Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.07.2024, RV/7101801/2023

Haftungsbescheid: vor Fälligkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten eingebrachte Zahlungserleichterungsansuchen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Mirha Karahodzic MA in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dkfm. Johann Putzer Wirtschafts- treuhand-Gesellschaft m.b.H., Liechtensteinstraße 35 Tür 5, 1090 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Inanspruchnahme zur Haftung zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Bisheriger Verfahrensgang

Am wurde von der belangten Behörde ein Haftungsverfahren gegen den Beschwerdeführer als ehemaligen Geschäftsführer der ***T*** GmbH (in der Folge: Primärschuldnerin) eingeleitet und ein Vorhalt erlassen. Dieser Vorhalt blieb unbeantwortet.

Einem Aktenvermerk der belangten Behörde vom ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in einem Telefonat bekannt gegeben hat, kein Vermögensverzeichnis abgeben zu wollen. Er wolle nicht, dass diese Daten beim Finanzamt schriftlich vorliegen. Möglicherweise käme diesbezüglich aber noch eine schriftliche Stellungnahme.

Mit Haftungsbescheid vom (zugestellt am ) wurde der Beschwerdeführer gemäß § 9 iVm § 80 ff. BAO für Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin iHv EUR 7.297,66 zur Haftung herangezogen. In der Begründung hielt die Abgabenbehörde u.a. fest, der Beschwerdeführer sei im Zeitraum von bis unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***T*** GmbH, also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen gewesen. Er sei somit auch verpflichtet gewesen, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen. Durch das pflichtwidrige Verhalten als Vertreter der Gesellschaft sei die Uneinbringlichkeit eingetreten. Weiters sei der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung, Behauptungen und Beweisangebote zu seiner Entlastung darzutun nicht nachgekommen, da keine Unterlagen vorgebracht worden seien, die aufzeigten, dass während des Zeitraumes in dem der Beschwerdeführer Vertreter der Gesellschaft gewesen sei, diverse Gläubiger (Lieferanten, Banken, Löhne, Krankenkassen) gleichmäßig befriedigt worden seien.

Am brachte der Beschwerdeführer eine Beschwerde gegen den Haftungsbescheid ein und beantragte die Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO. Die im Haftungsbescheid angeführten Steuern seien zur Gänze nach dem Ausscheiden des Beschwerdeführers als Geschäftsführer am fällig gewesen, wie aus dem Bescheid über die Bewilligung einer COVID-19-Ratenzahlung vom hervorgehe. Bis zum Ausscheiden aus der Geschäftsführung seien die Raten bezahlt worden, eine später durch den neuen Geschäftsführer allenfalls verursachte Säumnis sei nicht dem früheren Geschäftsführer anzulasten.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom (zugestellt am ) erfolgte die teilweise Stattgabe der Beschwerde: Die Bewilligung der Zahlungserleichterung ändere nichts an der Fälligkeit und der Verantwortung des Beschwerdeführers, dass die Abgaben bereits zur Fälligkeit hätten bezahlt werden müssen. Der Primärschuldnerin sei lediglich ein Zahlungsaufschub gewährt worden. Der Rückstand liege in der Verantwortung des jeweiligen Geschäftsführers. Hinsichtlich der Pfändungsgebühren und Barauslagenersätze entfalle allerdings die Haftungsinanspruchnahme, da diese nach dem Vertretungszeitraum des Beschwerdeführers entstanden seien.

Am stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht; die Vorlage erfolgte am .

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war vom zum (eingetragen im Firmenbuch am ) handelsrechtlicher Geschäftsführer und Gesellschafter der ***T*** GmbH (im Folgenden: Primärschuldnerin), wobei er bereits am per Gesellschafterbeschluss als Geschäftsführer abberufen und ***3*** zum neuen Geschäftsführer bestimmt wurde.

Die Primärschuldnerin wurde am gegründet. Am wurde der Konkurs eröffnet und die Gesellschaft infolge Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst. Am 21. Dezember wurde der Konkurs mangels Kostendeckung aufgehoben. Infolge Vermögenslosigkeit wurde die Firma am gemäß § 40 FBG amtswegig gelöscht.

Am brachte die Primärschuldnerin ein Ansuchen um Zahlungserleichterung bei der belangten Behörde für den gesamten Abgabenrückstand iHv EUR 14.387,09 ein. Mit Bescheid vom wurde ihr "unter Abweisung des Mehrbegehrens" eine Stundung bis bewilligt und ihr mitgeteilt, "dass die Beantragung einer Ratenzahlung gemäß § 323e BAO (Covid-Ratenzahlung Phase 1) nur im Zeitraum von bis möglich ist."

Daraufhin ersuchte die Primärschuldnerin am um Bewilligung einer COVID-19-Ratenzahlung für einen Rückstand von EUR 14.387,09 + EUR 825,00 für bis zum Ablauf der Zahlungserleichterung zu belastende (Viertel-)Jahresbeträge an Körperschaftsteuer, in Summe sohin betreffend EUR 15.012,09.

Mit Bescheid vom wurde ihr "gemäß § 323a Abs. 2 BAO zur Entrichtung ihrer überwiegend COVID-19-bedingten Abgabenschuldigkeiten die Ratenzahlung wie folgt bewilligt, wobei der Bewilligung die "derzeitige Höhe des Saldos und der von der Zahlungserleichterung umfassten Vorauszahlungen bzw. Vierteljahres-/Jahresfälligkeiten zugrunde gelegt" wurden:

Die ersten zwei Ratenzahlungen, die noch in die Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers fielen, wurden entrichtet.

Folgende Abgaben wurden zu den nachstehenden Fälligkeitstagen von der Primärschuldnerin nicht entrichtet:

Die Körperschaftsteuer 2019 wurde mit dem beigefügten Bescheid vom erstmalig festgesetzt.

Die oben genannten Abgaben sind bei der Primärschuldnerin uneinbringlich. Der Beschwerdeführer hat keinen Gleichbehandlungsnachweis hinsichtlich der im Haftungsbescheid genannten Abgaben angetreten.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich für das Bundesfinanzgericht aus den vorgelegten Aktenteile, insbesondere dem Firmenbuchauszug zu FN ***1*** und der Ausdrucke zum Abgabenkonto der GmbH.

Dass der Beschwerdeführer bis zum als Geschäftsführer fungierte ergibt sich aus der entsprechenden Eintragung im Firmenbuch sowie aus dem vorgelegten Gesellschafterbeschluss vom , aus welchem seine Abberufung hervorgeht.

Die Feststellungen zu den Ansuchen, Bewilligung und Begründung der genannten Zahlungserleichterungsansuchen ergibt sich aus ebendiesen. Die Fälligkeiten der im Haftungsbescheid angeführten Abgaben ergeben sich aus dem Haftungsbescheid bzw. dem diesen angehängten Bescheiden.

Dass die verfahrensgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sind, ergibt sich aus den folgenden, festgestellten Umständen: Am wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin ein Konkursverfahren beim Handelsgericht Wien unter der Aktenzahl ***2*** eröffnet. Der Konkurs wurde mit Beschluss vom mangels Kostendeckung aufgehoben, die Gesellschaft ist infolge der Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst. Aufgrund von Vermögenslosigkeit erfolgte am deren amtswegige Löschung gemäß § 40 FBG im Firmenbuch.

Dass der Beschwerdeführer keinen Gleichbehandlungsnachweis angetreten hat, folgt aus dem Umstand, dass er auf den Haftungsvorhalt hin keine Stellungnahme eingebracht hat sowie auch im folgenden Verfahren kein diesbezügliches Vorbringen erstattet hat.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

3.1.1. Rechtslage und Judikatur

§ 9 Abs. 1 BAO lautet:

"Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können."

§ 20 BAO lautet:

"Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen."

§ 80 Abs. 1 BAO lautet:

"Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden."

§ 212 BAO lautet auszugsweise:

"(1) Auf Ansuchen des Abgabepflichtigen kann die Abgabenbehörde für Abgaben, hinsichtlich derer ihm gegenüber auf Grund eines Rückstandsausweises (§ 229) Einbringungsmaßnahmen für den Fall des bereits erfolgten oder späteren Eintrittes aller Voraussetzungen hiezu in Betracht kommen, den Zeitpunkt der Entrichtung der Abgaben hinausschieben (Stundung) oder die Entrichtung in Raten bewilligen, wenn die sofortige oder die sofortige volle Entrichtung der Abgaben für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringlichkeit der Abgaben durch den Aufschub nicht gefährdet wird. Eine Gefährdung der Einbringlichkeit ist nicht anzunehmen, wenn der Abgabepflichtige glaubhaft macht, dass er durch die Gewährung der Zahlungserleichterung in die Lage versetzt wird, die vom Zahlungserleichterungsansuchen umfassten Abgabenschuldigkeiten innerhalb einer angemessenen Frist entrichten zu können. Die Bewilligung der Entrichtung in Raten kann nur für die Gesamtsumme der in der Gebarungsverrechnung (§ 213) enthaltenen Abgaben oder bei Gesamtschuldverhältnissen für alle Abgaben des Gesamtschuldverhältnisses erfolgen. Bei Ratenbewilligungen sind der Höhe nach bescheidmäßig festgesetzte Abgabenschuldigkeiten einzubeziehen, wenn deren Zahlungstermine in die Laufzeit der Ratenbewilligung fallen.

(2) Für Abgabenschuldigkeiten sind,

a) solange auf Grund eines Ansuchens um Zahlungserleichterungen, über das noch nicht entschieden wurde, Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden dürfen (§ 230 Abs. 3) oder

b ) soweit infolge einer gemäß Abs. 1 erteilten Bewilligung von Zahlungserleichterungen ein Zahlungsaufschub eintritt,

Stundungszinsen in Höhe von viereinhalb Prozent über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr zu entrichten. Im Fall der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld hat die Berechnung der Stundungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen. Im Fall eines Terminverlustes gilt der Zahlungsaufschub im Sinn dieser Bestimmung erst im Zeitpunkt der Ausstellung des Rückstandsausweises (§ 229) als beendet. Stundungszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen."

§ 230 BAO lautet auszugsweise:

(1) - (2) (…)

(3) Wurde ein Ansuchen um Zahlungserleichterungen (§ 212 Abs. 1) vor dem Ablauf der für die Entrichtung einer Abgabe zur Verfügung stehenden Frist oder während der Dauer eines diese Abgabe betreffenden Zahlungsaufschubes im Sinn des § 212 Abs. 2 zweiter Satz eingebracht, so dürfen Einbringungsmaßnahmen bis zur Erledigung des Ansuchens nicht eingeleitet werden; dies gilt nicht, wenn es sich bei der Zahlungsfrist um eine Nachfrist gemäß § 212 Abs. 3 erster oder zweiter Satz handelt.

(4) Wurde ein Ansuchen um Zahlungserleichterungen nach dem im Abs. 3 bezeichneten Zeitpunkt eingebracht, so kann die Abgabenbehörde dem Ansuchen aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Maßnahmen zur Einbringung zuerkennen; das gleiche gilt für einen Antrag gemäß § 214 Abs. 5.

(5) Wurden Zahlungserleichterungen bewilligt, so dürfen Einbringungsmaßnahmen während der Dauer des Zahlungsaufschubes weder eingeleitet noch fortgesetzt werden. Erlischt eine bewilligte Zahlungserleichterung infolge Nichteinhaltung eines Zahlungstermines oder infolge Nichterfüllung einer in den Bewilligungsbescheid aufgenommenen Bedingung (Terminverlust), so sind Einbringungsmaßnahmen hinsichtlich der gesamten vom Terminverlust betroffenen Abgabenschuld zulässig. Ist ein Terminverlust auf andere Gründe als die Nichteinhaltung eines in der Bewilligung von Zahlungserleichterungen vorgesehenen Zahlungstermines zurückzuführen, so darf ein Rückstandsausweis frühestens zwei Wochen nach Verständigung des Abgabepflichtigen vom Eintritt des Terminverlustes ausgestellt werden.

(6) (…)

(7) Kommen während der Zeit, in der gemäß Abs. 1 bis 6 Einbringungsmaßnahmen nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden dürfen Umstände hervor die die Einbringung einer Abgabe gefährden oder zu erschweren drohen, so dürfen Einbringungsmaßnahmen durchgeführt werden, wenn spätestens bei Vornahme der Vollstreckungshandlung ein Bescheid zugestellt wird, der die Gründe der Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung anzugeben hat (Vollstreckungsbescheid). Mit der Zustellung dieses Bescheides treten bewilligte Zahlungserleichterungen außer Kraft."

§ 224 Abs. 1 BAO lautet:

"Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten."

§ 248 BAO lautet:

"Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2, 4 und 5 sinngemäß."

3.1.2. Nach der im Folgenden näher dargestellten, ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO voraus, dass

1. die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO gehört (Vertreterstellung),

2. eine uneinbringliche Abgabenforderung gegen den Vertretenen besteht (Uneinbringlichkeit),

3. ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertretenen vorliegt (Verschulden) und

4. die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (Kausalität).

3.1.2.1. Zur Vertreterstellung

Der Beschwerdeführer war festgestellt vom zum (eingetragen im Firmenbuch am ) handelsrechtlicher Geschäftsführer und Gesellschafter Primärschuldnerin und gehörte damit zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO.

Zu seinen Pflichten als Geschäftsführer der GmbH gehörte es daher, die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft wahrzunehmen und insbesondere für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ; , 2006/13/0121; , 2008/15/0085).

Von den haftungsgegenständlichen Abgaben waren allerdings die Pfändungsgebühren und Barauslagen erst am 14. März bzw. fällig, sohin nach Ausscheiden des Beschwerdeführers als Geschäftsführer, weshalb diese Abgaben - wie auch von der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung - erkannt schon aus diesem Grund aus der Haftung auszuscheiden sind.

3.1.2.2. Zur Uneinbringlichkeit der Abgaben

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus ().

Im vorliegenden Fall sind die verfahrensgegenständlichen Abgaben den Feststellungen zufolge bei der Primärschuldnerin uneinbringlich.

3.1.2.3. Zum Verschulden

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine verschuldensabhängige Haftung. Voraussetzung ist daher ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten der vertretenen Gesellschaft.

Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.

Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1994 hat der Unternehmer spätestens am Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 und des § 16 leg.cit., selbst zu berechnen hat. Der Unternehmer hat eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.

Für Körperschaftsteuervorauszahlungen, sowie für die -abschlusszahlungen sind die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes über die Veranlagung und Entrichtung der Körperschaftsteuer sinngemäß anzuwenden (§ 24 Abs. 3 Z 1 KStG). Gemäß § 45 Abs. 2 EStG 1988 sind die Körperschaftsteuervorauszahlungen vierteljährlich zu leisten. Der Fälligkeitszeitpunkt für die Körperschaftsteuerabschlusszahlungen richtet sich nach der Grundregel des § 210 Abs. 1 BAO und tritt damit mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe des Abgabenbescheides ein.

Im Vorlageantrag wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die Uneinbringlichkeit von Abgaben durch schuldhafte Pflichtverletzung keinesfalls verursacht habe:

Die Primärschuldnerin habe vielmehr durch massive Umsatzverluste infolge der Covid-19-Pandemie im maßgeblichen Zeitraum Juni 2021 nur über eine äußerst geringe Liquidität verfügt, die es nicht erlaubt hätte, größere Zahlungen, wie die am fällige KöSt 2019 iHv EUR 14.947,- termingerecht zu leisten. Deshalb sei am ein Ansuchen um Zahlungserleichterung eingebracht worden; am sei eine Covid-19-Ratenzahlung für einen Gesamtrückstand iHv EUR 15.012,09 bewilligt worden, die auch eingehalten worden sei, solange der Beschwerdeführer als Geschäftsführer tätig gewesen sei. Nach seinem Ausscheiden mit habe der Beschwerdeführer aber weder rechtlich, noch tatsächlich die Möglichkeit gehabt, die bewilligten Ratenzahlungen der Primärschuldnerin zu veranlassen. Da die verfügbaren Mittel keine größeren Zahlungen als die bewilligten Monatsraten erlaubt hätten, habe der Beschwerdeführer alles Zumutbare getan, um die finanziellen Verpflichtungen der Primärschuldnerin gegenüber dem Finanzamt zu erfüllen. Dass die Primärschuldnerin in diese Zwangslage geraten sei, sei ausschließlich dem pandemiebedingten Umsatzeinbruch (Lockdowns, Geschäftsschließungen etc.) zuzuschreiben und keinem schuldhaften Verhalten des Geschäftsführers.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass sich der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Beschwerdeführer die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes danach bestimmt, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (). Maßgebend ist daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, unabhängig davon, ob die Abgabe bescheidmäßig festgesetzt wurde ().

Soweit der Beschwerdeführer als Hauptargument gegen den Haftungsbescheid vorbringt, dass mit Bewilligung des Covid-19-Zahlungserleichterungsansuchens mit Bescheid vom die Fälligkeit der geschuldeten Abgaben nach "hinten" verlagert worden seien, wodurch es zu keiner schuldhaften Verletzung der dem Geschäftsführer auferlegten Pflichten kommen konnte, ist ganz allgemein im Zusammenhang mit der Bewilligung von Zahlungserleichterungen darauf zu verweisen, dass der Tag, an dem die Abgabenschulden fällig geworden sind, durch die Bewilligung von Zahlungserleichterungen (Stundung oder Ratenzahlung) unberührt bleibt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () ändert ein nach Eintritt der Fälligkeit von Abgaben eingebrachtes Ratenansuchen nichts daran, dass bei Unterlassung der Zahlung ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Abgabenentrichtung vorliegt. Durch die Bewilligung von Zahlungserleichterungen wird lediglich der Zeitpunkt der Verpflichtung zur Entrichtung der Abgaben hinausgeschoben.

Wird zeitgerecht im Sinne des § 230 Abs. 3 BAO die ratenweise Abdeckung des Abgabenrückstandes beantragt, und diesem Antrag stattgegeben, dann ist der Geschäftsführer nur verhalten, die gemäß dem Tilgungsplan fällig werdenden Ratenzahlungen zu leisten. Kommt er dieser Verpflichtung nach, kann er nicht für Abgaben zur Haftung herangezogen werden, die nur deshalb unberichtigt geblieben sind, weil die Gesellschaft während aufrechter Zahlungserleichterung in Konkurs gegangen ist, und aus diesem Grund keine weiteren Teilzahlungen zur Abdeckung der restlichen, von der Zahlungserleichterung umfassten Abgabenschulden mehr erfolgen konnten. Ein allfälliges Verschulden am Eintritt der Insolvenz ist für die Haftung nach § 9 BAO ohne Bedeutung (Ritz, BAO7, § 9 Tz 10 mwH).

Im vorliegenden Fall kam es bereits mit zu einem Zahlungserleichterungsansuchen für den gesamten Abgabenrückstand. Die belangte Behörde bewilligte auf Grundlage dieses Zahlungserleichterungsansuchens zunächst eine Stundung bis zum und wies die Primärschuldnerin ausdrücklich auf die Möglichkeit von Covid-19-Ratenzahlungsansuchen hin. Von dieser Möglichkeit machte die Primärschuldnerin krisenbedingt Gebrauch und brachte am neuerlich ein Zahlungserleichterungsansuchen ein, das wie festgestellt bewilligt wurde. Die ersten zwei Raten wurden unter der Geschäftsführung des Beschwerdeführers noch gezahlt. Dafür, dass die Primärschuldnerin oder der Beschwerdeführer irreführende oder unvollständige Angaben im Zahlungserleichterungsansuchen gemacht hätten, gibt es keine Hinweise und behauptet im Übrigen auch die belangte Behörde nicht.

Da die Einbringung bereits durch den rechtzeitigen Antrag vom , der zunächst zur Stundung führte, gehemmt war, und während dieser Hemmung auch eine Covid-19-Ratenzahlung iSd § 323e BAO beantragt und bewilligt wurde, kann dem Beschwerdeführer für die ab fälligen, in seinen Geschäftsführungszeitraum fallenden Abgaben keine schuldhafte Pflichtverletzung zum Vorwurf gemacht werden. Bei diesem Ergebnis kann dem Beschwerdeführer auch nicht angelastet werden, dass er für die in Rede stehenden Abgaben keinen Nachweis der Gläubigergleichbehandlung vorgelegt hat.

Soweit die belangte Behörde eine schuldhafte Verletzung der dem Beschwerdeführer auferlegten Pflichten darin erblickt, dass verabsäumt worden sei, die Körperschaftssteuer-Vorauszahlungen im Hinblick auf die absehbare hohe Nachzahlung entsprechend anzupassen, ist abschließend Folgendes festzuhalten:

Bei den Vorauszahlungen iSd § 45 EStG 1988 iVm § 24 Abs. 3 Z 1 KStG 1988 handelt es sich um keine Selbstbemessungsabgaben, sondern sind diese bescheidmäßig festzusetzen (Brugger in Kofler/Lang/Rust/Schuch/Spies/Staringer [Hrsg], WU-KStG, 3. Aufl. [2022], Rz. 30 zu § 24; Peyerl in Jakom, EStG, 16. Aufl. [2023], Rz. 2 zu § 45; jeweils mwN). Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass ein Abgabepflichtiger dem Finanzamt unaufgefordert Umstände mitzuteilen hat, die dieses gemäß § 45 Abs. 4 EStG 1988 iVm § 24 Abs. 3 Z 1 KStG 1988 zu einer Anhebung der Körperschaftsteuervorauszahlungen berechtigen würden. Eine Verpflichtung des Beschwerdeführers, von sich aus und ohne bescheidmäßige Festsetzung höhere Vorauszahlungsbeträge zu leisten, bestand daher jedenfalls nicht. Ein Geschäftsführer einer GmbH begeht auch keine haftungsbegründende Pflichtverletzung iSd § 9 Abs. 1 BAO, wenn er dem Finanzamt derartige Umstände nicht mitteilt (vgl. dazu ausführlich mwH).

3.1.3. Ergebnis

Der Beschwerde ist daher in vollem Umfang stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe dazu die unter 3.1. dargestellte Rechtsprechung, der die Entscheidung folgt); weiters ist die vorliegende auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 230 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 45 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 210 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101801.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at