ausmaß von 15%) aufgezeichnete Arbeitszeit mit dem für das jeweilige Jahr durchschnittlich für eine Arbeitsstunde verrechneten Entgelt. Als Leistungsumsatz wurde der jeweilige Wareneinsatz vervielfacht mit einem Rohaufschlagskoeffizienten in Höhe von 1,3 herangezogen. Das auf diese Weise kalkulierte Kalkulationsergebnis überstieg den sich aus den Büchern des Beschwerdeführers ergebenden Gesamtumsatz im Jahr 2008 um 18% (€ 20.204,19), im Jahr 2009 um 7% (€ 9.926,50) sowie im Jahr 2010 um 8% (€ 12.611,92).

Zudem stellte der Prüfer im Jahr 2010 einen Vermögenszuwachs fest (Überweisungen aus den eigenen Ersparnissen des Beschwerdeführers bzw. seiner Frau auf das betriebliche Konto), dessen Herkunft seiner Ansicht nach nicht hinreichend nachgewiesen werden konnte. Aufgrund der Kalkulationsdifferenzen sowie dieses unaufgeklärten Vermögenszuwachses sei eine Schätzung gemäß § 184 BAO vorzunehmen und die kalkulatorisch ermittelten (auf Tausende abgerundete) Nettoeinnahmendifferenzen den erklärten Umsätzen und Gewinnen hinzuzurechnen (im Jahr 2008: € 20.000, --; 2009: € 9.000, --; 2010: € 12.000, --). Mit dieser Hinzurechnung im Gesamtwert von € 41.000, -- sei auch der nichtgeklärte Vermögenszuwachs in Höhe von € 33.000, -- abgedeckt.

Die belangte Behörde folgte der Ansicht des Prüfers, nahm die Einkommensteuer- und Umsatzsteuerverfahren betreffend die Jahre 2008 bis 2010 wieder auf und erließ am gleichen Tag neue entsprechende Sachbescheide.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde. Begründend führte der Beschwerdeführer zunächst hinsichtlich der für die Kalkulation herangezogenen produktiven Arbeitszeit aus, dass bei seiner Angabe, er nehme zu 50 % produktiv am Geschäftsprozess teil, zu berücksichtigen sei, dass auch Materialbesorgungen, Materiallieferungen, Lagerarbeiten sowie Reparatur-und Instandhaltungsarbeiten an Maschinen, Fahrzeugen und Werkzeug zur produktiven Arbeit zählen würden, diese aber auf keinen Fall als verrechenbare Leistungen anzusehen seien. Die vom Prüfer angestellte Berechnung der Teilnahme am produktiven Arbeitsprozess habe ausschließlich auf einen Auftrag von November 2009 bis Februar 2010 im ***Kloster*** Bezug genommen. Zu dieser Zeit sei der einzige Mitarbeiter des Beschwerdeführers zum größten Teil der Zeit nicht bei ihm beschäftigt gewesen, weshalb sein eigener Arbeitseinsatz bei diesem Auftrag überdurchschnittlich hoch gewesen sei. Zudem sei unberücksichtigt geblieben, dass ***AS*** als einziger Mitarbeiter des Beschwerdeführers in den Jahren 2008 bis 2010 aufgrund eines schweren Herzfehlers nicht in vollem Umfang produktiv tätig gewesen habe sein können.

Zudem seien im Rahmen der Kalkulation sowohl der Durchschnittsstundensatz für die verrechnete Arbeitszeit als auch der Rohaufschlagskoeffizient zu hoch angesetzt worden. Weiters richtete sich der Beschwerdeführer gegen die Annahme, dass nicht aufgeklärte Vermögenszuwächse vorliegen würden.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab die belangte Behörde der Beschwerde gegen die Wiederaufnahme der Einkommensteuer- und Umsatzsteuerverfahren betreffend die Jahre 2009 und 2010 vollinhaltlich statt und hob diese Wiederaufnahmebescheide auf. Da die neuen Sachbescheide für die Jahre 2009 und 2010 damit aus dem Rechtsbestand ausgeschieden seien, wurden die gegen diese gerichteten Beschwerden mit Beschwerdevorentscheidung als gegenstandslos erklärt.

Die belangte Behörde führt im Wesentlichen begründend aus, dass hinsichtlich eines Teilbetrages des ursprünglich nicht nachgewiesenen Vermögenszuwachses ein Nachweis habe erbracht werden können und dieser nicht weiter als Begründung für die Schätzungsbefugnis gemäß § 184 BAO aufrechterhalten werde. Auch die im Rahmen der Außenprüfung festgestellten Kalkulationsdifferenzen in den Jahren 2009 und 2010 würden jeweils nicht mehr als 10 % betragen, sodass keine Begründung für eine Schätzung gemäß § 184 BAO mehr vorliegen würde.

Die Beschwerden gegen die Wiederaufnahme der Einkommensteuer- und Umsatzsteuerverfahren betreffend das Jahr 2008 wurden hingegen als unbegründet abgewiesen. Die Bescheide betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer für das Jahr 2008 wurden mit Beschwerdevorentscheidungen dahingehend abgeändert, dass nur noch eine neu ermittelte Kalkulationsdifferenz in Höhe von € 15.000, -- den erklärten Umsätzen bzw. dem erklärten Gewinn hinzugerechnet wurde.

Die verringerten kalkulatorischen Einnahmen gründeten sich darauf, dass aufgrund des Herzfehlers des Mitarbeiters dessen produktive Arbeitszeit im Rahmen der neuen Kalkulation nur mehr im Ausmaß von 90 % (anstelle von vorher 100 %) angesetzt wurde. Hingegen wurden beim ebenfalls in der Beschwerde gerügten Rohaufschlag, dem herangezogenen durchschnittlichen Stundensatz und dem Ausmaß der produktiven Arbeitszeit des Beschwerdeführers keine Anpassungen vorgenommen. Da die Kalkulationsdifferenz für das Jahr 2008 auch nach Vornahme dieser Anpassung 16 % betragen habe, ging die belangte Behörde für dieses Jahr weiterhin vom Vorliegen der Schätzungsberechtigung aus und nahm nunmehr eine Zuschätzung der neu ermittelten Kalkulationsdifferenz von € 15.000 vor.

Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Im Rahmen der antragsgemäß vor dem Bundesfinanzgericht durchgeführten mündlichen Senatsverhandlung am zog der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers den Vorlageantrag betreffend die Jahre 2009 und 2010 (sowohl betreffend die Wiederaufnahme der Einkommensteuer- und Umsatzsteuerverfahren als auch hinsichtlich der entsprechenden Sachbescheide) zurück.

Hinsichtlich des Jahres 2008 führte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers aus, dass bei ***AS***, dem Mitarbeiter des Beschwerdeführers in diesem Jahr zwei Bypass-Operationen durchgeführt worden seien und seine produktive Arbeitszeit daher nur im Ausmaß von 80% (anstelle von 90% in der der Beschwerdevorentscheidung zugrundeliegenden Kalkulation) zu veranschlagen sei. Weiters sei es im Jahr 2008 trotz zahlreicher Gespräche nicht immer zu einem Geschäftsabschluss gekommen. Aufgrund dieser wirtschaftlich schwierigen Auftragslage sei auch die produktive Arbeitszeit des Beschwerdeführers nur in einem Ausmaß von 35% (anstelle von 45% in der bisherigen Kalkulation) zu berücksichtigen.

Der steuerliche Vertreter legte eine Neuberechnung der ursprünglichen Kalkulation des Prüfers unter Heranziehung dieser beiden geänderten Parameter vor, wobei der auf diese Weise berechnete Gesamtumsatz den in den Büchern des Beschwerdeführers ausgewiesenen und seinen Abgabeerklärungen zugrundeliegenden Gesamtumsatz um rund 3% überstieg.

In Hinblick auf dieses neue Vorbringen und die darauf basierende Berechnung beantragte die Vertreterin der belangten Behörde ebenfalls die Stattgabe der Beschwerde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer führt als Einzelunternehmer einen Hafner- und Fliesenlegerbetrieb und beschäftigte im Jahr 2008 einen Mitarbeiter.

Laut den Aufzeichnungen des Beschwerdeführers erzielte er im Rahmen dieses Betriebs im Jahr 2008 mit einem Wareneinsatz von € 23.737,36 einen Gesamtumsatz von € 93.374,38.

Mängel in der Buchführung des Beschwerdeführers sind für das Bundesfinanzgericht nicht ersichtlich und wurden auch im Rahmen der Betriebsprüfung nicht beanstandet.

Zur Plausibilisierung der auf den Aufzeichnungen des Beschwerdeführers beruhenden Ergebnisse ist der von ihm berechnete Gesamtumsatz einem im Rahmen einer auf allgemeinen Erfahrungssätzen unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Beschwerdeführers aufgebauten Kalkulation errechneten für das Jahr 2008 erzielbaren Gesamtumsatz gegenüberzustellen.

Der im Rahmen dieser Kalkulation ermittelte (Vergleichs-) Gesamtumsatz setzt sich wie folgt zusammen:

Für das Jahr 2008 ergibt sich aus den Arbeitsaufzeichnungen für den Mitarbeiter des Beschwerdeführers eine Gesamtarbeitszeit im Ausmaß von 1.374 Stunden. Zur Kalkulation der von diesem Gesamtbetrag zu verrechnenden Arbeitszeit ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Mitarbeiter des Beschwerdeführers aufgrund einer Herzerkrankung und insbesondere zweier Bypass-Operationen im Jahr 2008 nicht in vollen Ausmaß einsatzfähig war. Der somit aus gesundheitlichen Gründen nur eingeschränkt mögliche Arbeitseinsatz wird vom Bundesfinanzgericht in einem Ausmaß von 80% (dies entspricht 1.099 Stunden) angenommen. Hiervon sind noch Stehzeiten im Ausmaß von 15% in Abzug zu bringen, sodass auf den Mitarbeiter des Beschwerdeführers im Jahr 2008 als verrechenbare Arbeitszeiten anzusetzende 934 Stunden entfallen.

Hinsichtlich der verrechenbaren Arbeitszeit für den Beschwerdeführer selbst ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer nach seinen Angaben nur im zeitlichen Ausmaß von 50% im operativen Geschäftsbetrieb tätig ist und seine diesbezügliche Arbeitszeit auch Tätigkeiten umfasst (beispielweise Materialbesorgungen und -lieferungen, Lagerarbeiten sowie Reparatur-und Instandhaltungsarbeiten an Maschinen, Fahrzeugen und Werkzeug), die nicht verrechenbar sind. Zudem ist auch darauf Bedacht zu nehmen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Jahr 2008 um ein für den Betrieb des Beschwerdeführers schwieriges Jahr gehandelt hat, in dem es trotz teilweise umfangreicher entsprechender Gespräche nicht immer zu einer Auftragsvergabe gekommen war und dies bei den anzusetzenden Stehzeiten zu berücksichtigen ist. Unter Ansatz von insgesamt 248 Arbeitstagen sowie 40 Urlaubs- und 10 Krankenstandtagen (dies ergibt bei einer täglichen Arbeitszeit von 8 Stunden eine jährliche Gesamtarbeitszeit von 1.584 Stunden) sowie - unter Berücksichtigung der Einbindung des Beschwerdeführers in den operativen Geschäftsbetrieb sowie der in diesem Jahr vermehrten Stehzeiten - einer produktiven Arbeitszeit im Ausmaß von 35% ergibt dies für den Beschwerdeführer selbst im Jahr 2008 als verrechenbare Arbeitszeit anzusetzende 554 Stunden.

Bei Heranziehung des durchschnittlich im Jahr 2008 für eine Stunde Arbeitszeit verrechneten Entgelts von € 44,00 ergibt sich bei für den Beschwerdeführer und seinen Mitarbeiter insgesamt verrechenbarer Arbeitszeit von 1.488 Stunden ein kalkulierter Leistungsumsatz in Höhe von € 65.472‬, --.

Hinsichtlich des Materialumsatzes ist der Wareneinsatz mit dem (stichprobenartig anhand der Ein- und Ausgangsrechnungen des Beschwerdeführers ermittelten) durchschnittlichen Rohaufschlagskoeffizient in Höhe von 1,3 zu multiplizieren. Dies ergibt beim Materialeinsatz des Beschwerdeführers im Jahr 2008 in Höhe von € 23.737,36 einen zu erzielenden Materialumsatz in Höhe von € 30.858,57.

Auf Basis dieser Kalkulation ergibt sich kalkulatorisch für das Jahr 2008 ein zu erzielender Gesamtumsatz in Höhe von € 96.330,57 (€ 65.472‬, -- Leistungsumsatz + € 30.858,57 Materialumsatz), somit ein um 3,17 % höherer Wert als der auf den Aufzeichnungen des Beschwerdeführers basierende Gesamtumsatz in Höhe von € 93.374,38. Diese Abweichung in Höhe von rund 3% stellt sich für das Bundesfinanzgericht nicht als wesentlich dar.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten (insbesondere aus dem Prüfungsakt), dem Beschwerdevorbringen und dem Vorbringen der Parteien im Rahmen der mündlichen Senatsverhandlung.

Der Wareneinsatz sowie die aufgezeichneten Stunden des Mitarbeiters ergeben sich aus den Aufzeichnungen des Beschwerdeführers. Der Rohaufschlagkoeffizient wurde anhand von Stichproben betreffend die Einkaufs- und Weiterverrechnungspreise für Arbeitsmaterial und Handelswaren in den Rechnungen des Beschwerdeführers der Jahre 2008 bis 2010 berechnet und das für eine durchschnittliche Arbeitszeitstunde verrechnete Entgelt anhand der Ausgangsrechnungen des Beschwerdeführers ermittelt. Das Bundesfinanzgericht erachtet die Annahme von 198 Arbeitstagen zu je 8 Stunden als Jahresgesamtarbeitszeit (unter Berücksichtigung von Urlaub und Krankenstand), von einer produktiven Arbeitszeit des Beschwerdeführers im Ausmaß von 45% (unter Berücksichtigung seiner Einbindung in den operativen Geschäftsbetrieb, zur Berücksichtigung der besonderen Herausforderungen des Jahres 2008 siehe sogleich) sowie den pauschalen Ansatz von Stehzeiten im Ausmaß von 15 % beim Mitarbeiter des Beschwerdeführers als nachvollziehbar und folgt den Feststellungen des Prüfers dahingehend.

Zu bemerken ist, dass diese Wertansätze zudem sowohl vom steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers als auch von der belangten Behörde ihren jeweiligen Berechnungen zugrunde gelegt wurden.

Sowohl der Umstand, dass der Mitarbeiter aus gesundheitlichen Gründen nicht in vollem Ausmaß einsatzfähig war, als auch, dass es aufgrund der schwierigen Auftragslage im Jahr 2008 vermehrt zu "Stehzeiten" gekommen ist, wurde vom Beschwerdeführer bzw. seinem steuerlichen Vertreter für das Bundesfinanzgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt. Eine entsprechende Berücksichtigung im Rahmen des Ausmaßes der produktiven Arbeitszeit des Beschwerdeführers (Verminderung um weitere 10%) bzw. seines Mitarbeiters (Verminderung um 20%) erscheint angemessen und widerspricht nicht der Lebenserfahrung.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung dargelegte Kalkulation jener Berechnung entspricht, die vom Vertreter des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegt wurde und auch von der Vertreterin der belangten Behörde als nachvollziehbar erachtet wurde.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu den Spruchpunkten I. (Stattgabe) und II. (Gegenstandsloserklärung)

Die gegenständliche angefochtene Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer betreffend das Jahr 2008 wurde gemäß § 303 Abs 1 lit b BAO von Amts wegen vorgenommen, da die belangte Behörde aufgrund von im Rahmen der beim Beschwerdeführer durchgeführten Außenprüfung festgestellten Tatsachen davon ausging, dass hinsichtlich der Umsätze des Beschwerdeführers die Voraussetzungen für die Vornahme einer Schätzung gemäß § 184 BAO vorliegen und diese Schätzung zu im Spruch anders lautenden Bescheiden führt.

Hinsichtlich des Jahres 2008 beruhte die Annahme der Schätzungsberechtigung unter anderem (neben einem ursprünglich angenommenen nicht aufgeklärten Vermögenszuwachs, der jedoch für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht nicht mehr von Relevanz ist) darauf, dass der im Rahmen der Außenprüfung zu Vergleichszwecken kalkulierte erzielbare Gesamtumsatz den vom Beschwerdeführer ausgewiesenen Jahresumsatz um 18 % (bzw in der Kalkulation in der die angefochtenen Bescheide abändernden Beschwerdevorentscheidungen um 16 %) überstieg.

Wie bereits im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung und der Beweiswürdigung näher dargelegt wurde, geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass im Rahmen der Kalkulation - wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers vorgebracht und auch von der Vertreterin der belangten Behörde als nachvollziehbar erachtet - zu berücksichtigen ist, dass der Mitarbeiter des Beschwerdeführers im Jahr 2008 aus gesundheitlichen Gründen nicht in vollem Ausmaß einsetzbar war und es aufgrund einer schwierigen Auftragslage zu vermehrten Stehzeiten kam.

Werden Bücher und Aufzeichnungen - wie im gegenständlichen Fall - ordnungsgemäß geführt, ist gemäß § 163 Abs 1 BAO - wenn nicht ein begründeter Anlass gegeben ist - auch ihre sachliche Richtigkeit zu vermuten. Ein solcher begründeter Anlass, die sachliche Richtigkeit ordnungsgemäß geführter Bücher in Zweifel zu ziehen, liegt vor, wenn diese wesentlich von einer auf allgemeinen Erfahrungswerten basierenden Kalkulation abweichen. Das Vorliegen eines wesentlichen Abweichens hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung beim Vorliegen einer Kalkulationsdifferenz von über 10% bejaht (vgl. , vom , 88/14/0110, vom , 94/15/0014, sowie vom , 96/15/0070), jedoch auch betont, dass sich daraus nicht ableiten lasse, dass nur geschätzt werden dürfe, wenn die 10 %-Grenze (Kalkulationsdifferenz von Gesamtumsatz) überschritten sei (vgl. , sowie vom , 2007/15/0146).

Im gegenständlichen Fall war - nach Adaptierung der Kalkulation an dieses im Rahmen der mündlichen Verhandlung dargelegte neue Vorbringen - nur mehr eine Kalkulationsdifferenz von rund 3 % gegeben. Darin ist für das Bundesfinanzgericht keine wesentliche Abweichung der ordnungsgemäß geführten Bücher von den allgemeinen Erfahrungswerten zu erkennen, die geeignet wäre, ihre - grundsätzlich gemäß § 163 Abs 1 BAO zu vermutende - sachliche Richtigkeit in Zweifel zu ziehen. Es sind daher die Aufzeichnungen des Beschwerdeführers der Abgabenerhebung zugrunde zu legen und es besteht somit keine Berechtigung der belangten Behörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung gemäß § 184 BAO durch Schätzung zu erheben. Mangels im Schätzungsweg zu erlassender, im Spruch anderslautender Bescheide liegen gegenständlich auch nicht die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer vor.

Den Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide betreffend das Einkommensteuer- und das Umsatzsteuerverfahren betreffend das Jahr 2008 ist daher stattzugeben und die angefochtenen Bescheide sind ersatzlos aufzuheben.

Nach § 307 Abs 3 BAO tritt durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheides das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat. Gemäß § 261 Abs 2 BAO ist eine gegen die Sachentscheidung gerichtete Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung oder mit Beschluss als gegenstandslos zu erklären, wenn einer Beschwerde gegen einen die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid entsprochen wird.

Vor diesem Hintergrund scheiden durch die Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide betreffend die Einkommensteuer- und Umsatzsteuerverfahren betreffend das Jahr 2008 ex lege die neuen Sachbescheide (Einkommensteuerbescheid 2008 und Umsatzsteuerbescheid 2008 vom ) aus dem Rechtsbestand aus und die ursprünglichen Sachbescheide (Einkommensteuerbescheid 2008 und Umsatzsteuerbescheid 2008 vom ) leben wieder auf (vgl. , sowie vom , 2009/15/0170). Die Beschwerden gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 und den Umsatzsteuerbescheid 2008 vom waren daher im Sinne des § 261 BAO als gegenstandslos zu erklären.

Es war somit gemäß den Spruchpunkten I. und II. zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt III. (Gegenstandloserklärung)

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde der Vorlageantrag vom vom steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers hinsichtlich der Jahre 2009 und 2010 (jeweils betreffend die Beschwerden gegen die Wiederaufnahmen der Verfahren betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer sowie die Beschwerde gegen die neuen Sachbescheide) zurückgenommen.

Gemäß § 264 Abs 4 lit d BAO iVm § 256 Abs 3 BAO war der Vorlageantrag daher in diesem Umfang als gegenstandslos zu erklären.

Damit gelten die Beschwerden gegen die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer 2009 und 2010 sowie Umsatzsteuer 2009 und 2010, sowie die entsprechenden neuen Sachbescheide vom gemäß § 264 Abs. 3 BAO wieder als durch die Beschwerdevorentscheidungen vom erledigt.

Es war somit gemäß Spruchpunkt III. zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchpunkt IV. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

In Hinblick auf Spruchpunkt I. handelt es sich bei den maßgeblichen Fragen, welche Umstände im Rahmen einer auf allgemeinen Erfahrungswerten basierenden Kalkulation des zu erzielenden Gesamtumsatzes zu berücksichtigen sind und ab welcher Kalkulationsdifferenz die Berechtigung zur Vornahme einer Schätzung gemäß § 184 BAO vorliegt, um im Rahmen der Beweiswürdigung zu beurteilende Sachfragen. Das gegenständliche Erkenntnis weicht auch nicht von der diesbezüglichen, angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ab. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, war die Revision zu diesem Spruchpunkt nicht zuzulassen.

Die Gegenstandsloserklärung der Beschwerden gegen die neuen Sachbescheide betreffend das Jahr 2008 bzw. des Vorlageantrags gegen die Beschwerdevorentscheidungen betreffend die Wiederaufnahmen der Einkommensteuer- und Umsatzsteuerverfahren betreffend die Jahre 2009 und 2010 sowie betreffend diese neuen Sachbescheide ergibt sich jeweils aus dem Gesetzestext, sodass eine Revision auch hinsichtlich der Spruchpunkte II. und III. nicht zulässig war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 163 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100130.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at