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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.08.2024, RV/5100399/2024

Gleitsichtbrille als außergew. Belastung mit oder ohne Selbstbehalt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Susanne Haim in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2023 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird im Sinne der Beschwerdevorentscheidung abgeändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung 2023 wurde mit dem Einkommensteuerbescheid vom erledigt. Der beantragte erhöhte Pensionistenabsetzbetrag und die beantragten außergewöhnlichen Belastungen bei Behinderung des Ehepartners wurden nicht berücksichtigt.

Am wurde für das Veranlagungsjahr 2023 eine Beschwerde mit dem ursprünglichen Begehren eingebracht. Der Beschwerdeführer (Bf) wies daraufhin, dass die Beziehung mit seiner Ehefrau in seinen Grunddaten nicht erfasst war und dies nun korrigiert worden sei.

Daraufhin erging am eine Beschwerdevorentscheidung mit einer vollständigen Stattgabe der Beschwerde.

Am brachte der Bf einen Vorlageantrag ein, in der er um eine Korrektur des ESt-Bescheids 2023 bittet, da er übersehen habe, unregelmäßige Ausgaben für Hilfsmittel (außergewöhnliche Belastung bei Behinderung), Kennzahl 476 in Höhe von € 1.211,- geltend zu machen.

In einem Vorhalt wurde der Bf um Unterlagen zu diesen Kosten ersucht. Aus dem Antwortschreiben ging hervor, dass es sich um die Kosten für zwei verordnete Gleitsichtbrillen für seine Gattin handelt und wie sich die beantragten € 1.211,- zusammensetzen. Beigelegt wurde nur die Rechnung einer der beiden Brillen.

Ein zweiter Vorhalt erging mit dem Ersuchen um die zweite Rechnung, sowie ein Gutachten des Sozialministeriums über die Behinderung der Ehefrau und einen Verordnungsschein für die besagten Brillen. Im Antwortschreiben fanden sich lediglich die beiden Rechnungen. Ein Nachweis eines Zusammenhangs der Brillenkosten mit einer Behinderung der Gattin wurde nicht vorgelegt.

Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Gattin des Bf. Gattin, SV-Nr. ***1***, hat eine 80%ige Behinderung und ist ihr die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar. Sie bezieht Pflegegeld. Im Jahr 2023 erwarb sie zwei verordnete Gleitsichtbrillen im Gesamtbetrag von € 1211. Die Rechnungen wurden vorgelegt, aber nicht der Verordnungsschein und das Gutachten der Sozialversicherung.

2. Beweiswürdigung

Die Daten zur Behinderung der Gattin ergeben sich aus dem Dauerakt des Finanzamtes.

Die Angaben zum Brillenerwerb ergeben sich aus den vorgelegten Rechnungen. Strittig ist, ob die Aufwendungen für die Brillen im Zusammenhang mit der Behinderung stehen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgabe, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1988 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

§ 34 Abs. 4 EStG 1988 bestimmt, dass die Belastung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen

von höchstens 7.300 Euro 6%

mehr als 7.300 Euro bis 14.600 Euro 8%

mehr als 14.600 Euro bis 36.400 Euro 10%

mehr als 36.400 Euro 12%.

Gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 können Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen, ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden.

Gemäß § 35 Abs. 1 EStG 1988 steht einem Steuerpflichtigen ein Freibetrag (Abs. 3) zu, wenn der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung oder ohne Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners, wenn er mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt, und er keine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage), erhält.

Gemäß § 35 Abs. 2 EStG 1988 bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Ein Antragsteller hat nur dann Anspruch auf einen Freibetrag, wenn eine amtliche Bescheinigung einer hierfür vorgesehenen Stelle vorgelegt wird. Der vom Antragsteller vorzulegenden amtlichen Bescheinigung kommt feststellende, die Abgabenbehörden bindende Wirkung zu (Fuchs in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer § 35 Rz. 2).

Gemäß § 4 der VO zu §§ 34 und 35 über außergewöhnliche Belastungen, BGBl 1996/303 idF BGBl II 2010/430, sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (z.B. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

Dem Beschwerdeführer wurde nach der Beschwerde in der Beschwerdevorentscheidung der Pauschbetrag nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastung wegen Behinderung der Gattin in Höhe von Euro 2280,-- berücksichtigt.

Strittig sind die Aufwendungen für Brillen der Ehegattin des Beschwerdeführers in Höhe von Euro 1211,--, die erst im Vorlageantrag geltend gemacht wurden. Diesbezüglich wurden zwei Vorhalte seitens der Amtspartei verfasst und die beiden Rechnungen vorgelegt.

Das Finanzamt führt im Vorlagebericht vom aus, dass diese Aufwendungen lediglich als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt zu berücksichtigen sind und die Aufwendungen unter dem Selbstbehalt liegen würden.

Nach gefestigter VwGH-Judikatur können Krankheitskosten, die in keinem Zusammenhang mit der Behinderung stehen, nur nach den allgemeinen Regeln des § 34 EStG und somit nach Kürzung um den Selbstbehalt des § 34 Abs. 4 EStG berücksichtigt werden ( 82/13/0111; , 85/13/0119; , 93/15/0079 u.a.).

Aus verfahrensrechtlicher Sicht ist für das anhängige Verfahren zu beachten, dass die Berücksichtigung von steuermindernden Aufwendungen grundsätzlich deren Nachweis voraussetzt, wenn die Abgabenbehörde dies verlangt. Ausnahmsweise genügt eine Glaubhaftmachung, sofern der Nachweis nach den Umständen nicht zugemutet werden kann (§ 138 Abs 1 BAO).

Im Anwendungsbereich der §§ 34 und 35 EStG ist zudem zu berücksichtigen, dass nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung denjenigen, der eine abgabenrechtliche Begünstigung in Anspruch nehmen will, eine erhöhte Mitwirkungspflicht bei der Klärung der dafür geforderten Voraussetzungen trifft. Dies gilt umso mehr für Sachverhalte mit Bezug zum höchstpersönlichen Bereich (vgl. Ritz, BAO5, § 115 Tz 12; Jakom/Baldauf, EStG, 2013, § 35 Rz 23, 24; Doralt, EStG15, § 35 Tz 12, 23; ; -F/1; , RV/0213-G/05; , RV/0429-K/07).

Der Beschwerdeführer konnte nicht nachweisen, dass die Aufwendungen für die Gleitsichtbrille im Zusammenhang mit der Behinderung seiner Gattin stehen. Nach der Rechtsprechung des VwGH hat der Steuerpflichtige, der eine abgabenrechtliche Begünstigung in Anspruch nimmt, selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen der Umstände darzulegen, auf die die Begünstigung gestützt werden kann, wobei die Gründe im Einzelfall anzuführen sind (). Er hat selbst negative Voraussetzungen darzulegen und nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen ().

Die Ausgaben stellen aber außergewöhnliche Belastungen dar, bei denen aber ein Selbstbehalt zu berücksichtigen ist. Der Selbstbehalt beträgt im gegenständlichen Jahr 2236,67 Euro. Damit haben die außergewöhnlichen Belastungen keine steuerliche Auswirkung.

Die Einkommensteuer 2023 wird wie in der Beschwerdevorentscheidung vom festgesetzt.

Da das Bundesfinanzgericht über die (ursprüngliche) Beschwerde entscheidet, war der Beschwerde teilweise stattzugeben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage liegt im gegenständlichen Fall nicht vor.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100399.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at