Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.07.2024, RV/7102537/2024

Kein Anspruch auf Kindermehrbetrag bei Bezug von Mindestsicherung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Julia Carola Cermak-Kapl MA in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2023, Steuernummer ***Bf-StNr***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

In ihrer am eingebrachten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2023 beantragte die Beschwerdeführerin den Alleinverdienerabsetzbetrag sowie den Kindermehrbetrag.

Am wurde der betreffende Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2023 erlassen. Der beantragte Alleinverdienerabsetzbetrag wurde gewährt, nicht jedoch der Kindermehrbetrag, und dies dahingehend begründet, dass die Beschwerdeführerin im Veranlagungsjahr 2023 weder zumindest 30 Tage steuerpflichtige betriebliche oder nichtselbstständige Einkünfte erzielt habe noch im gesamten Jahr 2023 Leistungen nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz oder Pflegekarenzgeld bezogen worden seien. Daher sei der Kindermehrbetrag nicht berücksichtigt worden.

Mit Datum vom erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und brachte vor, dass sie versehentlich den Alleinverdienerabsetzbetrag nicht beantragt habe und bitte, den Bescheid zu korrigieren.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom unbegründet abgewiesen, da der Alleinverdienerabsetzbetrag im Erstbescheid bereits berücksichtigt worden sei.

In der Folge brachte die Beschwerdeführerin am einen Vorlageantrag ein und gab sinngemäß an, dass sie das ganze Jahr 2023, also 12 Monate, Kinderbetreuungsgeld bezogen und dadurch Recht auf den Kindermehrbetrag habe. Sie bitte um Kontrolle entsprechend der beigelegten Vorberechnung.

Am wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Finanzamt führte aus, dass die Beschwerdeführerin gemäß dem beiliegenden Sozialversicherungsauszug im Jahr 2023 Kinderbetreuungsgeld vom 1. Jänner bis zum 30. September bezogen habe und danach Mindestsicherung nach dem Mindestsicherungsgesetz.

Da gemäß § 33 Abs 7 EStG daher die Voraussetzungen für den Kindermehrbetrag nicht vorlägen, beantrage das Finanzamt die Abweisung der Beschwerde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist verheiratet und lebt mit ihrem Ehemann und drei Kindern in einem gemeinsamen Haushalt. Die Beschwerdeführerin erhielt im beschwerdegegenständlichen Jahr 2023 von 1. Jänner bis zum pauschales Kinderbetreuungsgeld. Von 1. Oktober bis 31. Dezember bezog sie Mindestsicherung nach dem Mindestsicherungsgesetz. Sie hat im Jahr 2023 keine steuerpflichtigen aktiven Erwerbseinkünfte erzielt.

Für ihre drei Kinder (***Kind 1***, geboren am *** Datum 2015***, ***Kind 2***, geboren am ***Datum 2017*** und ***Kind 3***, geboren am ***Datum 2021***) wurde ihr im Jahr 2023 Familienbeihilfe für jeweils 12 Monate ausgezahlt.

Der Ehemann der Beschwerdeführerin, ***Ehemann***, geboren am ***Datum 1990***, erzielte im Zeitraum vom 1. Jänner bis Einkünfte iHv EUR 1.752,02 als geringfügig beschäftigter Arbeiter aufgrund eines Lohnzettels des Arbeitgebers ***Arbeitgeber***. Von 1. Oktober bis bezog er pauschales Kinderbetreuungsgeld.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Verwaltungsakt, den Vorbringen der Parteien und den Ermittlungen des Bundesfinanzgerichtes.

Der Bezug von Kinderbetreuungsgeld und Mindestsicherung bei der Beschwerdeführerin, sowie Kinderbetreuungsgeld und Einkünften aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis bei ihrem Ehemann ergibt sich aus den jeweiligen Sozialversicherungsauszügen.

Der Bezug von Familienbeihilfe ist aus dem eingesehenen elektronischen Steuerakt ersichtlich.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 33 Abs. 7 EStG 1988 lautet in der für das Beschwerdejahr anzuwendenden Fassung:

"Ergibt sich bei Steuerpflichtigen, die

  • zumindest an 30 Tagen im Kalenderjahr steuer­pflichtige Einkünfte gemäß § 2 Abs 3 Z 1 bis 4 erzielen, oder

  • ganzjährig Leistungen nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG), BGBl. I Nr 103/2001, oder Pflegekarenzgeld bezogen haben,

nach Abs 1 eine Einkommensteuer unter 550 Euro, gilt bei Vorhandensein eines Kindes (§ 106 Abs 1) Folgendes:

Die Differenz zwischen 550 Euro und der Einkommensteuer nach Abs 1 ist als Kindermehrbetrag zu erstatten, wenn

a)der Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht oder

b)sich auch beim (Ehe)Partner gemäß § 106 Abs 3, der Einkünfte gemäß § 2 Abs 3 Z 1 bis 4 erzielt, eine Einkommensteuer nach Abs 1 unter 550 Euro ergibt; in diesem Fall hat nur der Familienbeihilfeberechtigte Anspruch auf den Kindermehrbetrag.

Dieser Betrag erhöht sich für jedes weitere Kind (§ 106 Abs 1) um den Betrag von 550 Euro."

Diese Bestimmung sieht zur Entlastung geringverdienender Alleinerzieher und Alleinverdiener mit Kindern die Erstattung eines Kindermehrbetrages iHv maximal EUR 550 je Kind iSd § 106 Abs 1 EStG 1988 vor, daher für jedes Kind, für das dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner mehr als sechs Monate im Kalenderjahr aufgrund des Bezuges von Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 zusteht.

Der Kindermehrbetrag steht zu, wenn der Steuerpflichtige an mindestens 30 Tagen im Kalenderjahr steuerpflichtige aktive Erwerbseinkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus selbständiger Arbeit, aus Gewerbebetrieb oder aus nichtselbständiger Arbeit bezogen, oder wenn er ganzjährig Kinderbetreuungsgeld oder Pflegekarenz erhalten hat. Zusätzlich muss der Anspruch auf den Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag gegeben sein.

Das Erfordernis des Bezugs steuerpflichtiger aktiver Erwerbseinkünfte ist auch dann erfüllt, wenn der Steuerpflichtige Einkünfte von Null oder allenfalls einen Verlust aus den genannten Einkunftsarten erzielt; anspruchsberechtigt sind also auch Personen, die tatsächlich erwerbstätig (z.B. geringfügig beschäftigt) sind, bei denen jedoch das Erwerbseinkommen mit Mindestsicherungaufgestockt wird (vgl. 1293 der Beilagen XXVII. GP - Regierungsvorlage - Erläuterungen).

Somit besteht ein Anspruch auf den Kindermehrbetrag, wenn - neben dem bei der Beschwerdeführerin aufgrund der geringen Verdienste des Ehemannes zustehenden Alleinverdienerabsetzbetrag - an mindestens 30 Tagen im Kalenderjahr steuerpflichtige aktive Erwerbseinkünfte erzielt wurden oder das ganze Jahr über Kinderbetreuungsgeld oder Pflegekarenzgeld bezogen wurde.

Die Beschwerdeführerin hat - wie aus dem Auszug aus der Sozialversicherungsdatenbank ersichtlich - nicht das ganze Jahr 2023 hindurch, sondern lediglich von 1. Jänner bis 30. September Kinderbetreuungsgeld und danach Mindestsicherung bezogen. Dass den Rest des Jahres - von 1. Oktober bis zum - ihr Mann, wie aus seinem Sozialversicherungsdatenauszug ersichtlich, Kinderbetreuungsgeld bezogen hat, hat keinen Einfluss auf die Anspruchsvoraussetzungen bei der Beschwerdeführerin.

Dass die Beschwerdeführerin (auch nur geringfügige) Einkünfte aus aktiver Erwerbstätigkeit (an zumindest 30 Tagen) bezogen hätte, behauptet die Beschwerdeführerin nicht und lässt sich weder aus ihrem Vorbringen im Vorlageantrag, sie habe das ganze Jahr Kinderbetreuungsgeld bezogen, noch aus den Sozialversicherungsdaten entnehmen.

Da nicht alle Voraussetzungen für die Gewährung des Kindermehrbetrages erfüllt waren, war spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Solch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt im vorliegenden Fall nicht vor, da die Voraussetzungen für die Erstattung des Kindermehrbetrages im Gesetz eindeutig geregelt sind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Revision nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102537.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at