Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.08.2024, RV/7101312/2021

Unterbrechung der Verjährung durch Amtshandlungen gemäß § 209 Abs. 1 erster und zweiter Satz BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK


Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterR in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2014 und 2015, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

***Bf1*** (Beschwerdeführerin, kurz Bf.) ist in Österreich nichtselbstständig tätig.
Sie verfügte im beschwerdegegenständlichen Zeitraum über einen Nebenwohnsitz in Österreich und war damit im Inland unbeschränkt steuerpflichtig.
Die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2014 und 2015 (Arbeitnehmerveranlagungen) ergingen zunächst erklärungsgemäß.

Auf Grundlage von AEOI-Mitteilungen (Automatischer Informationsaustausch - AEOI (Automatic Exchange of Information)) wurde der Behörde bekannt, dass die Bf. u.a. für die Jahre 2014 bzw. 2015 ausländische Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Griechenland erzielt hat, die von ihr bis dato nicht bekannt gegeben worden seien.

Das Finanzamt ersuchte die Bf. daraufhin mit Ergänzungsersuchen (betreffend ausländische Vermietungseinkünfte für das Jahr 2014) vom um Stellungnahme, Nachreichung von Einkommensteuererklärungen u.a. für die Jahre 2014 und 2015 sowie um Vorlage von detaillierten Überschussermittlungen bis .

Das Ergänzungsersuchen blieb unbeantwortet.

Das Finanzamt Österreich erließ daraufhin am im wiederaufgenommenen Verfahren Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2014 und 2015, in denen die bekannt gewordenen ausländischen Einkünfte i.H.v. jeweils € 17.700,- in die Berechnung des anzuwendenden Steuersatzes (mittels Progressionsvorbehalt) mit einbezogen wurden.

Die Bf. erhob mit Eingaben vom Beschwerden, u.a. gegen die Wiederaufnahme- und Sachbescheide der Jahre 2014 und 2015.
Zu den Wiederaufnahmebescheiden betreffend Einkommensteuer 2014 sowie 2015 erläuterte die Bf., das Recht auf Festsetzung der Einkommensteuer für diese Jahre sei gemäß § 207 Abs. 2 BAO verjährt, die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme nach Verjährung gemäß § 304 BAO würden nicht vorliegen. Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2014 und 2015 seien seit Juli 2017 und somit mehr als 3 Jahren rechtskräftig.
Zudem würden die Tatbestandsvoraussetzungen zur Wiederaufnahme nicht vorliegen, da keine neuen Tatsachen oder Beweismittel, die zu einem im Spruch anderslautenden Bescheid führen würden, hervorgekommen seien.
Die in den Jahren 2014 und 2015 erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung würden nicht wie den Bescheiden zu Grunde gelegt, (jeweils) € 17.700,- betragen, sondern sich im Jahr 2014 auf € 5.727,01 (vor Steuern) bzw. € 5.095,96 (nach Steuern) und im Jahr 2015 auf € 5.700,32 (vor Steuern) bzw. € 5.073,27 (nach Steuern) belaufen.
Beigelegt wurden der Beschwerde griechische Einkommensteuerbescheide für das die berfungsverfangenen Jahre.

Die Beschwerden wurden mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen.
Die Einkommensteuerbescheide beider bekämpften Jahre seien am erlassen worden. Die Verjährungsfrist betrage gemäß § 207 BAO 5 Jahre, sofern nicht von hinterzogenen Abgaben auszugehen sei (diesfalls Frist 10 Jahre). Die Verjährungsfrist beginne mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden sei. Gemäß § 209 Abs. 1 BAO bestehe die Möglichkeit, die Verjährungsfrist durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruchs innerhalb der Verjährungsfrist unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung um ein Jahr zu verlängern.
Die Bescheiderlassung stelle eine entsprechende Unterbrechungshandlung dar, womit sich die Verjährungsfrist um ein Jahr, d.h. für den Einkommensteuerbescheid 2014 bis und für den Einkommensteuerbescheid 2015 bis verlängert habe. Mit dem Ergänzungsersuchen vom sei eine weitere Unterbrechungshandlung durch Zustellung desselben an die Bf. gesetzt worden.
Die Verjährung für das Jahr 2014 sei daher um ein weiteres Jahr (damit bis ) verlängert worden.
Da die Wiederaufnahmebescheide am ergangen seien, liege keine Verjährung vor.
Ergänzend wurde von der Behörde festgestellt, dass bei dem vorliegenden Sachverhalt auch (alternativ) von hinterzogenen Abgaben ausgegangen werden könne, für die eine 10jährige Verjährungsfrist maßgeblich sei.
Zudem wurde dargelegt, dass die Bf. den Bezug ausländischer, der Behörde bislang unbekannter Einkünfte selbst bestätigt habe und damit die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung von Wiederaufnahmen gemäß § 303 BAO vorliegen würden.

Mit Eingabe vom beantragte die Bf. eine Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht mit Vorlagebericht vom hinsichtlich der Wiederaufnahmebescheide 2014 bzw. 2015 vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:


§ 207 Abs. 1+2 BAO lauten:
(1) Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.
(2) Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre.

Gemäß § 208 Abs. 1 BAO beginnt die Verjährung mit dem Ablauf des Jahres, in dem der den Abgabenanspruch entstanden ist.

§ 209 Abs. 1 BAO lautet:
(1) Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist. Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3 FinStrG, § 32 Abs. 2 VStG) gelten als solche Amtshandlungen.

§ 303 Abs. 1 BAO lautet:
(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Sachverhalt
Die Einkommensteuerbescheide (Arbeitnehmerveranlagungen) der Jahre 2014 bzw. 2015 ergingen am zunächst erklärungsgemäß.
Im Zuge eines internationalen Informationsaustausches ergingen AEOI-Mitteilungen an die Finanzverwaltung, wonach die Bf. u.a. in den Jahren 2014 und 2015 ausländische Einkünfte i.H.v. je € 17.700,- bezogen hat.
Diese Einkünfte waren der inländischen Finanzverwaltung bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt und wurden auch in den Abgabenerklärungen nicht angeführt.
Auf Grundlage dieser Mitteilungen erließ das Finanzamt Österreich im wiederaufgenommenen Verfahren neue Einkommensteuerbescheide, in denen diese Einkünfte bei Berechnung des Durchschnittssteuersatzes mit einbezogen wurden.
In der Beschwerde wird geltend gemacht, dass infolge Verjährung keine Neufestsetzung der Abgaben vorgenommen werden könne.
Zudem würde kein Wiederaufnahmegrund vorliegen, da die Höhe der ausländischen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung falsch ermittelt worden sei und zum Nachweis dafür griechische Einkommensteuerbescheide vorgelegt.

Verjährung
Wie das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung zutreffend ausführt, beträgt die Verjährungsfrist grundsätzlich 5 Jahre (§ 207 BAO).
Die Verjährungsfrist begann gemäß § 208 BAO für die Einkommensteuer des Jahres 2014 im Jahr 2015 und endete im Jahr 2019.
Die Verjährungsfrist verlängert sich gemäß § 209 Abs. 1 BAO um ein weiteres Jahr, wenn innerhalb der Verjährungsfrist Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruchs gesetzt werden.
Die Erlassung des (Erst-)Bescheides für 2014 am stellt eine solche Amtshandlung dar (vgl. Ritz, BAO6 § 209 Rz. 10 m.w.V.), die die Verjährungsfrist bis Ende 2020 verlängert hat.
Mit Ersuchen des Finanzamtes vom wurde eine weitere Amtshandlung i.S.d. § 209 Abs. 1 zweiter Satz BAO getätigt, die als solche voraussetzt, dass sie in jenem Jahr, in dem die nach dem ersten Satz um ein Jahr verlängerte Verjährungsfrist endet, erfolgen muss.
Die Verjährung zur Festsetzung des Einkommensteuerbescheides 2014 endete somit Ende des Jahres 2021. Der mit im wiederaufgenommenen Verfahren neu festgesetzte Einkommensteuerbescheid für 2014 erging somit innerhalb der Verjährungsfrist.
Analog dazu endete die Verjährung für die Einkommensteuer 2015 gemäß § 207 BAO im Jahr 2020. Diese Frist wurde durch die Festsetzung des Einkommensteuerbescheides am auf Ende des Jahres 2021 verschoben. Auch in diesem Fall erging, wie das Finanzamt im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung zutreffend erläutert hat, der bekämpfte Einkommensteuerbescheid 2015 innerhalb der Verjährungsfrist.

Es erübrigt sich daher auf die Alternativbegründung der Behörde, wonach ihrer Ansicht nach hinterzogene Abgaben vorliegen, die einer 10-jährigen Verjährungsfrist unterliegen, näher einzugehen.

Voraussetzung zur Wiederaufnahme des Verfahrens
Im vorliegenden Fall moniert die Bf., dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 303 BAO nicht erfüllt sind, wonach keine Tatsachen oder Beweismittel vorliegen, die einen im Spruch anderslautenden Bescheid hätten herbeiführen können.
Wenn die Bf. weiters darlegt, dass sie ausländische Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht in der bescheidmäßig festgesetzen Höhe erhalten hat, diese vielmehr ein geringeres Ausmaß hatten, so bestätigt sie den von der Abgabenbehörde angenommenen Wiederaufnahmegrund. Weshalb die, sollten sich die Angaben der Bf. als zutreffend erweisen, von ihr nunmehr eingestandenen Einkünfte zu keiner Änderung des Spruchs der (Erst-)Bescheide führen sollten, vermag sie nicht darzutun.

Das Finanzamt ist bei Erlassung der neuen Sachbescheide jedenfalls gehalten, die Angaben der Bf. hinsichtlich der Höhe ihrer ausländischen Einkünfte einer Überprüfung zu unterziehen und diese, sollten sie sich als zutreffend erweisen, entsprechend zu berücksichtigen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gegenständliche Entscheidung folgt der bisherigen Rechtsprechung des VwGH, weshalb eine ordentliche Revision als nicht zulässig zu erklären war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 207 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101312.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at