Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.07.2024, RV/6100332/2021

Anteilsvereinigung und Stiftungseingangssteueräquivalent gemäß § 7 Abs 2 GrEStG 1987

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/6100332/2021-RS1
Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die grundsätzliche Zulässigkeit der Analogie auch im öffentlichen Recht wiederholt anerkannt. Voraussetzung hiefür ist das Bestehen einer echten (also planwidrigen) Rechtslücke. Sie ist dort anzunehmen, wo das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, unvollständig, also ergänzungsbedürftig, ist, und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (vgl zB ). Eine durch Analogie zu schließende Lücke kommt nur dann in Betracht, wenn das Gesetz in eine Regelung einen Sachverhalt nicht einbezieht, auf welchen - unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes und gemessen an den mit der Regelung verfolgten Absichten des Gesetzgebers - ebendieselben Wertungsgesichtspunkte zutreffen wie auf die im Gesetz geregelten Fälle und auf den daher - schon zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung - auch dieselben Rechtsfolgen angewendet werden müssen (vgl ).
RV/6100332/2021-RS2
Da das Stiftungseingangssteueräquivalent die wegfallende Stiftungseingangssteuer für unentgeltliche Grundstückszuwendungen substituieren sollte, ist eine doppelte Besteuerung mit dem Zweck der Norm unvereinbar. Sinn und Zweck des Gesetzes kann nur darin liegen, dass bei einer Anteilsvereinigung iVm einem der Stiftungseingangssteuer unterliegenden Sachverhalt nicht auch das Stiftungseingangssteueräquivalent anzuwenden ist.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Dr. Natalie Brennsteiner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch KPMG Treuhand - Salzburg GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Kleßheimer Allee 47, 5020 Salzburg, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Grunderwerbsteuer hinsichtlich die Nachstiftungsvereinbarung vom , ErfNr ***1*** zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Grunderwerbsteuer für oben angeführten Rechtsvorgang wird gem § 7 Abs. 1 Z 2 lit c GrEStG 1987 in Höhe von 7.459,43 Euro festgesetzt.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Nachstiftungsvereinbarung vom wurden sämtliche Gesellschaftsanteile der ***H*** GmbH auf die ***Bf1*** übertragen.

Mit Schreiben vom wurde die Nachstiftungsvereinbarung an das Finanzamt Österreich (Dienststelle Sonderzuständigkeiten) zur Anzeige gebracht. Dabei wurde die Grunderwerbsteuer iHv 7.459,43 Euro errechnet (0,5% des errechneten Grundstückwertes iHv 1.491.885,17 Euro gem § 7 Abs 1 Z 2 lit c GrEStG 1987).

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Grunderwerbsteuer betreffend die Nachstiftungsvereinbarung vom mit der ***H*** GmbH iHv 79.763,11 Euro fest. Die Berechnung erfolgte anhand des Stufentarifs gem § 7 Abs 1 Z 3 lit a GrEStG 1987. Zusätzlich wurde gem § 7 Abs 2 GrEStG 1987 das Stiftungseingangssteueräquivalent iHv 37.297,13 Euro festgesetzt.

Mit Schreiben vom wurde gegen den Bescheid nach Verlängerung der Beschwerdefrist fristgerecht Beschwerde erhoben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde insoweit Folge gegeben, dass die Grunderwerbsteuer iHv 44.756,56 Euro festgesetzt wurde.

Begründend wurde ausgeführt, dass bei Übertragung von 100% einer grundstücksbesitzenden Kapitalgesellschaft der Steuertatbestand nach § 1 Abs 3 Z 2 GrEStG 1987 erfüllt werde und hierbei die Steuer nach § 7 Abs 1 GrEStG 1987 zu berechnen sei, weshalb die Festsetzung des Erhöhungsbetrages (Stifungseingangssteueräquivalent) nach § 7 Abs 2 GrEStG 1987 den gesetzlichen Bestimmungen entspräche.

Dagegen wurde mit Schreiben vom ein Vorlageantrag eingebracht.

Der Akt wurde von der belangten Behörde am dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

Mit Schreiben vom zog die beschwerdeführende Partei den Antrag auf mündliche Verhandlung sowie Entscheidung durch den gesamten Senat zurück.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Mit Nachstiftungsvereinbarung vom wurden 100% der Anteile der ***H*** GmbH (FN ***123***) an die ***Bf1*** übertragen.

Im Vermögen der ***H*** GmbH befindet sich die Liegenschaft ***GB***.

Die Berechnung des Grundstückswertes gem § 4 Abs 1 GrEStG erfolgte auf Grundlage des Pauschalwertmodells gemäß § 2 Grundstückswertverordnung.

Der Grundstückswert für die Liegenschaft, bei der es sich um ein Betriebsgrundstück im Ausmaß von 1.041 m² handelt, beträgt 1.491.885,17 Euro

2. Beweiswürdigung

Die obigen unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig und können somit gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

1. Anteilsvereinigung

Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt gem § 1 Abs 3 Z 2 GrEStG 1987 der Steuer die Vereinigung von mindestens 95% aller Anteile am Gesellschaftsvermögen oder der Gesellschaft, wenn kein schuldrechtliches Geschäft iSd Z 1 dieser Bestimmung vorausgegangen ist.

Mit Nachstiftungsvereinbarung vom wurden 100% der Anteile an der ***H*** GmbH an die ***Bf1*** übertragen. Im Vermögen der ***H*** GmbH befindet sich eine Liegenschaft.

Aufgrund dieser Nachstiftung kam es zu einer Anteilsvereinigung aller Anteile. Es liegt somit ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang gem § 1 Abs 3 Z 2 GrEStG 1987 vor.

Gem § 4 GrEStG 1987 ist die Steuer bei Vorgängen gem § 1 Abs 3 GrEStG 1987 immer vom Grundstückswert zu berechnen. Die Berechnung des Grundstückswerts erfolgte auf Grundlage des Pauschalwertmodells gem § 2 Grundstückswertverordnung und wurde iHv 1.491.885,17 Euro ermittelt.

Gem § 7 Abs 1 Z 2 lit c GrEStG 1987 beträgt die Steuer bei Vorgängen gem § 1 Abs 3 GrEStG 1987 0,5%.

Demnach beträgt die Grunderwerbsteuer 7.459,43 Euro.

2. Stiftungseingangssteueräquivalent

Fällt bei unentgeltlichen oder teilentgeltlichen Erwerben durch eine privatrechtliche Stiftung oder durch eine damit vergleichbare Vermögensmasse eine Steuer gemäß § 7 Abs 1 GrEStG 1987 an, erhöht sich nach dem Gesetzeswortlaut gem § 7 Abs 2 GrEStG 1987 diese Steuer um 2,5% des Unterschiedsbetrages zwischen dem Grundstückswert und einer allfälligen Gegenleistung (Stiftungseingangssteueräquivalent).

Die unentgeltliche Zuwendung von Grundstücken iSd § 2 GrEStG 1987 an privatrechtliche Stiftungen oder damit vergleichbare Vermögensmassen ist grds sowohl nach StiftEG als auch nach GrEStG steuerbar. § 3 Abs 1 Z 8 GrEStG idF SchenkMG 2008 nahm diese Rechtsvorgänge insoweit von der Grunderwerbsteuer aus, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Außerdem sollte durch die Konzentration der Besteuerung von Grundstücksumsätzen vermieden werden, dass es bei der Bemessung von Grunderwerbsteuer und Stiftungseingangssteuer zu einem Auseinanderfallen der zugrunde gelegten Wertansätze kommen kann (ErlRV 549 BlgNR XXIII. GP, zu Art 4, zu Z 2 und 10, zu § 3 Abs 1 Z 8). Diese bei der Grunderwerbsteuer eintretende Ausnahme von der Besteuerung wurde wirtschaftlich dadurch hinfällig, dass sich die nach § 2 Abs 1 StiftEG ergebende Steuer bei Zuwendungen inländischer Grundstücke iSd § 2 GrEStG um 3,5 vH des Wertes der durch die Zuwendung erworbenen Grundstücke gem § 2 Abs 2 StiftEG iDF vor BudgetbegleitG 2012 erhöhte (vgl N Arnold in Arnold/Bodis, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz 1987, zu § 7 GrEStG Rz 45).

Der VfGH stufte mit Erkenntnis vom , G 150/10 die grundstücksbezogenen Bewertungsvorschriften des Stiftungseingangssteuergesetzes als verfassungswidrig ein.

Da Grundstücksübertragungen an Stiftungen jedenfalls weiter besteuert werden sollten, erfasste der Gesetzgeber diese Zuwendungen zur Gänze im Grunderwerbsteuergesetz, womit die bisherige Befreiung für Vorgänge, die unter das Stiftungseingangssteuergesetz gefallen sind, entfallen konnten.

Als Ausgleich für den Entfall der Stiftungseingangssteuer wurde das Stiftungseingangssteueräquivalent in § 7 Abs 2 GrEStG 1987 gesetzmäßig verankert. Umgekehrt wurde in § 1 Abs 6 Z 5 StiftEG die Zuwendung von Grundstücken iSd § 2 GrEStG 1987 ausdrücklich von der Stiftungseingangssteuer befreit (vgl N Arnold in Arnold/Bodis, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz 1987, zu § 7 GrEStG Rz 46).

Der erhöhte Steuersatz sollte immer dann zur Anwendung kommen, wenn ein Grundstückserwerb durch die Stiftung unentgeltlich (dh ohne Gegenleistung) erfolgte oder wenn die Gegenleistung geringer ist als der halbe gemeine Wert des erworbenen Grundstücks. Diese Einschränkung wurde damit begründet, dass das Stiftungseingangssteuergesetz nur unentgeltliche Zuwendungen erfasste, womit (zukünftig) auch im Grunderwerbsteuergesetz nur jene Zuwendungen dem erhöhten Steuersatz unterliegen sollten, die nach der Systematik des Stiftungseingangssteuergesetzes unentgeltliche Zuwendungen darstellten.

Unklar ist die Anwendbarkeit des § 7 Abs 2 GrEStG 1987, nämlich die Erhöhung um das Stiftungseingangssteueräquivalent, bei Anteilsvereinigungen, da gem § 1 StiftEG unentgeltliche Zuwendungen an eine privatrechtliche Stiftung oder an damit vergleichbaren Vermögensmassen der Stiftungseingangssteuer unterliegen und die Befreiungsbestimmung des § 1 Abs 6 Z 5 StiftEG, bei der Zuwendungen von Grundstücken iSd § 2 GrEStG 1987 steuerfrei bleiben, lediglich direkte Zuwendungen erfassen.

Es würde daher (zusätzlich zur gem § 7 Abs 1 Z 2 lit c GrEstG 1987 festgesetzten Grunderwerbsteuer) sowohl Stiftungseingangssteuer iHv 2,5% als auch ein Stiftungssteueräquivalent iHv 2,5% anfallen.

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die grundsätzliche Zulässigkeit der Analogie auch im öffentlichen Recht wiederholt anerkannt. Voraussetzung hiefür ist das Bestehen einer echten (also planwidrigen) Rechtslücke. Sie ist dort anzunehmen, wo das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, unvollständig, also ergänzungsbedürftig, ist, und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (vgl zB ).

Eine durch Analogie zu schließende Lücke kommt nur dann in Betracht, wenn das Gesetz in eine Regelung einen Sachverhalt nicht einbezieht, auf welchen - unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes und gemessen an den mit der Regelung verfolgten Absichten des Gesetzgebers - ebendieselben Wertungsgesichtspunkte zutreffen wie auf die im Gesetz geregelten Fälle und auf den daher - schon zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung - auch dieselben Rechtsfolgen angewendet werden müssen (vgl ).

Nach Ansicht des BFG ist die kumulierte Besteuerung von Stiftungseingangssteuer und Stiftungseingangssteueräquivalent systemwidrig. § 7 Abs 2 GrEStG 1987 ist teleologisch zu reduzieren und das Gesetz nach seinem Sinn und Zweck auszulegen.

Da das Stiftungseingangssteueräquivalent die wegfallende Stiftungseingangssteuer für unentgeltliche Grundstückszuwendungen substituieren sollte, ist eine doppelte Besteuerung mit dem Zweck der Norm unvereinbar (vgl dazu N Arnold in Arnold/Bodis, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz 1987, zu § 7 GrEStG Rz 48a). Sinn und Zweck des Gesetzes kann nur darin liegen, dass bei einer Anteilsvereinigung iVm einem der Stiftungseingangssteuer unterliegenden Sachverhalt nicht auch das Stiftungseingangssteueräquivalent anzuwenden ist (vgl dazu auch Pinetz/Plansky in Pinetz/Schragl/Siller/Stefaner, GrEStG (2017), § 7, Rz 58).

Die Grunderwerbsteuer wird demzufolge gem§ 7 Abs 1 Z 2 lit c GrEStG 1987 mit 0,5% vom Wert des Grundstückes in Höhe von 1.491.885,17 Euro in Höhe von 7.459,43 Euro festgesetzt.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da bisher keine Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des Stiftungssteueräquivalents bei einer Anteilsvereinigung iVm einem der Stiftungseingangssteuer unterliegenden Sachverhalt vorliegt, ist eine Revision zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.6100332.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at