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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.07.2024, RV/2100147/2024

Keine außergewöhnliche Belastung (§ 34 EStG) für Kosten aufgrund einer Haftungserklärung nach § 2 (1) Z 15 NAG 2005

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Paulus Maria Christoph Papst, Bergmanngasse 15 Tür 2, 8010 Graz, über die Beschwerde vom gegen den zur Steuernummer ***BF1StNr1*** ergangenen Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2021 vom wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Im gegenständlichen Verfahren ist zu klären, ob dem Beschwerdeführer (Bf) im Jahr 2021 erwachsene Kosten im Zusammenhang mit bzw. im Gefolge der Übersiedlung seiner Schwägerin samt Tochter aus Afrika/Land-X nach Stadt-Y in dessen Einkommensteuer(ESt)-Bescheid 2021 als außergewöhnliche Belastung nach § 34 EStG 1988 zu berücksichtigen sind.
Von ursprünglich mehreren Beschwerdepunkten ist lt. Vorlageantrag vom nur noch jener betreffend die als außergewöhnliche Belastung nach § 34 EStG geltend gemachten "Übersiedlungskosten" iHv insgesamt 17.917,59 € strittig.

Das FA ordnet die als Übersiedlungskosten der Schwägerin und Nichte bezeichneten Aufwendungen den nichtabzugsfähigen Kosten der privaten Lebensführung nach § 20 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 zu und geht davon aus, dass diese weder außergewöhnlich sind, noch dem Bf zwangsläufig erwuchsen. Zudem verweist die Abgabenbehörde auf ein Abzugsverbot als außergewöhnliche Belastung nach § 34 Abs. 7 EStG 1988 für "laufende Unterhaltszahlungen an Kinder, mittellose Angehörige ua."

Der Bf sieht das Kriterium der Außergewöhnlichkeit (höhere Kosten als bei der Mehrzahl vergleichbarer Steuerpflichtiger) sowie der Zwangsläufigkeit (rechtliche und sittliche Verpflichtung) als erfüllt an, wobei er als Rechtsgrundlage einerseits Regelungen im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz 2005 (nachfolgend NAG) anführt, die ihn bei Familienzusammenführungen zur einer entsprechenden Kostenübernahme verpflichten würden, bzw. anderseits auf seine eheliche Beistandspflicht nach "§ 90 Abs. 1 EheG" verweist. Die Trennung von der Herkunftsfamilie habe seine Gattin "sehr unglücklich" gemacht und dadurch den Fortbestand seiner Ehe gefährdet. Zudem führt der Bf die unsichere politische Lage in Afrika/Land-X (mehrfache Putschvorgänge, blutige Angriffe von Islamisten; Terroranschläge in unmittelbarer Nähe des Wohnortes der Schwägerin) als Grund für die Übersiedlung der Schwägerin und ihrer Tochter an.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

I. Der Beschwerdeführer, ein pensionierter Universitätsprofessor für Linguistik, ist in zweiter Ehe mit einer Staatsbürgerin aus Afrika/Land-X verheiratet, mit der er seit Jänner 2017 am gemeinsamen Wohnsitz in Stadt-Y lebt. Inzwischen umfasst die Familie auch einen im Juni 2019 geborenen Sohn.
Ende Juli 2021 reisten die Schwester der Ehefrau und deren Tochter (geb. 1987 bzw. 4/2006) aus Afrika/Land-X nach Österreich ein (Zweck lt. Visum-Unterlagen v. März 2021: "Familienbesuch" bzw. "Ausbildung"/"Schulbesuch", BFG-Akt OZ 4, LNR "00").
Seit Mitte Aug.2021 befindet sich der meldebehördliche Hauptwohnsitz der Schwägerin und ihrer Tochter in einer vom Bf angemieteten Kleinwohnung (48 m²) im selben Haus, in dem auch der Bf mit seiner Familie wohnt.
Die Absolvierung von zwei Sprachkursen durch die beiden afrikanischen Verwandten der Ehefrau im August und Sept. 2021, der Beginn der Ausbildung beim Ausbildungszentrum für Sozialberufe der Caritas der Diözese Graz-Seckau in Stadt-Y durch die Schwägerin (WS 2021/2022 Vorbereitungslehrgang für Ausbildung zur Pflegeassistentin) und der Eintritt der Tochter in die 3.Klasse der Privatschule der Ursulinen in Stadt-Y ab dem Schuljahr 2021/2022 weisen auf einen planmäßig längerfristigen Aufenthalt in Österreich hin.
Eine Bestätigung vom Juli 2020 über die Aufnahme der Schwägerin im Caritas-Ausbildungszentrum im Schuljahr 2021/2022 unterstreicht, dass die Einreise nach Österreich von vorne herein nicht als Familienbesuch gedacht, sondern eine Übersiedlung mit entsprechend langer Vorlaufzeit geplant bzw. in Angriff genommen worden war.
Im Sept 2021 wurden sowohl der Schwägerin als auch der Tochter jeweils ein einjährig befristeter Aufenthaltstitel als Schülerin (nachfolgend "Schüler-Visum") erteilt.
Das aktuelle Schüler-Visum der Schwägerin endet am 14.Sept.2024.
Seit April 2022 geht die Schwägerin einer nichtselbständigen Beschäftigung in der Gastronomie nach. Die an den Vorbereitungskurs anschließende erste Klasse der Schule für Sozialbetreuungsberufe der Caritas der Diözese Graz-Seckau (Schuljahr 2022/2023) schloss sie nicht erfolgreich ab (BMF-Datenbank/DB2, StNr 68-828/8547; Bf-Stellungn. /Beil 6).

Die Tochter besuchte zuletzt bis zum Ende des Schuljahres 2023/2024 die erste Klasse der Privaten Fachschule für wirtschaftliche Berufe und Abendwirtschaftsschule der Caritas der Diözese Graz-Seckau in Stadt-Y.

Im März 2021 gab der Bf im Zuge der Antragsstellung für die Aufenthaltsbewilligungen der Schwägerin/Nichte eine Haftungserklärung nach § 2 Abs. 1 Z 15 NAG ab, mit welcher er sich verpflichtete, "für die Erfordernisse einer Unterkunft und entsprechender Unterhaltsmittel aufzukommen" und eine fünfjährige Haftung "für den Ersatz der Kosten, die einer Gebietskörperschaft bei der Durchsetzung eines Rückkehrentscheidung, eines Aufenthaltsverbots, einer Ausweisung, einer Zurückschiebung oder der Vollziehung der Schubhaft, einschließlich der Aufwendungen für den Ersatz gelinderer Mittel, sowie aus dem Titel der Sozialhilfe oder eines Bundes- . oder Landesgesetzes, das die Grundversorgungsvereinbarung nach Art. 15a B-VG, BGBl. I Nr. 80/2004, umsetzt, entstehen" (BFG-Akt OZ 4f, S.34ff).

Die auf Basis dieser Haftungserklärung als außergewöhnliche Belastung nach § 34 EStG geltend gemachten "Übersiedlungskosten" iHv 17.917,59 € umfassen 51 Detailpositionen, die sich in folgende Gruppen zusammenfassen lassen:
- Kosten für die Anreise der Schwägerin samt Tochter;
- Versicherungskosten (Reise- und Krankenversicherung für Schwägerin/Nichte)
- Kosten für Deutsch-Sprachkurse der Schwägerin/Nichte;
- Kosten für Berufs-/Schulausbildung der Schwägerin/Nichte;
- Kosten für Anmietung, Einrichtung und lfd. Betriebskosten einer Kleinwohnung;
- "unmittelbare" (= allgemeine) Lebenshaltungskosten für Schwägerin/Nichte.

II. Zufolge § 20 Abs. 1 Z 4 bzw. Abs. 3 EStG 1988 sind freiwillige Zuwendungen und Zuwendungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen weder bei den einzelnen Einkünften noch als Sonderausgaben abzugsfähig, auch wenn die Zuwendung auf einer verpflichtenden Vereinbarung beruht. Bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen ist jedoch ein Abzug nach den für außergewöhnliche Belastungen geltenden Bestimmungen möglich.
Die steuerliche Behandlung von außergewöhnlichen Belastungen regelt § 34 EStG 1988.
Es handelt sich dabei dem Grunde nach um steuerlich nicht abzugsfähige Kosten der privaten Lebensführung (§ 20 EStG), deren steuermindernde Berücksichtigung ausnahmsweise kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung bei kumulativem Vorliegen der durch das Gesetz normierten Voraussetzungen zulässig ist.
Als Ausnahme vom Abzugsverbot für Kosten der privaten Lebensführung unterliegt der steuerliche Abzug außergewöhnlicher Belastungen einem engen Auslegungsbegriff bzw. Anwendungsbereich.
Sind sämtliche der in § 34 EStG genannten Merkmale erfüllt, räumt das Gesetz dem Steuerpflichtigen einen Rechtsanspruch auf den Abzug einer außergewöhnlichen Belastung ein. Mangelt es im Einzelfall jedoch an der Erfüllung auch nur einer der geforderten Voraussetzungen, scheidet ein Abzug als außergewöhnliche Belastung aus.

Nach § 34 EStG sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2 EStG) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18 EStG) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen, vorausgesetzt die Belastung ist außergewöhnlich, sie erwächst zwangsläufig und sie beeinträchtigt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen wesentlich.
Eine Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse erwächst. Sie erwächst einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Sie beeinträchtigt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich, soweit sie einen Selbstbehalt übersteigt, der vom Einkommen des Steuerpflichtigen vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnen ist (§ 34 Abs. 1 - Abs. 4 EStG).

§ 34 Abs. 3 EStG 1988 macht den Anspruch auf Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung somit u.a. davon abhängig, dass die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig in dem Sinn erwächst, dass er sich der Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Nach ständiger VwGH-Rechtsprechung ist die Zwangsläufigkeit eines Aufwandes stets nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen.
Aufwendungen, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden bzw. welche die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat, sind nach gefestigter Judikatur nicht zwangsläufig erwachsen. So wurden in der Vergangenheit etwa Aufwendungen, die aus der Abgabe einer unbedingten Erbserklärung oder der Einwilligung in eine einvernehmliche Scheidung resultieren, mangels Zwangsläufigkeit der Abzug als außergewöhnliche Belastung nach § 34 EStG versagt.
Bei einer Belastung, die aus der Erfüllung einer Rechtspflicht erwächst, muss bereits die Übernahme der Rechtspflicht das Merkmal der (rechtlichen oder sittlichen) Zwangsläufigkeit aufweisen. Eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen setzt voraus, dass sich der Steuerpflichtige nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen zur Leistung verpflichtet halten kann. Es reicht nicht aus, dass die Leistung menschlich verständlich ist, es muss vielmehr die Sittenordnung das Handeln gebieten (vgl. ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; , mwN).

Für das Verfahren zur Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen gelten, soweit nicht Sonderbestimmungen zum Tragen kommen, die Verfahrensregeln der BAO. Die nachfolgend auszugsweise wiedergegebenen Bestimmungen sind für das anhängige Verfahren von grundlegender Bedeutung:
Gemäß § 115 Abs. 1 BAO haben die "Abgabenbehörden (…) die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Diese Verpflichtung wird durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, eingeschränkt".
Im Gegenzug sind vom Abgabepflichtigen "die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände (…) nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen. Die Offenlegung muß vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen" ( § 119 Abs. 1 BAO).

"Auf Verlangen der Abgabenbehörde haben die Abgabepflichtigen (…) in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht (§ 119) zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen. Kann ihnen ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden, so genügt die Glaubhaftmachung" (§ 138 Abs. 1 BAO).
Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere, Schriften und Urkunden sind auf Verlangen zur Einsicht und Prüfung vorzulegen, soweit sie für den Inhalt der Anbringen von Bedeutung sind (§ 138 Abs. 2 BAO).

In Umsetzung dieser Rechtslage tritt nach gefestigter VwGH-Judikatur im Verfahren zur Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen die abgabenbehördliche Ermittlungspflicht (§ 115 BAO) zurück und es obliegt in erster Linie dem Abgabepflichtigen, das Vorliegen jener außergewöhnlichen Umstände iSd § 34 EStG nachzuweisen, die ausnahmsweise eine Berücksichtigung von Kosten der privaten Lebensführung bei der Berechnung der Einkommensteuerschuld rechtfertigen. In dem Maß, in dem ein Abgabepflichtiger seine Offenlegungs-/Nachweispflichten verletzt, tritt die amtswegige Ermittlungspflicht zurück und es entfällt die Verpflichtung der Abgabenbehörde, den Sachverhalt über das als erwiesen erachtete Maß hinaus nach allen Richtungen hin zu überprüfen. Ein Steuerpflichtiger, der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt wissen will, hat selbst das Vorliegen der Umstände darzulegen, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (z.B. ; ; ; ; ; ; ; ).

§ 2 Abs. 1 NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, idF BGBl. I Nr. 56/2018 enthält nachfolgende verfahrensrelevante Begriffsdefinitionen:
"9. Familienangehöriger: wer Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie);"
"10. Zusammenführender: ein Drittstaatsangehöriger, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder von dem ein Recht im Sinne dieses Bundesgesetzes abgeleitet wird;"
"15. Haftungserklärung: die von einem österreichischen Notar oder einem inländischen Gericht beglaubigte Erklärung Dritter mit mindestens fünfjähriger Gültigkeitsdauer, dass sie für die Erfordernisse einer Unterkunft und entsprechender Unterhaltsmittel aufkommen und für den Ersatz jener Kosten haften, die einer Gebietskörperschaft bei der Durchsetzung einer Rückkehrentscheidung, eines Aufenthaltsverbotes, einer Ausweisung, einer Zurückschiebung, der Vollziehung der Schubhaft oder als Aufwendung für den Einsatz gelinderer Mittel, sowie aus dem Titel der Sozialhilfe oder eines Bundes- oder Landesgesetzes, das die Grundversorgungsvereinbarung nach Art. 15a B-VG, BGBl. I Nr. 80/2004, umsetzt, entstehen, und die Leistungsfähigkeit des Dritten zum Tragen der Kosten zum Zeitpunkt der Erklärung nachgewiesen wird;"

Zu den allgemeinen Voraussetzungen für die Gewährung einer Aufenthaltsbewilligung an Drittstaatenangehörige gehört ein gesicherter Lebensunterhalt. Die Behörde darf einen Aufenthaltstitel in der Regel nur erteilen, wenn die/der Fremde während des Aufenthalts über regelmäßige Einkünfte verfügt, sodass keine finanzielle Belastung von Gebietskörperschaften (Bund, Bundesländer, Gemeinden) entsteht. Die Einkünfte sind ausreichend, wenn sie zumindest in der Höhe des jeweils maßgeblichen Ausgleichszulagenrichtsatzes zur Verfügung stehen.
Der Nachweis des Vorhandenseins der notwendigen Unterhaltsmittel kann auch durch das Bestehen eines Unterhaltsanspruchs (§ 2 Abs. 4 Z 3 NAG) erbracht werden. Der Unterhaltsanspruch kann sowohl aus einem gesetzlichen, etwa familienrechtlichen, als auch aus einem vertraglichen Titel herrühren. Ein vertraglicher Unterhaltsanspruch ist durch Beibringung einer Haftungserklärung jenes Dritten, der sich zur Gewährung von Unterhalt verpflichtet hat, nachzuweisen (§ 11 Abs. 5 NAG). Nach § 11 Abs. 6 NAG ist die Möglichkeit eines Fremden, seine Unterhaltsmittel aus einem vertraglich bestehenden Unterhaltsanspruch abzuleiten, auf jene Fälle eingeschränkt, in denen dies im Gesetz ausdrücklich für zulässig erklärt wurde.

Regelungen zur Zusammenführung von Familienangehörigen und anderen Angehörigen von dauernd in Österreich wohnhaften Zusammenführenden enthält § 47 NAG.
Aus Drittstaaten stammenden Schülerinnen/Schülern können Aufenthaltstitel für einen vorübergehenden Aufenthalt ohne Niederlassungsabsicht ausgestellt werden (§ 63 NAG).
Sowohl § 47 NAG als auch § § 63 NAG lassen die Abgabe einer Haftungserklärung nach § 2 (1) Z 15 NAG für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausdrücklich zu.

§ 2 (1) Z 15 NAG begründet keinen gesetzlichen, sondern einen vertraglichen Unterhaltsanspruch von Drittstaatenangehörigen gegenüber jener Person, die sich durch Beibringung einer Haftungserklärung zur Gewährung von Unterhalt verpflichtet hat.
Allfällige Regressansprüche einer Gebietskörperschaft aufgrund einer solchen Haftungserklärung stellen zivilrechtliche Ansprüche dar (; ; , , je mwN).

Nach § 90 Abs. 1 ABGB sind Ehegatten zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen, sowie zur Treue, zur anständigen Begegnung und zum Beistand verpflichtet.

III. Vor der rechtlichen Beurteilung der vom Bf in der ANV-Erklärung 2021 als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Kosten, ist zunächst daran zu erinnern, dass ein Rechtsanspruch auf den Abzug außergewöhnlicher Belastungen nur bei Vorliegen aller in § 34 EStG normierten Voraussetzungen besteht.
Zu diesen unabdingbaren Voraussetzungen für die Qualifikation eines Aufwandes als außergewöhnliche Belastung gehört, dass er dem Abgabepflichtigen zwangsläufig erwächst (§ 34 (1) iVm (3) EStG). Das Merkmal der Zwangsläufigkeit muss sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach vorliegen. Aufwendungen, die sich als Folge von Umständen ergeben, zu denen sich ein Abgabepflichtiger freiwillig entschlossen hat, sind nicht zwangsläufig erwachsen.

Auf Basis der in Punkt I. bzw. II. dieser Entscheidung dargestellten Sach- und Rechtslage ergibt sich zweifelsfrei, dass mit dem Vorbringen im anhängigen Verfahren ein Unterhaltsanspruch der Schwägerin bzw. deren Tochter gegenüber dem Bf im Sinne der für § 34 EStG erforderlichen Zwangsläufigkeit nicht dargetan wurde.

Den im abgabenbehördlichen Verfahren zunächst herangezogenen Tatbestand der Familienzusammenführung (§ 47 NAG), erwähnte der Bf im weiteren Verfahren zu Recht nicht mehr. Da der Bf kein "Zusammenführender" iSd § 2 (1) Z 10 NAG ist und weder die Schwester/Schwägerin noch deren Tochter zur "Kernfamilie" des Bf oder seiner Gattin iSd § 2 Abs 1 Z 9 NAG gehören, liegt kein Fall einer Familienzusammenführung nach dem NAG vor. Entsprechend ist in den vorgelegten Unterlagen vom März 2021 zur Visum-Erlangung von einer Familienzusammenführung keine Rede.

Dem auf § 2 (1) Z 15 NAG basierenden Unterhaltsanspruch der Schwägerin/Nichte gegenüber dem Bf liegt eine vertragliche Vereinbarung vom März 2021 zugrunde, mit welcher sich der Bf gegenüber den Angehörigen seiner Gattin freiwillig zur Übernahme jener Unterhaltsleistungen verpflichtete, deren Sicherung die Gewährung eines Aufenthaltstitels für "Familienbesuch" bzw. für "Ausbildung/Schulbesuch" voraussetzte.
Das NAG verpflichtete den Bf keineswegs, eine derartige Erklärung abzugeben.
Im Falle der Weigerung des Bf zur Abgabe einer Haftungserklärung wäre der Schwägerin und deren Tochter weder ein öffentlichrechtlich noch ein zivilrechtlich durchsetzbarer Rechtsanspruch gegenüber dem Bf zur Erwirkung einer Haftungserklärung nach § 2 (1) Z 15 NAG offen gestanden.

Tatsächlich war der Bf zur Übernahme einer derartigen Haftung weder nach dem NAG verpflichtet, noch ist eine solche Verpflichtung aus der in § 90 Abs. 1 ABGB normierten (vom Bf wohl irrtümlich als § 90 Abs. 1 EheG bezeichnet) ehelichen Beistandspflicht gegenüber seiner Ehefrau abzuleiten.
Zwar umfasst die eheliche Beistandspflicht nach Lehre und Rechtsprechung jede nach den Umständen zu erwartende materielle und immaterielle Unterstützung, doch begründet sie Pflichten bzw. Ansprüche nur zwischen den Ehepartnern bzw. gegenüber gemeinsamen Kindern. Seit dem FamRÄG 2009 besteht für Eheleute zudem die Pflicht, dem anderen in der Ausübung der Obsorge für dessen Kinder in angemessener Weise beizustehen (§ 90 (3) und § 91 (1) ABGB).
Davon angesehen, können Dritte aus der Verletzung der ehelichen Beistandspflicht regelmäßig keine Rechte ableiten (vgl. Ferrari in Schwimann/Neumayr, § 90 ABGB Kommentar).
Eine mit Kindern/Stiefkindern vergleichbare, aus der ehelichen Beistandspflicht resultierende Verpflichtung gegenüber den Geschwistern des Ehepartners und/oder deren Nachkommen besteht nicht.
Auch unter dem Aspekt der ehelichen Beistandspflicht war die Abgabe der Haftungserklärung des Bf nach § 2 (1) Z 15 NAG somit Folge seines freien Entschlusses, die Kosten für den Unterhalt seiner Schwägerin und deren Tochter während ihres Familienbesuches/ Schüleraufenthaltes in Österreich zu übernehmen.

Wenn sich der Bf im Vorlageantrag - offenbar im Bewusstsein einer fehlenden Zwangsläufigkeit iSd § 34 EStG mangels rechtlicher Verpflichtung - auf eine sittliche Verpflichtung gegenüber seiner wegen der Trennung von der Herkunftsfamilie "sehr unglücklichen" Ehefrau beruft, welche den Fortbestand der Ehe "massiv gefährdet" hätte, so ist dem entgegenzuhalten, dass es für Zwecke des § 34 EStG insofern darauf ankommt, ob sich der Bf der Haftungsübernahme nach dem allgemein anerkannten Urteil billig und gerecht denkender Menschen aus dem mitteleuropäischen Kulturkreis nicht entziehen konnte. Nur wenn die für Österreich maßgebliche Sittenordnung ein solches Verhalten gebietet, liegt eine sittliche Verpflichtung vor, die einen Abzug daraus resultierender Kosten als außergewöhnliche Belastung nach § 34 EStG ermöglicht.
Es entspricht der langjährigen Rechtsprechung, dass eine Hilfeleistung durch und auf Kosten von Einzelpersonen, zumal im hier in Rede stehenden Umfang, für in Not geratene Menschen zwar allgemein gutgeheißen, jedoch nur im Ausnahmefall auch verlangt wird (vgl. Jakom EStG Kommentar12 § 34 Rz 44 mit zahlreichen Judikaturverweisen).
Im hier zu beurteilenden Fall wurde eine derartige Notlage weder für die Gattin des Bf noch für deren Schwester bzw. Nichte dargetan.

Wenn der Bf zur Verbesserung der Gemütslage seiner Ehefrau, deren Bedürfnis nach einem engeren Kontakt zur Herkunftsfamilie nachkommen wollte, so ist dies zwar menschlich nachvollziehbar und durchaus anzuerkennen. Eine im Sinne der Judikatur zu § 34 EStG beachtliche Notlage für die seit Jahren von der Herkunftsfamilie getrennt im Ausland lebende Gattin (lt. Meldedaten 1/2017 Zuzug nach Österreich aus Frankreich) wird durch den bloßen Hinweis auf eine Gefährdung des ehelichen Fortbestandes bei Unterbleiben der Haftungsübernahme des Bf nach § 2 (1) Z 15 NAG jedoch weder erwiesen noch glaubhaft gemacht.
Mit Blick auf die im Verfahren bekannt gewordenen Lebensumstände der Gattin (mehrjähriger Zeitraum seit dem Wegzug aus dem Heimatland; mehrjähriger Wohnsitz in Stadt-Y, samt zwischenzeitiger Gründung einer eigenen Familie; Berufsausübung sowohl vor als auch nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes), vermag das BFG eine für die Annahme einer sittlichen Verpflichtung des Bf zur Übernahme von "Übersiedlungskosten" der Schwägerin/Nichte gebotene Notlage der Gattin des Bf nicht zu erkennen.
Es mag zutreffen, dass die dauernde Nähe der Schwester/Nichte die Gemütslage der Gattin deutlich verbessert und damit auch den Fortbestand ihrer Ehe mit dem Bf unterstützt. Eine sittliche Verpflichtung des Bf gegenüber seiner Ehefrau, die aus einem Umzug der Schwester/Nichte nach Österreich resultierenden Kosten zu übernehmen, lässt sich daraus jedoch nicht ableiten, zumal der Bf eine über dieses Vorbringen hinausgehende Nachweisführung oder Glaubhaftmachung, trotz finanzgerichtlicher Anforderung von Unterlagen zum Nachweis einer sittlichen Verpflichtung zur Kostenübernahme, schuldig blieb.

Ebenso fehlt es an Nachweisen für eine schwerwiegende Notlage aufgrund der Lebensverhältnisse der Schwägerin bzw. ihrer Tochter in Afrika/Land-X, die eine sittliche Verpflichtung des Bf gegenüber den afrikanischen Angehörigen der Gattin begründen konnte, welche eine Kostenübernahme des Bf für deren Umzug nach und Unterhalt in Österreich gebot.

Der Umstand, dass die nach dem Vorbringen des Bf vor dem Umzug nach Österreich als ausgebildete Krankenschwester bei Ärzten in Afrika/Land-X berufstätige Schwägerin aufgrund ihres geringen Einkommens lediglich die laufenden Lebenshaltungskosten im Heimatland decken konnte, nicht aber zur Bildung von Ersparnissen bzw. zum Vermögensaufbau in der Lage gewesen war, begründet für sich noch keine Notlage, die im Sinne der Rechtsprechung zu § 34 EStG eine sittliche Verpflichtung des Bf zur Ermöglichung einer Übersiedlung durch eine Haftungsübernahme nach § 2 (1) Z 15 NAG auslöste.

Soweit die unsichere politische Lage in Afrika/Land-X (mehrfache Putschvorgänge, blutige Angriffe von Islamisten; Terroranschläge in unmittelbarer Nähe des Wohnortes der Schwägerin) als Grund für die Übersiedlung der Schwägerin und ihrer Tochter vorgebracht wurde, ist darauf zu verweisen, dass sich diese in den beantragten und gewährten Aufenthaltstiteln (Familienbesuch; Ausbildung/Schulbesuch) nicht widerspiegelt.

Da sich in den vorgelegten Unterlagen zur Visum-Erteilung keine Hinweise auf eine persönliche Gefahr für Leib und Leben der Schwägerin/Nichte finden und zugleich der Bf, trotz Anforderung von Unterlagen unter Hinweis auf seine erhöhte Mitwirkungspflicht nach § 269 iVm § 138 BAO im jegliche Beweisführung für eine konkrete Gefährdung der Verwandten seiner Ehefrau schuldig blieb, fehlt es auch insofern an den Voraussetzungen für die Feststellung einer sittlichen Verpflichtung des Bf zur Übernahme der Unterhaltskosten seiner Schwägerin/Nichte mittels Haftungserklärung nach § 2 (1) Z 15 NAG.

Auch Umstände für eine Zwangsläufigkeit der Kostenübernahme aus tatsächlichen Gründen kamen im Verfahren nicht hervor.

Im Ergebnis fehlt es somit an der erwiesenen Zwangsläufigkeit für die geltend gemachten "Übersiedlungskosten" als außergewöhnliche Belastung des Bf im Jahr 2021.
Es oblag dem Bf, das kumulative Vorliegen aller Voraussetzungen für einen Abzug nach § 34 EStG für das BFG nachprüfbar darzutun. Da er dieser Verpflichtung in Bezug auf den Moment der Zwangsläufigkeit nicht nachkam, waren die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 34 EStG insgesamt nicht erfüllt. Vor diesem Hintergrund bedurfte es keiner Detailüberprüfung der geltend gemachten Kosten. Zugleich erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit dem Aspekt der Außergewöhnlichkeit und ebenso mit der Bestimmung des § 34 (7) EStG.

Somit bleibt es beim Ergebnis des angefochtenen Bescheides. Die darüber hinaus als außergewöhnliche Belastung nach § 34 EStG geltend gemachten "Übersiedlungskosten" konnten nicht berücksichtigt werden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung nur zu, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen nicht revisibel (vgl. ).
Im vorliegenden Fall war im Wesentlichen eine einzelfallbezogene Beurteilung im o.a. Sinne zu treffen. Im Übrigen folgt die Entscheidung, soweit nicht Sachverhaltsfragen maßgeblich waren, der angeführten durchwegs gefestigten VwGH-Judikatur. Eine Revision gegen dieses Erkenntnis ist daher nicht zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 11 Abs. 6 NAG, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005
§ 2 Abs. 1 Z 15 NAG, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005
§ 20 Abs. 1 Z 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 119 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 2 Abs. 1 Z 9 NAG, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005
§ 2 Abs. 1 Z 10 NAG, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005
§ 34 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 90 Abs. 1 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811
§ 115 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 11 Abs. 5 NAG, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005
§ 138 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 138 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 63 Abs. 1 NAG, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005
Verweise























ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100147.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at