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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.08.2024, RV/7100076/2024

Volle Zeit des Kindes (Externistenreifeprüfung); Databox Abwesenheit wegen Urlaub

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Andrea Pamperl in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe 05.2022-01.2023 und 6.2023, Ordnungsbegriff ***Nr*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom des Finanzamt Österreich wurde Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für das Kind ***NN*** ***VN*** für die Zeiträume Mai 2022 bis Jänner 2023 und Juni 2023 rückgefordert. Rückgefordert wurde zudem die Geschwisterstaffel für diese Zeiträume. Begründend wurde ausgeführt, dass sich ***VN*** nicht in Berufsausbildung befinden würde. Die Ausbildung müsse die volle Zeit und Kraft des Kindes in Anspruch nehmen und ernsthaft und zielstrebig betrieben werden. Unter voller Zeit verstehe sich eine Anzahl von mindestens 20 Stunden pro Woche. Dieser Bescheid wurde mittels Finanz Online am zugestellt.

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Bf) wurde datiert mit und beim Finanzamt Postfach eingebracht am . Ausgeführt wurde, dass die "Voraussetzungen/Fakten" zu ***VN*** gleich geblieben seien und die Ausbildung zur Erlangung der Matura diene und somit ein Baustein seiner Berufsausbildung sei; dies sei auch im ersten Schreiben des Finanzamts so genehmigt worden. Das Oberstufencollege beinhalte nicht nur die 12 Stunden Kennenlernzeit, sondern zusätzlich Prüfungsvorbereitungsstunden und interne Lernstunden; die 20 Stunden seien gegeben und seien anbei bestätigt. Manche Prüfungstermine seien nur einmal im Semester und würden dann fächermäßig zusammenfallen. Ihr Sohn hätte erst ab April [Anm. gemeint wohl April 2023] antreten dürfen. Die nächsten Termine seien erst im September und Oktober 2023. Zudem gelte in Österreich, dass jede Prüfung 3 mal gemacht werden dürfe. Auch Oberstufenschülern und Studenten stehe dieses Recht zu, ohne den Anspruch auf Familienbeihilfe zu verlieren. Gelte der Gleichheitsgrundsatz für Externisten nicht? Die Zielsetzung die Matura mit Jänner 2024, allerspätestens März 2024 zu bestreiten hänge von den Terminen und Prüfungsergebnissen ab. Auch diese Information sei bereits Grundlage für die positive Entscheidung der Kinderbeihilfe gewesen. Mitgesendet wurden eine Ausbildungsbestätigung der ***1*** vom , worin "die Collegeleitung" bestätige, dass der Sohn der Bf "das Oberstufencollege der ***2*** besucht, Oberstufenmodell des Vereins ***3***. ***VN1*** ***NN*** schließt seine Ausbildung mit der Matura, voraussichtlich in seinem 20/21. Lebensjahr ab. Maturatermine laut ***Gasse*** Jänner/März 2024." Mitgesendet wurde weiters eine gleichlautende Bestätigung der ***1*** vom mit dem Zusatz "Aufbau: 20 Unterrichts- und Prüfungsvorbereitungsstunden für die einzelnen Schüler." Zudem wurde eine Kopie der Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom vorgelegt, worin das Anspruchsende von ***VN*** mit Mai 2023 angeführt wurde.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wird die Beschwerde zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass nach § 245 Abs. 1 BAO die Beschwerdefrist einen Monat ab Zustellung des Bescheides betrage. Der Bescheid vom sei über Finanz Online am in die Databox zugestellt worden. Die Beschwerde, datiert mit sei am beim Finanzamt eingelangt. Da die Beschwerde nicht fristgerecht eingebracht worden sei, sei sie als verspätet zurückzuweisen.

Die Eingabe der Bf vom wurde als Vorlageantrag gemäß § 264 Abs. 1 BAO. Ausgeführt wurde, dass sich die Bf aus Urlaubsgründen erst am 14. August um das Schreiben hätte kümmern können und mit dem Finanzamt Kontakt aufgenommen hätte. Aufgrund des Feiertages habe sie den Brief am 14. In den Postkasten geworfen, hoffend, dass dieser noch am selben Tag geleert werden würde. Warum er dort so lange liegen geblieben sei, sei ihr nicht erklärbar. Mit dem Telefonat sei das Verfahren zeitgerecht angestoßen worden.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht vor. Ausgeführt wurde: "Gemäß § 98 Abs. 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Der Rückforderungsbescheid wurde der Bf. am durch Einbringung der Daten in die Databox ihres FinanzOnline Kontos zugestellt. Die einmonatige Frist zur Einbringung einer Bescheidbeschwerde begann daher am zu laufen und endete am . Die gegenständliche Beschwerde langte beim Finanzamt jedoch erst am ein und erweist sich somit als verspätet.

Dem Vorbringen der Bf., wonach sie den Brief am 14. in den Postkasten eingeworfen habe, ist Folgendes entgegenzuhalten: Für die Beschwerdefrist gilt § 108 Abs 4 BAO, wonach die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet werden (vgl zB Ritz, ÖStZ 1985, 258). Daher reicht es zur Einhaltung der Rechtsmittel-frist, wenn die Postaufgabe am letzten Tag der Frist erfolgt, sofern das Rechtsmittel überhaupt bei der Behörde einlangt (vgl zB ).

Die Beförderung der Sendung durch die Post erfolgt auf Gefahr des Absenders. Eine Partei, die entgegen der allgemein zu erwartenden prozessualen Vorsicht eine fristgebundene Eingabe nicht "eingeschrieben" zur Post gibt, sondern lediglich in den Postkasten wirft, nimmt das Risiko auf sich, den von ihr geforderten Gegenbeweis in Hinsicht auf die Rechtzeitigkeit der Postaufgabe nicht erbringen zu können (zB ; , 2005/15/0137; , 2010/17/0067; , 2008/13/0149).

Der Tag der Postaufgabe wird grundsätzlich durch den Poststempel nachgewiesen, wobei ein Gegenbeweis zulässig ist (zB ; , 96/19/0095; , 2000/17/0165; , 2004/16/0238; , 2009/15/0133).

Das Kuvert, mit dem die gegenständliche Beschwerde dem Finanzamt postalisch übermittelt wurde, weist keinen Poststempel auf. Ebenso wenig wurden andere Belege von der Bf. erbracht, welche dazu geeignet wären die Rechtzeitigkeit der Postaufgabe und damit die fristgerechte Einbringung der Beschwerde nachzuweisen. Es wird daher beantragt, die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen."

Beigelegt wurde ein Schreiben des Finanzamts zur Überprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe vom sowie dessen Beantwortung vom , worin ausgeführt wird, dass die Vorlage des Reifeprüfungszeugnisses erst am Jänner 2024 möglich sei, da es für manche Fächer noch keine Prüfungstermine gebe, diese würden erst September/Oktober gemacht werden. Beigelegt wurde zudem ein Schreiben der Externistenprüfungskommission am Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium ***4***, ***Gasse*** 6, ***5*** ***4*** vom , worin ausgeführt wird:

"Es wird bestätigt, dass Frau/Herr ***NN*** ***VN***, geboren am ***6***, seit (Ansuchen , vervollständigt ) bei der hiesigen Kommission als Externist/in zur Ablegung von Zulassungsprüfungen und zur Reifeprüfung zugelassen ist.

Der/Die Kandidat/in besucht hier keinen Unterricht, sondern ist lediglich berechtigt, die vorgeschriebenen Zulassungsprüfungen zur Reifeprüfung abzulegen. Die Einteilung der Prüfungen obliegt nicht unserer Zuständigkeit, jede/r Kandidat/in erstellt ihren/seinen eigenen Prüfungsplan laut dem Terminkalender der Kommission. Pro Unterrichtsfach werden zu Beginn des Schuljahres 4 mögliche Prüfungstermine vorgeschlagen, aus denen der/die Kandidat/in frei wählen kann." Ausgeführt wurde weiters, dass folgende Unterrichtsgegenstände vom Kandidaten zu absolvieren seien:

"Italienisch 4-jährig, Klassen 6-8, Datum: derzeit noch kein Antritt;

Geographie und Wirtschaftskunde (Klasse 8), Datum: , Beurteilung: Nicht genügend;

Chemie, Klasse 8, Datum: derzeit noch kein Antritt;

Physik, Klasse 8, Datum: , Beurteilung: Befriedigend."

Nach positiver Absolvierung der letzten Zulassungsprüfung dürfe sich der Kandidat zum nächstmöglichen Termin der Reifeprüfung anmelden, dabei werde die Abgabe der fertiggestellten vorwissenschaftlichen Arbeit fällig.

Vorgelegt wurden weiters eine Bestätigung der ***1*** vom .

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom wurde die Bf ersucht, Fragen zu Ihrem Urlaub zu beantworten und geeignete Unterlagen vorzulegen.

Mit Antwortschreiben vom übermittelte die Bf eine Bestätigung über ihren Auslandsaufenthalt in ***7***. Nach ihrer Rückkehr wäre sie noch eine Woche, bis in ***8*** gewesen. Sie habe erst nach ihrer Rückkehr aus ***8*** Kenntnis von dem Bescheid in der Databox erhalten. Sie wäre von ihrem Wohnort von 9.7. bis 30.7. abwesend gewesen (***7***), danach in ***8*** von 2.8. bis . Die Rückkehr sei am 11.8. erfolgt. Übermittelt wurden Kopien von Flugtickets lautend auf ***Bf*** für das Datum , Abflugzeit 20:05 Uhr und für das Datum , Abflugzeit 22:30 Uhr retour.

Dieses Antwortschreiben wurde dem Finanzamt zur Stellungnahme mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom übermittelt. Begründend wurde ausgeführt: "Gemäß § 98 Abs. 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

Die Regelung wurde mit dem Abgabensicherungsgesetz 2007, BGBl I Nr. 99, eingeführt und sollte die Rechtslage gemäß § 26a ZustG fortführen (vgl. RV 270 BlgNR 23, GP XXIII). In den Materialien wird ausgeführt, dass mit dem neu geschaffenen § 98 Abs. 2 BAO als Zeitpunkt der elektronischen Zustellung jener festgelegt wird, in dem die Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind; das sei bei FinanzOnline der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox. Damit werde die Rechtslage gemäß § 26a ZustG fortgeführt. Auch die Regelung, dass die Zustellung im Fall der Abwesenheit von der Abgabestelle erst mit dem auf die Rückkehr folgenden Tag bewirkt werde, entspreche § 26a ZustG. Ein Empfänger sei somit während seiner Abwesenheit von der Abgabestelle (z.B. während seines Urlaubes) vor zustellrechtlichen Folgen einer ihm nicht zur Kenntnis gelangten elektronischen Zustellung geschützt."

In ihrer Stellungnahme vom führte das Finanzamt aus, dass im Hinblick auf die gesetzliche Bestimmung des § 98 Abs. 2 BAO sowie die von der Bf erbrachten Nachweise die Abgabenbehörde die Beschwerde nunmehr als fristgerecht eingebracht erachte. Inhaltlich werde wie folgt Stellung genommen: Die Anspruchsdauer für den Bezug der Familienbeihilfe richte sich bei Kindern, die die Externistenreifeprüfung ablegen wollen nach der Anzahl der erforderlichen Zulassungsprüfungen. Eine ernsthafte und zielstrebige Vorbereitung auf die Externistenreifeprüfung liege vor, wenn innerhalb von jeweils vier Monaten eine Zulassungsprüfung erfolgreich abgelegt werde. Für die Monate Februar bis Mai 2023 sei die Familienbeihilfe als Vorbereitungszeit für die im Mai abgelegten Zulassungsprüfungen gewährt worden. Da nach Ansicht der Abgabenbehörde im Rückforderungszeitraum die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe mangels Berufsausbildung im Sinne des FLAG nicht vorliegen würden, werde beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Zur vollständigen Sachverhaltsdarstellung werde ergänzend das retournierte Antwortschreiben vom nachgereicht. Mit diesem wurde eine Bestätigung der ***10*** ohne Datumsangabe sowie das Jahreszeugnis 2021/22 (8. Klasse) und 2020/21 (7. Klasse) vorgelegt.

Diese Stellungnahme wurde der Bf mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom zur etwaigen Stellungnahme übermittelt. Zudem wurde die Bf aufgefordert, die Anmeldebestätigung, die Ausbildungsverordnung der gewählten Ausbildungsrichtung und Nachweise über die Einzahlung der Schulgebühren vorzulegen und folgende Fragen zu beantworten:

"1. Weisen Sie das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen Ihres Kindes um den Ausbildungserfolg für den Zeitraum Juni 2022 bis Jänner 2023 und Juni 2023 nach.

2. Wie viele Stunden täglich und wöchentlich in den Zeiträumen Juni 2022 bis Jänner 2023 und Juni 2023 hat Ihr Kind für die angeführte Ausbildung aufgewendet? Wie viele Stunden davon entfielen auf Unterrichtszeit? Wie viele Stunden davon entfielen auf Lernzeit? Wie viele Stunden davon entfielen auf Zeiten für Hausübungen?

3. Warum wurde das Ansuchen an die Externistenprüfungskommission am Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium ***4*** erst am bzw. (Vervollständigung) gestellt? Gemäß vorgelegten Unterlagen wurde das Zeugnis für die 8. Klasse des Bundesoberstufenrealgymnasium ***9*** bereits am ausgestellt. Nehmen Sie dazu Stellung? Was hat Ihr Kind zwischen und gemacht? Legen Sie darüber geeignete Nachweise vor!

4. Wann hat Ihr Kind die angeführte Ausbildung abgeschlossen? Legen Sie geeignete Nachweise vor.

5. Zu welchen Terminen ist Ihr Kind zu den Prüfungen angetreten? Legen Sie darüber Prüfungsnachweise vor!"

Mit Eingabe vom beantwortete die Bf den Beschluss folgendermaßen:

Hinsichtlich der Ausbildungsverordnung wurde auf die Homepage ***11*** Bildung / ***10*** / Oberstufen College verwiesen.

Ausgeführt wurde:

"Die Prüfungen sind nicht im College abzulegen, diese werden an einer Externistenschule in dem Fall ***Gasse*** ***4*** absolviert. Von dieser wird auch vorgeschrieben, welche Prüfungen belegt werden müssen. Laut diesem Plan, passt das College die Betreuung des Collegeteilnehmers an. Es gibt zwar eine Standartausbildung, die für SchülerInnen, welche die gesamte Oberstufe extern absolvieren aufgesetzt ist, für Interessenten, die nur eine Auswahl an Prüfungen brauchen, wird ein individuelles Programm erstellt."

Zu den Zahlungsnachweisen betreffend Schulgebühren wurde ausgeführt: "Im Fall ***VN1*** ***NN*** gilt der Beschluss des Vorstandes, dass Kinder der Mitwirkenden und Angestellten des Vereins, von den Monatsgebühren befreit sind. (Siehe Vorstandsbeschluss)"

Zu den Fragen wurde ausgeführt:

Zu 1:

"Die Ernsthaftigkeit scheint mir in dem Moment gegeben, wo sich jemand zu einer Prüfung anmeldet und antritt. Prüfungen gehen aus dem Beiblatt der ***Gasse*** hervor. Mein Sohn ***VN1*** ***NN*** hat nach dem negativen Abschluss der 8. Klasse Realgymnasium ***9*** beschlossen, neben einer Selbständigkeit, die er im Aufbau hatte, extern die Matura nachzuholen.

Juni 2022- Jänner 2023

Alle schulüblichen Tätigkeiten, beginnen mit September, so auch das Ziel mit September im Oberstufenkollege der ***2*** die Fächerbereiche mitzumachen, welche für die Erlangung eines positiven Prüfungsabschlusses in den notwendigen Fächern anstanden. ***VN1*** musste Italienisch, Chemie, Geografie und Physik belegen und im Rahmen der Matura die Hauptfächer Deutsch und Mathematik, die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vorrangig waren. Im College wurde er vorrangig auf Physik und Geografie vorbereitet, da das die ersten möglichen Prüfungen im Frühjahr 2023 waren. Dann auf Italienisch und Chemie. Sein Ziel war es, zuerst die Nebenfächer zu absolvieren: Dazu muss man sagen, dass ***VN1*** bis ein Jahr nach dem Ausstellungsdatum des 8. Klasszeugnisses [sic] für Prüfungen gesperrt war () D. H. in der ***Gasse*** konnte er erst ab dem Zeitpunkt die ersten Prüfungen machen, was er mit Physik tat. Die zweite mögliche Prüfung war Geografie, zu der er angetreten ist, die Prüfung aber leider nicht bestanden hat. Er wurde beim Lernen unterstützt, das Unterrichtsmaterial wurde zur Verfügung gestellt. Sogesehen waren die weiteren Termine laut Prüfungskalender ***Gasse*** erst wieder im Herbst 2023 möglich.

Im Klartext bedeutet das: er hatte nur von Ende April bis-Ende Mai die Möglichkeit einen Teil der Termine wahrzunehmen, danach gab es keine Termine. In der restlichen Zeit hat er sich für die Italienischprüfung und für Geografie vorbereitet: Sommer 23. Die nächst möglichen Prüfungstermine waren im September 2023. Leider ist ***VN1*** 2023 in eine ziemliche heftige Depression verfallen (siehe Rechnungen Psychotherapie und Diagnose), die das Lernen nicht erleicthtert [sic] haben.

Zu 2

Umfang der Lernzeiten: 3-5 Stunden täglich

2x wöchentlich 2 Stunden Betreuungsstunden für Physik und Italienisch

Geografie und zusätzlich auch schon Italienisch ab Jänner Alleinstudium Stoffbereich der 8. Klasse

Die regelmäßige Teilnahme am Collegeunterricht wird flexibel gehalten, er nahm in der Zeit nicht an den Hauptfächern teil, weil die Prüfungsfächer in den Nebenfächern Priorität hatten und er sich in der Unterrichtszeit darauf vorbereitete teils alleine, teils mit Lehrer.

Zu 3

Das Ansuchen wurde erst so spät gestellt, weil ***VN1*** erst ab Ende April zu den Prüfungen antreten durfte uns es allein wichtig war, dass die Zulassung zu den Prüfungen spätestens zu dem Zeitpunkt genehmigt war. Das erfolgte mit Absprache ***Gasse*** so, da im September die Ansuchen bearbeitet wurden, wo keine Prüfungssperren vorlagen und es für die Externistenprüfungsbeauftragten leichter war das im Anschluss zu machen, auch keine Rolle spielte, da garantiert wurde, dass die Zulassung bis April gewährleitet wird. Die Vorinformationen fanden bereits im August statt.

Mein Kind hat, wie bereits erwähnt, versucht auf selbständigen Basis ein Geschäft zu betreiben. Hat neben dem Vorhaben die Matura extern nachzuholen und sich dafür vorzubereiten eine GmBH gegründet und in ***4*** bei Wien einen ***12*** Shop eröffnet.

Zu 4

***VN1*** ***NN*** hat die Ausbildung noch nicht abgeschlossen

Zu 5

Prüfungsnachweise liegen bei"

Dieser Stellungnahme beigelegt wurden die Anmeldung an der ***10*** vom , eine Bestätigung des Vereins ***13*** vom , worin bestätigt wird, dass in der Vorstandssitzung vom einstimmig beschlossen worden sei, dass die Kinder/Jugendlichen der unterrichtenden Lehrkräfte von den Monatskosten befreit seien sowie das Schreiben der Externistenprüfungskommission am Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium ***4*** vom , wonach die Prüfung Italienisch 4-jährig am mit Nicht Genügend beurteilt wurde, die Prüfung Geographie und Wirtschaftskunde am mit Nicht Genügend beurteilt wurde und die Prüfung Physik am mit Befriedigend beurteilt wurde. Hinsichtlich des Unterrichtsgegenstandes Chemie sei noch kein Antritt erfolgt.

Zudem wurde eine Honorarnote von Dr. med ***14***, Fachärztin für Neurologie, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin vom mit folgendem Inhalt vorgelegt:

"Patient: ***VN1*** ***NN***

[…]

Behandlungstermin:

Diagnosen: F43.2 - Anpassungsstörung

[…]"

Auf der Homepage, auf die in diesem Antwortschreiben betreffend Ausbildungsverordnung, Inhalt und Rahmen der Ausbildung angeführt wurde, wird ausgeführt:

"Talenteförderung mit Matura - unser Oberstufen College

Unser Konzept

Talenteförderung mit Matura - Wie funktioniert das?

Du bist Leistungsportler:in/ Musiker:in/ Tänzer:in / Schauspieler:in/ naturwissenschaftlich interessiert und möchtest nebenbei aber gerne die Matura abschließen, um dir alle weiteren Ausbildungswege offen zu lassen? Dann wirst du unser Konzept lieben. Wir erzählen dir auch gleich warum:

Kurszeiten: 9-12 Uhr (Mo-Do)

modulare Vorbereitung auf die Externistenprüfungen

Du selbst gibst das Tempo vor, wir begleiten dich dabei!

Das Lehrpersonal geht alle relevanten Themengebiete mit der Gruppe durch.

Wir bieten auch interne Talenteförderung + Tools zur Persönlichkeitsentwicklung, wie z.B. Lern- und Mentaltrainings an.

Neben den drei Stunden Unterricht pro Tag bleibt genügend Zeit, um deiner Leidenschaft nachzugehen und dein volles Potenzial zu entfalten.

Für wen ist dieser Kurs geeignet?

Schüler:innen ab der 9. Schulstufe

ehrgeizige und zielstrebige Persönlichkeiten

Wille zur Selsbtorganisation [sic]

Die Bereitschaft selbständig zu arbeiten und sich selbst zu motivieren ist Grundvoraussetzung, um mit diesem Kurs auch tatsächlich zum Ziel (Matura) zu kommen."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der am erlassene Rückforderungsbescheid des Finanzamt Österreich wurde der Bf mittels Finanz Online am in ihre Databox zugestellt. Die Bf war von bis in ihrem Urlaub im Ausland. Am kehrte sie an ihren Wohnort zurück und verreiste nochmals von 2. August bis . Die Rückkehr erfolgte am .

Der Sohn der Bf hat die 8. Klasse (12. Schulstufe) mit Jahreszeugnis für das Schuljahr 2021/22 vom nicht erfolgreich abgeschlossen. Die Fächer Deutsch, Englisch, Italienisch, Mathematik, Chemie und Physik waren negativ beurteilt. Am meldete er sich für das Oberstufen College der ***10*** an. Von den Monatsgebühren war er befreit, weil seine Mutter an dieser Einrichtung Deutsch unterrichtete. Der Unterricht an der ***10*** fand von Montag bis Donnerstag jeweils von 9 bis 12 Uhr statt. Die Ausbildung begann mit September 2022. Der Sohn der Bf nahm nicht am Unterricht teil, weil die Nebenfächer für ihn Priorität hatten. In den Unterrichtszeiten bereitete er sich auf diese vor, teils alleine, teils mit einer Lehrkraft.

Bei der Externistenprüfungskommission am Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium ***4***, ***Gasse*** 6, ***5*** ***4*** wurden folgende Prüfungen abgelegt:

Italienisch 4-jährig, Klassen 6-8, Datum: , Beurteilung: Nicht genügend;

Geographie und Wirtschaftskunde (Klasse 8), Datum: , Beurteilung: Nicht genügend;

Chemie, Klasse 8, Datum: derzeit noch kein Antritt;

Physik, Klasse 8, Datum: , Beurteilung: Befriedigend.

Der frühestmögliche Zeitpunkt, an dem Prüfungen für ***VN1*** ***NN*** an dieser Kommission möglich waren, war ab .

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Steuerakt und den Angaben und vorgelegten Unterlagen der Parteien. Sie sind unter den Parteien unstrittig.

Die Feststellungen betreffend den Urlaub der Bf, der teilweise im Ausland stattfand, gründen auf den von der Bf vorgelegten Unterlagen, insbesondere den Flugtickets, und wurden auch von der belangten Behörde anerkannt.

Die Unterrichtzeiten der ***10*** ergeben sich aus der Homepage, auf die von der Bf verwiesen wurde. Die gleichen Lernzeiten sind auch auf einem Ausdruck dieser Homepage im Steuerakt aus dem Zeitpunkt der Beischeiderstellung ersichtlich.

Die Feststellung, dass der Sohn der Bf erst ein Jahr nach dem Datum des Zeugnisses der 8. Klasse zu den Zulassungsprüfungen bei der Externistenprüfungskommission antreten konnte, gründet sich auf dem Vorbringen der Bf und einem Telefonat des Bundesfinanzgerichts vom mit dieser Externistenprüfungskommission, worin diese Aussage bestätigt wurde.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Strittig ist im vorliegenden Fall, ob eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG vorliegt oder nicht.

Nach § 98 Abs. 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

Die Regelung wurde mit dem Abgabensicherungsgesetz 2007, BGBl I Nr. 99, eingeführt und sollte die Rechtslage gemäß § 26a ZustG fortführen (vgl. RV 270 BlgNR 23, GP XXIII). In den Materialien wird ausgeführt, dass mit dem neu geschaffenen § 98 Abs. 2 BAO als Zeitpunkt der elektronischen Zustellung jener festgelegt wird, in dem die Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind; das sei bei FinanzOnline der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox. Damit werde die Rechtslage gemäß § 26a ZustG fortgeführt. Auch die Regelung, dass die Zustellung im Fall der Abwesenheit von der Abgabestelle erst mit dem auf die Rückkehr folgenden Tag bewirkt werde, entspreche § 26a ZustG. Ein Empfänger sei somit während seiner Abwesenheit von der Abgabestelle (z.B. während seines Urlaubes) vor zustellrechtlichen Folgen einer ihm nicht zur Kenntnis gelangten elektronischen Zustellung geschützt.

Die Bf war in der Zeit der Zustellung des Rückforderungsbescheides vom , i.e. am , gerade in ihrem Urlaub im Ausland. Wegen dieser Abwesenheit von der Abgabestelle galt die Zustellung am somit als nicht bewirkt. Die Zustellung wird mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam. Die Bf reiste am zurück nach Österreich, Abflugzeit 22:30 Uhr. Das Bundesfinanzgericht geht daher davon aus, dass die Ankunft an der Abgabestelle in der Nacht zwischen 30. Juli und erfolgte. Geht man vom günstigen Fall aus, dass die Ankunft am erfolgte, war die Zustellung am bewirkt. Dass die Bf am neuerlich eine Urlaubsreise antrat, ändert daran nicht. Die Beschwerdefrist beträgt einen Monat (§ 245 Abs. 1 BAO). Die Beschwerde wurde am beim Finanzamt Postfach eingebracht. Die Beschwerde wurde daher innerhalb der Beschwerdefrist eingebracht. Die Beschwerdevorentscheidung erweist sich somit als unrichtig.

Nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Ob ein Kind eine Berufsausbildung absolviert ist eine Tatfrage, welche die Behörde bzw. das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung zu beantworten hat (vgl. ; , 2003/13/0157). Das Bundesfinanzgericht hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 167 Abs. 2 BAO iVm § 2a BAO). Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH (vgl. z.B. ) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.

Das FLAG enthält keine nähere Umschreibung des Begriffs "Berufsausbildung". Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat in seiner ständigen Rechtsprechung Kriterien entwickelt, welche für die Beurteilung, ob eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vorliegt, heranzuziehen sind (vgl. für viele z.B. , vom , 2009/15/0089).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den Begriff der Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 kommt es überdies nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Studienfortgang an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. , Rz 15 mit Verweis auf ; ; ; und ).

Nach der Judikatur des VwGH weist jede anzuerkennende Berufsausbildung ein qualitatives und ein quantitatives Element auf: Entscheidend ist sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlichen Umfang. Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht alleine der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Der Antritt zu den erforderlichen Prüfungen bzw. Vorprüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung (z.B. ).

Ziel einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen (vgl. ). Dazu gehört regelmäßig auch der Nachweis der Qualifikation (z.B. ; vom , Ro 2015/16/0033).

Das anspruchsvermittelnde Kind muss durch Prüfungsantritte innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung zu erfüllen (z.B. ). Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist (z.B. ). Es kommt nicht darauf an, ob die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen tatsächlich gelingt (z.B. ). Der Schüler muss aber durch das Antreten zu Prüfungen innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für die Zulassung zur Reifeprüfung zu erlangen (vgl. ).

Der laufende Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung reicht nach der ständigen Judikatur des VwGH für sich alleine nicht aus, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im hier maßgeblichen Sinn anzunehmen (z.B. ; , 2000/14/0093). Die bloße Anmeldung zum Unterricht ist ebenso wie der fallweise Besuch einer Schule keine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 (vgl. ).

Wie oben ausgeführt muss eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht gegeben sein. Entscheidend ist somit die Art der Ausbildung und der zeitliche Umfang (vgl. bereits oben; ). Der VwGH sprach in zahlreichen Erkenntnissen aus, dass der erforderliche zeitliche Einsatz - soll eine Berufsausbildung vorliegen - so beschaffen sein muss, dass die "volle Zeit" des Kindes in Anspruch genommen wird (vgl. z.B. ; , Ra 2018/16/0203; , Ro 2015/16/0005; , Ra 2017/16/0030). Für die Qualifikation als Berufsausbildung kommt es nicht drauf an, ob die schulische oder kursmäßige Ausbildung berufsbegleitend organisiert ist. Der zeitlichen Gestaltung und Verteilung einer Ausbildung einschließlich der erforderlichen Vorbereitungs- und Lernzeit kommt Indizwirkung für die zeitliche Inanspruchnahme zu ( mit Verweis auf ).

Der VwGH geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, an Hand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum (im jeweiligen Monat) zu beantworten ist, dies ist auch auf die Berufsausbildung anzuwenden ().

Zu prüfen ist daher, ob die Ausbildung während ihrer Dauer und der Vorbereitung für die abzulegenden Prüfungen im jeweiligen Kalendermonat in quantitativer Hinsicht die volle Arbeitskraft des Sohnes der Bf gebunden hat (vgl. auch ; , 2009/15/0089).

Die Lehre (vgl. Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke, FLAG, 2020, § 2, Rz 40) geht von einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG dann aus, wenn bei kursmäßigen Ausbildungen oder bei Maturaschulen ein wöchentlicher Zeitaufwand für Kursbesuch und Vorbereitungszeit außerhalb des Kurses von mindestens 30 Wochenstunden anfällt (vgl. ; , RV/7101739/2014; , RV/7105997/2015; , RV/7103197/2018; , RV/7102840/2022). Das Bundesfinanzgericht nimmt bei Schulen für Berufstätige einen erforderlichen wöchentlichen Zeitaufwand von durchschnittlich 20 bis 25 Stunden zuzüglich Hausaufgaben an (vgl. ), insgesamt von mindestens 30 Wochenstunden (vgl. ; "Echtstunden" zu 60 Minuten, ), um von einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG zu sprechen

Die Externistenreifeprüfung besteht aus den Zulassungsprüfungen und der Hauptprüfung. Vor Antritt zur eigentlichen Reifeprüfung müssen Zulassungsprüfungen abgelegt werden. Die ernsthafte und zielstrebige Vorbereitung auf die Externistenreifeprüfung stellt eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 dar. Eine ernsthafte und zielstrebige Vorbereitung auf die Externistenreifeprüfung liegt vor, wenn ein Kind die Externistenreifeprüfung ablegen will und sich tatsächlich und zielstrebig auf die Ablegung der Reifeprüfung vorbereitet. Das wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Reifeprüfung die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den von der Externistenreifeprüfungskommission festgesetzten Terminen zu den Prüfungen antritt (vgl. ).

Das Bundesfinanzgericht (und zuvor der Unabhängige Finanzsenat) haben in mehreren Entscheidungen ausgesprochen, eine Vorbereitungszeit von vier Monaten je Zulassungsprüfung für die Externistenreifeprüfung sei ausreichend und haben als Vergleichsmaßstab die Ablegung der Matura an einer allgemein bildenden höheren Schule herangezogen. Die wöchentliche Unterrichtsdauer an der Oberstufe einer derartigen Schule betrage mit gewissen Schwankungen rund 30 bis 35 Unterrichtsstunden; demgegenüber umfasse die Dauer der Vorbereitungskurse für die Ablegung der Berufsreifeprüfung typsicherweise weniger als die Hälfte dieses Stundenumfanges. Somit sei erkennbar, dass die Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung weit weniger Zeit in Anspruch nimmt als der Besuch einer höheren Schule. Die Ausbildungsintensität sei also nicht vergleichbar. Es könne auch eindeutig davon ausgegangen werden, dass unter der Prämisse, dass das Kind seinen vollen Lerneinsatz dem jeweils einzelnen Gegenstand widmet, also Kurse im Umfang von rund 30 Wochenstunden besuchen hätte können, eine Vorbereitungszeit von vier Monaten ausreichend gewesen wäre (vgl. z.B. ).

Die Qualifizierung als Berufsausbildung kann auch bei einem Fernstudium gegeben sein, wenn ein Schulunterricht von bloß zehn Wochenstunden durch verstärkte "Hausaufgaben" und Vorbereitungszeit sowie E-Learning kompensiert wird ().

Im vorliegenden Fall hat der Sohn der Bf das Schuljahr 2021/22 mit Jahreszeugnis vom beendet. Die Fächer Deutsch, Englisch, Italienisch, Mathematik, Chemie und Physik waren negativ beurteilt. Mit Anmeldung vom hat sich der Sohn der Bf beim Oberstufencollege der ***2*** im ***15*** in ***16***, Oberstufenmodell des Vereins ***3*** angemeldet. Die Bf führte aus, dass die Prüfungen nicht im College abzulegen seien, sondern diese an einer Externistenschule absolviert werden. Von dieser werde auch vorgeschrieben, welche Prüfungen belegt werden müssen. Laut diesem Plan passe das College die Betreuung des Collegeteilnehmers an. Es gebe zwar eine Standardausbildung, die für SchülerInnen, welche die gesamte Oberstuft extern absolvieren aufgesetzt sei; für Interessenten, die nur eine Auswahl an Prüfungen bräuchten werde ein individuelles Programm erstellt. Die Bf führte weiters aus, dass ihr Sohn Italienisch, Chemie, Geografie und Physik belegen müsste und im Rahmen der Matura die Hauptfächer Deutsch und Mathematik; diese Hauptfächer seien zum Zeitpunkt September 2022 noch nicht vorrangig gewesen. Im College sei er vorrangig auf Physik und Geografie vorbereitet worden, da diese die ersten möglichen Prüfungen im Frühjahr 2023 gewesen wären; danach auf Italienisch und Chemie. Sein Ziel sei es gewesen, zuerst die Nebenfächer zu absolvieren. Der Sohn der Bf sei bis ein Jahr nach dem Ausstellungsdatum des 8. Klassenzeugnisses für Prüfungen gesperrt, somit bis . Die nächsten möglichen Prüfungstermine seien erst im September 2023 möglich gewesen.

Den Umfang der Lernzeit gab die Bf mit 3 bis 5 Stunden täglich an sowie 2x wöchentlich 2 Stunden Betreuungsstunden für Physik und Italienisch. Aus den Angaben geht nicht hervor, ob die 2 mal 2 Stunden zu den 3 bis 5 Stunden täglich hinzukommen, oder ein Teil davon sind. Dass über diesen Lernzeiten am College (entweder alleine oder mit einer Lehrkraf) hinaus noch weitere Lern- oder Übungszeiten zu Hause angefallen seien, wurde von der Bf nicht behauptet. Es wurden auch keine Aufzeichnungen über weitere Lernzeiten zu Hause vorgelegt. Dass Hausübungen zu erbringen gewesen wären, wurde nicht behauptet. Auch wurde ausgeführt, dass es keine Prüfungen am College gab.

Die regelmäßige Teilnahme am Collegeunterricht sei nach Angaben der Bf "flexibel gehalten" worden; ihr Sohn hätte in der Zeit nicht an den Hauptfächern teilgenommen, weil die Prüfungsfächer in den Nebenfächern Priorität gehabt hätten und er sich in den Unterrichtszeiten darauf vorbereitet hätte - teils alleine, teils mit Lehrer. Geografie und zusätzlich auch schon Italienisch sei ab Jänner 2023 im Alleinstudium mit dem Stoffbereich der 8. Klasse erfolgt. Da die Teilnahme am Unterricht "flexibel gehalten" worden ist und keine Nachweis vorgelegt wurden, zu welchen Zeiten tatsächlich eine Lernstunde mit einer Lehrkraft abgehalten wurde bzw. zu welchen Zeiten im Selbststudium gelernt wurde, geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass es sich bei der Angabe von 3 bis 5 Stunden täglich Unterrichtszeit um eine Schätzung der Bf handelt, ohne dass jedoch konkrete Aufzeichnungen über die Lernzeiten mit einer Lehrkraft und jene im Alleinstudium vorliegen würden. Am Unterricht in einer Klasse mit anderen Schülern dürfte nach den Ausführungen der Bf im streitgegenständlichen Zeitraum gar keine Teilnahme vorgelegen haben. Trotz Aufforderung durch das Bundesfinanzgericht wurde die wöchentliche Lernzeit nicht angeführt. Auch wurden trotz Aufforderung keine Angaben über Zeiten für Lernen, Zeiten für Unterricht und Zeiten für Hausaufgaben gemacht. An wie vielen Tagen pro Woche "3 bis 5 Stunden" gelernt wurde, wurde von der Bf nicht bekannt gegeben. Auf der Homepage, auf welche die Bf in ihrem Antwortschreiben verwies, wird ausgeführt, dass der Unterricht an der ***10*** von Montag bis Donnerstag, jeweils von 9 bis 12 Uhr stattfinde. Das Bundesfinanzgericht geht daher davon aus, dass sich die Lernzeiten am College, welche mit 3 bis 5 Stunden täglich angegeben wurden, auf die Tage Montag bis Donnerstag beziehen. Nach den Angaben der Bf würden sich somit Lernzeiten von durchschnittlich 20 Wochenstunden ergeben, wenn man die 2x 2 Betreuungsstunden für Physik und Italienisch zusätzlich zu den 3 bis 5 Stunden täglich (und nicht inkludiert) annimmt. Würde man diese Stunden in den 3 bis 5 Stunden inkludiert ansehen, würden sich 16 Wochenstunden ergeben. Selbst im günstigsten Fall, wenn man annehmen würde, dass die angeführten Lernzeiten von 3 bis 5 Stunden täglich sich auf Montag bis Freitag beziehen würden, würde sich eine durchschnittliche Lernzeit von 24 Wochenstunden errechnen, wenn man die 2x 2 Betreuungsstunden für Physik und Italienisch zusätzlich hinzurechnet. Dass Hausübungen zu absolvieren gewesen wären oder weitere Lernstunden zu Hause angefallen seien, wird, wie bereits ausgeführt, von der Bf nicht behauptet.

Der Sohn der Bf hat mit Prüfung vom den Unterrichtsgegenstand Physik mit Befriedigend erfolgreich absolviert. Der Unterrichtsgegenstand Geographie und Wirtschaftskunde wurde mit Prüfung vom negativ beurteilt. Der Unterrichtsgegenstand Italienisch 4-jährig wurde mit Prüfung vom negativ beurteilt.

Vom Finanzamt rückgefordert wurde die Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für die Monate Mai 2022 bis Jänner 2023 und Juni 2023. Die Monate Februar bis Mai 2023 wurden gewährt.

Wie bereits oben ausgeführt, ist zu prüfen, ob für jeden einzelnen Monat im Zeitraum Mai 2022 bis Jänner 2023 und im Juni 2023 das quantitative Element der Berufsausbildung im Sinne des FLAG erfüllt ist. Selbst wenn in qualitativer Hinsicht bei Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung Berufsausbildung vorliegen kann, ist nach der VwGH-Rechtsprechung entscheidend, dass die Ausbildung die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt, was nach den obigen Ausführungen eine zeitliche Intensität von zumindest 30 Wochenstunden jeden Anspruchsmonat voraussetzt.

Das Bundesfinanzgericht hat in seinem Erkenntnis vom ausgesprochen, dass es der Lebenserfahrung widerspricht, dass Hausaufgaben, Übungen und Lernen für einen einzigen Unterrichtsgegenstand bei einem über mehrere Monate verteilten Lernen weit mehr als 10 Wochenstunden in allen Monaten in Anspruch nehmen ().

Auch im vorliegenden Fall ist nicht anzunehmen, dass ab Mai 2022 eine derart intensive Vorbereitung erfolgte, um auf eine zeitliche Intensität von zumindest oder mehr als 30 Wochenstunden zu kommen. Dies ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil kein unmittelbarer Prüfungstermin bevorstand und es der Lebenserfahrung entspricht, dass eher in kurzem Abstand zum Prüfungstermin die Lernphasen intensiviert werden. Für den Zeitraum ab September 2022, in welchem das College am ***15*** besucht wurde, wird die wöchentliche Lernzeit von der Bf selbst wie oben ausgeführt im günstigsten Fall mit durchschnittlich 24 Wochenstunden angegeben. Dass darüber hinaus Lernzeiten zu Hause oder etwa Zeiten für Hausübungen oder Übungen stattgefunden hätten, wurde nicht vorgebracht. Vier Monate unmittelbar vor den beiden Prüfungsantritten im Mai 2023, somit ab Februar 2023, wurde vom Finanzamt die Familienbeihilfe gewährt. Wie in der bisherigen Rechtsprechung überwiegend ausgesprochen, waren bei Fällen, in denen es um die Zulassungsprüfungen für die Berufsreifeprüfung ging, vier Monate vor dem unmittelbaren Prüfungstermin als ausreichende Zeit angesehen, sich auf die Prüfung vorzubereiten. Diese Zeiten im Sinne dieser Rechtsprechung wurden im vorliegenden Fall nicht unterschritten. Wie bereits oben ausgeführt, geht die Lehre und überwiegende Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichts bzw. des Unabhängigen Finanzsenats von einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG dann aus, wenn bei Maturaschulen ein wöchentlicher Zeitaufwand für Kursbesuch und Vorbereitungszeit außerhalb des Kurses von mindestens 30 Wochenstunden anfällt. Da im vorliegenden Fall nach Angaben der Bf selbst im günstigsten Fall von maximal 24 Wochenstunden an Lernzeiten angefallen sind, ist für den streitgegenständlichen Zeitraum Mai 2022 bis Jänner 2023 das Kriterium, dass die Berufsausbildung die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen muss, nicht erfüllt. Für den Zeitraum Juni 2023 wurde vorgebracht, der Sohn der Bf hätte sich für Italienisch und Geographie vorbereitet. Der Unterrichtsgegenstand Italienisch 4-jährig wurde mit Prüfung vom negativ beurteilt. Weitere Prüfungen fanden nicht statt. Hinsichtlich Italienisch wurde vorgebracht, dass ab September 2022 1x wöchentlich 2 Stunden Betreuungsstunden Italienisch am College stattgefunden hätten. Ab Jänner 2023 hätte ihr Sohn Italienisch im Alleinstudium den Stoffbereich der 8. Klasse gelernt. Wie bereits oben ausgeführt, widerspricht es der Lebenserfahrung, dass Hausaufgaben, Übungen und Lernen für einen einzigen Unterrichtsgegenstand bei einem über mehrere Monate verteilten Lernen weit mehr als 10 Wochenstunden in allen Monaten in Anspruch nehmen (). Für Juni 2023 kann das Lernen für den Unterrichtsgegenstand Italienisch bei einem Lernen über mehrere Monate verteilt, konkret ab September 2022 und zusätzlich im Alleinstudium ab Jänner 2023 bis September 2023 nicht ein zeitliches Ausmaß erreicht worden sein, das die volle Zeit des Sohnes der Bf in Anspruch genommen hätte. Über eine derart intensive Vorbereitung im Juni 2023 wurden von der Bf auch keinerlei Nachweise oder Unterlagen zur Glaubhaftmachung vorgelegt.

Die angeführte Depression bzw. Anpassungsstörung, die beim Sohn der Bf im Oktober 2023 gemäß vorgelegter Honorarabrechnung diagnostiziert wurde, fällt nicht in den streitgegenständlichen Zeitraum und war daher unbeachtlich.

Die angeführte Selbständigkeit des Sohnes der Bf war nicht zu berücksichtigen, da diese Tätigkeit gemäß Steuerakt im Jahr 2021 begonnen wurde und daraus weder im Jahr 2022 noch im Jahr 2023 Einkünfte erklärt wurden. Da somit nicht anzunehmen war, dass die selbständige Tätigkeit in einem Umfang betrieben wurde, welcher die Ausbildung derart eingeschränkt hätte, dass diese nicht mehr verfolgt hätte werden können, brachte das diesbezügliche Vorbringen der Bf im gegenständlichen Verfahren keine Änderung mit sich.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im vorliegenden Fall keine Abweichung von der im Erkenntnis angeführten Rechtsprechung des VwGH abgewichen wird und es sich bei der Frage, ob eine Berufsausbildung vorliegt oder nicht, um eine Tatfrage handelt, war die Revision nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 98 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 245 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100076.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at