§ 6. Abstände baulicher Anlagen von den übrigen Grundstücksgrenzenund von anderen baulichen Anlagen
(1) Sofern nicht aufgrund der in einem Bebauungsplan festgelegten geschlossenen Bauweise oder aufgrund einer darin festgelegten besonderen Bauweise zusammenzubauen oder ein anderer Abstand einzuhalten ist oder aufgrund der in einem Bebauungsplan festgelegten Baugrenzlinien ein anderer Abstand einzuhalten ist, muss jeder Punkt auf der Außenhaut von baulichen Anlagen gegenüber den Grenzen des Bauplatzes zu den angrenzenden Grundstücken mindestens einen horizontalen Abstand aufweisen, der
a) im Gewerbe- und Industriegebiet und im Kerngebiet das 0,4fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber drei Meter, zum übrigen Bauland, zum Freiland, zu Sonderflächen nach den §§ 47a, 48, 48a, 49 und 49b des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2022, zu Vorbehaltsflächen jedoch das 0,6fache dieses Abstandes, jedenfalls aber vier Meter,
b) im übrigen Bauland, auf Sonderflächen nach den §§ 47a, 48, 48a, 49 und 49b des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2022 und auf Vorbehaltsflächen das 0,6fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber vier Meter,
c) auf Sonderflächen nach den §§ 43 bis 47, 49a, 50 und 50a des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2022 das 0,4fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber drei Meter, zum Bauland außer zum Gewerbe- und Industriegebiet und Kerngebiet, zu Sonderflächen nach den §§ 47a, 48, 48a, 49 und 49b des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2022, zu Vorbehaltsflächen jedoch das 0,6fache dieses Abstandes, jedenfalls aber vier Meter,
d) im Freiland das 0,4fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber drei Meter, zum Bauland, zu Sonderflächen nach den §§ 47a, 48, 48a, 49 und 49b des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2022, zu Vorbehaltsflächen jedoch das 0,6fache dieses Abstandes, jedenfalls aber vier Meter,
beträgt. Auf Sonderflächen für Widmungen mit Teilfestlegungen nach § 51 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2022 sind die Abstände nach der jeweiligen Art der Widmung für die Ebene oder Teilfläche einer Ebene einzuhalten. Wurde das Geländeniveau durch die Bauführung oder im Hinblick auf eine beabsichtigte Bauführung verändert, so ist bei der Berechnung der Abstände nach lit. a bis d vom Geländeniveau vor dieser Veränderung auszugehen. Andernfalls ist vom bestehenden Geländeniveau auszugehen. Dies gilt auch dann, wenn eine Geländeveränderung mehr als zehn Jahre zurückliegt. Ist jedoch in einem Bebauungsplan eine Höhenlage festgelegt, so ist in allen Fällen von dieser auszugehen.
(2) Wird eine bauliche Anlage wieder aufgebaut oder lotrecht erweitert, so ist bei Vorliegen eines Lageplanes, aus dem sich das der Baubewilligung oder Bauanzeige zugrunde gelegene Gelände ergibt, von diesem Geländeniveau auszugehen. Anderenfalls ist von jenem Gelände auszugehen, das sich aufgrund der geradlinigen Interpolierung der an die Außenhaut der baulichen Anlage anschließenden Geländekonturen ergibt.
(3) Bei der Berechnung der Mindestabstände nach Abs. 1 bleiben außer Betracht und dürfen innerhalb der entsprechenden Mindestabstandsflächen errichtet werden:
a) untergeordnete Bauteile, sofern sie nicht mehr als 1,50 m in die Mindestabstandsflächen ragen und ein ausreichender Brandschutz zum angrenzenden Grundstück gewährleistet ist;
b) Fänge sowie Dachkapfer bis zu einer Länge von insgesamt 33 v. H. der Wandlänge auf der betreffenden Gebäudeseite und bis zu einer Höhe von 1,40 m, wobei vom lotrechten Abstand zwischen dem untersten Schnittpunkt des Dachkapfers mit der Dachhaut und dem höchsten Punkt des Dachkapfers auszugehen ist;
c) Sonnenkollektoren und Photovoltaikanlagen, sofern sie in die Außenhaut von baulichen Anlagen integriert sind oder der Abstand des Sonnenkollektors bzw. der Photovoltaikanlage zur Dach- bzw. Wandhaut, im rechten Winkel von dieser aus gemessen, an keinem Punkt 30 cm übersteigt sowie Fassadenbegrünungen, sofern der Abstand der Fassadenbegrünung zur Wandhaut, im rechten Winkel von dieser aus gemessen, an keinem Punkt 30 cm übersteigt. Im Fall der Anbringung auf Flachdächern darf davon abweichend die Neigung des Sonnenkollektors bzw. der Photovoltaikanlage höchstens 15° betragen; dabei hat bei Flachdächern ohne Attika der jeweilige Abstand zum Dachrand hin zumindest der Aufbauhöhe der Photovoltaikanlage zu entsprechen.
(4) Folgende bauliche Anlagen oder Bauteile dürfen in die Mindestabstandsflächen von 3 bzw. 4 m ragen oder innerhalb dieser errichtet werden:
a) oberirdische bauliche Anlagen, die ausschließlich dem Schutz von Sachen oder Tieren dienen und deren mittlere Wandhöhe bzw. Höhe auf der der Grundstücksgrenze zugekehrten Seite 2,80 m, im Gewerbe- und Industriegebiet 3,50 m, nicht übersteigt, wenn sie in den Mindestabstandsflächen keine Fangmündungen aufweisen, wobei natürliche Be- und Entlüftungsöffnungen im erforderlichen Ausmaß zulässig sind, einschließlich der Zufahrten; oberirdische bauliche Anlagen, die dem Schutz von Tieren dienen, dürfen in den Mindestabstandsflächen auch keine sonstigen Öffnungen ins Freie aufweisen; Bienenstände, soweit diese nicht nach § 1 Abs. 3 lit. m vom Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen sind, und Bienenhäuser, wenn die Grenzabstände zu Nachbargrundstücken nach § 3 des Tiroler Bienenwirtschaftsgesetzes 2019, LGBl. Nr. 1/2020, in der jeweils geltenden Fassung, eingehalten werden; die Ausstattung von oberirdischen baulichen Anlagen mit begehbaren Dächern ist nur zulässig, wenn diese höchstens 1,50 m über dem anschließenden Gelände liegen oder wenn der betroffene Nachbar dem nachweislich zustimmt; begehbare Dächer dürfen mit einer höchstens 1 m hohen Absturzsicherung ausgestattet sein und eine mittlere Höhe auf der der Grundstücksgrenze zugekehrten Seite 2,80 m, im Gewerbe- und Industriegebiet 3,50 m, nicht übersteigen;
b) erforderliche bauliche Anlagen zur Aufstellung von Wärmepumpen und Klimaanlagen;
c) freistehende Photovoltaikanlagen mit höchstens 100 m² Fläche, sofern der Abstand der Photovoltaikanlage zum darunterliegenden Gelände an keinem Punkt 30 cm übersteigt, wobei davon abweichend auf ebenem Gelände eine Neigung von höchstens 15° jedenfalls zulässig ist; dabei darf dieser Abstand an keinem Punkt 2 m übersteigen, außer der betroffene Nachbar stimmt einem größeren Abstand nachweislich zu;
d) Pergolen, überdachte Terrassen und dergleichen, sofern deren mittlere Wandhöhe bzw. Höhe auf der der Grundstücksgrenze zugekehrten Seite 2,80 m, im Gewerbe- und Industriegebiet 3,50 m, nicht übersteigt, sonstige überwiegend offene oberirdische bauliche Anlagen, die dem Aufenthalt von Menschen dienen, sowie Kinderspielplätze und offene Schwimmbecken, soweit diese nicht nach § 1 Abs. 3 lit. n vom Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen sind; überdachte Terrassen jedoch nur, wenn der betroffene Nachbar dem nachweislich zustimmt;
e) Stützmauern, Geländer, Brüstungen, Einfriedungen und dergleichen bis zu einer Höhe von insgesamt 2 m, im Gewerbe- und Industriegebiet bis zu einer Höhe von insgesamt 2,80 m, jeweils vom höheren anschließenden Gelände gemessen, außer der betroffene Nachbar stimmt einer größeren Höhe nachweislich zu;
f) Stellplätze einschließlich der Zufahrten, erforderliche bauliche Anlagen zur Aufstellung von Ladestationen sowie ebenerdige Gebäudezugänge einschließlich Freitreppen;
g) unterirdische bauliche Anlagen, wenn sie in den Mindestabstandsflächen keine Fangmündungen aufweisen;
h) Flutlichtanlagen und sonstige Beleuchtungseinrichtungen mit Zustimmung des betroffenen Nachbarn.
(5) Ist eine Baugrenzlinie festgelegt, so gilt Abs. 3 und 4 lit. e sinngemäß. Soweit keine Baugrenzlinien für unterirdische Geschoßebenen festgelegt sind, gilt weiters Abs. 4 lit. g sinngemäß. Darüber hinaus dürfen nur Pflasterungen, Zufahrten und dergleichen, Kinderspielplätze sowie Unterflursysteme zur Sammlung von Abfällen, die weder gefährliche Abfälle noch Problemstoffe im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 3 und 4 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 sind, vor die Baugrenzlinie ragen oder vor dieser errichtet werden. § 59 Abs. 5 zweiter Satz und Abs. 6 zweiter Satz des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2022 bleibt unberührt.
(6) Auf einem Bauplatz dürfen mehrere Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen errichtet werden, wenn die nach ihrem Verwendungszweck erforderliche Belüftung und Belichtung gewährleistet ist, den Erfordernissen des Brandschutzes entsprochen und das Orts- und Straßenbild nicht erheblich beeinträchtigt wird.
(7) Die Mindestabstandsflächen von 3 bzw. 4 m dürfen insgesamt nur im Ausmaß von höchstens 15 v. H. der Fläche des Bauplatzes mit oberirdischen baulichen Anlagen im Sinn des Abs. 3 lit. a und Abs. 4 verbaut werden. Dabei bleiben bauliche Anlagen nach Abs. 4 lit. b, c, e und f sowie Vordächer, Pflasterungen und dergleichen unberücksichtigt. Oberirdische bauliche Anlagen nach Abs. 4 lit. a, c und d dürfen überdies nur in einem solchen Ausmaß errichtet werden, dass innerhalb der Mindestabstandsflächen zu jedem angrenzenden Grundstück und zu jeder Seite hin mindestens die Hälfte der gemeinsamen Grenze von solchen baulichen Anlagen frei bleibt, außer der betroffene Nachbar stimmt einer weitergehenden Verbauung nachweislich zu. Gemeinsame Grenzen von weniger als 3 m Länge auf einer Seite bleiben unberücksichtigt.
(8) An eine im Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung oder der Erstattung der Bauanzeige an der Grundstücksgrenze bestehende bauliche Anlage darf bis zur Länge und bis zur Höhe der Wand oder des Bauteiles an der Grundstücksgrenze angebaut werden, wenn zur betreffenden Seite hin keine Baugrenzlinie festgelegt ist und wenn dadurch das Orts- und Straßenbild nicht erheblich beeinträchtigt wird. An bauliche Anlagen, die nach dem bewilligten bzw. dem aus der baulichen Zweckbestimmung hervorgehenden Verwendungszweck nur zum Schutz von Sachen oder Tieren bestimmt sind, dürfen nur bauliche Anlagen mit einem solchen Verwendungszweck angebaut werden.
(9) Bauliche Anlagen dürfen aufgrund eines gemeinsamen Antrages der Eigentümer der betreffenden Bauplätze oder der daran Bauberechtigten an der Grundstücksgrenze in gekuppelter Bauweise errichtet werden, wenn
a) ein Bebauungsplan nicht besteht und das Orts- und Straßenbild dadurch nicht erheblich beeinträchtigt wird oder
b) dies aufgrund des Bebauungsplanes zulässig ist.
Besteht aufgrund eines solchen gemeinsamen Antrages zumindest für einen der betroffenen Bauplätze eine Baubewilligung oder Bauanzeige, so ist die Errichtung von baulichen Anlagen mit Ausnahme von Nebenanlagen und Nebengebäuden in offener Bauweise nicht weiter zulässig. Für eine im Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung oder der Erstattung der Bauanzeige aufgrund eines solchen gemeinsamen Antrages an der Grundstücksgrenze bereits bestehende bauliche Anlage gilt Abs. 8 mit der Maßgabe, dass in dem im § 2 Abs. 13 genannten Mindestausmaß jedenfalls zusammenzubauen ist.
(10) Erfüllt ein nach früheren baurechtlichen Vorschriften rechtmäßig bestehendes Gebäude die Voraussetzungen nach den Abs. 1, 3 bis 5 oder 7 nicht, so sind ein Umbau, ein geringfügiger Zubau, eine sonstige Änderung dieses Gebäudes oder eine Änderung seines Verwendungszweckes auch dann zulässig, wenn
a) von den betreffenden Voraussetzungen nicht weiter als bisher abgewichen wird; dies gilt auch im Fall des Bestehens einer besonderen Bauweise,
b) den Erfordernissen des Brandschutzes entsprochen wird,
c) bei einer Änderung des Verwendungszweckes weiters keine zusätzlichen nachteiligen Auswirkungen auf die angrenzenden Grundstücke, insbesondere durch Lärm, zu erwarten sind und
d) kein Widerspruch zum Bebauungsplan besteht.
An jener Seite des Gebäudes, an der die Mindestabstände unterschritten werden, darf die Wandhöhe gegenüber dem bestehenden Gebäude nicht vergrößert werden. Dieser Absatz gilt sinngemäß für die Änderung sonstiger baulicher Anlagen.
(11) Abs. 10 ist weiters auf den Wiederaufbau von Gebäuden im Fall ihres Abbruches oder ihrer sonstigen Zerstörung anzuwenden, wenn die Baubewilligung hierfür innerhalb eines Jahres nach der Zerstörung des betreffenden Gebäudes erteilt wird. In diese Frist sind die Zeiten des Bauverfahrens, eines Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht, dem Verwaltungsgerichtshof oder dem Verfassungsgerichtshof und einer Bausperre im Sinn des § 75 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2022 nicht einzurechnen. Dies gilt sinngemäß für die Wiedererrichtung sonstiger baulicher Anlagen mit der Maßgabe, dass bei anzeigepflichtigen Bauvorhaben anstelle der Erteilung der Baubewilligung auf das Wirksamwerden der Bauanzeige abzustellen ist.
(12) Bei baulichen Anlagen, deren Errichtung an der Bauplatzgrenze zulässig ist, dürfen Dächer und Einrichtungen zur Ableitung von Niederschlagswasser über die Bauplatzgrenze ragen, wenn der betroffene Nachbar dem nachweislich zustimmt.
Datenquelle: RIS — https://www.ris.bka.gv.atGesamte Rechtsvorschrift (RIS)
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WAAAF-36670