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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 19.06.2024, RV/7100739/2017

Betriebliche Veranlassung einer Haftungsübernahme

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Mag. Aloisia Bergauer, die Richterin Mag. Andrea Ebner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Ulrike Richter und Mag. Markus Fischer, BA in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***1***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes *** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Körperschaftsteuer für die Jahre 2011 bis 2013, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin Petra Rauherz zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.
Die Körperschaftsteuer wird für 2011 festgesetzt mit 3.657,00 Euro, für 2012 festgesetzt mit 3.801,00 Euro und für 2013 festgesetzt mit 3.498,00 Euro.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, reichte die Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2011 am elektronisch beim Finanzamt ein. Dieses setzte die Körperschaftsteuer für das Jahr 2011 mit Bescheid vom erklärungsgemäß mit 3.657,00 Euro fest.

Mit Ersuchen um Ergänzung vom forderte das Finanzamt einen belegmäßigen Nachweis für die im Jahr 2011 geltend gemachte Forderungsabschreibung in Höhe von 44.861,06 Euro.

Am reichte die Beschwerdeführerin die Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2012 elektronisch beim Finanzamt ein.

Mit Ersuchen um Ergänzung vom forderte das Finanzamt die Beschwerdeführerin hinsichtlich der im Jahr 2012 erklärten Forderungsabschreibung (KZ 9140) in Höhe von 42.120,80 Euro auf, bekanntzugeben, wem gegenüber diese Forderung bestanden habe, welche Maßnahmen zur Einbringung getroffen worden seien und warum diese Forderung uneinbringlich sei. Dies sollte mittels Belegen und nachvollziehbaren Aufstellungen mitgeteilt werden.

Am brachte die damalige steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin nach telefonischer Rücksprache den Vertrag über die Errichtung einer stillen Gesellschaft zwischen der Beschwerdeführerin und der ***5*** GmbH vom beim Finanzamt ein.

Die Beschwerdeführerin reichte die Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2013 am elektronisch beim Finanzamt ein.

Mit Ersuchen um Ergänzung vom forderte das Finanzamt die Beschwerdeführerin betreffend die Körperschaftsteuererklärungen für die Jahre 2005 bis 2013 auf, bekanntzugeben, welche Maßnahmen zur Einbringung der offenen Forderungen gegenüber der ***5*** GmbH eingeleitet worden seien. Ergänzend wies die belangte Behörde unter Verweis auf die Nahebeziehung der Gesellschafter-Geschäftsführer beider Gesellschaften darauf hin, dass die Abdeckung der Verbindlichkeiten der ***5*** GmbH im Jahr 2011 nicht der betrieblichen Sphäre der Beschwerdeführerin zugerechnet werden könne.

Mit Schreiben vom nahm die damalige steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin dazu Stellung und führte im Wesentlichen aus, dass die ***5*** GmbH im Jahr 2004 eine Boutique in ***Ort1*** erworben habe. Die Finanzierung sei durch Kredite der ***12*** in Höhe von 600.000 Euro und durch eine stille Beteiligung der Beschwerdeführerin an der ***5*** GmbH in Höhe von 200.000 Euro finanziert worden. Der Ankauf der Boutique sei auch vom AWS und NÖKBG gefördert worden. Im Kaufvertrag sei eine Zeitspanne von sechs Monaten vereinbart worden, in der ***5*** in der Boutique als Angestellte mitarbeiten sollte um insbesondere die Kunden bzw. auch die internen Abläufe kennenzulernen. In dieser Zeitspanne habe ein Rücktrittsrecht vom Kaufvertrag bestanden. Nach dem endgültigen Kauf mit sei es zu einem Mitarbeiterschwund gekommen und auf Grund des damit verbundenen Umsatzrückganges sei die ***5*** GmbH Ende des Jahres 2008 illiquid gewesen. Ein Konkurs habe durch einen stillen Vergleich abgewendet werden können. Die kreditfinanzierende Bank habe mit Zustimmung von AWS und NÖKBG auf 50 % ihrer Forderungen verzichtet. Dies allerdings nur unter der Bedingung, dass die Beschwerdeführerin eine Liegenschaft als Sicherheit verpfände. Auch die Beschwerdeführerin habe auf 50 % ihrer stillen Beteiligung verzichtet. Die Möglichkeit der erfolgreichen Sanierung der ***5*** GmbH sei auch durch ein Gutachten der ***11*** Unternehmensberatungsgesellschaft m.b.H. vom attestiert worden. Trotz verschiedener Maßnahmen wie die Eröffnung einer Filiale in ***Ort2*** und die Verkleinerung der Verkaufsfläche in ***Ort1*** sei es zu einem wirtschaftlichen Verlust gekommen und es habe eine stille Liquidation der ***5*** GmbH eingeleitet werden müssen. Um die verpfändete Liegenschaft der Beschwerdeführerin wieder lastenfrei bekommen zu können, sei eine Zahlung der Beschwerdeführerin in Höhe von rd. 90.000 Euro mit der kreditfinanzierenden Bank verhandelt worden. Diese Zahlung sei nicht zur Tilgung von Schulden der ***5*** GmbH erfolgt, sondern zur Begleichung der von der Beschwerdeführerin im Jahr 2008 übernommenen Haftung. Frau ***5*** habe, um eine Insolvenz und damit verbunden einen voraussichtlichen Privatkonkurs zu vermeiden, eine Abschlagszahlung (durch Dritte) an die Bank und das Finanzamt leisten müssen.

Mit Bescheid vom nahm das Finanzamt das Verfahren betreffend Körperschaftsteuer für das Jahr 2011 gemäß § 303 Abs. 1 BAO wieder auf und setzte die Einkommensteuer für das Jahr 2011 mit Bescheid vom mit 5.769,00 Euro (Nachforderung: 2.112,00 Euro) fest. Ebenfalls mit Bescheiden vom setzte das Finanzamt die Körperschaftsteuer für das Jahr 2012 mit 14.301,00 Euro (Nachforderung: 12.551,00 Euro) und die Körperschaftsteuer für das Jahr 2013 mit 13.998,00 Euro (Nachforderung: 9.674,00 Euro) fest. In der dazu ergangenen Bescheidbegründung (Verf67) vom führte das Finanzamt aus, dass das dem Finanzamt am vorgelegte Konzept zum Zeitpunkt des Beteiligungserwerbes durchaus gewinnbringend erschienen sei. Auch der Vertrag über die stille Gesellschaft sei fremdüblich. Daher werde der Eingang der Beteiligung und die durch den späteren Misserfolg der ***5*** GmbH erfolgte Abschreibung der Forderung der Beschwerdeführerin in Höhe von 200.000,00 Euro anerkannt.
Die Anschlusszahlungen in Höhe von 95.699,17 Euro und die daraus resultierenden Forderungsabschreibungen könnten jedoch aus folgenden Gründen nicht anerkannt werden:
1) In einer Bilanzanalyse sei festgestellt worden, dass von der Beschwerdeführerin maximal ein Jahresbetrag an Gewinnbeteiligung als Einnahme erklärt worden sei; ob eine Auszahlung stattgefunden habe sei nicht ersichtlich. Entsprechend Punkt 5. des Beteiligungsvertrages vom hätte die stille Gesellschaft im Falle der Nichtleistung der Verzinsung über einen Zeitraum von zwölf Monaten gekündigt werden können, eine Kündigung sei jedoch nicht erfolgt.

2) Welche Maßnahmen zur Einbringung der offenen Forderungen von der Beschwerdeführerin eingeleitet worden seien, sei trotz Aufforderung durch das Finanzamt nicht bekannt gegeben worden. Es könne daher vermutet werden, dass von der Beschwerdeführerin keinerlei Maßnahmen gesetzt worden seien. Bereits im Jahr 2008 habe die Beschwerdeführerin auf 100.000 Euro verzichtet und habe zusätzlich noch eine Haftung übernommen. Die Investoren hätten dem Verzicht von 50 % ihrer Forderungen nur unter den Bedingungen zugestimmt, dass die Beschwerdeführerin eine Haftung als Realschuldnerin der ihr gehörenden Liegenschaft in Höhe von 76.000 Euro übernehme, auf 50 % ihrer Forderungen samt aushaftenden und zukünftigen Zinsen aufgrund ihrer stillen Beteiligung verzichte, die restliche von diesem Verzicht nicht umfasste Forderung bis zu gänzlichen Rückzahlung des nicht vom Forderungsnachlass der ***12*** umfassten Betrages stunde und erkläre, dass sie Forderungen aus diesem Titel erst nach Beseitigung eines negativen Eigenkapitals oder im Fall der Liquidation nach Befriedigung aller Gläubiger begehre und dass wegen dieser Verbindlichkeit kein Insolvenzverfahren eröffnet zu werden brauche. Ohne Nahebeziehung würde man solchen Haftungen nie zustimmen. Im Jahr 2010 habe die Beschwerdeführerin eine Abschlagszahlung an die kreditfinanzierende Bank und das Finanzamt geleistet um einen Privatkonkurs von Frau ***5*** zu vermeiden. Der Eingang der Haftung und die daraus resultierenden Zahlungen an das Finanzamt 2011 hätten zur Finanzierung des Ausgleichs der ***5*** GmbH gedient. Es sei daher kein betrieblicher Zusammenhang zu erkennen. Die Abdeckung der Schulden der ***5*** GmbH sei nach Ansicht des Finanzamtes daher der außerbetrieblichen Sphäre zuzurechnen. Auf die Nahebeziehung der Gesellschafter-Geschäftsführer beider Gesellschaften werde verwiesen. Die Forderungsabschreibung 2011 in Höhe von 8.448,75 Euro sowie 2012 und 2013 in Höhe von je 42.000,00 Euro seien daher nicht anzuerkennen und die außerbetrieblichen Zahlungen der Beschwerdeführerin für die ***5*** GmbH in Höhe von 95.699,17 Euro als eine verdeckte Ausschüttung zu beurteilen.

Mit Schreiben vom erhob die damalige steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde gegen die Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2013 und übermittelte die Verrechnungskonten zwischen der Beschwerdeführerin und der ***5*** GmbH für die Jahre 2005 bis 2008. Daraus sei ersichtlich, dass mehrfach Zinsen in diesen Jahren vertragsgemäß bezahlt worden seien. Es seien tatsächlich keine Maßnahme wie Exekution oder Kündigung des Beteiligungsvertrages gesetzt worden, da jegliche Maßnahme die sofortige Insolvenz der ***5*** GmbH und damit den kompletten Verlust der Beteiligung der Beschwerdeführerin in Höhe von 200.000 Euro bewirkt hätte. Das Stillhalten in dieser Situation sei für die Beschwerdeführerin die einzige Möglichkeit gewesen um die Beteiligung werthaltig zu halten. Die kreditfinanzierende Bank habe eine zusätzliche Sicherheit in Form einer Privathaftung von ***5*** für ihr restliches Obligo als nicht werthaltig angesehen und den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin daher vor die Wahl gestellt entweder die ***5*** GmbH in Insolvenz zu schicken und daher den sofortigen kompletten Verlust des finanziellen Engagements zu erleiden oder eine zusätzliche Haftung zu übernehmen. Festzuhalten sei, dass das Sanierungskonzept der ***11*** Unternehmensberatungsgesellschaft m.b.H. einen positiven Fortbestand der ***5*** GmbH gezeigt habe und dieses auch Grundlage für die Haftungsübernahme gewesen sei. Im Falle einer positiven Fortbestehungsprognose sei eine Weiterfinanzierung üblich, andernfalls wäre niemals eine Sanierung möglich. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass der Unternehmenszweck der Beschwerdeführerin der Ankauf, die Entwicklung und der Verkauf von Beteiligungen sei und das Engagement bei der ***5*** GmbH nicht die einzige Beteiligung gewesen sei. Es werde abschließend festgehalten, dass die kreditfinanzierende Bank Druck auf den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin ausgeübt habe und dieser unter Berücksichtigung des vorgelegten Sanierungsgutachtens einer zusätzlichen Haftungsübernahme zugestimmt habe. Er hätte die gleiche Entscheidung auch treffen müssen, wenn es sich um eine andere Beteiligung gehandelt hätte.

Mit Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 BAO vom wies das Finanzamt die Beschwerde vom gegen die Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2013 als unbegründet ab und führte in der Bescheidbegründung (Verf67) vom nach Darstellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes ergänzend aus, dass die Nahebeziehung der jeweiligen Geschäftsführer/Gesellschafter offenkundig sei und die Leistungen der Beschwerdeführerin an die ***5*** GmbH "gesellschaftsrechtlich bedingt" seien. Eine verdeckte Ausschüttung könne auch an eine dem Anteilsinhaber nahestehende Person erfolgen, dies könne sowohl eine natürliche als auch eine juristische Person sein, an der solche nahestehende Personen beteiligt seien. Eine fremde dritte Person hätte beim Verlauf der Beteiligung einer weiteren Finanzierung auch im Rahmen eines Sanierungskonzeptes nicht zugestimmt. Die ***5*** GmbH sei bereits, wie von der Beschwerdeführerin selbst im Schreiben vom vorgebracht, Ende des Jahres 2008 illiquid gewesen.

Mit Schreiben vom stellte die damalige steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin fristgerecht den Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht.

Das Finanzamt legte die Beschwerde vom am zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht vor und beantragte deren Abweisung als unbegründet.

Die nunmehrige steuerliche Vertreterin der Beschwerdeführerin brachte mit Schreiben vom ergänzend vor, dass die Forderungen der Beschwerdeführerin fremdüblich entstanden seien und die Haftung nach reiflicher Überlegung bereits im Jahr 2008 übernommen worden sei. Die Inanspruchnahme aus der Haftung im Jahr 2011 sei damit nicht mehr zu verhindern gewesen. Mag. Ing. ***3*** sei als Unternehmensberater im Bereich der Sanierung tätig und bereits viele Unternehmensbeteiligungen eingegangen. Im Jahr 2004 sei das Projekt Ankauf einer Boutique in ***Ort1*** von ***5***, einer ehemaligen Arbeitskollegin, an ihn herangetragen worden. Die private Beziehung sei erst im Zusammenhang mit dem Projekt entstanden und habe sich erst in der Folge vertieft. Die Beschwerdeführerin habe eine stille Beteiligung vergeben, die Verzinsung sei mit einem Risikozinssatz von 8 % erfolgt. Der reguläre Finanzierungszinssatz sei damals bei rund 2 % gelegen. Es sei somit klar gewesen, dass es sich um eine Risikofinanzierung gehandelt habe. Aus dem hohen Zinssatz der stillen Beteiligung zeige sich, dass keinerlei Begünstigungsabsicht einer nahen Angehörigen bei Eingang der stillen Beteiligung gegeben gewesen sei. Im Jahr 2008 habe die Beschwerdeführerin eine rational begründete Entscheidung im Vertrauen auf das Sanierungskonzept zur Vermeidung eines Totalverlustes hinsichtlich der stillen Gesellschaft (weitere 100.000 Euro) getroffen. An diese Entscheidung sei sie dann im Jahr 2011 bei der Inanspruchnahme gebunden gewesen. Bei der übernommenen Haftung habe es sich um einen Regressanspruch der staatlichen Fördereinrichtung AWS gehandelt.

In der am vor dem Bundesfinanzgericht abgehaltenen mündlichen Senatsverhandlung brachte die Vertretung der Beschwerdeführerin ergänzend vor, dass die Haftungsübernahme 2008 Ausfluss aus der ursprünglichen Beteiligung der von der belangten Behörde auch anerkannten stillen Gesellschaft aus 2005 und aus Sicht der Beschwerdeführerin die beste Option zur Rettung ihrer verbleibenden Forderung aus der stillen Gesellschaft gewesen sei. Es sei von einer betriebswirtschaftlichen Veranlassung der Haftungsübernahme auszugehen. Die belangte Behörde habe sich nicht mit dem Sanierungskonzept auseinandergesetzt. Der Vertreter der belangten Behörde brachte vor, dass das Sanierungskonzept sehr wohl in die Entscheidung eingeflossen sei. Das Finanzamt gehe weiterhin vom Vorliegen einer fremdunüblichen Haftungsübernahme aus. Aufgrund der Illiquidität Ende des Jahres 2008 sei absehbar gewesen, dass betreffend die Beteiligung an der ***5*** GmbH ein fremder Dritter keine weiteren Haftungen übernommen hätte.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Alleiniger Gesellschafter der Beschwerdeführerin war ab Gründung (XX. Juli 1995) Mag. Ing. ***3***. Mit Generalversammlungsbeschluss vom XX. Mai 2014 wurde das Stammkapital auf 160.442,00 Euro erhöht und ***4***, B.A. MLS, zu 32 % Gesellschafterin der Beschwerdeführerin. Betriebsgegenstand ist Managementtraining (FN ***2***).

Die ***5*** GmbH wurde mit Erklärung über die Errichtung der Gesellschaft vom XX. Dezember 2004 gegründet (FN ***6***). Alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin war ***5***. Mit Generalversammlungsbeschluss vom XX. September 2011 wurde die Gesellschaft aufgelöst.

Mag. Ing. ***3*** und ***5*** sind seit Juni 2012 verheiratet und haben gemeinsam einen am XX. Juli 2006 geborenen Sohn.

Mit Kaufvertrag vom erwarb die ***5*** GmbH eine Boutique in ***Ort1***. Die Übernahme erfolgte mit Stichtag . Als Kaufpreis wurde der zweifache durchschnittliche Gewinn der Jahre 2001 bis 2003 (560.000 Euro) und die Übernahme des Lagerbestandes in Höhe von rd. 240.000 Euro vereinbart. Die Finanzierung erfolgte in Höhe von 600.000 Euro durch Abstattungs- und Betriebsmittelkredite der ***12***. Besichert waren diese Kredite durch Ausfallshaftungen durch AWS und NÖKBG sowie Bürgschaften gemäß § 1357 ABGB durch ***5***. Zusätzlich erfolgte eine Finanzierung in Höhe von 200.000 Euro durch die Beschwerdeführerin als stille Gesellschafterin. Der diesbezügliche Beteiligungsvertrag wurde am abgeschlossen und enthält folgende, wesentliche Punkte:

"1. Vertragsgegenstand
Die ***5*** GmbH, im Folgenden Beteiligungsnehmer genannt, hat mit Kaufvertrag vom im Wege eines Assetdeals das Lager, den Kundenstock und die Geschäftseinrichtung der protokolierten Firma ***7***, mit der Geschäftsadresse ***8***, erworben. Die Beschwerdeführerin im Folgenden Beteiligungsgeber genannt, beteiligt sich an der ***5*** GmbH auf Grundlage dieses Beteiligungsvertrages als typisch stiller Gesellschafter am Handelsgewerbe des Beteiligungsnehmers gemäß §§ 178 ff HGB unter Berücksichtigung der nachfolgenden Bestimmungen.

….

3. Höhe der Beteiligung
Die Beschwerdeführerin leistet in die ***5*** GmbH eine Vermögenseinlage in Höhe von € 200.000,00 (in Worten: Euro zweihunderttausend) zum Zwecke des Unternehmenskaufes gemäß Punkt 1. Die Einlage des stillen Gesellschafters ist binnen 14 Tage ab Abschluss dieses Vertrages durch Überweisung auf das Konto des Beteiligungsnehmers, ***10***, zu leisten.

4. Konten des Beteiligungsgebers
Für die stille Beteiligung des Beteiligungsgebers wird ein Einlagekonto eingerichtet, welches ein fixes Einlagenkonto darstellt. Daneben sind für den Beteiligungsgeber bei Bedarf Verrechnungskonten zu führen. Änderungen des fixen Einlagenkontos können nur einvernehmlich erfolgen.

5. Beginn und Dauer der Gesellschaft
Die stille Gesellschaft beginnt am und wird auf die Dauer von 4 Jahren errichtet. Das Gesellschaftsverhältnis endet ohne dass es einer Kündigung bedarf.
Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes können beide Vertragsteile das Gesellschaftsverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Ende des jeweiligen Geschäftsjahres aufkündigen. Als solcher wichtiger Grund gilt für den stillen Gesellschafter jedenfalls:

• Die Eröffnung des Ausgleichs- oder Konkursverfahrens über das Vermögen der Beteiligungsnehmer;

• Ein Verstoß gegen das Zustimmungsrechts des stillen Gesellschafters gemäß Punkt 6 dieses Vertrages;

• Die Nichtleistung der Verzinsung gem. Punkt 8 dieses Vertrages über einen Zeitraum von länger als 12 Monaten

• Die Nichteinhaltung der dem stillen Gesellschafter eingeräumten Kontroll- und Überwachungsrechte gem. Punkt 7 dieses Vertrages.

….

8. Gewinn- und Verlustverteilung
Durch die gegenständliche Beteiligung erwirbt der Beteiligungsgeber eine Beteiligung am Gewinn des Beteiligungsnehmers. Die Beteiligung am Gewinn wird mit € 16.000,00 p.a. fix vereinbart und wird auch dann fällig, wenn kein Gewinn erzielt wird. Der vereinbarte Gewinnanteil ist in vier gleichen Quartalraten jeweils zum Ende des Quartals zur Zahlung fällig.
Der stille Gesellschafter nimmt am Verlust des Unternehmens nicht Teil; ein vom stillen Gesellschafter nicht behobener Gewinn vermehrt dessen Einlage nicht.

9. Auseinandersetzung
Die Abschichtung der Beteiligung erfolgt am .
.…".

In Folge wirtschaftlicher Schwierigkeiten betrugen die Kreditverbindlichkeiten der ***5*** GmbH zum insgesamt 647.982,09 Euro. Auf Grundlage eines Gutachtens der ***11*** Unternehmensberatungsgesellschaft m.b.H. (Rentabilitätsentwicklung unter Berücksichtigung der Restrukturierungsmaßnahmen, Schlussbericht vom ) verzichtete die ***12*** in Abstimmung mit dem AWS und NÖKBG auf 50 % der aushaftenden Kreditforderungen unter anderem unter der Bedingung, dass die Beschwerdeführerin zur Besicherung der nicht vom Forderungsnachlass umfassten Kreditverbindlichkeiten der ***5*** GmbH eine Haftung als Realschuldnerin mit der ihr gehörenden Liegenschaft ***13*** in Höhe von 75.637,32 Euro übernimmt. Zusätzlich verzichtete die Beschwerdeführerin ebenfalls auf 50 % ihrer Forderungen samt derzeit aushaftenden und zukünftigen Zinsen aufgrund ihrer stillen Beteiligung an der ***5*** GmbH (s. Schreiben der ***12*** vom ).

Mit Schreiben vom teilte die ***12*** der Beschwerdeführerin mit, dass sie gegen Zahlung eines Betrages von insgesamt 90.523,23 Euro bis spätestens auf die darüberhinausgehenden Forderungen verzichte. Dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass bis zum genannten Termin zusätzlich aus dem Erlös der Liquidation der ***5*** GmbH ein Betrag von mindestens 51.000 Euro bezahlt werde.

In der außerordentlichen Generalversammlung vom XX. September 2011 wurde die Liquidation der ***5*** GmbH beschlossen und Ing. Mag. ***3*** zum Liquidator bestimmt.

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und den Angaben der Beschwerdeführerin.

Streitgegenständlich ist, ob für die von der Beschwerdeführerin im Jahr 2008 übernommene Haftung als Realschuldnerin und die damit zusammenhängenden Forderungsabschreibungen in Höhe von 8.448,75 im Jahr 2011 sowie in Höhe von jeweils 42.000,00 Euro in den Jahren 2012 und 2013 sowie die Zahlung eines Betrages in Höhe von 95.699,17 Euro im Jahr 2011 als Gegenleistung für den Verzicht auf die darüberhinausgehenden Forderungen betriebliche oder gesellschaftsrechtliche Gründe bestanden haben. Die Abschreibung der Forderung aus der stillen Beteiligung der Beschwerdeführerin in Höhe von 200.000,00 Euro wurde von der belangten Behörde anerkannt.

Die belangte Behörde geht in ihrer Argumentation im Wesentlichen davon aus, dass die Haftungsübernahme und die daraus resultierenden Zahlungen nur aufgrund der Nahebeziehung der Gesellschafter der beiden Gesellschaften erfolgt wäre.

Dass eine Nahebeziehung zwischen den Gesellschaftern der Beschwerdeführerin und der ***5*** GmbH vorlag ist evident und es ist daher nachvollziehbar, dass von der belangten Behörde die verfahrensgegenständliche Haftungsübernahme hinsichtlich einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung hinterfragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof stellt für die Beurteilung der sozietären Veranlassung in vielen Fällen darauf ab, ob Leistungsbeziehungen unter auch gegenüber gesellschaftsfremden Personen üblichen Bedingungen erfolgen. Demnach scheidet eine verdeckte Ausschüttung aus, wenn ein Geschäft mit fremden Personen unter denselben wirtschaftlichen Voraussetzungen und in der gleichen Rechtsform abgeschlossen worden wäre. Aus steuerlicher Sicht wird dies anhand eines Fremdvergleiches ermittelt. Der Fremdvergleich basiert auf dem Vergleich des tatsächlich verwirklichten Sachverhaltes mit einem Vorgang, der unter Wegdenken der gesellschaftsrechtlichen Verbindung nicht üblich wäre. Die Frage, ob eine Rechtsbeziehung auch unter Fremden in gleicher Weise zustande gekommen und abgewickelt worden wäre, ist eine Tatfrage und daher auf Grund entsprechender Erhebungen in freier Beweiswürdigung zu lösen.

Entscheidend für die Feststellung der betrieblichen bzw. gesellschaftsrechtlichen Veranlassung ist, aus welchen Motiven die Haftungsübernahme durch die Beschwerdeführerin erfolgte. Dabei sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Eingehens der Verpflichtung von Bedeutung.

Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin seien aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage der ***5*** GmbH ab dem Jahr 2008 umfangreiche Sanierungsmaßnahmen gesetzt worden. Die Beschwerdeführerin habe mit der Übernahme der Haftung den Forderungsverzicht der kreditfinanzierenden Bank im Ausmaß von 50 % (323.991,05 Euro) und die Erhaltung ihrer stillen Beteiligung ebenfalls im Ausmaß von 50 % (100.000 Euro) bezweckt, um auf diese Weise eine Weiterführung des Betriebes der ***5*** GmbH zu bewerkstelligen.

Aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich für das Bundesfinanzgericht, dass sowohl von der kreditfinanzierenden Bank als auch von der Beschwerdeführerin als stille Gesellschafterin auf 50 % ihrer Forderungen verzichtet wurde. Wie vom Geschäftsführer der Beschwerdeführerin auch im Rahmen der mündlichen Senatsverhandlung nachvollziehbar dargelegt wurde, erfolgten diese Forderungsverzichte auf Grundlage des Gutachtens der ***11*** Unternehmensberatungsgesellschaft m.b.H. vom zur Rentabilitätsentwicklung/Restrukturierung der ***5*** GmbH. Darin wurde festgehalten, dass der Fortbestand des Unternehmens der ***5*** GesmbH gesichert wäre, wenn die Finanzierung der Umschuldung in Höhe von rd. 310.000 Euro gelingen würde. Das von einer unabhängigen Beratungsgesellschaft erstellte Gutachten sowie das darauf aufbauende Sanierungskonzept sind für das Bundesfinanzgericht schlüssig und nachvollziehbar. Auch von der belangten Behörde wurden keine substantiierten Einwendungen dagegen vorgebracht. Dass von der Beschwerdeführerin zur Ermöglichung des Forderungsverzichtes der kreditfinanzierenden Bank in nicht unwesentlicher Höhe eine Haftungsübernahme erfolgte, ist für das Bundesfinanzgericht wirtschaftlich nachvollziehbar. Die Haftungsübernahme diente im Zeitpunkt des Eingehens der Verpflichtung im November 2008, auch belegt durch das vorliegende Gutachten der ***11*** Unternehmensberatungsgesellschaft m.b.H. vom , zweifellos der Sicherung des Fortbestandes der ***5*** GmbH. Es lag eine eindeutig positive Fortbestehensprognose vor und es wurden auch entsprechende Maßnahmen zur Sanierung (zB Eröffnung eines weiteren Standortes) gesetzt. Auch kann davon ausgegangen werden, dass der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin als erfahrener Sanierer von Unternehmen eine begründete objektive Einschätzung vornehmen konnte. Da sich die Beschwerdeführerin als stille Gesellschafterin an der ***5*** GmbH beteiligt hat und diese (wie auch von der belangten Behörde bestätigt) fremdüblich war, ist ihr Bestreben, den Fortbestand der ***5*** GmbH zu sichern, auch unabhängig von den persönlichen Beziehungen der Gesellschafter nicht von der Hand zu weisen. Es steht auch nicht mit der Lebenserfahrung im Einklang, dass ein auf dem Gebiet der Unternehmenssanierung erfahrener Geschäftsmann aus bloß privaten Motiven derartige Verluste in Kauf nimmt, wenn die kostengünstigere Variante eines Konkurses möglich gewesen wäre. Ergänzend ist anzumerken, dass ***5*** die Boutique nicht selbst aufgebaut, sondern "nur" gekauft hat. Eine besondere emotionale Nahebeziehung, welche allenfalls zu einem Versuch des Fortbestandes des Geschäfts trotz negativer Aussichten verleitet hätte, erscheint nach der Lebenserfahrung unwahrscheinlich. Für das Bundesfinanzgericht ergibt sich damit ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Haftungsübernahme der Beschwerdeführerin und der Sanierung der ***5*** GmbH im Rahmen eines aus wirtschaftlichen Gründen nachvollziehbaren Sanierungskonzeptes.

Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durfte das Bundesfinanzgericht daher in freier Beweiswürdigung von den obigen Sachverhaltsfeststellungen ausgehen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1988, BGBl. Nr. 400/1988, sind Betriebsausgaben die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind. Betriebsausgaben sind nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen.

Gemäß § 8 Abs. 2 KStG 1988 ist für die Ermittlung des Einkommens ohne Bedeutung, ob das Einkommen im Wege offener oder verdeckter Ausschüttungen verteilt oder entnommen oder in anderer Weise verwendet wird.

Verträge zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern werden an jenen Kriterien gemessen, die für die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen entwickelt wurden. Die Vereinbarung muss demnach nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen, einen klaren und eindeutigen Inhalt haben und auch zwischen Fremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen werden.

Für Verträge, die zwischen Gesellschaften abgeschlossen werden, die von der gleichen Person vertreten oder wirtschaftlich dominiert werden, sind wegen des in solchen Fällen typischerweise zu besorgenden Wegfalls der sonst bei Vertragsabschlüssen zu unterstellenden Interessengegensätze aus dem Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung die gleichen Anforderungen zu erheben (vgl. ).

Dass eine verdeckte Ausschüttung nicht notwendig an den Gesellschafter der ausschüttenden Gesellschaft gehen muss, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen und dabei zum Ausdruck gebracht, dass eine verdeckte Ausschüttung auch dann dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft zuzurechnen ist, wenn die von der Gesellschaft gewährten Vorteile nicht diesem, sondern einer ihm nahestehenden Person zufließen (vgl. ).

Die belangte Behörde hat in der aus einer nicht fremdüblichen Übernahme einer Haftung als Realschuldnerin zugunsten der ***5*** GmbH der Beschwerdeführerin resultierenden Verpflichtung eine verdeckte Ausschüttung erblickt. Die Beschwerdeführerin bringt dagegen vor, dass die Übernahme der Haftung ausschließlich aus wirtschaftlichen Überlegungen und Erwartungen erfolgt sei.

Im Lichte der Beweiswürdigung ergibt sich für das Bundesfinanzgericht, dass die Übernahme der Haftung als Realschuldnerin durch die Beschwerdeführerin aus betrieblichen und nicht aus gesellschaftsrechtlichen Gründen erfolgte. Die in Folge der betrieblich veranlassten Haftungsübernahme entstandenen Forderungen der Beschwerdeführerin gegenüber der ***5*** GmbH waren aktenkundig uneinbringlich, weshalb die geltend gemachten Forderungsabschreibungen als Betriebsausgaben anzuerkennen sind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes steht im Einklang mit der dazu vom Verwaltungsgerichtshof ergangenen Judikatur. Darüber hinaus waren die in freier Beweiswürdigung vorgenommenen Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes entscheidungswesentlich.
Die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nach Art 133 Abs. 4 B-VG liegen somit nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100739.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at