Erhöhte Familienbeihilfe nach Herztransplantation
Revision eingebracht.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch Huber & Dietrich Rechtsanwalts-Partnerschaft, Rudolfstraße 4, 4040 Linz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe 05.2022 (Ordnungsbegriff: ***OB***) zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Am stellte die Beschwerdeführerin (Bf) einen Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe für ihren am ***Dat*** geborenen Sohn ***K1*** ab 05/2022 wegen dauerhafter Immunsuppression und Pulmonalarterienstenose links aufgrund einer Herztransplantation im Jänner 2006. In einer mit diesem Antrag übermittelten Stellungnahme wurde von der Bf (Physiotherapeutin) und ihrem Gatten ***1*** (***1a*** / KH barmherzige Brüder) ausführlich dargelegt, warum das Sozialministeriumservice -Gutachten vom aus medizinischer Sicht nicht akzeptiert werden könne.
Davor bezog die Bf die erhöhte Familienbeilhilfe ab Februar 2004 aufgrund der Einschätzung des Grades der Behinderung vom Sozialministeriumservice (SMS) mit 80 %. Infolge einer Nachuntersuchung beim SMS wurde mit Gutachten vom der Grad der Behinderung (GdB) auf 40 % ab Mai 2022 herabgesetzt.
Das im Zuge des Beschwerdeverfahrens angeforderte Gutachten des SMS vom bescheinigt wiederum einen Behinderungsgrad von 40% ab , weshalb die Beschwerde abgewiesen wurde. In dem gegen die Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom eingebrachten Vorlageantrag wurde eingewendet, dass die Gutachterin die nachweislich übergebene Fremdanamnese eines Facharztes (Kindesvater) in ihrem Gutachten nicht verwertete.
Bei den nachstehend angeführten SMS-Gutachten wurde jeweils eine Untersuchung des Kindes durchgeführt.
1. SMS-Gutachten vom lautet:
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Vorgelegt im Rahmen der Untersuchung: 07/20 kokon Rohrbach: Hypoplast. Linksherzsyndrom Z.n. Herztransplantation mit Erweiterungsplastik bd PA, Aortenbogen und Ao desc. 01/06, LPA-Stent 2007, Stent-Dil. und Myocardbiopsie 2008, leichte Pulmonalstenose links Idiopathische Skoliose beim Jugendlichen Psoriasis vulgaris.
Ergometrie: Abbruch nach mmax. Ausbelastung und musk. Erschöpfung bei max. Leistung von 110W
09/20 KUK Kinderkardiologie: gleiche Diagnosen - ad geplanten diagnost. Herzkatheter: gute biventrikuläre Funktion, kein Pleuraerguß, insgesamt zufriedenstellend, Koronargefäße zentral und halbperipher sicher unauffällig, Arborisierung im re Ventrikel ev. etwas vermindert.
12/21 ***A1***, Kinder-FÄ , Kinderkardiol.: bekannte Diagnosen. Sehr erfreulicher Befund , gute Ventrikelfunktion.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: gut.
Ernährungszustand: gut.
Größe: 180,00 cm Gewicht: 69,00 kg Blutdruck: --
Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
Sensorium: Heiserkeit bei Recurrensparese. internistisch: Herz SR, tc, deutliches Systolikum, Lunge VA, keine RGs, keine Dyspnoe im Untersuchungsrahmen. Bewegungsapparat unauff., frei.
Gesamtmobilität - Gangbild: frei, unauff.
Psycho(patho)logischer Status: unauff.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr. Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr. 1 Koronare Herzkrankheit, Z.n. Herztransplantation 2004 wegen hypoplastischem Linksherzsydrom, Aortenisthmusstenose, Stent Weiterhin die lebenslange immunsuppressive Medikation. Im Alltag weitgehend gut belastbar, ermüdet anamnestisch beim Sport und anderen Belastungen schneller als andere. Laut Befunden erfreuliche Entwicklung, gute Ventrikelleistung. Pos.Nr.: Gdb % 40
Gesamtgrad der Behinderung: 40 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: laut Pos 1.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Berichtete Recurrensparese - leichte Heiserkeit, keine Schluckstörung, keine Fachbefunde. Idiopathische Skoliose beim Jugendlichen laut Reha-Bericht kokon - keine Angaben, keine Befunde. Psoriasis vulgaris laut Reha-Bericht kokon - klinisch unauff., keine Fachbefunde, keine Angaben.
Stellungnahme zu Vorgutachten: Herabsetzung von 80% auf 40% aufgrund der vorliegenden Befunde.
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja
GdB liegt vor seit: 05/2022
GdB 80 liegt vor seit: 02/2004
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor: 80% laut Vorgutachten. 40% ab Untersuchungsdatum.
Herr ***K*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: Kognitiv unauffällig, maturiert im nächsten Jahr.
x Dauerzustand
2. SMS-Gutachten vom lautet:
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
card. Bef. mitgebr. 6/23 ***A1***: Z.n. Herztransplantation mit Erweiterungsplastik bd PA, Aortenbogen und Ao desc. 01/06, LPA-Stent 2007, Stent-Dil. und Myocardbiopsie 2008, leichte Pulmonalstenose links; Sehr erfreulicher Befund, gute Ventrikelleistung, letztes Labor 6/23 alles o. B. inkl. HBA1 C , letztes EKG 12/22 unauff., aktuelles EKG : unauff., RR 138/88,
Weitere Befunde ***A1*** 6/22 und 12/22 mit obigen Diagnosen sowie alle weiteren beigebrachten Befunde und Vorgutachten werden gelesen und berücksichtigt.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: gut
Ernährungszustand: gut
Größe: 180,00 cm Gewicht: 69,00 kg Blutdruck: normal
Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
Kopf / Hals: unauffällig
Sprache : leichte Heiserkeit, sonst unauffällig
int. Status : Pulmo : frei, keine Rg's, Cor: Systolikum, HF in der Norm, rhythmisch, blande Thrax Narbe und Drainnarben, geringe Verschiebung des Sternums im dist,. Bereich sonst schönes Op- Ergebnis.
WS und Gelenke : frei beweglich, geringe Skoliose der BWS, Haut: 0. B. Newro: 0. B. etwas krakeliges Schriftbild
Gesamtmobilität- Gangbild: frei
Psycho(patho)logischer Status: etwas schüchtern, unsicher und nervös, redet wenig, sonst aber unauffällig
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr. Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr. 1 Koronare Herzkrankheit, Z.n. Herztransplantation 2004 wegen hypoplastischem Linksherzsydrom, Aortenisthmusstenose, Stent Weiterhin die lebenslange immunsuppressive Medikation. Im Alltag weitgehend gut belastbar, ermüdet anamnestisch beim Sport und anderen Belastungen schneller als andere. Laut Befunden erfreuliche Entwicklung, gute Ventrikelleistung. POs. wird sinngemäß angewendet Pos.Nr.: Gdb % 40
Gesamtgrad der Behinderung: 40 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: laut Pkt. 1.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Berichtete Recurrensparese - leichte Heiserkeit, keine Schluckstörung, keine Fachbefunde. Idiopathische Skoliose beim Jugendlichen laut Reha-Bericht kokon - keine Angaben, keine Befunde. Psoriasis vulgaris laut Reha-Bericht kokon - klinisch unauff., keine Fachbefunde, keine Angaben
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Nach sorgfältiger Durchsicht der Befunde und Vorgutachten ergibt sich keine Änderung des Gesamt- GdB von 40%. Das Flag- Vorgutachten 5/22 ***A3*** f. AM mit GdB 40% ist schlüssig; eingeschätzt wird der Ist- Zustand mit aktuell bestätigter guter Organfunktion und Belastbarkeit (im Vergleich zu Gleichaltrigen ) und guter Verträglichkeit der immunsuppressiven Therapie (unauffällige Laborwerte). Die lebenslang notwendige immunsuppressive Therapie und die unter den Beschwerden angegeben leichten Defizite (bei sonst regelrechter Entwicklung) welche möglicherweise aus den Umständen einer erschwerten Entwicklung bei Z. n. schwere Erkrankung resultieren und sind in Punkt 1 eingeschätzt und mit berücksichtigt. Es gibt laut Einschätzungsverordnung keine Position, welche die lebenslange immunsuppressive Therapie per se mit GdB 50% bewertet.
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja
GdB liegt vor seit: 05/2022
GdB 80 liegt vor seit: 02/2004
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Herr ***K*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: mit beruflicher Regelintegration ist zu rechnen.
x Dauerzustand
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Am langte beim Finanzamt ein Antrag der Bf auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ab 05/2022 für ihren am ***Dat*** geborenen Sohn ***K1*** - wegen dauerhafter Immunsuppression und Pulmonalarterienstenose links aufgrund einer Herztransplantation - ein.
Mit diesem Antrag wurde auch eine von der Bf und ihrem Ehegatten verfasste Stellungnahme übermittelt. Darin wird ausführlich dargelegt, warum das SMS-Gutachten vom aus medizinischer Sicht nicht akzeptiert werden könne.
Diese Herabstufung ist für uns nicht nachvollziehbar aus folgenden Gründen:
1. Die Herztransplantation stellt ein palliatives Therapieverfahren dar. Die Lebensdauer eines transplantierten Organes ist limitiert und dessen Haltbarkeit nicht vorhersagbar. Ein transplantiertes Herz altert schneller.
2. Eine dauerhafte Immunsuppression ist erforderlich. Damit ist eine erhöhte Infektanfälligkeit verbunden. Gerade in Zeiten einer Pandemie gilt ein immunsupprimierter Patient als Hochrisikopatient hinsichtlich Covid 19 und im Falle einer Infektion muss mit einem schwereren Erkrankungsverlauf gerechnet werden. Eine Herabstufung in Zeiten erhöhter Infektionsgefahr ist daher für uns nicht nachvollziehbar.
3. Die Einstufung des Behindertengrades bezieht sich rein auf die Herzfunktion (Pos..) wie sie bei einer KHK zu klassifizieren ist. Die Tatsache, dass es sich um ein Spenderorgan handelt wird bei dieser Einstufung vollkommen außer Acht gelassen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Nierentransplantation mit komplikationslosem Verlauf einen Behinderungsgrad 50 v.H erreicht (Pos.), dies aber bei einer Herztransplantation nicht Berücksichtigung findet.
Mit Bescheid vom wurde unter Verweis auf ein SMS-Gutachten - mit einem festgestellten Behinderungsgrad von 40% - der Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe ab 05/2022 abgewiesen.
Davor bezog die Bf erhöhte Familienbeilhilfe ab der Geburt aufgrund des vom SMS ermittelten GdB von 80 %. Infolge einer Nachuntersuchung beim SMS wurde mit Gutachten vom der Grad der Behinderung auf 40 % ab herabgesetzt.
Vom Rechtsvertreter der Bf wurde ein umfangreiches Beschwerdevorbringen erstattet:
Ein Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Inneren Medizin/Kardiologie wurde nicht eingeholt. Die Begründung für das Gutachten erfolgt stichwortartig, die lebenslange immunsupresslve Medikation wurde beispielsweise stichwortartig erwähnt, allerdings nicht gewürdigt.
Lt. Beschwerdesei entgegen § 8 Abs 6 FLAG das Gutachten der antragstellenden Person erst nach Urgenz übermittelt worden. Nach schriftlicher Stellungnahme der nunmehrigen Bf (und ihres Ehegatten) wurde der gegenständliche Abweisungsbescheid vom erlassen.
Gem. § 4 Abs 1 der Einschätzungsverordnung sind erforderlichenfalls Experten aus anderen Fachbereichen zur ganzheitlichen Beurteilung des Grades der Behinderung (MdE)heranzuziehen. Im konkreten Fall wäre zweifellos ein Kardiologe, konkret ein Kinderkardiologe, beizuziehen gewesen, zumal die Gesamtbeurteilungder Funktionsbeeinträchtigung nicht durch einen Arzt für Allgemeinmedizin bzw einen Anästhesisten umfassend erfolgen kann.
Zudem ist die Einschätzungsverordnunggesetzwidrig: Die Verordnungsermächtigung ist in § 14 Abs 3 BEinstG (§ 8 Abs 5 FLAG 1967) enthalten. Gem. § 14 Abs 3 BEinstG hat die Verordnung die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf das allgemeine Erwerbsleben zu berücksichtigen und auf den Stand der medizinischen Wissenschaft Bedacht zu nehmen.
Die teleologische Auslegung des § 14 Abs 3 BEinstG würde ergeben, dass auf den gegenwärtigen bzw aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft Bedacht zu nehmen ist, demnach die Einschätzungsverordnung (regelmäßig) dem Stand der medizinischen Wissenschaft anzupassen wäre. Dies sei - für den gegenständlichen Sachverhalt relevant - unterlassen worden. Die erste erfolgreiche Herztransplantation bei einem Neugeborenen erfolgte im Jahr 1985. Anfangs verstarben die meisten Kinder innerhalb der ersten Lebensjahre. Erst durch den Fortschritt in Diagnostik und Therapie erreicht nunmehr die Mehrzahl dieser Patienten das Erwachsenenalter; heutzutage erreichen über 95 % dieser Patienten sogar das höhere Erwachsenenalter, dessen ungeachtet bleiben in nahezu allen Fällen typische Beeinträchtigungen bzw Einschränkungen zurück (***K***, "Mit halbem Herzen durchs ganze Leben", vorwissenschaftliche Arbeit ***X***, März 2023, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Obgleich erst in jüngerer Vergangenheit Menschen, die als Kleinkinder eine Herztransplantation erfuhren, das Erwachsenenalter erreichen, wurde die Einschätzungsverordnung nicht entsprechend dem derzeitigen Stand der Wissenschaft angepasst, sie blieb (in diesem Punkt) seit 13 Jahren unverändert. Die Einschätzungsverordung entspricht sohin nicht (mehr) § 14 Abs 3 des BEinstG und ist damit gesetzwidrig.
Dass transplantierte Organe und die damit zwangsläufig verbundene dauerhafte Immunsupression bei Einschätzung des GdB relevant sind, zeigt Punkt der Anlage zur Einschätzungsverordnung ebenso wie Punkt (Lebertransplantallon) und Punkt (Pankreastransplantatlon). Bei allen Organen bewirkt die Transplantation einen GdB von Jedenfalls über 50 %. Ausschließlich bei Herzkrankheiten wird auf die vorangegangene Transplantation (und die zwangsläufig damit in der Folge verbundene Immunsupression) nicht Bedacht genommen. Dies kann nur ein Übersehen des Verordnungsgebers sein (unbeabsichtigte "Lücke" Im Verordnungstext), welche Unvollständigkeit gem. § 2 Abs 2 der Einschätzungs-VO durch Analogie zu schließen ist.
Diese Gesetzesanalogie bringt zwanglos einen GdB von jedenfalls über 50 % und ist damit dem Antrag der Beschwerdeführerin vollinhaltlich Folge zu geben. Zudem subsumiert das Gutachten das gegenständliche Hypoplastische Linksherzsyndrom (HLHS) fälschlich unter die Position der Anlage zur EinschätzungsVO; Koronare Herzkrankheit mit keiner bis geringer Einschränkung der Herzleistung.
Mit BVE vom wurde unter Hinweis auf ein (weiteres) SMS-Gutachten vom - mit einem bei ***K1*** festgestellten GdB von 40% - die am eingebrachte Beschwerde abgewiesen.
In dem fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag, eingelangt am , wurde eingewendet, dass die Gutachterin die nachweislich übergebene Fremdanamnese eines Facharztes - es handelt sich dabei um den Kindesvater / Gatte der Bf - in ihrem Gutachten nicht verwertet habe und bereits aufgrund der vorliegenden Befunde und Beschwerden ein GdB von mindestens 50 % gerechtfertigt sei.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen sowie den von der belangten Behörde elektronisch vorgelegten Unterlagen, insb. aus den unter Punkt I.) angeführten ärztlichen Sachverständigengutachten vom und vom .
Die Abgabenbehörde und auch das Bundesfinanzgericht haben gemäß § 167 Abs. 2 Bundesabgabenordnung (BAO) unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa ) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.
Das Bundesfinanzgericht sah es als erwiesen an, dass beim Kind ***K***, VNR ***SV***, für den beschwerderelevanten Zeitraum ein Behinderungsgrad von mindestens 50 % nicht gegeben war.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
§ 8 FLAG 1967 idF BGBl. I Nr. 93/2022 lautet:
(4) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist, (Anm.: Z 1 mit Ablauf des außer Kraft getreten) (Anm.: Z 2 mit Ablauf des außer Kraft getreten) 3. ab um 155,9 €.
(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.
§ 10 FLAG 1967 lautet:
(1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen.
(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
(3) Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) werden höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. In bezug auf geltend gemachte Ansprüche ist § 209 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl.Nr. 194/1961, anzuwenden.
§ 14 Behinderteneinstellungsgesetz idF BGBl. I Nr. 57/2015lautet auszugsweise:
…
(3) Der Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist ermächtigt, nach Anhörung des Bundesbehindertenbeirates gemäß § 8 BBG durch Verordnung nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung festzulegen. Diese Bestimmungen haben die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf das allgemeine Erwerbsleben zu berücksichtigen und auf den Stand der medizinischen Wissenschaft Bedacht zu nehmen.
…
Die Einschätzungsverordnung idF BGBl II 2012/251 lautet auszugsweise:
Behinderung
§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. … Grad der Behinderung
§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der funktionellen Einschränkungen in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt.
(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
§3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens.
In der Anlage zur Einschätzugs-VO wird unter Abschnitt 05 "Herz und Kreislauf " unter Pos. Nr. die " Nierentransplantation " wie folgt beschrieben: "GdB 50 % bei einem komplikationsfreien Verlauf nach Nierentransplantation. Die Notwendigkeit dauernder Immunsupression ist miterfasst". Bei der koronaren Herzkrankheit wird unter Pos. Nr. ausgeführt: GdB 30 %: Linksventrikelfunktion gut erhalten (maximal NYHA II) Erfolgreiche Gefäßaufdehnung / Stent-Implantation oder Bypass-Operation GdB 40 %: Erhaltener Linksventrikelfunktion (maximal NYHA II) bei abgelaufenem Myocardinfark Belastbarkeit geringfügig eingeschränkt.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist festzuhalten, dass aufgrund der Stellungnahme vom (Beilage zum Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe) ersichtlich ist, dass auf das Sachverständigengutachten vom Bezug genommen wurde. Durch die neuerliche Antragstellung auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe, ist der Einwand der Bf, wonach kein fristgerechter Einspruch (gemeint: Beschwerde) mehr erfolgen konnte, obsolet geworden.
Ausmaß der Behinderung
Gem. § 2 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Durch die Bestimmung des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 hat der Gesetzgeber die Feststellung des Grades der Behinderung der eigenständigen Beurteilung der Finanzämter als Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und können von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen (). Daraus resultiert de facto eine Bindung an die Feststellungen der im Wege des SMS (Sozialministeriumservice) erstellten Gutachten und darf die belangte Behörde die auf Basis des Gutachtens erstellte Bescheinigung nur insoweit überprüfen, ob diese als schlüssig, vollständig und nicht einander widersprechend anzusehen ist (z.B. mit Hinweis auf , und ; Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, Rz 29 zu § 8). Das Bundesfinanzgericht (BFG) sieht bei der gegenständlichen Sach- und Beweislage keinen Grund bei den mit vollständigem Text übermittelten Sachverständigengutachten, an deren Schlüssigkeit sowie am festgestellten prozentuellen Ausmaß der Behinderung (40 %) zu zweifeln.
Nach dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung in § 8 Abs. 5 FLAG 1967 ist eine "erhebliche Behinderung" nicht nach der zugrundeliegenden Ursache, sondern nach der vorhandenen Funktionsbeeinträchtigung zu beurteilen. Auch nach § 1 der Einschätzungsverordnung ist unter Behinderung die "Auswirkung" der Funktionsbeeinträchtigung zu verstehen und ist das Ausmaß dieser Auswirkungen als Grad der Behinderung zu beurteilen.
§ 8 Abs. 6 FLAG 1967 verlangt zur Überprüfung des Beihilfenanspruches der Beschwerdeführerin ein qualifiziertes Nachweisverfahren in Form einer beweiskräftigen Bescheinigung des Sozialministeriumservice. Die Abgabenbehörde ist an die Feststellung der im Wege des SMS erstellten ärztlichen Sachverständigengutachten gebunden.
In dem im Zuge der Beschwerdeerledigung angeforderten Gutachten des SMS vom erfolgte die Einschätzung des Grades der Behinderung mit 40% ab .
Auch das Bundesfinanzgericht hat für seine Entscheidung die ärztlichen Sachverständigengutachten heranzuziehen, sofern diese als vollständig und schlüssig anzusehen sind. Es ist also im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens festzustellen, ob die oben angeführten im Wege des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) erstellten medizinischen Gutachten diesen Kriterien entsprechen.
Im vorliegenden Fall wurde ein umfangreiches Beschwerdevorbringen erstattet:
Ein Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Inneren Medizin/Kardiologie wurde nicht eingeholt. Die Begründung für das Gutachten erfolgt stichwortartig, die lebenslange immunsupresslve Medikation wurde beispielsweise stichwortartig erwähnt, allerdings nicht gewürdigt.
Lt. Beschwerde sei entgegen § 8 Abs 6 FLAG das Gutachten der antragstellenden Person erst nach Urgenz übermittelt worden. Nach schriftlicher Stellungnahme der nunmehrigen Bf (und ihres Ehegatten) wurde der gegenständliche Abweisungsbescheid vom erlassen.
Gem. § 4 Abs 1 der Einschätzungsverordnung sind erforderlichenfalls Experten aus anderen Fachbereichen zur ganzheitlichen Beurteilung des Grades der Behinderung (MdE)heranzuziehen. Im konkreten Fall wäre zweifellos ein Kardiologe, konkret ein Kinderkardiologe, beizuziehen gewesen, zumal die Gesamtbeurteilung der Funktionsbeeinträchtigung nicht durch einen Arzt für Allgemeinmedizin bzw einen Anästhesisten umfassend erfolgen kann.
Zudem ist die Einschätzungsverordnung gesetzwidrig: Die Verordnungsermächtigung ist in § 14 Abs 3 BEinstG (§ 8 Abs 5 FLAG) enthalten. Gem. § 14 Abs 3 BEinstG hat die Verordnung die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf das allgemeine Erwerbsleben zu berücksichtigen und auf den Stand der medizinischen Wissenschaft Bedacht zu nehmen.
Dass transplantierte Organe und die damit zwangsläufig verbundene dauerhafte Immunsupression bei Einschätzung des GdB relevant sind, zeigt Punkt der Anlage zur Einschätzungsverordnung ebenso wie Punkt (Lebertransplantallon) und Punkt (Pankreastransplantatlon). Bei allen Organen bewirkt die Transplantation einen GdB von Jedenfalls über 50 %. Ausschließlich bei Herzkrankheiten wird auf die vorangegangene Transplantation (und die zwangsläufig damit in der Folge verbundene Immunsupression) nicht Bedacht genommen. Dies kann nur ein Übersehen des Verordnungsgebers sein (unbeabsichtigte "Lücke" Im Verordnungstext), welche Unvollständigkeit gem. § 2 Abs 2 der Einschätzungs-VO durch Analogie zu schließen ist.
Diese Gesetzesanalogie bringt zwanglos einen GdB von jedenfalls über 50 % und ist damit dem Antrag der Beschwerdeführerin vollinhaltlich Folge zu geben. Zudem subsumiert das Gutachten das gegenständliche Hypoplastische Linksherzsyndrom (HLHS) fälschlich unter die Position der Anlage zur EinschätzungsVO; Koronare Herzkrankheit mit keiner bis geringer Einschränkung der Herzleistung.
Zunächst ist festzuhalten, dass über die behauptete falsche Einordnung des gegenständlichen Hypoplastischen Linksherzsyndroms (HLHS) unter die Position der Anlage zur EinschätzungsVO nur in einem ärztl. Gutachten abgesprochen werden kann.
Unter Abschnitt 05_Herz und Kreislauf der Anlage zur Einschätzungs-VO werden die einzelnen Krankheitsbilder genau beschrieben. Zudem wurde im SMS-Gutachten auf die mit der Herztransplantation verbundene Immunsupression - die regelmäßig bei Transplantationen auftritt - konkret Bezug genommen, indem eine lebenslange Medikation verordnet wurde.
In der Beschwerde wurde darauf hingewiesen, dass auf den gegenwärtigen bzw aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft Bedacht zu nehmen sei, demnach die Einschätzungsverordnung (regelmäßig) dem Stand der medizinischen Wissenschaft anzupassen wäre. Dies sei - für den gegenständlichen Sachverhalt relevant - unterlassen worden. Die Weiterentwicklung bei den Transplantationen, die zu einer Verlängerung der Lebensdauer nach einer Herztransplantation führt, bewirkt nach den Denkgesetzen eine Verminderung des Grades der Behinderung. Die teleologische Auslegung des § 14 Abs 3 BEinstG bedeutet nach Ansicht des erkennenden Richters im vorliegenden Fall nicht, dass jeder medizinische Fortschritt in diesem Bereich sofort zu einer Änderung der Einschätzungsverordnung führen muss. Die Argumentation des Rechtsvertreters ist deshalb nicht schlüssig, weil die Einschätzungsverordnung auf die Funktionsbeeinträchtigung abstellt und dadurch ohnehin dem Stand der medizinischen Wissenschaft Rechnung getragen wird.
Von der ***KH*** liegen vom sowie vom kardiologische Befunde vor, die von der Fachärztin PD ***A2*** erstellt wurden. Auf diese Befunde wurde in beiden SMS-Gutachten Bezug genommen. Ein weiterer kardiologischer Befund vom Juni 2023 wurde als relevanter Befund konkret gewürdigt und ist demnach auch in die Gesamtbeurteilung eingeflossen. Das entsprechende Beschwerdevorbringen geht demnach ins Leere.
Es wurde vom Rechtsvertreter auch nicht nachvollziehbar dargelegt, inwieweit die bei einer Herztransplantation auftretenden Funktionsbeeinträchtigungen mit jenen bei anderen Organtransplantationen (bspw. Niere, Leber sowie Pankreas) überhaupt vergleichbar sind. Es ist daher für den erkennenden Richter nicht sachgerecht, wenn in der Beschwerde bei Herztransplantationen - wegen der damit in der Folge verbundenen Immunsupression - automatisch von einem GdB über 50 % ausgegangen wird.
Die in der Stellungnahme der Bf vertretene Meinung, wonach ein transplantiertes Organ schneller altern würde sowie die Ausführungen betr. Hochrisikopatient in Pandemiezeiten, sind zweifelsohne zu allgemein, um daraus für den GdB etwas ableiten zu können. Betr. dauerhafte Immunsuppression wurde im ersten SMS-Gutachten mit dem Hinweis auf die "Notwendigkeit einer lebenslangen immunsuppressiven Medikation" bereits abgesprochen. Weiters wurde dazu ausgeführt, dass es lt. Einschätzungsverordnung keine Position gibt, welche die lebenslange immunsuppressive Therapie per se mit einem GdB von 50% bewertet. Die Einstufung des Behindertengrades beziehe sich rein auf die Herzfunktion (Pos..) wie sie bei einer KHK zu klassifizieren ist. Die Tatsache, dass es sich um ein Spenderorgan handelt würde bei dieser Einstufung vollkommen außer Acht gelassen.
Dem ist zu entgegnen, dass es nach dem Gesetzestext (§ 2 Abs.1 Einschätzungs-VO) für den Grad der Behinderung auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen ankommt, die in den genannten Gutachten - betr. das transplantierte Herz - aber ohnehin beurteilt wurden. In beiden SMS-Gutachten wurde auch dargestellt, wie sich die Funktionsbeeinträchtigungen konkret auf das allgemeine Erwerbsleben auswirken (vgl. Pos. ).
Im ersten SMS-Gutachten wurde die Funktionsbeeinträchtigung folgendermaßen beschrieben:
"Weiterhin die lebenslange immunsuppressive Medikation. Im Alltag weitgehend gut belastbar, ermüdet anamnestisch beim Sport und anderen Belastungen schneller als andere. Laut Befunden erfreuliche Entwicklung, gute Ventrikelleistung".
Im zweiten SMS-Gutachten lautet die Funktionsbeeinträchtigung wie folgt:
"Weiterhin lebenslange immunsuppressive Medikation. Im Alltag weitgehend gut belastbar, ermüdet anamnestisch beim Sport und anderen Belastungen schneller als andere. Laut Befunden erfreuliche Entwicklung, gute Ventrikelleistung. POs. wird sinngemäß angewendet".
Das Beschwerdevorbringen basiert auf einer mit dem gegenständlichen Antrag auf Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe übermittelten Stellungnahme der Bf und ihrem Ehegatten ***1***. Es ist als erwiesen anzusehen, dass die medizinischen Ausführungen vom Gatten der Bf stammen, zumal er bei der Begutachtung des Kindes am der Ärztin eine ausführliche Anamnese sowie zusammengefasst die bisherige Krankengeschichte des Kindes übergeben hat. Die in der gemeinsamen Stellungnahme verwendete Aussage, dass "wir als Mediziner das vorliegende Sachverständigengutachten nicht akzeptieren können" ist daher insoweit nicht korrekt.
Hinsichtlich der von der Bf und ihrem Ehegatten geäußerten Kritik an den im SMS-Gutachten getroffenen Feststellungen ist auf das familiäre Naheverhältnis Bedacht zu nehmen, weshalb die behaupteten Mängel in Bezug auf die medizinische Beurteilung nicht als erwiesen angenommen werden können (vgl. ), da diese einerseits nicht in einem ärztlichen Sachverständigen-Gutachten geäußert und andererseits auch nicht von einem "unbefangenen" Arzt erhoben wurden.
Von der Bf wurde bei den gegenständlichen SMS-Gutachten kritisiert, dass bzgl. der Einstufung rein auf die Herzfunktion (Pos.Nr. .) abgestellt wurde, die Tatsache, dass es sich um ein Spenderorgan handelt aber vollkommen außer Acht blieb. Weiters sei nicht berücksichtigt worden, dass bei einer Nierentransplantation mit komplikationslosem Verlauf ein Behinderungsgrad von 50% erreicht (Pos.) wird, bei einer Herztransplantation dagegen nicht.
Von der Bf konnten dadurch nach Ansicht des erkennenden Richters keine Widersprüche bzw. fehlende Schlüssigkeit aufgezeigt werden, da nicht auf die mit der Transplantation verbundenen Funktionsbeeinträchtigungen eingegangen wurde. Es besteht somit nach der Judikatur () eine Bindung an die genannten Gutachten und sind diese hinsichtlich des diagnostizierten GdB sowie des maßgeblichen Zeitpunktes () somit als verbindlich anzusehen.
Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung wurde im Gutachten unter Pos. Nr. nachvollziehbar dargestellt, warum sich der Behinderungsgrad lt. Vorgutachten (80%) auf einen Wert von 40% vermindert hat (vgl. ). Im Gutachten wurde weiters ausgeführt, dass ***K1*** nicht dauerhaft außerstande ist, sich selbst seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Es gibt auch einen Hinweis darauf, dass er im Jahr 2023 maturiert. Es wurde demnach der im § 14 Abs.3 BEinstG geforderten Beurteilung der Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf das allgemeine Erwerbsleben entsprochen. Nach der Judikatur darf die belangte Behörde - wie auch das BFG - die auf Basis des Gutachtens erstellte Bescheinigung nur insoweit überprüfen, ob diese als schlüssig, vollständig und nicht einander widersprechend anzusehen ist (z.B. mit Hinweis auf , und ; Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, Rz 29 zu § 8).
Die in der Beschwerde angeregte Gesetzesanalogie geht fälschlicherweise - ohne entsprechende Bezugnahme auf die konkrete Funktionsbeeinträchtigung - davon aus, das bereits die Herztransplantation an sich einen GdB von über 50% begründen würde.
Betr. den weiteren Beschwerdepunkt, wonach eine Verordnungslücke gegeben wäre, wird auf die Ausführungen unter Punkt 3.2. (Revision) verwiesen.
Zwei gleichlautende Einschätzungen des (Gesamt)-Behinderungsgrades mit jeweils 40% bei Gutachten, die den von der Judikatur entwickelten Kriterien Schlüssigkeit, Vollständigkeit und einander nicht widersprechend (vgl. mit Hinweis auf , und ) genügen, können mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit als richtig angesehen werden ().
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die Rechtsfrage zu klären, ob gem. § 2 Abs. 2 der Einschätzungsverordnung bei Herztransplantationen eine analoge Anwendung der bei anderen Organtransplantationen (Leber bzw. Pankreas / Pos.Nrn. und ) anwendbaren Regelungen, insb. hinsichtlich eines transplantationsbedingten GdB von über 50%, in Betracht kommt. Nach Ansicht des BFG wurde in den gegenständlichen SMS-Gutachten über die Funktionsbeeinträchtigungen nach der Herztransplantation in schlüssiger Weise abgesprochen, weshalb die geltend gemachte Analogie entbehrlich erscheint. Bei der Bezugnahme auf die Nierentransplantation (Pos.Nr. der Anlage zur Einschätzungsverordnung) in ihrer Stellungnahme vom übersieht die Bf, dass eine Analogie iSd § 2 Abs. 2 der Einschätzungs-VO nur im Kontext mit Funktionsbeeinträchtigungen vorgenommen werden kann. Die Herztransplantation an sich würde eine analoge Anwendung demnach noch nicht rechtfertigen.
Da es zur Frage der Anwendbarkeit einer Analogie iSd § 2 Abs. 2 der Einschätzungs-VO, soweit ersichtlich, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gibt, wird die Revision zugelassen.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 1 Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 § 8 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 2 Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 § 14 Abs. 3 BEinstG, Behinderteneinstellungsgesetz, BGBl. Nr. 22/1970 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100843.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at