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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.07.2024, RV/1100060/2024

Arbeitnehmer-Gewinnbeteiligung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf1***, vertreten StB, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Einkommensteuer sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer reichte am die Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung (L1) für das Jahr 2022 elektronisch beim Finanzamt ein. Das Finanzamt erließ am den Einkommensteuerbescheid 2022 und setzte die Einkommensteuer für ein Einkommen von EUR 63.510,97 mit EUR 5.015,00 fest. Es berücksichtigte dabei EUR 83.919,42 an Einkünften ohne inländischen Steuerabzug. Die Begründung lautet: "Der Auslandslohnzettel wurde laut vorgelegten Unterlagen, die von der Firma ausgestellt wurden, berücksichtigt. Als Umrechnungskurs für den Schweizer Franken wurden 0,980392 zugrunde gelegt. Sie erhalten Bezüge, die nicht monatlich gewährt werden. Diese sind bis zu einem Sechstel der laufenden Bezüge eines Kalenderjahres mit festen Steuersätzen begünstigt besteuert (§ 67 Abs. 1 Einkommensteuergesetz 1988). Den übersteigenden Betrag haben wir nach dem Lohnsteuertarif versteuert."

In seiner Beschwerde vom brachte der Beschwerdeführer vor wie folgt: "… 1. Der dem Abgabenpflichtigen im Kj 2022 ausbezahlte Bonus möge gern § 3 Abs. 1 Z 35 EStG mit einem Teilbetrag in Höhe von € 3.000 steuerfrei gestellt werden. 2. Es möge eine Bescheidbegründung nachgereicht werden, welche den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Begründung Im Kalenderjahr 2022 erhielten alle Arbeitnehmer der Fa. X AG aufgrund des guten Unternehmensergebnisses einen Bonus ausbezahlt. Die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit gern § 3 Abs 1Z 35 EStG sind daher meines Erachtens erfüllt. …"

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde ab und begründete dies wie folgt: "Mit gegenständlicher Beschwerde beantragen Sie die Berücksichtigung der Teuerungszulage in Höhe von € 3.000. … Laut vorgelegten Monatslohnzetteln, der detaillierten Aufstellung des Arbeitgebers "Einkommen pro 2022" vom 25.12023 und der "Mitteilung" betreffend Erfüllungsgrad Managementziele FY2022 vom geht hervor, dass die Mitarbeiter aufgrund des positiven Geschäftserfolges in Form eines Bonus belohnt werden. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerfreiheit für eine Teuerungszulage sind somit nicht gegeben. …"

In seinem Vorlageantrag vom brachte der Beschwerdeführer vor: "Der Arbeitgeber hat allen Dienstnehmern des Unternehmens eine Erfolgsbeteiligung ausbezahlt und das Unternehmen hat im Kalenderjahr 2021 auch einen Jahresgewinn erzielt, welcher höher wie ausbezahlte Gewinnbeteiligung war. Die Gewinnbeteiligung wurde auch nicht anstelle des bisher gezahlten Arbeitslohnes oder einer üblichen Lohnerhöhung geleistet. Meines Erachtens ist daher der an den Abgabenpflichtigen ausbezahlte Bonus mit einem Teilbetrag in Höhe von € 3.000 gem § 3 Abs 1 Z 35 EStG steuerfrei zu stellen. …"

Das Finanzamt legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht vor und verwies auf die Begründung in der Beschwerdevorentscheidung.

Über Ersuchen der Richterin um Stellungnahme vom führte das Finanzamt aus: "… die Annahme des Finanzamtes, dass eine steuerfreie Teuerungsprämie gern. § 124 b Z 408 EStG beantragt worden sei, beruht offenkundig auf einem Missverständnis. Es kann uE allerdings auch die Steuerbegünstigung für eine Gewinnbeteiligung gern. § 3 Abs. 1 Z 35 EStG 1988 nicht zur Anwendung kommen kann, da die Erfüllung der im Gesetz genannten Voraussetzungen nicht nachgewiesen wurde. Laut der dem BFG bereits mit dem Vorlageantrag übermittelten Mitteilung der X AG vom ("Erfüllungsgrad Managementziele FY2022", enthalten in "Unterlagen zum Erstantrag" vom ) liegt das Finanzergebnis des Unternehmens unter der "schwarzen Null", ist also negativ - die Summe der geleisteten Zahlungen übersteigt somit jedenfalls das unternehmensrechtliche Ergebnis vor Zinsen und Steuern gern. § 3 Abs 1Z 35 EStG 1988. Überdies handelt es sich wohl um keine Gewinnbeteiligung, sondern um eine neben den laufenden Bezügen gewährte Sonderzahlung (Belohnung) gemäß § 67 Abs 1 EStG, welche jährlich immer wieder von der Geschäftsleitung für den hohen persönlichen Einsatz der Mitarbeiter bei der Zielerreichung des Unternehmens gewährt wird, als Bonus bezeichnet wird und nicht nur 2022, sondern bereits in den Vorjahren 2020 und 2021 jeweils in Höhe von CHF 7.500,00 ausbezahlt wurde (siehe Beilagen). Es ist im Ergebnis aus der Sicht des Finanzamtes der im Juni ausbezahlte "Bonus" steuerlich nicht anders zu behandeln als die im Dezember zur Auszahlung gelangende "Jahresendzulage"."

Über Ersuchen der Richterin um Stellungnahme vom brachte der Beschwerdeführer per E-Mail vom weiter vor: "… Die "X AG" ist aber ein Tochterunternehmen der "M Aktiengesellschaft" (siehe Beilage). Die "M Aktiengesellschaft" weist in ihrem Jahresabschluss zum ein positives Ergebnis der betrieblichen Tätigkeit in Höhe von rd. € Mio 69,1 aus. Gemäß § 3 Abs 1 Z 35 lit b Teilstrich 2 kann auf das Ergebnis des Konzerns abgestellt werden, wenn das Unternehmen des Arbeitgebers zu einem Konzern gehört. Unseres Erachtens ist daher die Voraussetzung des § 3 Abs 1 Z35 lit b EstG erfüllt. …". Vorgelegt wurde der Jahresabschluss der M AG zum .

Die Richterin brachte dem Finanzamt dieses Vorbringen mit Schreiben vom zur Kenntnis. Das Finanzamt erstattete keine weitere Stellungnahme.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war während des gesamten Kalenderjahres nichtselbständig bei der X AG beschäftigt. Er bezog einen Bruttolohn von CHF 99.766,70 (vgl. die Bestätigung der Arbeitgeberin vom ). Im Bruttolohn enthalten ist unter anderem ein Bonus von CHF 7.500,-, welcher im Juni 2022 ausbezahlt wurde (vgl. das Lohnblatt Juni 2022). Einer Mitteilung der Arbeitgeberin vom , welche den Vermerk "Aushang bis " trägt, ist Folgendes zu entnehmen: "Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Wir freuen uns, dass der Vorstand der M AG und der Verwaltungsrat der V AG den Erfüllungsgrad der X-Managementziele für das Geschäftsjahr abschliessend auf 100% festgelegt hat. Damit erfolgt im Monat Juni die Auszahlung des Bonus in der Höhe des Nominalbetrages…".

Die Arbeitgeberin des Beschwerdeführers ist ein mit der M, verbundenes Unternehmen, dessen Betriebsergebnis in deren Konzernabschluss einbezogen ist. Aus dem unter der Webadresse www_1 abrufbaren AG-Bericht der M AG ist ersichtlich, dass die M AG 100 Prozent der Anteile an der Arbeitgeberin hält. Die M AG hat im Geschäftsjahr - ein Ergebnis der betrieblichen Tätigkeit von (gerundet) EUR 69.120.000,- erzielt. Der Jahres- und Konzernabschluss zum Geschäftsjahr vom 14.2020 bis zum wurde am im Bundesanzeiger veröffentlicht (vlg. www_2 ).

Diese Sachverhaltselemente ergeben sich zweifelsfrei aus den genannten Beweismitteln und sind zwischen den Parteien nicht strittig.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Strittig ist zwischen den Parteien, ob der dem Beschwerdeführer im Juni 2022 ausbezahlte Bonus von CHF 7.500,- im Ausmaß von EUR 3.000,- eine Gewinnbeteiligung des Arbeitgebers an einen aktiven Arbeitnehmer im Sinn des § 3 Abs. 1 Z 35 EStG 1988 (so der Standpunkt des Beschwerdeführers) oder eine Sonderzahlung bzw. Belohnung gemäß § 65 Abs. 1 EStG 1988 (so der nunmehrige Standpunkt des Finanzamtes) ist.

§ 3 Abs. 1 Z 35 EStG 1988 lautet: "Von der Einkommensteuer sind befreit: … 35. Gewinnbeteiligungen des Arbeitgebers an aktive Arbeitnehmer bis zu 3 000 Euro im Kalenderjahr. Bei mehreren Arbeitgebern steht die Befreiung insgesamt nur bis zu 3 000 Euro pro Arbeitnehmer im Kalenderjahr zu. Für die Steuerfreiheit gilt:
a) Die Gewinnbeteiligung muss allen Arbeitnehmern oder bestimmten Gruppen von Arbeitnehmern gewährt werden.
b) Insoweit die Summe der jährlich gewährten Gewinnbeteiligung das unternehmensrechtliche Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) der im letzten Kalenderjahr endenden Wirtschaftsjahre übersteigt, besteht keine Steuerfreiheit. Abweichend davon gilt:
- Ermittelt das Unternehmen des Arbeitgebers seinen Gewinn nicht nach § 5, kann bei Vorliegen eines Betriebsvermögensvergleichs gemäß § 4 Abs. 1 statt auf unternehmensrechtliche Werte auf die entsprechenden steuerlichen Werte abgestellt werden; ansonsten ist der steuerliche Vorjahresgewinn maßgeblich.
- Gehört das Unternehmen des Arbeitgebers zu einem Konzern, kann alternativ bei sämtlichen Unternehmen des Konzerns auf das EBIT des Konzerns abgestellt werden.
- Handelt es sich beim Unternehmen des Arbeitgebers um ein Kreditinstitut, kann statt auf das Ergebnis vor Zinsen und Steuern auf das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit gemäß Anlage 2 zu § 43 BWG abgestellt werden; dies gilt sinngemäß für Fälle des zweiten Teilstrichs.
c) Die Zahlung erfolgt nicht aufgrund einer lohngestaltenden Vorschrift gemäß § 68 Abs. 5 Z 1 bis 6.
d) Die Gewinnbeteiligung darf nicht anstelle des bisher gezahlten Arbeitslohns oder einer üblichen Lohnerhöhung geleistet werden."

§ 67 Abs. 1 EStG 1988 lautet: "Erhält der Arbeitnehmer neben dem laufenden Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber sonstige, insbesondere einmalige Bezüge (zum Beispiel 13. und 14. Monatsbezug, Belohnungen), beträgt die Lohnsteuer für sonstige Bezüge innerhalb des Jahressechstels gemäß Abs. 2 nach Abzug der in Abs. 12 genannten Beträge
1. für die ersten 620 Euro 0%,
2. für die nächsten 24 380 Euro 6%,
3. für die nächsten 25 000 Euro 27%,
4. für die nächsten 33 333 Euro 35,75%.
Die Besteuerung der sonstigen Bezüge mit diesen festen Steuersätzen unterbleibt, wenn das Jahressechstel gemäß Abs. 2 höchstens 2 100 Euro beträgt. Der Freibetrag von 620 Euro und die Freigrenze von 2 100 Euro sind bei Bezügen gemäß Abs. 3, Abs. 4, Abs. 5 erster Teilstrich, Abs. 6 bis 8 und Abs. 10 nicht zu berücksichtigen."

Dem Finanzamt ist beizupflichten, dass Gewinnbeteiligungen an Arbeitnehmer dem Grunde nach sonstige Bezüge im Sinn des § 67 Abs. 1 EStG 1988 darstellen. Dies steht jedoch deren Steuerfreiheit bis zu einem Betrag von EUR 3.000,- nach § 3 Abs. 1 Z 35 EStG nicht entgegen (so auch Kunesch, Antworten des BMF zu (weiteren) Fragen zur steuerfreien Gewinnbeteiligung, PV-Info 9/2022, 1; Seebacher, Highlights aus dem LStR-Wartungserlass 2022, ). § 3 Abs. 1 Z 35 EStG 1988 ist insofern lex specialis zu § 67 Abs. 1 EStG 1988.

Nach dem Beschwerdevorbringen, dem das Finanzamt nicht (mehr) entgegengetreten ist, sind die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Z 35 EStG 1988 erfüllt: Die Gewinnbeteiligung wurde allen Arbeitnehmern ausbezahlt (vgl. die durch Aushang an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitgeberin gerichtete Mitteilung diesbezüglich). Das EBIT der Konzernmutter der Arbeitgeberin zum war positiv. Im Beschwerdeverfahren sind keine Umstände bekannt geworden, die darauf hindeuten würden, dass die ausbezahlten Mitarbeiterbeteiligungen nicht im positiven EBIT gedeckt gewesen wären.

Der Beschwerde war daher Folge zu geben und der Einkommensteuerbescheid 2022 war wie folgt abzuändern:


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Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug
69.805,92
Pendlerpauschale laut Veranlagung
-1.968,00
pauschale Werbungskosten
-132,00
Gewerkschaftsbeiträge laut Veranlagung
-70,59
Pflichtbeiträge
-4.683,96
Gesamtbetrag der Einkünfte
62.951,37
Kirchenbeitrag
321,54
Zuwendungen gemäß § 18 Abs. 1 Z 7 EStG
240,00
Steuerberatungskosten
270,00
Einkommen
62.119,83
0 % für die ersten 11.000,00
0,00
20 % für die weiteren 7.000,00
1.400,00
32,50 % für die weiteren 13.000,00
4.225,00
42 % für die weiteren 29.000,00
12.180,00
48 % für die restlichen 2.119,83
1.017,52
Familienbonus Plus
4.000,32
Verkehrsabsetzbetrag
400,00
Pendlereuro
174,00
6 % für 9.422,12
565,33
Einkommensteuer
14.813,53
anzurechnende ausländische Steuer
-10.567,74
4.245,79
Rundung gemäß § 39 Abs. 3 EStG
0,21
Festgesetzte Einkommensteuer
4.246,00

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revisionszulässigkeit)

Die Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war. Die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.1100060.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at