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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.08.2024, RV/7100262/2023

Wiederaufnahme trotz Offenlegung

Beachte

Revision eingebracht (Amtsrevision).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***1***, ***2***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens Umsatzsteuer 2015 sowie Umsatzsteuer 2015

I. zu Recht erkannt:

Der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer für das Jahr 2015 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

II. beschlossen:

Die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2015 wird gemäß § 261 Abs. 2 BAO als gegenstandslos erklärt. Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Offenlegung vom

Mit Schreiben vom teilte die Beschwerdeführerin dem Finanzamt ***3*** mit:

[...]

Stellungnahme

Gemäß § 12 (10) UStG ist bei einer Änderung der Verhältnisse, wie ein Unternehmer einen Gegenstand verwendet bzw. nutzt eine Vorsteuerkorrektur vorzunehmen. Dies ist etwa auch dann der Fall, wenn ein steuerpflichtig vermietetes Gebäude ohne Option zur Umsatzsteuer gem. § 6 (2) UStG veräußert wird.

Zu korrigieren sind geltend gemachte Vorsteuern aus Anschaffungskosten, Herstellungskosten, und Großreparaturen. Folglich sind laufende Kosten wie Instandhaltungskosten nicht von der Korrekturpflicht mitinbegriffen. Die Korrekturfrist beträgt 10 Jahre bzw. für nachträgliche Aufwendungen, bei denen die Nutzung nach dem begann 20 Jahre (vgl. UStR Rz 2082).

Int vorliegenden Sachverhalt liegen die Anschaffungs- und Herstellungskosten aller Liegenschaften bereits vor dem Korrekturzeitraum.

Zu korrigieren sind daher lediglich eventuelle Kosten aus Großreparaturen. Es gibt im UStG keine Begriffsdefinition für Großreparaturen. In den UStR Rz 2080 ist wie folgt ausgeführt:

"Der Begriff Großreparatur ist dem derzeit geltenden Einkommensteuerrecht fremd. Er stammt aus dem EStG 1972. Nach § 28 Abs. 2 EStG 1972 handelte es sich dabei um Aufwendungen für die Erhaltung von Gebäuden, die nicht regelmäßig Jährlich erwachsen. Hinzu kommt, dass es sich um einen relativ hohen Aufwand handeln muss."

Aus der Formulierung ist abzuleiten, dass es sich bei einer Reparatur um einen wiederkehrendenAufwand handelt. Dies wurde auch vom UFS mehrmals bestätigt. Lt. UFS Salzburg (RV/0532-S/07) sowie UFS Wien (RV/1332-W/04) ist ein Kriterium der Großreparatur, dass es sich umwiederkehrenden aber nicht mit jährlicher Regelmäßigkeit erwachsenden, betragsmäßig relativhohen Aufwand handelt.

Bei der vorliegenden Fundamentsanierung ist ausgeschlossen, dass es sich dabei um einenwiederkehrenden Aufwand handelt, womit nach der Definition der UStR (unter Verweis auf dasEStG 1972) sowie der laufenden Rechtsprechung gem angeführter UFS-Erkenntnisse keine Großreparatur vorliegt. Es ist daher bezüglich dieser Aufwendungen keine Vorsteuerkorrektur vorzunehmen."

2. Telefonat vom

Am erfolgte auf Grund der Offenlegung vom ein Telefonat zwischen der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin und einer Mitarbeiterin des zuständigen Finanzamtes.

3. Bescheid Umsatzsteuer 2015 vom

Am brachte die Beschwerdeführerin elektronisch (über FinanzOnline) die
USt-Erklärung 2015 bei der belangten Behörde ein. Am erging antragsgemäß der Umsatzsteuerbescheid 2015.

4. E-Mail der Beschwerdeführerin vom

Mit E-Mail vom übermittelte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde unter Bezugnahme auf das Telefonat vom ein Schreiben betreffend die Sanierungsmaßnahmen hinsichtlich der Liegenschaft ***7***.

Dem Schreiben angeschlossen waren Schreiben des Architekten Dipl.lng. ***28*** ***29*** vom und vom sowie ein Prüfbericht der ***24*** ***25*** FÜR ***26*** vom betreffend "der Prüfung der Betondruckfestigkeit eines Schüttbetonmauerwerkes".

5. Ergänzungsersuchen vom

Mit Schreiben vom übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin ein Ergänzungsersuchen.

6. E-Mail der Beschwerdeführerin vom

Mit E-Mail vom beantwortete die Beschwerdeführerin dieses Ergänzungsersuchen.

[...]

7. WA Umsatzsteuer 2015 vom

Mit Bescheid vom nahm die belangte Behörde das Umsatzsteuerverfahren für das Jahr 2015 wieder auf.

8. Umsatzsteuer 2015 vom

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde das Umsatzsteuer für das Jahr 2015 in der Höhe von Euro 622.042,82 neu fest (bisher Euro -26.119,81).

9. Beschwerden vom

Mit Schreiben vom (bei der belangten Behörde eingelangt am ) bekämpfte die Beschwerdeführerin den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2015 vom sowie den Bescheid betreffend Umsatzsteuer 2015 vom .

10. Beschwerdeergänzung vom

Mit Schreiben vom (bei der belangten Behörde eingelangt am ) ergänzte die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen in den Beschwerden.

11. Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerden gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2015 und Umsatzsteuer 2015 als unbegründet ab.

12. Vorlageanträge vom

Mit Schreiben vom (eingelangt bei der belangten Behörde über FinanzOnline am ) beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage ihrer Beschwerde gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2015 sowie die Vorlage ihrer Beschwerde gegen die Umsatzsteuer 2015 zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht.

13. Vorlagebericht

Mit Schreiben vom legte die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht die Beschwerden vom (eingelangt am ) gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens 2015 und die Umsatzsteuer 2015 jeweils vom zur Entscheidung vor.

14. Beschluss vom

Mit Beschluss vom forderte das Bundesfinanzgericht die belangte Behörde auf, mitzuteilen, welche konkreten Tatsachen und Beweismittel nach Erlassung des Umsatzsteuerbescheides 2015 vom neu hervorgekommen seien, die allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen - betreffend die Vorsteuerberichtigung gemäß § 12 Abs 10 UStG - im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, und aus welchen dieser nach Bescheiderlassung neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel sich das Vorliegen welcher - vorher noch fehlenden - Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 10 UStG ergeben hätte.

15. Stellungnahme belangte Behörde vom

Mit Schreiben vom nahm die belangte Behörde zum Beschluss vom Stellung.

16. Beschluss vom

Mit Beschluss vom übermittelte das Bundesfinanzgericht das Schreiben der belangten Behörde vom der Beschwerdeführerin zur Kenntnis und eigenen Stellungnahme.

17. Stellungnahme Beschwerdeführerin vom

Mit Schreiben vom erfolgte die Stellungnahme der Beschwerdeführerin zum Schreiben der belangten Behörde vom .

18. Beschluss vom

Mit Beschluss vom wurde der belangten Behörde das Schreiben der Beschwerdeführerin vom zur allfälligen eigenen Stellungnahme übermittelt.

19. Stellungnahme belangte Behörde vom

Mit Schreiben vom teilte die belangte Behörde mit, dass ein neues Vorbringen, welches für die Beurteilung von essentieller Bedeutung sei, in der Stellungnehme vom nicht vorgebracht worden sei. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweise die Abgabenbehörde auf das bisherige Vorbringen und verzichte auf eine weitere Stellungnahme.

20. Erörterungstermin am

Am fand ein Erörterungstermin in Anwesenheit beider Streitparteien statt.

21. Stellungnahme belangte Behörde vom

Mit E-Mail vom teilte die belangte Behörde mit, welche Behörden für die Veranlagung der Umsatzsteuer der Beschwerdeführerin zuständig waren und welche Aktenabtretungen diesbezüglich stattgefunden hatten.

22. Stellungnahme Beschwerdeführerin vom

Mit Schreiben vom machte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen Angaben zum Telefongespräch vom .
Diese Stellungnahme wurde der belangten Behörde mit dem Hinweis "zur Kenntnisnahme und allfälligen eigenen Stellungnahme binnen vier Wochen" mit E-Mail vom übermittelt.

23. Schreiben vom

Mit Schreiben vom nahm die Beschwerdeführerin ihre Anträge auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung durch den Senat zurück.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Strittig zwischen den Parteien ist die Rechtsmäßigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Umsatzsteuer 2015 sowie die Höhe der Festsetzung der Umsatzsteuer 2015.

[...]

Im Jahr 2015 verkaufte die Beschwerdeführerin mehrere Mietzinshäuser ohne Option zur Umsatzsteuer gemäß § 6 Abs. 2 UStG, also unecht steuerfrei gemäß § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a UStG 1994.

[...]

Sämtliche Liegenschaften waren bereits vor mehr als zehn Jahren angeschafft und errichtet worden, es gab jedoch diverse Sanierungsmaßnahmen.

In der Umsatzsteuervoranmeldung 12/2015 und in der Umsatzsteuererklärung 2015 nahm die Beschwerdeführerin folgende Vorsteuerberichtigungen vor:

[...]

Auch das beschwerdegegenständliche Grundstück (Mietwohnanlage) ***5***, ***6*** ***7***, wurde im Jahr 2015 unecht steuerfrei veräußert.

Auf der Liegenschaft ***5***, ***7***, befinden sich ***8*** Wohnhäuser.

Bei der veräußerten Liegenschaft in ***7*** wurde eine einmalige, umfangreiche Sanierung zur Stützung des Fundaments vorgenommen, da das Fundament nicht sachgerecht errichtet worden war. Die diesbezüglichen Aufwendungen bzw. diesbezüglichen Korrekturbeträge stellten sich wie folgt dar:

[...]

Aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen wurden ein Sanierungsvorschlag und eine Prioritätenliste für die Sanierung der einzelnen Keller erstellt. Nach dieser Liste wurden die einzelnen Kellerabschnitte der diversen Häuser in den folgenden Jahren saniert.

Der oben dargestellte Sachverhalt wurde von der Beschwerdeführerin gegenüber der belangten Behörde mit einem Schreiben vom offengelegt.

Bei der Beschwerdeführerin fand eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung betreffend den Zeitraum 12/2014 bis 6/2015 betreffend statt, die mit Schlussbesprechung am abgeschlossen wurde. Diese Schlussbesprechung wurde von der Teamleiterin des damals zuständigen Betriebsveranlagungsteams, ***9*** ***10***, geleitet und die Prüfung wurde von einem Mitarbeiter dieses Betriebsveranlagungsteams, ***11***, durchgeführt. Dabei wurde von der Beschwerdeführerin unter anderem auch eine Rechnung betreffend die Fundamentsanierung in ***7*** mit einem Vorsteuerbetrag von ca. TEUR 64 vorgelegt.

Mit dem Schreiben vom teilte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde zur Umsatzsteuervoranmeldung des Monates Dezember 2015 mit, dass In der Kennzahl 063, Berichtigung gemäß § 12 Abs. 10 und 11 UStG, ein Betrag iHv EUR 104,985,20 ausgewiesen wurde, da im Rahmen des Verkaufs mehrerer Mietzinshäuser ohne Option zur Umsatzsteuer gemäß § 6 Abs. 2 UStG die Vorsteuer aus Großreparaturen zu korrigieren war.

Ebenso teilte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde im Schreiben vom mit, dass sich nach ihrer Rechtsauffassung trotz des unecht steuerbefreiten Verkaufs hinsichtlich der dargestellten Sanierungsmaßnahmen betreffend die Liegenschaft ***6*** ***7***, ***5***, keine Verpflichtung zur Vornahme einer Vorsteuerberichtigung iSd § 12 Abs. 10 UStG ergeben würde:

"Stellungnahme

Gemäß § 12 (10) UStG ist bei einer Änderung der Verhältnisse, wie ein Unternehmer einen Gegenstand verwendet bzw. nutzt eine Vorsteuerkorrektur vorzunehmen. Dies ist etwa auch dann der Fall, wenn ein steuerpflichtig vermietetes Gebäude ohne Option zur Umsatzsteuer gem. § 6 (2) UStG veräußert wird.

Zu korrigieren sind geltend gemachte Vorsteuern aus Anschaffungskosten, Herstellungskosten, und Großreparaturen. Folglich sind laufende Kosten wie Instandhaltungskosten nicht von der Korrekturpflicht mitinbegriffen. Die Korrekturfrist beträgt 10 Jahre bzw. für nachträgliche Aufwendungen, bei denen die Nutzung nach dem begann 20 Jahre (vgl. UStR Rz 2082).

Int vorliegenden Sachverhalt liegen die Anschaffungs- und Herstellungskosten aller Liegenschaften bereits vor dem Korrekturzeitraum.

Zu korrigieren sind daher lediglich eventuelle Kosten aus Großreparaturen. Es gibt im UStG keine Begriffsdefinition für Großreparaturen. In den UStR Rz 2080 ist wie folgt ausgeführt:

"Der Begriff Großreparatur ist dem derzeit geltenden Einkommensteuerrecht fremd. Er stammt aus dem EStG 1972. Nach § 28 Abs. 2 EStG 1972 handelte es sich dabei um Aufwendungen für die Erhaltung von Gebäuden, die nicht regelmäßig Jährlich erwachsen. Hinzu kommt, dass es sich um einen relativ hohen Aufwand handeln muss."

Aus der Formulierung ist abzuleiten, dass es sich bei einer Reparatur um einen wiederkehrenden Aufwand handelt. Dies wurde auch vom UFS mehrmals bestätigt. Lt. UFS Salzburg (RV/0532-S/07) sowie UFS Wien (RV/1332-W/04) ist ein Kriterium der Großreparatur, dass es sich um wiederkehrenden aber nicht mit jährlicher Regelmäßigkeit erwachsenden, betragsmäßig relativ hohen Aufwand handelt.

Bei der vorliegenden Fundamentsanierung ist ausgeschlossen, dass es sich dabei um einen wiederkehrenden Aufwand handelt, womit nach der Definition der UStR (unter Verweis auf das EStG 1972) sowie der laufenden Rechtsprechung gem angeführter UFS-Erkenntnisse keine Großreparatur vorliegt. Es ist daher bezüglich dieser Aufwendungen keine Vorsteuerkorrektur vorzunehmen."

Das Schreiben vom gelangte dem zuständigen BV-Team ***12*** des Finanzamtes ***3*** zur Kenntnis. Dieses BV-Team richtete am eine Anfrage hinsichtlich der offengelegten Nichtvornahme einer Vorsteuerberichtigung betreffend die Liegenschaft ***6*** ***7***, ***5***, an den Amtsfachbereich des Finanzamtes ***3***.

Am erfolgte ein ca. 50 Minuten dauerndes Telefongespräch zwischen Mag. (FH) ***13*** ***14*** (steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin) und Mag, (FH) ***15*** ***16*** (Fachbereich des Finanzamtes ***3***) betreffend eine Vorsteuerberichtigung hinsichtlich der Sanierungsmaßnahmen an der Liegenschaft ***6*** ***7***, ***5***.

Im Rahmen dieses Gesprächs ersuchte Mag. (FH) ***16*** um zusätzliche Informationen bzw. Unterlagen bezüglich der Vorsteuerkorrektur im Zusammenhang mit den Sanierungsarbeiten an der Liegenschaft ***7*** (Wann wurde die Liegenschaft erbaut und die darauf befindlichen Gebäude errichtet; Wie hoch waren die damaligen Baukosten; Übermittlung der behördlichen Genehmigung der Sanierungskosten; Höhe der Sanierungskosten; Welche Arbeiten wurden genau durchgeführt; Übermittlung des angeführten Sanierungsvorschlages inkl. Prioritätenliste).

Am brachte die Beschwerdeführerin elektronisch (über FinanzOnline) die USt-Erklärung 2015 bei der belangten Behörde ein und erklärte die bereits in der Offenlegung vom dargestellten Vorsteuerberichtigungen hinsichtlich der Liegenschaften ***17*** ***18***, ***19***; ***20*** ***18***, ***21*** und ***17*** ***18***, ***23*** im Betrag von 104.985,20 Euro.

Am erging der Umsatzsteuerbescheid 2015 antragsgemäß:

[...]

Mit E-Mail vom übermittelte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde Informationen und Unterlagen im Zusammenhang mit dem Schreiben vom , und zwar betreffend Zeitpunkt der Errichtung bzw. Anschaffung der streitgegenständlichen Liegenschaft, der Höhe der damaligen Baukosten, der behördlichen Genehmigung sowie Höhe der Sanierungskosten, des angeführten Sanierungsvorschlages inkl. Prioritätenliste.

[...]

Mit Schreiben vom übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin folgendes weiteres Ergänzungsersuchen:

"Es wird um Ergänzung betreffend Vorsteuerkorrektur bezüglich der Liegenschaft ***7*** vom eingebracht am ersucht.

Bitte beantworten Sie die nachstehenden Fragen innerhalb der angeführten Frist.

• Standen die Kellerräumlichkeiten den Bewohnern vor den Renovierungsarbeiten zur Benützung zur Verfügung?

• Konnten die Kellerräumlichkeiten auf Grund des schlechten Zustandes des Mauerwerkes ohne Gefahr benutzt werden?

• Stehen die Kellerräumlichkeiten den Bewohnern nach der Renovierung zur Benützung zur Verfügung bzw. wozu werden diese Räumlichkeiten derzeit genutzt?

• Wurde an den Kellerräumlichkeiten etwas verändert (z.B. andere Raumaufteilung)?

• Woher wissen Sie, dass in Zukunft nicht nochmals eine Stützung des Fundaments notwendig sein wird?

Frist zur Beantwortung bis zum:

Ergänzungspunkte:

• Baupläne der Liegenschaft ***7*** vor der Renovierung und falls sich etwas geändert hat auch nach der Renovierung."

Mit E-Mail vom übermittelte die Beschwerdeführerin folgendes Schreiben samt Beilagen in Beantwortung des Ersuchens um Ergänzung vom :

"• Standen die Kellerräumlichkeiten den Bewohnern vor den Renovierungsarbeiten zur Benutzung zur Verfügung?

Die Kellerräumlichkeiten standen den Bewohnern vor der Fundamentsanierung bis zu Beginn der Arbeiten zu Verfügung.

• Konnten die Kellerräumlichkeiten auf Grund des schlechten Zustandes des Mauerwerkes ohne Gefahr benutzt werden?

Wie aus den Gutachten und Schreiben des Architekten ersichtlich, waren die Kellerräumlichkeiten noch benutzbar, jedoch war, insbesondere bei den Stiegen, die im Schreiben des Architekten (nochmals anbei) als Risikoklasse 1. A bezeichnet sind, Gefahr in Verzug.

• Stehen die Kellerräumlichkeiten den Bewohnern nach der Renovierung zur Benützung zur Verfügung bzw. wozu werden diese Räumlichkeiten derzeit genutzt?

Während der Arbeiten mussten die Räumlichkeiten von den Bewohnern geräumt werden (siehe zwei Aushänge zur Information an die Bewohner anbei). Nach den durchgeführten Arbeiten stehen die Kellerräumlichkeiten den Bewohnern unverändert zur Benützung zur Verfügung.

• Wurde an den Kellerräumlichkeiten etwas verändert (z.B. andere Raumaufteilung)

An den Kellerräumlichkeiten wurde nichts verändert. Die Kellertrennwände wurden nicht erneuert bzw. nach Abschluss der Arbeiten wieder eingebaut.

• Woher wissen Sie, dass in Zukunft nicht nochmals eine Stützung des Fundaments notwendig sein wird?

Aufgrund der fachgerechten Sanierung ist anzunehmen, dass in Zukunft nicht nochmals eine derartige Stützung des Fundaments notwendig sein wird.

• Baupläne der Liegenschaft ***7*** vor der Renovierung und falls sich etwas geändert hat auch nach der Renovierung

Im beigelegten Prüfbericht der ***24*** ***25*** für ***26*** sind Pläne der einzelnen Kellerräumlichkeiten enthalten. Nachdem sich an der Raumaufteilung nichts geändert hat, gibt es keine neuen/geänderten Pläne."

[...]

Mit Bescheiden vom - also über fünf Jahre später - nahm die belangte Behörde das Umsatzsteuerverfahren für das Jahr 2015 wieder auf und setzte die Umsatzsteuer 2015 in der Höhe von 622.042,82 Euro neu fest (bisherige Festsetzung: -26.119,81 Euro). Die Differenz ergab sich aus der nunmehrigen Vorsteuerberichtigung in der Höhe von 753.147,83 Euro im Gegensatz zum Betrag von 104.985,20 Euro im Erstbescheid. Daraus ergab sich eine Abgabennachforderung von 648.162,63 Euro, was dem Betrag entspricht, den die Beschwerdeführerin in ihrer Offenlegung vom der belangten Behörde mitgeteilt hatte.

Daneben wurden im Bescheid vom auch unecht steuerfreie Umsätze von 9.213.150,00 Euro in der Kennzahl 019 erstmals berücksichtigt, was zu einer Erhöhung der steuerbaren Umsätze von 2.629.939,66 Euro auf einen Gesamtbetrag von 11.843.089,66 Euro führte. Die Höhe dieser unecht steuerfreien Umsätze wurden der belangten Behörde erst nach Erlassung des Erstbescheides bekannt.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur finanzbehördlichen Zuständigkeit der Beschwerdeführerin und den in diesem Zusammenhang erfolgten Abtretungen des Aktes gründen auf den im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Informationen der belangten Behörde.

Die Feststellungen zum unecht steuerfreien Verkauf der Liegenschaften ***17*** ***18***, ***19***, ***20*** ***18***, ***21***, ***17*** ***18***, ***23***, sowie zu den Kosten der an diesen Liegenschaften vorgenommenen Sanierungsmaßnahmen und den vorgenommenen Vorsteuerkorrekturen ergeben sich aus dem Schreiben der Beschwerdeführerin vom an das Finanzamt ***3***.

Die Feststellungen zum unecht steuerfreien Verkauf der Liegenschaft ***6*** ***7***, ***5***, zur Vornahme von Sanierungsmaßnahmen an dieser Liegenschaft, zu Zeitraum, Art und Inhalt sowie betragsmäßiger Kosten dieser Sanierungsmaßnahmen ergeben sich ebenso wie deren umsatzsteuerrechtliche Einschätzung durch die Beschwerdeführerin aus der Offenlegung der Beschwerdeführerin vom gegenüber dem Finanzamt ***3***.

Mit Schreiben vom legte die Beschwerdeführerin gegenüber dem Finanzamt ***3*** zur Umsatzsteuervoranmeldung des Monates Dezember 2015 folgende Sachverhaltselemente offen:

  • mehre Liegenschaften, unter anderem jene in ***6*** ***7***, ***5***, wurden unecht steuerfrei verkauft;

  • sämtliche Liegenschaften wurden bereits vor mehr als zehn Jahren angeschafft und errichtet;

  • bei der veräußerten Liegenschaft in ***7*** wurde in den letzten Jahren eine einmalige, umfangreiche Sanierung zur Stützung des Fundaments vorgenommen, da das Fundament nicht sachgerecht errichtet wurde.

  • die Höhe und die Chronologie der iZm dieser Sanierung angefallenen Aufwendungen und damit verbundener abgezogenen Vorsteuerbeträge in den Jahren 2010 bis 2015;

  • dass sich auf der Liegenschaft ***7***, ***5***, ***27*** Wohnhäuser befinden;

  • nähere Informationen zur Entdeckung des Sanierungsbedarfs ("Im Jahr 2010 wurden im Rahmen von Bauarbeiten seitens der ausführenden Firma Bedenken hinsichtlich des Kellermauerwerks eines Hauses angemeldet") und der Prüfung der Betondruckfestigkeit;

  • dass ein Sanierungsvorschlag und eine Prioritätenliste für die Sanierung der einzelnen Keller erstellt und nach dieser Liste die einzelnen Kellerabschnitte der diversen Häuser in den folgenden Jahren saniert wurden.

Dass eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der Beschwerdeführerin stattfand, die mit Schlussbesprechung am abgeschlossen wurde, und dass diese Schlussbesprechung von der Teamleiterin des damals zuständigen Betriebsveranlagungsteams, ***9*** ***10***, geleitet und die Prüfung von einem Mitarbeiter dieses Betriebsveranlagungsteams, ***11***, durchgeführt wurde, ergibt sich aus der aktenkundigen Niederschrift über die Schlussbesprechung. Dass diese Prüfung für den Zeitraum 12/2014 bis 6/2015 stattfand und dabei eine Rechnung betreffend die Fundamentsanierung in ***7*** mit einem Vorsteuerbetrag von ca. TEUR 64 vorgelegt wurde, ergibt sich aus dem Schreiben der Beschwerdeführerin vom . Dem hat die belangte Behörde, der das Schreiben der Beschwerdeführerin zur allfälligen Stellungnahme übermittelt wurde, auch nicht widersprochen. Aus Sicht des Bundesfinanzgerichts ist dieser Umstand aber für die Entscheidung nicht ausschlagend, da der belangten Behörde in der Offenlegung vom die maßgeblichen Umstände zur Fundamentsanierung in bedeutend umfassender Weise zur Kenntnis gebracht wurden.

Dass am ein Telefongespräch zwischen einem Fachbereichsmitglied des Finanzamtes ***3*** und der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin stattfand und dessen Inhalt ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin und dem nachfolgenden Schriftverkehr und wurde auch von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt. Dass die steuerliche Vertretung damals die Frage nach dem Herstellungsdatum und den Herstellungskosten nicht beantworten konnte, ergibt sich aus dem Schreiben vom und auch implizit aus dem nachfolgenden Schreiben der steuerlichen Vertretung an die Beschwerdeführerin.

Dass die Höhe der Bemessungsgrundlagen der unecht steuerfreien Grundstücksverkäufe der belangten Behörde erst nach Erlassung des Erstbescheides Umsatzsteuer 2015, und zwar im Zuge der Erlassung des Wiederaufnahmebescheides, bekannt wurden, ergibt sich aus der diesbezüglichen Aussage des Vertreters der belangten Behörde beim Erörterungstermin am .

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung und Gegenstandsloserklärung)

3.1.1. Streitfragen

Im Beschwerdefall ist zwischen den Parteien sowohl strittig, ob im Jahr 2015 im Zusammenhang mit Sanierungsmaßnahmen an der Liegenschaft ***7*** die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung iSd § 12 Abs. 10 UStG 1994 vorliegen, als auch, ob die Wiederaufnahme des Verfahrens Umsatzsteuer 2015 zu Recht erfolgt ist.

Daher ist im ersten Schritt zu klären, ob die Voraussetzungen für die von der belangten Behörde im Sachbescheid vorgenommene Vorsteuerberichtigung vorliegen und - wenn dies der Fall sein sollte - sodann zu untersuchen, ob der belangten Behörde im Zeitpunkt der Bescheiderlassung am bereits alle Sachverhaltselemente, die zur Erfüllung des Tatbestandes der Vorsteuerberichtigung iSd § 12 Abs. 10 UStG 1994 erforderlich sind, bekannt waren und wie angesichts allfällig neu hervorgekommener Tatsachen und Beweismittel das Ermessen betreffend einer Wiederaufnahme des Verfahrens Umsatzsteuer 2015 zu üben ist.

3.1.2. Vorsteuerberichtigung und Großreparatur

§ 12 Abs 10 UStG 1994 lautet auszugsweise:

"Ändern sich bei einem Gegenstand, den der Unternehmer in seinem Unternehmen als Anlagevermögen verwendet oder nutzt, in den auf das Jahr der erstmaligen Verwendung folgenden vier Kalenderjahren die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren (Abs. 3), so ist für jedes Jahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges durchzuführen.

Dies gilt sinngemäß für Vorsteuerbeträge, die auf nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten, aktivierungspflichtige Aufwendungen oder bei Gebäuden auch auf Kosten von Großreparaturen entfallen, wobei der Berichtigungszeitraum vom Beginn des Kalenderjahres an zu laufen beginnt, das dem Jahr folgt, in dem die diesen Kosten und Aufwendungen zugrunde liegenden Leistungen im Zusammenhang mit dem Anlagevermögen erstmals in Verwendung genommen worden sind."

Der Begriff der "Großreparatur" fand sich im Einkommensteuerrecht, und zwar in § 28 Abs 2 EStG 1972, der (auszugsweise) lautete:

"Bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind Werbungskosten, die für die Erhaltung von Gebäuden aufgewendet werden und die nicht regelmäßig jährlich erwachsenen (Großreparaturen), auf Antrag gleichmäßig auf zehn Jahre zu verteilen."

Die Einbeziehung der "nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten", "aktivierungspflichtigen Aufwendungen" sowie - Gebäude betreffend - der "Kosten von Großreparaturen" mit Abgabenänderungsgesetz 1980, BGBl. Nr. 563, knüpfte an Begriffe aus dem Ertragsteuerrecht, das nach damaliger Rechtslage in § 28 Abs. 2 EStG 1972 auch den im EStG 1988 nicht mehr vorkommenden Begriff der "Großreparatur" kannte, an ().

Zum Begriff der "Großreparatur" stellte der Verwaltungsgerichtshof in der oben zitierten Entscheidung fest:

"Eine "Großreparatur" im Sinne des § 12 Abs. 10 UStG 1994 ist ein nicht aktivierungspflichtiger (zum Berichtigungszeitpunkt nicht vollständig verbrauchter) Aufwand, der nicht "regelmäßig" erwächst und von dem sich sagen lässt, er falle "ins Gewicht". Dass dies auf die hier zu beurteilende umfassende Sanierung von Aufzugsanlagen zutrifft, ist auch dann zu bejahen, wenn der Aufwand in Relation zum "gesamten Anschaffungswert" der Mietobjekte nur etwa 2% (pro Objekt durchschnittlich EUR 47.774,-) betrug."

Unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin die Liegenschaft ***7*** (einen körperlichen Gegenstand des Anlagevermögens) vor dem Verkauf viele Jahre lang unternehmerisch zur Erzielung - zum Vorsteuerabzug aus den beschwerdegegenständlichen Sanierungskosten berechtigender - steuerpflichtiger Umsätze ("Mietzinshäuser") verwendet hat und dass der Verkauf unecht steuerfrei erfolgt ist, sodass es zu einer Änderung der Verhältnisse iSd
§ 12 Abs 10 UStG 1994 gekommen ist. Vom Vorliegen dieser Tatbestandselemente des § 12 Abs. 10 erster Satz UStG 1994 ist auch die belangte Behörde auf Grund der Offenlegung vom ausgegangen. Neue Tatsachen oder Beweismittel, die zu einer anderen Einschätzung geführt hätten, sind diesbezüglich nach der Erlassung des Umsatzsteuerbescheides 2015 am nicht hervorgekommen.

Hinsichtlich des Zeitpunkts für eine allfällige Vorsteuerberichtigung (nämlich im Jahr der Veräußerung), deren Ausmaß (nämlich in Höhe aller offenen Zehntel bzw. Zwanzigstel) sowie der Abgrenzung (zwischen Zehntel bzw. Zwanzigstel) wurden der belangten Behörde nach Bescheiderlassung keine weiteren Tatsachen bekannt und sie hat dies auch nicht behauptet, sondern vielmehr die mit Schreiben der Beschwerdeführerin vom offengelegten Sachverhaltsumstände ihrer rechtlichen Würdigung zu Grunde gelegt. Auch hinsichtlich dieser Tatbestandselemente wurden der belangten Behörde also nach Erlassung des Erstbescheides Umsatzsteuer 2015 keine neuen Tatsachen oder Beweismittel, die zu einer anderen Einschätzung im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung betreffend die Liegenschaft ***7*** geführt hätten, bekannt.

Ob hinsichtlich des Verkauf des Grundstücks ***7*** alle Tatbestandsvoraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung iSd § 12 Abs. 10 UStG 1994 erfüllt waren, hing somit nur mehr davon ab, ob es sich bei den genannten Kosten um Anschaffungs- oder Herstellungskosten, nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder Kosten von Großreparaturen handelte. Um welche der im § 12 Abs. 10 UStG 1994 angeführten Arten berichtigungspflichtiger Kosten (Anschaffungs- oder Herstellungskosten, nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder Kosten von Großreparaturen) es sich handelt, ist dagegen für die Auslösung der Folgen des § 12 Abs. 10 UStG, also für die Vornahme der Vorsteuerberichtigung, unmaßgeblich, da das Ergebnis immer dasselbe ist und somit der Spruch des Umsatzsteuerbescheides immer gleich lauten würde.

Die belangte Behörde ist in ihrer rechtlichen Würdigung im Zuge der Wiederaufnahme und bei Erlassung der neuen Bescheide davon ausgegangen, dass die Sanierungsmaßnahmen an der Liegenschaft ***7*** eine Großreparatur iSd § 12 Abs. 10 UStG darstellen (siehe dazu die Erklärung beim Erörterungstermin am , wonach die belangte Behörde bei der Wiederaufnahme "vom Vorliegen einer Großreparatur hinsichtlich der gesamten beschwerdegegenständlichen Aufwendungen ausgegangen" ist).

Nach , ist eine Großreparatur iSd § 12 Abs. 10 UStG 1994
"ein nicht aktivierungspflichtiger (zum Berichtigungszeitpunkt nicht vollständig verbrauchter) Aufwand, der nicht "regelmäßig" erwächst und von dem sich sagen lässt, er falle "ins Gewicht"."

Zu Recht ist die Behörde nicht davon ausgegangen, dass es sich bei den Kosten der Sanierungsmaßnahmen hinsichtlich der Liegenschaft ***7*** um aktivierungspflichtige Aufwendungen handelte (sondern um eine Großreparatur, siehe Erörterungstermin). Anzumerken ist, dass die offengelegten Maßnahmen aber selbst bei (teilweisem) Vorliegen aktivierungspflichtiger Aufwendungen, jedenfalls unter den Tatbestand des § 12 Abs. 10 UStG gefallen und dieselbe Vorsteuerberichtigung wie eine Großreparatur ausgelöst hätten.

Dass der Sanierungsaufwand im Zeitpunkt der Lieferung des Grundstückes ***7*** nicht vollständig verbracht war, folgt schon aus der Art der Maßnahmen (Fundamente sind jedenfalls grundlegende Gebäudeteile, deren Sanierung nachhaltige Wirkung haben wird) und dies wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht in Abrede gestellt.

Dass ein Sanierungsaufwand wie der beschwerdegegenständliche, also eine umfangreiche Sanierung von Gebäudefundamenten, nicht "regelmäßig" anfällt, ist ebenfalls offensichtlich und entspricht allgemeinem Verständnis. Den Ausführungen der belangten Behörde beim Erörterungstermin am , dass (erst) aus den nachträglich vorgelegten Unterlagen ersichtlich war, "dass es sich tatsächlich um eine Großreparatur und nicht um normale Instandhaltungskosten handelte", kann das Bundesfinanzgericht im Hinblick auf die bereits mit Schreiben vom offengelegten Umstände betreffend Art, Anlass, Umfang und Kosten der offengelegten Maßnahmen daher nicht zustimmen.

Betrachtet man die gegenständlichen Maßnahmen ihrer Art nach, dann erweisen sie sich klar als Großreparatur. In der Literatur werden als Beispiele für solche Großreparaturen der Austausch von Fenstern, Türen, des Daches, der Heizungsanlage und Trockenlegungsaufwand angeführt (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, § 12 Rz 318). Die umfassende Sanierung von Gebäudefundamenten übertrifft hinsichtlich Umfang und Wesensart die genannten Maßnahmen noch deutlich. Dies verdeutlicht somit deren Charakter als Großreparatur iSd § 12 Abs. 10 UStG und schließt von vornherein eine Beurteilung als "normale Instandhaltung" aus.

Der Entscheidung , lag die "umfassende Sanierung von Aufzugsanlagen" im Jahr 2005 mit einem Gesamtaufwand von etwa 600.000,00 Euro zu Grunde. Dieses Ausmaß übertrifft die beschwerdegegenständliche "einmalige umfangreiche Sanierung zur Stützung des Fundaments" wertmäßig um mehr als das Sechsfache und wohl auch von der Wesensart her, da es sich im Wortsinn um eine "grundlegende" Sanierung handelt.

Und schon aus dem exorbitanten betraglichen Umfang der Aufwendungen, nämlich den Kosten in Höhe von 3.937.629,57 Euro, folgt, dass sich von den strittigen Aufwendungen - im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - ganz eindeutig sagen lässt, dass sie "ins Gewicht fallen".

Dies ergibt sich auch aus , wo ausgeführt wird, dass der Tatbestand der Großreparatur iSd § 12 Abs. 10 UStG 1994 der ungerechtfertigten Inanspruchnahme des Vorsteuerabzuges "in umfassenderer Weise" entgegenwirken sollte, wobei über unter dem Gesichtspunkt eines "ins Gewicht fallenden" Aufwandes auf dessen Höhe Bezug genommen werde. In der Entscheidung wurde überdies klargestellt, dass es auf das Verhältnis des Anschaffungspreises einer Liegenschaft zu den Kosten einer Reparatur nicht ankommt (vgl. Mayr, SWK 9/2017, 519).

Aufwendungen von fast vier Millionen Euro sind jedenfalls ein "ins Gewicht fallender" Betrag. Mögen sich bei der Abgrenzung dieses Parameters in manchen Fällen auch Zweifelsfragen nach der relevanten betraglichen Schwelle hinsichtlich der Annahme einer Großreparatur iSd § 12 Abs. 10 UStG 1994 ergeben können, im Beschwerdefall bleibt dafür kein Raum.

Somit ist vom Bundesfinanzgericht festzustellen, dass die Tatbestandselemente eines nicht vollständig verbrauchten Aufwandes, der nicht "regelmäßig" erwächst und von dem sich sagen lässt, dass er "ins Gewicht fällt" hinsichtlich der Sanierungsmaßnahmen an der Liegenschaft ***7*** erfüllt sind. Ebenso lässt sich feststellen, dass die Erfüllung dieser Tatbestandselemente der belangten Behörde bereits im Schreiben vom sachverhaltsmäßig offengelegt worden war.

Der Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin, die es als weitere Voraussetzung für das Vorliegen einer Großreparatur iSd § 12 Abs. 10 UStG für erforderlich erachtet, dass es sich bei den zu beurteilenden Maßnahmen um einen wiederkehrenden Aufwand handeln müsse, kann das Bundesfinanzgericht nicht folgen. Hier genügt ein Verweis auf die Definition der Großreparatur in .

Im Wiederaufnahmebescheid vom hat die belangte Behörde ausgeführt, dass ihr bei Erlassung des Umsatzsteuerbescheides 2015 vom nur bekannt gewesen wäre, dass vor der Veräußerung bei der Liegenschaft in ***7*** "eine einmalige, umfangreiche Sanierung zur Stützung des Fundaments vorgenommen wurde, da das Fundament nicht sachgerecht errichtet wurde". Wie oben dargestellt genügten diese Informationen in Verbindung mit den übrigen offengelegten Umständen aber bereits, um von einer Vorsteuerberichtigung iSd § 12 Abs. 10 UStG 1994 auszugehen.

Im Wiederaufnahmebescheid heißt es weiter, erst durch zwei Vorhalteverfahren wären der Abgabenbehörde nachträglich Umstände für die Beurteilung des zugrundeliegenden Sachverhalts zugänglich gemacht worden. Dies betreffe insbesondere den Zustand des Mauerwerks der Liegenschaft (Prüfbericht der Betondruckfestigkeit des Schüttbetonmauerwerks übermittelt mit Vorhaltsbeantwortung vom ) und Art und Umfang der notwendigen Sanierungsmaßnahmen (Schreiben des Architekten übermittelt mit Vorhaltsbeantwortung vom und ). Wie oben dargestellt, waren nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts aber bereits die offengelegten Umstände ausreichend, um von einer Vorsteuerberichtigung auszugehen. In welcher Weise die von der belangten Behörde angeführten Umstände zu einer anderen Einschätzung führen würden, ist auch nicht ersichtlich.

Dasselbe gilt für den Hinweis der belangten Behörde, dem Prüfbericht sei zu entnehmen gewesen, dass das Mauerwerk teilweise so minderwertig gewesen sei, dass Proben bei der Entnahme sofort zerfielen. Die restlichen Proben hätten nur geringe Druckfestigkeiten gezeigt. "Daher waren die Arbeiten nach Dringlichkeitsstufen entsprechend den Risikoklassen 1-3 (1 höchster Risikofaktor mit unverzüglicher Sanierung, da Gefahr in Verzug)." Diese Umstände waren bereits Gegenstand der Offenlegung vom , wo eine "einmalige, umfangreiche Sanierung zur Stützung des Fundaments" bekanntgegeben wurde, die erfolgte, weil "das Fundament nicht sachgerecht errichtet wurde".

Laut dem Schreiben des Architekten vom wären bei einem Großteil der Anlage bei allen Stiegen beim seinerzeitigen Bau keine Fundamente errichtet worden. "Diese wurden erst bei den Sanierungsmaßnahmen erstmals gesetzt. …". Auch dieser Umstand ist nach Auffassung des Bundesfinanzgerichts nicht geeignet, hinsichtlich der Vorsteuerberichtigung zu einem anderslautenden Bescheidspruch zu führen.

Im Rahmen des Erörterungstermins hat die belangte Behörde auf Nachfrage, welche für die Beurteilung der gegenständlichen Sanierungsmaßnahmen als Großreparatur fehlenden Tatbestandselemente des § 12 Abs. 10 UStG 1994 durch im Rahmen des Vorhalteverfahrens gewonnenen neu Sachverhaltsinformationen geklärt wurden, unter anderem angegeben, erst aus dem Prüfbericht Kenntnis hätte man Kenntnis davon erlangt, dass die Druckfestigkeit des Betons nicht ausreichend gewesen wäre, sowie dass die Fundamente teilweise entgegen der Planung gefehlt hätten, woraus ersichtlich geworden wäre, dass das Gebäude im großen Umfang reparaturbedürftig gewesen sei, weil es sonst einstürzen würde. Dazu ist seitens des Bundesfinanzgerichts auf die obigen Ausführungen zu verweisen, wonach das Vorliegen der Voraussetzungen einer Großreparatur bereits aus der Offenlegung ersichtlich war ("einmalige, umfangreiche Sanierung zur Stützung des Fundaments", weil "das Fundament nicht sachgerecht errichtet wurde", "Bedenken hinsichtlich des Kellermauerwerks", "Sanierung der einzelnen Keller").

Technische Daten zur Betondruckfestigkeit waren daher nicht geeignet, eine andere Beurteilung zu begründen. Auch die nähere Kenntnis der Schätzkosten war keine maßgebliche neue Tatsache, da der belangten Behörde ohnehin bereits die tatsächlichen Kosten offengelegt worden waren, welche von ihr dann auch dem Bescheid zu Grunde gelegt wurden.

Zur Frage, was an Art und Umfang der beschwerdegegenständlichen Maßnahmen nach Erhalt der Offenlegung, insbesondere im Hinblick auf den Umstand, dass Aufwendungen von 3.937.629,57 Euro angefallen waren, betreffend den Tatbestand des § 12 Abs. 10 UStG noch unklar gewesen wäre, hat die belangte Behörde beim Erörterungstermin angegeben, dies möge zwar ein hoher Betrag sein, es handle sich aber um einen Gebäudekomplex und man müsse das Ganze in Relation zum gemeinen Wert der gesamten Liegenschaft setzen.

Hierzu ist seitens des Bundesfinanzgericht darauf hinzuweisen, dass , das Vorliegen einer Großreparatur an einen Aufwand knüpft "von dem sich sagen lässt, er falle ins Gewicht." Wie bereits ausgeführt, trifft dies auf einen Aufwand von ca. vier Millionen Euro aber jedenfalls zu. Aus der zitierten Entscheidung ergibt sich im Übrigen auch, dass es auf das Verhältnis des Anschaffungspreises einer Liegenschaft zu den Kosten einer Großreparatur nicht ankommt (Mayr, SWK 9/2017, 519). Noch weniger findet sich in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Hinweis darauf, dass auf das Verhältnis des zu beurteilenden Aufwands zum gemeinen Wert des Berichtigungsgegenstandes abzustellen wäre.

Mit dem Tatbestand der Großreparatur iSd § 12 Abs. 10 UStG 1994 sollte der ungerechtfertigten Inanspruchnahme des Vorsteuerabzuges "in umfassenderer Weise" entgegenwirkt werden "wobei über die Bedeutung des Wortteils "Groß" hinaus die Zusammenfassung mit nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten sowie aktivierungspflichtigen Aufwendungen unter dem Gesichtspunkt eines "ins Gewicht fallenden" Aufwandes auf dessen Höhe Bezug nahm" (). Auch im Hinblick auf diese gesetzgeberische Zielsetzung können die beschwerdegegenständlichen die Gebäudestruktur betreffenden umfassenden Sanierungsmaßnahmen sowohl ihrer Art als auch ihrer Höhe nach nur als "groß" und "ins Gewicht fallend" beurteilt werden.

Somit erfüllen die in Rede stehenden Sanierungsmaßnahmen an der Liegenschaft ***7*** den Berichtigungstatbestand des § 12 Abs. 10 UStG. Allerdings waren der belangten Behörde zum Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides bereits alle Sachverhaltsumstände, um zu dieser rechtlichen Beurteilung zu gelangen, bekannt.

3.1.3. Wiederaufnahme

Gemäß § 303 Abs 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Bei einem verfahrensrechtlichen Bescheid wie dem der amtswegigen Wiederaufnahme des Abgabenverfahrens wird die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde ().

In seiner Entscheidung vom , Ra 2014/15/0058, hat der VwGH dazu erläutert, dass bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen die Sache, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs. 1 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen, also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat, ist, also ob das Verfahren aus den vom Finanzamt gebrauchten Gründen wieder aufgenommen werden durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen wäre.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln nur aus der Sicht der jeweiligen Verfahren derart zu beurteilen, dass es darauf ankommt, ob der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können ().

Das "Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln" bezieht sich damit auf den Wissensstand (insbesondere auf Grund der Abgabenerklärungen und der Beilagen) des jeweiligen Veranlagungsjahres, wobei entscheidend ist, ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente bekannt waren ().

Abgabenfestsetzende Stelle ist das zuständige Betriebsveranlagungsteam und nicht - zB - das Infocenter oder die "Scanningstraße" ().

Feststellungen über den Wissensstand der abgabenfestsetzenden Stelle im Zeitpunkt der Erlassung der wiederaufzunehmenden Umsatzsteuerbescheide zu treffen, ist Aufgabe des Bundesfinanzgerichts (vgl. , mHa ; , 2007/15/0062, mwN).

Zweck der Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO ist die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen, also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (, mHa , sowie )

Für den Beschwerdefall ist somit auf den Wissenstand der belangten Behörde, genauer des zuständigen Betriebsveranlagungsteams, zum abzustellen.

Zu diesem Zeitpunkt verfügte das zuständige Betriebsveranlagungsteam bereits über die Offenlegung vom sowie die Informationen aus dem Telefonat vom . Wie oben dargestellt, wurden der abgabenfestsetzenden Stelle mit der Offenlegung vom alle für die Sachverhaltselemente bekannt, die notwendig waren, um bei richtiger rechtlicher Würdigung von einer Vorsteuerberichtigung iSd § 12 Abs. 10 UStG hinsichtlich der Sanierungsmaßnahmen an der Liegenschaft ***7*** auszugehen.

Nach Erlassung des Erstbescheides Umsatzsteuer 2015 am sind der belangten Behörde keine neuen Tatsachen oder Beweismittel bekannt geworden, die hinsichtlich der Vorsteuerberichtigung ***7*** zu einem anderen Bescheidspruch geführt hätten. Auch die nach Erlassung des Erstbescheides Umsatzsteuer 2015 vorgelegten Beweismittel haben weder allein noch in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens hinsichtlich der Vorsteuerberichtigung betreffend die Liegenschaft ***7*** einen im Spruch anderslautender Bescheid herbeigeführt.

Ob ein bestimmter Sachverhalt den Wiederaufnahmetatbestand der neu hervorgekommenen Tatsachen iSd § 303 Abs. 1 lit. b BAO erfüllt, stellt keine Ermessensentscheidung dar und hängt nicht davon ab, ob ein behördliches Verschulden an der früheren Unkenntnis über maßgebliche Tatsachen gegeben ist (vgl. , mwN).

Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse (neuen Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - sind dagegen keine Tatsachen (vgl. ).

Somit lassen sich die nachteiligen Folgen einer früheren unzutreffenden Würdigung oder Wertung des offen gelegt gewesenen Sachverhaltes oder einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung - gleichgültig durch welche Umstände veranlasst - bei unveränderter Tatsachenlage nicht nachträglich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigen und eine Wiederaufnahme ist daher dann ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufzunehmenden Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können (vgl. ).

Im Wiederaufnahmebescheid vom begründete die belangte Behörde ihre Ermessensübung mit einem Überwiegen des Interesses an der Rechtsrichtigkeit gegenüber jenem der Rechtsbeständigkeit und dem Vorliegen nicht bloß geringfügiger steuerlicher Auswirkungen. In der gesonderten Begründung zum Wiederaufnahmebescheid wiederholte die belangte Behörde im Wesentlichen diese Argumentation und ergänzte: "Ein Unterbleiben der Wiederaufnahme wegen Geringfügigkeit wäre im Hinblick auf die Verwaltungsökonomie zweckmäßig. Die steuerliche Auswirkung im gegenständlichen Fall ist imHinblick darauf, dass die getroffene Feststellung eine Umsatzsteuernachforderung iHv. über €600.000,- sich ergibt, jedenfalls nicht als geringfügig zu qualifizieren."

Soweit in der Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid vom ausgeführt wird, die belangte Behörde hätte ihre Ermessensübung nicht begründet, ist dies somit unzutreffend.

Unter anderem rügte die Beschwerdeführerin, dass von der belangten Behörde nicht begründet würde "aus welchen Gründen die Wiederaufnahme des Verfahrens erst 5 Jahre nach Übermittlung dieser Unterlagen erfolgte und damit nicht dem Tatbestand der Unbilligkeit entspricht."

Bei einer amtswegigen Wiederaufnahme handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, deren Rechtmäßigkeit auch im Lichte des § 20 BAO zu beurteilen ist, sodass zwischen der Rechtsfrage, ob der Tatbestand zur Wiederaufnahme des Verfahrens gegeben ist, und der Frage der Durchführung der Wiederaufnahme, die im Ermessen der Behörde liegt, zu unterscheiden und erst nach Klärung der Rechtsfrage, dass ein Wiederaufnahmsgrund tatsächlich gegeben ist, in Ausübung des Ermessens zu entscheiden ist, ob eine Wiederaufnahme tatsächlich erfolgen soll (vgl. ).

Bei der Ermessensübung ist grundsätzlich dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (also der Gleichmäßigkeit der Besteuerung) Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit (Rechtskraft) zu geben (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 303, Rz 67, mHa ; ; ). Darauf und auf den Umstand, dass die Auswirkungen der - aus ihrer Sicht - neu hervorgekommenen Tatsachen nicht nur geringfügig wären, hat sich die belangte Behörde, unter Verweis auf die Höhe der Vorsteuerberichtigung, bei der Ermessensübung gestützt.

Im Beschwerdefall ist nur die Bemessungsgrundlage der unecht steuerbefreiten Umsätzen iSd § 6 Abs. 1 Z 9 lit. UStG 1994 nach der Erlassung des Erstbescheides neu hervorgekommen. Nur die betragliche Höhe dieser Bemessungsgrundlagen beruht auf Tatsachen, die der belangten Behörde erst nach Bescheiderlassung am bekannt geworden sind.

Hinsichtlich der Nichterklärung der Höhe der unecht steuerfreien Umsätze aus Grundstücksveräußerungen durch die Beschwerdeführerin in der Umsatzsteuererklärung 2015 verwies die belangte Behörde darauf, dass Abgabenbescheide gemäß § 198 Abs. 2 BAO im Spruch Art und Höhe der Abgaben, Zeitpunkt der Fälligkeit und die Bemessungsgrundlagen zu enthalten hätten: "Angemerkt wird, dass erst im Jahr 2021 bei einer Überprüfung die Höhe der Grundstücksumsätze der vier Liegenschaften (€ 9.213.150,-) der Abgabenbehörde bekannt geworden ist. Diese Grundstücksumsätze wurden bisher weder in der Umsatzsteuererklärung 2015 angegeben, noch im Umsatzsteuerbescheid 2015 berücksichtigt. Der Spruch des Umsatzsteuerbescheides 2015 ist unrichtig, da die steuerbaren Umsätze nicht wie in der Umsatzsteuererklärung angegeben, € 2.629.939,66, sondern € 11.843.089,66 betragen. Die entsprechende Steuerbefreiung wurde berücksichtigt."

Aus dem Wiederaufnahmebescheid ist ersichtlich, dass die betragsmäßige Aufnahme der unecht steuerfreien in den Umsatzsteuerbescheid einen anderen Punkt bzw eine andere Bescheidänderung als die Vorsteuerberichtigung betreffen ("Angemerkt wird, dass …").

Bei der Erhebung und nachträglichen Aufnahme der Bemessungsgrundlagen der unecht steuerfreien Umsätze handelt es sich um neue Tatsachen, die der belangten Behörde bei Erlassung des Erstbescheides nicht bekannt waren. Dass die in der Offenlegung vom angeführten Liegenschaften, also auch die Liegenschaft ***7*** unecht steuerfrei verkauft worden waren, war der belangten Behörde aber bereits auf Grund der erwähnten Offenlegung vom 16.3.20216, somit aber vor Erlassung des Erstbescheides bekannt und diesbezüglich hat die belangte Behörde auch nicht behauptet, dies erst nach Bescheiderlassung erfahren zu haben. Im Erstbescheid finden sich im Übrigen auch die Vorsteuerberichtigungen hinsichtlich der übrigen unecht steuerfrei verkauften Liegenschaften der Beschwerdeführerin ohne Angabe der Höhe unecht steuerfreie Umsätze aus den Verkäufen dieser Liegenschaften.

Neuen Tatsachen lagen für die belangte Behörde somit lediglich in Gestalt der Höhe der Bemessungsgrundlagen für die Grundstücksveräußerungen vor. Dies führte zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid.

Aber Wiederaufnahmen werden idR dann nicht zu verfügen bzw zu bewilligen sein, wenn die steuerlichen Auswirkungen bloß geringfügig sind, wobei die Geringfügigkeit anhand der steuerlichen Auswirkungen der konkreten Wiederaufnahmsgründe und nicht auf Grund der steuerlichen Gesamtauswirkungen zu beurteilen sind, die infolge Änderungen auf Grund anderer rechtlicher Beurteilungen im Sachbescheid vorzunehmen wären (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 303, Rz 71, ua mHa ; ; ). Ebenso heißt es zB in : "Eine derartige Interessensabwägung verbietet bei Geringfügigkeit der neu hervorgekommenen Tatsachen in der Regel den Gebrauch der Wiederaufnahmemöglichkeit."

Im Beschwerdefall ergibt sich, da es sich bei den nunmehr in den Bescheidspruch aufgenommenen Bemessungsgrundlagen um solche für unecht steuerfreie Umsätze handelt, auf Grund der neu hervorgekommenen Tatsachen jedoch noch nicht einmal eine geringfügige, sondern gar keine steuerliche Auswirkung. Auch besondere Gründe, warum von der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abzuweichen wäre, liegen nicht vor.

Daraus folgt, dass im vorliegenden Fall auf Grund des offensichtlichen Missverhältnisses zwischen den steuerlichen Auswirkungen des einzigen - tatsächlich auf neuen Tatsachen beruhenden - Wiederaufnahmegrundes (nämlich keinen) zu den Auswirkungen, die auf Grund anderer rechtlicher Beurteilungen im Sachbescheid vorzunehmen wären (ca. 648.162,63 Euro), in Entsprechung der dargestellten Judikatur der Rechtsbeständigkeit, und somit Billigkeit, der Vorzug gegenüber der Zweckmäßigkeit zu geben ist.

Dies umsomehr als zB in , klar zum Ausdruck gebracht wird, dass die Ermessensmaßnahme nicht nur die Beseitigung der Rechtskraft, sondern auch den Umstand rechtfertigen muss, dass der formale Grund des neuen Bescheides (Wiederaufnahmsgrund) zum Ergebnis der neuen Sachentscheidung außer Verhältnis steht.

Im vorliegenden Fall sind Gründe, die dieses - hier eklatante - Missverhältnis rechtfertigen würden, nicht gegeben. Ganz im Gegenteil erfolgte gerade im Beschwerdefall bereits vor Veranlagung eine Offenlegung des Sachverhaltes durch die Beschwerdeführerin mit dem Schreiben vom , in welchem die maßgeblichen Sachverhaltselemente hinsichtlich einer Vorsteuerberichtigung iSd § 12 Abs. 10 UStG betreffend die Liegenschaft ***7*** mitgeteilt und die sich daraus ergebenden - möglichen - rechtlichen Folgen erörtert wurden.

Ebenfalls vor Bescheiderlassung, nämlich am wurde die von der Beschwerdeführerin aufgezeigte steuerliche Frage mit der Behörde in einem ausführlichen Telefongespräch erörtert. Dies sind Umstände, die also umsomehr bei Übung des Ermessens den Ausschlag zugunsten der Billigkeit gegenüber der Zweckmäßigkeit geben müssen. Denn man muss sich vor Augen halten, dass im Beschwerdefall der Abgabenbehörde bereits drei Monate vor Bescheiderlassung nicht nur der Sachverhalt offengelegt, sondern sie auch ganz konkret auf die damit verbundene steuerliche Problematik verwiesen und diese ein weiteres Mal in einem umfangreichen - ebenfalls vor Bescheiderlassung stattgefundenen - Telefongespräch erörtert wurde.

Schon aus diesen Gründen ist im Beschwerdefall bei der Ermessensübung durch das Bundesfinanzgericht der Rechtsbeständigkeit und Billigkeit gegenüber der Zweckmäßigkeit der Vorrang zu geben.

Betrachtet man die Chronologie des Verfahrens, so ist ersichtlich, dass nach dem die Beschwerdeführerin mit E-Mail vom das Ergänzungsersuchen vom beantwortet hatte, die belangte Behörde erst nach einer "Pause" von über fünf Jahren, konkret im letzten Monat des letzten Jahres der Verjährungsfrist, eine Wiederaufnahme verfügte. Für die Frage der Wiederaufnahme von Amts wegen ist es grundsätzlich unmaßgeblich, wann die Abgabenhörde diese - innerhalb der Verjährungsfrist - verfügt. Dass die Beschwerdeführerin nach Offenlegung, umfangreicher Erörterung und Erstattung mehrerer Urkundenvorlagen davon ausging, dass die Thematik der Vorsteuerberichtigung hinsichtlich der Liegenschaft ***7*** abgeschlossen war, ist aber verständlich und nachvollziehbar.

Damit konnte diese lange Zeitspanne - in Zusammenhang mit den besonderen im Beschwerdefall vorliegenden Umständen (Offenlegung, Besprechung, Ergänzungsersuchen) - zwischen der Beantwortung der Fragen der Abgabenbehörde und der Bescheiderlassung nicht den berechtigten Interessen der Partei entsprechen. Im vorliegenden Fall ist dies nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts ein weiterer bei der Gesamtwürdigung der Sache bei der Ermessensübung zu Gunsten des Vorrangs der Rechtsbeständigkeit zu berücksichtigender Umstand.

Somit war bei Gesamtbetrachtung der Umstände des Beschwerdefalles der Billigkeit gegenüber der Zweckmäßigkeit der Vorrang einzuräumen und der Bescheid über die Wiederaufnahme der Verfahrens Umsatzsteuer 2015 aufzuheben.

Dies hat zur Folge, dass der angefochtene neue Sachbescheid aus dem Rechtsbestand ausscheidet und die dagegen erhobene Beschwerde als gegenstandslos zu erklären war.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall ergibt sich die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts aus der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung sowie einer im Einzelfall zu treffenden Ermessensentscheidung, sodass es an einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung fehlt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 12 Abs. 10 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100262.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at