Kein Anspruch auf Familienbeihilfe mangels Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***'V***, Rechtsanwalt, ***V-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , OB ***1***, betreffend Rückforderung von erhöhter Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen aus dem Zeitraum April 2021 bis Jänner 2022, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt nach Durchführung eines Überprüfungsverfahrens die für den Zeitraum April 2021 bis Jänner 2022 für die Tochter ***K*** zuerkannte (erhöhte) Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge sowie den sich aus der Geschwisterstaffel ergebenden Erhöhungsbetrag für Sohn ***K2*** in Höhe von insgesamt € 3.936,00 zurück. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe hätten im Rückforderungszeitraum nicht mehr vorgelegen, weil die Tochter die Schulausbildung im Juli 2020 abgebrochen habe und eine dauernde Erwerbsunfähigkeit vom Sozialministeriumservice nicht bescheinigt worden sei.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom - postalisch eingegangen am - fristgerecht Beschwerde und führte begründend aus, dass sich seine Tochter vom Februar bis Juli 2021 einer Knochenmarktransplantation in Deutschland unterziehen habe müssen und mit einem Grad der Behinderung von 80 % eingestuft worden sei. Die Probleme mit dem Darm bestünden schon seit ihrem 7. Lebensjahr und hätten sich so gesteigert, dass sie einen künstlichen Darmausgang erhalten habe. Wahrscheinlich müsse der Darm entfernt werden. Für die Tochter beziehe man auch Pflegegeld. Mit dieser äußerst prekären gesundheitlichen Beeinträchtigung sei es der Tochter nicht möglich berufstätig zu sein bzw. sich selbst den Lebensunterhalt zu verschaffen. Es werde daher dringend um neuerliche Zuweisung an das Sozialministeriumservice ersucht. Die Tirol-Kliniken würden auch bestätigen, dass es der Tochter unmöglich gewesen wäre und sei, die Schule zu besuchen. Es werde daher beantragt die Rückforderung zu stornieren und die Familienbeihilfe mit Erhöhungsbetrag wegen Behinderung weiter auszuzahlen.
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , OB ***2***) als unbegründet ab.
Laut Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) vom sei ein Grad der Behinderung von 80 % ab , 60 % ab und 50 % ab. festgestellt worden. Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit sei nicht bescheinigt worden. Voraussetzung für den Anspruch auf Familienbeihilfe ohne dauernde Erwerbsunfähigkeit für ein volljähriges Kind sei das Vorliegen einer Berufsausbildung. Die Ausbildung sei jedoch im Juli 2020 abgebrochen worden.
Dagegegen wurde mit Eingabe vom der gegenständliche Vorlageantrag eingebracht. Darin wurde ergänzend vorgebracht, dass die Einschätzung des Sozialministeriumservice falsch sei und die Tochter erwerbsunfähig bleiben werde. Im Mai 2022 sei die Tochter operiert und der Darm zur Gänze entfernt worden, da sich schwerst entzündliche Veränderungen samt Stenosen gezeigt hätten. Aufgrund des Zustandes sei eine ständige ärzliche Kontrolle und Wartung erforderlich, die ein geregeltes Erwerbsleben praktisch verunmögliche. Auf den Entlassungsbrief der Tirol Kliniken werde verwiesen. Bei einer derartigen gesundheitlichen Lage sei es nicht möglich die Schule zu besuchen. Die Rückforderung der Familienleistungen stelle eine unbillige Härte dar.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer bezog erhöhte Familienbeihilfe, weil seine Tochter ***K***, geboren am ***xx.nnn.xxxx***, sich in Berufsausbildung befand und beginnend mit vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Grad der Behinderung von 60 % bescheinigt worden war.
Im Juli 2020 brach die Tochter die Schulausbildung krankheitsbedingt ab. Die Schulausbildung wurde bis jetzt auch nicht wieder aufgenommen.
Das Vorliegen einer Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, wurde vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) der Tochter des Beschwerdeführers für den Rückforderungszeitraum nicht bescheinigt
Zu Spruchpunkt I.
Rechtliche Erwägungen und Beweiswürdigung
Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat derjenige der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden
Gemäß § 2 Abs. 1 lit c FLAG 1967 haben die oben angeführten Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen,
Nach § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist, um monatlich € 155,90.
Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
Gemäß § 15 Abs. 1 FLAG 1967 finden für Personen, die im Zeitraum von einschließlich März 2020 bis einschließlich Februar 2021 für zumindest einen Monat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind haben, die während dieses Zeitraumes vorliegenden Anspruchsvoraussetzungen im unmittelbaren Anschluss an den Anspruchszeitraum bis März 2021 in Bezug auf dieses Kind weiter Anwendung, solange während dieses Zeitraumes keine andere Person anspruchsberechtigt wird.
Laut Schulbesuchsbestätigung vom und dem Beschwerdevorbringen hat die Tochter die Schulausbildung bereits im Juli 2020 krankheitsbedingt abgebrochen. Aus dem Beschwerdevorbringen geht auch hervor, dass die Schulausbildung bisher nicht wieder aufgenommen worden ist.
Zwar sind Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges für einen bereits vorher entstandenen Familienbeihilfenanspruch nicht schädlich. Hierzu gehören beispielsweise Erkrankungen, die die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrechen. Bei einer mehrjährigen krankheitsbedingten Unterbrechung der tatsächlichen Berufsausbildung bleibt der Familienbeihilfenanspruch aber nicht bestehen, weil in einem solchen Fall die Berufsausbildung nicht mehr aufrecht ist.
Von einer bloßen Unterbrechung des tatsächlichen Ausbildungsvorganges kann im Beschwerdefall nicht mehr gesprochen werden, weil die Ausbildung seit dem Abbruch im Juli 2020 und somit seit nunmehr vier Jahren nicht wiederaufgenommen worden ist. Das bloße Aufrechterhalten eines Berufswunsches ist der tatsächlichen Ausbildung nicht gleichzuhalten (vgl. mwN).
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Familienbeihilfe nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 lagen demnach ab August 2020 nicht mehr vor. Allerdings war die Familienbeihilfe für den Zeitraum August 2020 bis März 2021 weiter zu gewähren, weil § 15 Abs. 1 FLAG 1967 wegen der COVID-19-Pandemie die Anspruchsvoraussetzungen als erfüllt normiert, wenn zumindest einen Monat im Zeitraum März 2020 bis einschließlich Februar 2021 ein Anspruch bestanden hat. Ein darüber hinausgehender Anspruch wegen Vorliegens einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 bestand aus den genannten Gründen aber nicht.
Die Tochter des Beschwerdeführers erfüllt auch nicht die Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967, weil keine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, im Rückforderungszeitraum vorliegt.
Als erheblich behindert gilt nach § 8 Abs. 5 FLAG 1967 ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betra-gen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Ein-schätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzu-stellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
Der Nachweis betreffend die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 in einem qualifizierten Verfahren durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens zu führen (vgl. ).
Die Tätigkeit der Abgabenbehörde und somit auch des Verwaltungsgerichtes hat sich demzufolge im Wesentlichen auf die Frage zu beschränken, ob das Gutachten als schlüssig zu qualifizieren ist.
Nach den gesetzlichen Bestimmungen ist der Bezug der Familienbeihilfe Grundvoraussetzung für die Gewährung des Erhöhungsbetrages wegen erheblicher Behinderung. Auf den Grad der Behinderung kommt es bei der Beurteilung des Anspruches auf den Grundbetrag nicht an. Be-steht also keine vor Vollendung des 21. bzw. zutreffendenfalls 25. Lebensjahres eingetretene dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Er-höhungsbetrag zu (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 8 Rz 19).
§ 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 stellt darauf ab, dass das Kind auf Grund einer zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetretenen Behinderung außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Eine derartige geistige oder körperliche Behinderung kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt, sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 erfüllt. Es kommt somit weder auf den Zeitpunkt an, an dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt (vgl. ).
Sowohl in dem im Zuge der Überprüfung des Familienbeihilfenanspruches eingeholten ärztlichen Gutachten vom als auch mit dem im Zuge des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens eingeholten Gutachten vom wurde schlüssig begründet festgestellt, dass keine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vorliegt. Diese Feststellung gründet sich auf den zufriedenstellenden hämatologischen Befund bzw. zufriedenstellenden hämatologischen Verlauf. Daraus folgt, dass auch im Rückforderungszeitraum die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe auf der Grundlage von § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 nicht vorgelegen haben.
Mit dem nunmehrigen Vorbringen, dass die Einschätzung des Sozialministeriumservice unrichtig sei, weil die Tochter im Mai 2022 operiert worden sei und ihr dabei der Darm zur Gänze entfernt werden habe müssen, da sich schwerst entzündete Veränderungen samt Stenosen gezeigt hätten und aufgrund des Zustandes eine ständige ärztliche Kontrolle und Wartung erforderlich sei, die ein geregeltes Erwerbsleben praktisch verunmögliche, vermag der Bescherdeführer die Unschlüssigkeit des Gutachtens betreffend den Rückforderungszeitraum nicht aufzuzeigen. Eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes nach dem Rückforderungszeitraum, die allenfalls bewirkt, dass ein Stadium erreicht wird, bei dem von einer dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, auszugehen ist, hätte im Sinne der zitierten Rechtsprechung keine Rückwirkung auf die gegenständlich in Streit stehenden Rückforderung der Familienbeihilfe aus dem Zeitraum April 2021 bis Jänner 2022.
Soweit der Beschwerdeführer in der Rückforderung eine unbillige Härte sieht, ist darauf zu verweisen, dass sich aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 eine rein objektive Rückzahlungspflicht ergibt. Es kommt lediglich darauf an, ob die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen worden ist, ohne Rücksicht darauf, ob die bezogenen Beträge gutgläubig empfangen worden sind oder nicht und ob die Rückzahlung eine Härte bedeutet (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 26 Rz 12 ff mit Hinweisen auf die Rechtsprechung)
Mit dem Familienbeihilfenanspruch verbunden ist der Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag (§ 33 Abs. 3 EStG 1988). Auch dieser Betrag wurde demzufolge im hier maßgeblichen Zeitraum zu Unrecht bezogen und war daher unter den gleichen Voraussetzungen wie die Familienbeihilfe zurückzufordern.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht ist nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Tatsachenfragen sind einer Revision im Allgemeinen ohnehin nicht zugänglich. Es ergeben sich auch keine sonstigen Rechtsfragen, die über den Einzelfall hinaus Relevanz entfalten würden. Die (ordentliche) Revision war daher als unzulässig zu erklären.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 33 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 15 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100490.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at