Kosten für die Behandlung in einer Privatklinik sind nicht als ag Belastungen abzugsfähig
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Sonja Stradner in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022, Steuernummer ***Bf-StNr***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2022 machte der Beschwerdeführer (Bf.) außergewöhnliche Belastungen iHv 16.322,01 € für Krankheitskosten und 353,85 € für Kurkosten geltend. Eine Aufstellung der Kosten sowie sämtliche Rechnungen und Zahlungsbelege hat der Bf. im Zuge eines Ergänzungsersuchens an das Finanzamt übermittelt.
Am erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2022, wobei die beantragten Kosten einer Operation in einem Privatspital nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt wurden. Hinsichtlich der restlichen Aufwendungen wurde begründend ausgeführt, dass diese niedriger als der für den Bf. gültige Selbstbehalt iHv 4.478,45 € seien.
In der fristgerecht, am erhobenen Beschwerde begehrte der Bf. erneut die Berücksichtigung der außergewöhnlichen Belastungen iHv 16.322,01 € und legte nochmals Honorarnoten der Privatklinik sowie Arztbriefe bei.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Es führte aus, dass der Bf. den Nachweis triftiger medizinischer Gründe für eine Behandlung in einem Privatspital nicht erbracht habe und daher die Operationskosten nicht als außergewöhnliche Belastung angesetzt werden könnten.
Dagegen beantragte der Bf. fristgerecht die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht, woraufhin der Akt mit Vorlagebericht vom dieser Gerichts-abteilung zugewiesen wurde.
Mit Beschluss vom wurde der Bf. seitens der Richterin aufgefordert, weitere Unterlagen vorzulegen, insbesondere den Nachweis durch ein medizinisches Attest zu erbringen, dass die Operationen bzw. die Behandlungen in einem allgemeinen Krankenhaus auf der normalen Gebührenklasse nicht möglich gewesen wären bzw. erst nach einiger Zeit durchgeführt hätten werden können. Weiters wurde um Stellungnahme ersucht, ob eine telefonische Kontaktaufnahme mit anderen Spitälern erfolgt sei bzw. aus welchen sich konkret am abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen die sofortige Operation in der Privatklinik notwendig und ein Zuwarten auf einen OP-Termin in einem öffentlichen Spital unmöglich gewesen sei.
Mit Schreiben vom übermittelte der Bf. die Stellungnahme samt Beilagen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf. lebt gemeinsam mit seiner Ehefrau in ***Bf-Adr*** bei Wien.
Im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung 2022 hat der Bf. die Berücksichtigung eigener Krankheitskosten iHv 754,94 €, Kurkosten iHv 353,85 € und Krankheitskosten seiner Ehegattin iHv 15.587,52 € (19.434,78 € abzgl. 3.847,26 € Kostenersatz aus der Unfallversicherung) beantragt. Die Zahlungen hat der Bf. getragen und sind diese angesichts der vorgelegten Rechnungen, Bankbelege und Kostenersätze glaubwürdig und erwiesen.
Hinsichtlich der Zahlungen an die Privatklinik ***Dr.*** in ***S*** (Vorarlberg) für die stationäre Behandlung der Ehegattin wird folgendes festgestellt:
Die Ehefrau des Bf. hatte am einen Schiunfall in ***Ortschaft*** (Steiermark) und wurde in die Klinik ****** eingeliefert. Dort wurde aufgrund des Röntgenbefundes eine subkapitale Oberarmfraktur links mit Ausläufern in den Schaftbereich sowie eine fragliche knöcherne Absprengung im Bereich des radialen Daumenseitenbandes links festgestellt. Die Patientin wurde erstversorgt, schmerztherapiert und hinsichtlich einer Operationsindikation betreffend der Oberarmfraktur aufgeklärt. Die Patientin wurde nicht stationär aufgenommen. Eine heimatnahe Versorgung wurde dringend empfohlen. Auch eine Kontrolle betreffend des schmerzenden Daumens (eventuell Nachholung einer Daumenseiten-bandüberprüfung) wurde heimatnahe angeregt.
Der Bf. und seine Frau nahmen daraufhin telefonischen Kontakt mit dem Unfallchirurgen und Spezialisten ***Dr.*** in Vorarlberg auf und fuhren noch am selben Tag () direkt von *** aus in seine Privatklinik in ***S***. Weitere Ärzte oder Spitäler - weder in Wien noch anderswo - wurden nicht kontaktiert. Auf die empfohlene heimatnahe Versorgung in einem öffentlichen Spital haben die Eheleute verzichtet.
Mittels Röntgen-, MR- und CT-Befund wurde die Diagnose der Oberarmkopf-Mehrfachfraktur links bestätigt. Am linken Daumen wurde eine Ruptur des ulnaren Seitenbandes festgestellt. Für beide Verletzungen bestanden Operationsindikationen und waren diese medizinisch indiziert. Die Operationen erfolgten am und in der Privatklinik in ***S*** (Vorarlberg).
Triftige medizinische Gründe, die höhere Aufwendungen rechtfertigen, als die von der Sozialversicherung finanzierten, liegen nicht vor.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem vorgelegten Verwaltungsakt sowie den durch den Bf. beigebrachten Unterlagen.
Dass die Operation der Schulter medizinisch indiziert war, ergibt sich bereits aus dem Patienten/Entlassungsbrief der Chirurgischen Ambulanz der Klinik ****** vom . Die medizinische Indikation beider Operationen (Schulter und Daumen) ist aus der Dokumentation im Patientenbrief der Privatklinik ***Dr.*** vom ersichtlich und wurde zusätzlich durch den Arzt mit Schreiben für das Finanzamt vom bestätigt. Dies wird auch von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt.
Zum Nichtvorliegen triftiger medizinischer Gründe:
Bloße Wünsche und Vorstellungen der Betroffenen über eine bestimmte medizinische Betreuung, kürzere Wartezeiten sowie allgemein gehaltene Befürchtungen bezüglich der vom Träger der gesetzlichen Krankenversicherung übernommenen medizinischen Betreuung stellen noch keine triftigen medizinischen Gründe dar, um Aufwendungen, die die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen, als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen. Die triftigen medizinischen Gründe müssen vielmehr in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden, ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, die ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden (; , 85/14/0181). Dies ist eine Frage der Beweiswürdigung (, Rn 10).
Der Bf. hat die triftigen medizinischen Gründe für die Operation in einer Privatklinik einerseits damit begründet, dass das öffentliche Krankenhaus in *** zum gegebenen Zeitpunkt restlos ausgelastet gewesen und sie weggeschickt worden seien. Eine Operation habe daher in den nächsten zwei Tagen nicht stattfinden können. Andererseits brachte der Bf. vor, dass ihnen zwar eine heimatnahe Versorgung aufgrund der Operationsindikation der Schulter dringend empfohlen worden sei, sie aber keine Kenntnis darüber gehabt haben, in welchem Spital eine solche Verletzung behandelt worden wäre. Eine öffentliche Spezialklinik für diese Art von Verletzung sei ihnen von der Klinik ****** nicht empfohlen worden. Da sie ***Dr.*** bereits kannten und Vertrauen zu ihm hatten, seien sie zu diesem in die Privatklinik gefahren. Außerdem sei fraglich gewesen, wann eine Operation in Corona-Zeiten in einem öffentlichen Spital tatsächlich durchgeführt worden wäre.
Es mag sein, dass der Bf. und seine Frau keine Kenner der Wiener oder niederösterreichischen Krankenhausszene sind, aber auch ohne Spezialwissen ist es allgemein bekannt, dass jedes öffentliche Spital über eine Notaufnahme verfügt. Das Allgemeine Krankenhaus Wien ist weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt und auch die Unfallkrankenhäuser Meidling oder Lorenz-Böhler sind auf Unfälle dieser Art spezialisiert. Im Landesklinikum Wr. Neustadt gibt es neben der unfallchirurgischen Ambulanz sogar eine Hand- und Schulterspezialambulanz. Es ist verständlich und auch nachvollziehbar, einen Arzt seines Vertrauens aufzusuchen, jedoch handelte es sich dabei um eine freiwillige Entscheidung der Eheleute. Aus keinem der vorgelegten Dokumente geht hervor, dass es sich um einen sehr komplexen Eingriff handle, der in öffentlichen Krankenhäusern nicht durchgeführt werden könne bzw. anerkannte Spezialisten benötige.
Unterlagen, die belegen, dass die Ehegattin des Bf. in einem heimatnahen öffentlichen Wiener oder niederösterreichischen Krankenhaus sehr lange auf einen Termin warten hätte müssen, konnten nicht vorgelegt werden bzw. gab der Bf. an, dass weder er noch seine Ehefrau an einem anderen öffentlichen Krankenhaus um einen Operationstermin angefragt hätten. Ein Nachweis, dass die medizinisch indizierte Operation in einem heimatnahen öffentlichen Krankenhaus in diesen Tagen nicht durchführbar gewesen sei, konnte daher nicht (mehr) erbracht werden. Mangels Vorlage entsprechender Nachweise war für das Gericht das auf Behauptungsebene verbliebene Vorbringen des Bf. nicht überprüfbar, zumal eine kürzere Wartezeit für sich alleine noch keinen triftigen medizinischen Grund für eine Behandlung in einem Privatspital darstellt ().
Bringt der Bf. nun noch vor, dass der Unterarmgips für den verletzten Daumen viel zu eng angelegt und der Daumen daher nur durch die Abnahme des Gipses durch ***Dr.*** gerettet worden sei, so widerspricht dies den niederschriftlichen ärztlichen Ausführungen im Zuge des Erstbefundes vom . Dahingehend wurde befundet, dass die Finger frei beweglich, Durchblutung und Sensibilität in Ordnung seien. Auch im chirurgischen Ambulanzbericht der Klinik ****** findet sich der Hinweis, dass bei Beschwerden im Gips eine sofortige Wiedervorstellung erfolgen solle.
Andere triftige medizinische Gründe, die für die Durchführung einer sofortigen Operation sprechen, wie massive bleibende Schäden hinsichtlich der Beweglichkeit des Armes oder Daumens und somit lebenslange Einschränkungen der körperlichen Unversehrtheit, wurden weder vorgebracht noch finden sie Niederschlag in den ärztlichen Aufzeichnungen. Feststehende oder sich konkret abzeichnende, ernsthafte gesundheitliche Nachteile, die ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eingetreten wären, ergeben sich daher nicht. Damit liegen keine triftigen medizinischen Gründe vor.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss vor allem folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2)
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3)
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4)
Gemäß Abs. 3 leg.cit. erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Gemäß § 34 Abs. 7 EStG 1988 sind Unterhaltsleistungen an Ehegatten insoweit als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Dazu zählen insbesondere Krankheits- oder Pflegekosten ().
Auf Sachverhaltsebene steht fest, dass dem Bf. im Jahr 2022 Krankheitskosten entstanden sind. Strittig ist nach dem Parteivorbringen ausschließlich, ob die - darin enthaltenen - Kosten für die bei der Ehegattin vorgenommenen Operationen an Schulter und Daumen in einer Privatklinik als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.
Die Belastung des Einkommens des Bf. durch diese krankheitsbedingten Kosten ist zweifellos außergewöhnlich und beeinträchtigt angesichts ihrer Höhe seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.
Zwangsläufigkeit muss dem Grunde und der Höhe nach vorliegen. Unter Berücksichtigung der gegenüber seiner Ehegattin bestehenden Unterhaltspflicht belasten die Krankheitskosten die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Bf. dem Grunde nach aus rechtlichen Gründen zwangsläufig.
Im Rahmen der Krankenbehandlung ist das Recht auf freie Arztwahl grundsätzlich anzuerkennen (, Rn 19). Der Höhe nach können triftige medizinische Gründe auch höhere Aufwendungen als die von der Sozialversicherung finanzierten, als zwangsläufig erscheinen lassen (, Rn 14). Diesbezüglich trifft den Antragsteller die Behauptungs- und Beweislast (Jakom/Peyerl, EStG14, Rz 9 zu § 34 mit Judikaturhinweisen).
Für den Entschluss des Bf., die Operationen der Ehegattin von dem von ihnen selbst gewählten Arzt in einer Privatklinik durchführen zu lassen, waren keine triftigen medizinischen Gründe erkennbar, die höhere Aufwendungen als die von der Sozialversicherung finanzierten rechtfertigen. Damit liegt die Zwangsläufigkeit der Höhe nach nicht vor. Die vom Bf. geltend gemachten Kosten der Privatklinik für die Behandlung der Ehefrau sind daher nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Die Aufwendungen für eigene Krankheits- und Kurkosten des Bf. iHv insgesamt 1.108,79 € sind grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Da sie jedoch den Selbstbehalt gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 nicht übersteigen, waren sie nicht zu berücksichtigen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht folgt der Rechtsprechung des VwGH zur Anerkennung der strittigen außergewöhnlichen Belastungen (). Ob triftige medizinische Gründe vorliegen, die höhere Aufwendungen, als die von der Sozialversicherung finanzierten rechtfertigen, ist eine Frage der Beweiswürdigung (). Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101437.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at