Zeitliche Inanspruchnahme durch den Besuch einer Abend-AHS für Berufstätige
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Elisabeth Wanke über die Beschwerde des ***1*** ***2***-***3***, ***4***, ***5***, vom gegen den Bescheid des Finanzamts Österreich vom , Ordnungsbegriff ***6***, mit welchem zu Unrecht bezogene Beträge an Familienbeihilfe (€ 4.171,20) und Kinderabsetzbetrag (€ 1.411,80) für den im April 2002 geborenen ***7*** ***2*** für den Zeitraum April 2021 bis März 2023 gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 EStG 1988 zurückgefordert werden, Rückforderungsbetrag € 5.583,00, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der Spruch des angefochtenen Bescheids bleibt unverändert.
II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom
Am erstellte das Finanzamt Österreich folgende Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe an den Beschwerdeführer (Bf) ***1*** ***2***-***3***l:
Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe
Wir haben Ihren Anspruch auf Familienbeihilfe überprüft und können Ihnen diesen im folgenden Umfang gewähren:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Name des Kindes | Geb.dat. | von - bis | Wohnstaat |
***2*** ***7*** | ***14*** | Jän. 2014 - März 2022 | Österreich |
***2*** ***10*** | ***9*** | Jän. 2014 - Juni 2014 | Österreich |
Wir werden Ihre noch nicht ausbezahlten Ansprüche monatlich auf folgendes Konto überweisen:
IBAN: ***11***
Eine eventuell zustehende Nachzahlung erhalten Sie bereits in den nächsten Tagen.
Bitte teilen Sie uns Tatsachen, die bewirken können, dass Ihre Ansprüche erlöschen und Änderungen der in Ihrem Antrag angeführten Daten auch im eigenen Interesse umgehend mit.
Sie vermeiden so Rückforderungen, wenn Ihr Kind z. B. die Berufsausbildung beendet oder eigene Einkünfte hat.
Bitte werfen Sie diese Mitteilung nicht weg!
Sie können diese als Nachweis über den Bezug der Familienbeihilfe bei anderen Behörden, Sozialversicherungsträgern, Ihrem Dienstgeber etc. vorlegen.
Anspruchsüberprüfung vom
Am versandte das Finanzamt an den Bf ein Überprüfungsschreiben, das am zurückgesandt wurde. Betreffend ***7*** ***2*** wurde ausgeführt, dass dieser Student sei, diese Tätigkeit am begonnen habe und voraussichtlich am beenden werde. Die Ausbildung am Abendgymnasium für Berufstätige werde mit der Reifeprüfung abgeschlossen. Beigefügt war eine Schulbesuchsbestätigung des Bundesgymnasiums, Bundesrealgymnasiums und wirtschaftskundlichen Bundesrealgymnasiums für Berufstätige in Wien, ***, vom , wonach ***7*** ***2*** in der Abend-AHS als ordentlicher Studierender angemeldet sei und im Sommersemester 2022 ( bis ) folgende Module inskribiert habe (insgesamt 21 Wochenstunden):
Die Schule schrieb am zur Vorlage an die Ergänzungsabteilung:
Sehr geehrte Damen und Herren,
Herr ***7*** ***2*** (geb. ***14***) ist durch seine Anmeldung vom Studierender der h.o. Anstalt.
Die an unserem Standort angebotenen Sonderformen der allgemeinbildenden höheren Schule umfassen acht Semester. Sie haben die Aufgabe, Personen, die die achte Schulstufe erfolgreich abgeschlossen haben und das 17. Lebensjahr spätestens im Kalenderjahr der Aufnahme vollenden sowie eine Berufsausbildung abgeschlossen haben oder in das Berufsleben eingetreten sind, zum Bildungsziel einer allgemeinbildenden höheren Schule zu führen (§ 37 Abs. 3 SchOG). Sie schließen mit der Reifeprüfung ab.
Insoweit der Studierende seine Pflichten (§ 43 SchUG-BKV) erfüllt, innerhalb der jeweiligen Inskriptionsfrist Module für das nächste Semester inskribiert, die erforderlichen Leistungen erbringt (§ 32 Abs. 1 Z 3, 4, 5, 6 SchUG-BKV) und sich nicht freiwillig abmeldet (§ 32 Abs. 1 Z 2 SchUG-BKV), bleibt er bis zum erfolgreichen Abschluss Studierender dieser Schule.
Nach andragogischer Erfahrung ist davon auszugehen, dass der Studierende bei zielstrebigem Schulbesuch die Reifeprüfung im Sommer 2024 abschließen wird.
Auch wurde eine Zeugniskopie für das Wintersemester 2021/22 in der Schulform AHS für Berufstätige als ordentlicher Studierender nach dem Schulversuch AHS für Berufstätige neu (achtsemestrig mit modularem Aufbau) vorgelegt (7 Wochenstunden positiv beurteilt, 4 Wochenstunden negativ, 7 Wochenstunden nicht beurteilt):
Bestätigung über den Bezug von Familienbeihilfe
Am wurde vom Finanzamt eine Bestätigung über den Bezug von Familienbeihilfe erstellt:
Bestätigung über den Bezug von Familienbeihilfe
Dient zur Vorlage bei:
Arbeitgeber
Wir bestätigen, dass Sie Familienbeihilfe für folgende Kinder bezogen haben bzw. voraussichtlich beziehen werden:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Name des Kindes | VNR/Geb.dat. | Art | Zeitraum von - bis | Wohnstaat |
***2*** ***10*** | ***12*** | FB | Jän. 2014 - Juni 2014 | AT |
***2*** ***7*** | ***13*** | FB | Jän. 2014 - März 2023 | AT |
Finanzamt Österreich
elektronisch gefertigt
Anspruchsüberprüfung vom
Am versandte das Finanzamt an den Bf ein Überprüfungsschreiben, das am zurückgesandt wurde. Betreffend ***7*** ***2*** wurde die Auskunft des Vorjahres wiederholt, aber diesmal kein Enddatum angegeben. Beigefügt war eine Schulbesuchsbestätigung des Bundesgymnasiums, Bundesrealgymnasiums und wirtschaftskundlichen Bundesrealgymnasiums für Berufstätige in Wien, ***, vom , die der bereits aktenkundigen Bestätigung vom entspricht.
Weiters war eine Schulbesuchsbestätigung für das Sommersemester 2023 ( bis ), wonach folgende Module inskribiert wurden, beigefügt:
Laut Zeugniskopie vom wurden im Sommersemester 2022 folgende Leistungen erbracht (7 Wochenstunden positiv, 8 Wochenstunden negativ, 6 Wochenstunden nicht beurteilt):
Laut Zeugniskopie vom wurden im Wintersemester 2022/23 folgende Leistungen erbracht (sämtliche Wochenstunden nicht beurteilt):
Ergänzungsersuchen vom
In Beantwortung eines Ergänzungsersuchens vom legte der Bf am dem Finanzamt eine Zeugniskopie für das Sommersemester 2021 vor (10 Wochenstunden positiv, 3 Wochenstunden negativ, 3 Wochenstunden nicht beurteilt):
Bescheid
Mit Bescheid Einzahlung vom forderte das Finanzamt vom Bf zu Unrecht bezogene Beträge an Familienbeihilfe (€ 4.171,20) und Kinderabsetzbetrag (€ 1.411,80) für den im April 2002 geborenen ***7*** ***2*** für den Zeitraum April 2021 bis März 2023 gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 EStG 1988 zurück (Rückforderungsbetrag € 5.583,00) und begründete dies wie folgt:
Für volljährige Kinder steht Familienbeihilfe nur unter bestimmten, im § 2 Abs. 1 lit. b bis e Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung genannten Voraussetzungen zu.
Als anspruchsbegründend wird Folgendes bestimmt:
• Zeiten einer Berufsausbildung bzw. -fortbildung
• Zeiten zwischen dem Abschluss einer Schulausbildung und dem frühestmöglichen Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung
• Zeiten zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes und dem Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung
• das dauernde Unvermögen, sich selbst wegen einer Behinderung Unterhalt zu verschaffen.
Familienbeihilfenanspruch besteht nur dann, wenn die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben wird. Dies wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den Prüfungsterminen innerhalb eines angemessen Zeitraums antritt.
Die Intensität der Berufsausbildung (Anzahl der benoteten Wochenstunden) war im Rückforderungszeitraum für den Bezug der Familienbeihilfe nicht ausreichend.
Beschwerde
Gegen den Bescheid vom erhob der Bf die am zur Post gegebene Beschwerde vom selben Tag, in der wie folgt ausgeführt wurde:
Ich erhebe Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid aus folgenden Gründen:
Sie schreiben:
"Die Intensität der Berufsausbildung (Anzahl der benoteten Wochenstunden) war im Rückforderungszeitraum für den Bezug der Familienbeihilfe nicht ausreichend."
Aber in der
:-Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom (Beilage 1) geben Sie bekannt, dass Sie den Anspruch überprüft haben und ihn bis März 2022 gewähren.
-Eine Bestätigung vom über den Bezug der Familienbeihilfe(Beilage2), als Vorlage beim Arbeitgeber, dass die Familienbeihilfe bis zum März 2023 zu beziehen wäre.
Auf Grund der Rechtssicherheit und aus allen möglichen rechtlichen Gründen, bitte ich Sie die uns gewährte Familienbeihilfenleistung zu Recht bezogen zu haben, und die Rückforderung zurückzuziehen.
Ich ersuche die Einhebung des in Streit stehenden Betrages in Höhe von €5.583,00, bis zur Erledigung der Beschwerde auszusetzten.
Die angeführten Beilagen waren beigefügt (Text siehe oben).
Ergänzungsersuchen vom
In Beantwortung eines Ergänzungsersuchens vom legte der Bf am und am vor:
Zeugniskopie für das Sommersemester 2023 (8 Wochenstunden positiv):
Zeugniskopie für das Wintersemester 2022/23 (alle 21 Wochenstunden nicht beurteilt):
Weiters folgende Modulübersichten (Inhalte der Felder nicht lesbar):
Beschwerdevorentscheidung
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab und führte dazu aus:
Für volljährige Kinder steht Familienbeihilfe nur unter bestimmten, im § 2 Abs. 1 lit. b bis e Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung genannten Voraussetzungen zu.
Als anspruchsbegründend wird Folgendes bestimmt:
• Zeiten einer Berufsausbildung bzw. -fortbildung
• Zeiten zwischen dem Abschluss einer Schulausbildung und dem frühestmöglichen Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung
• Zeiten zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes und dem Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung
• das dauernde Unvermögen, sich selbst wegen einer Behinderung Unterhalt zu verschaffen.
Laut Ansicht des BFG kommt es zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Ausbildungserfolg, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. RV 2015/16/0005). Maßgeblich ist der erforderliche zeitliche Einsatz während des Lehrganges, der so beschaffen sein muss, dass die "volle Zeit" des Kindes in Anspruch genommen wird (vgl. 2009/13/0127). Von der Bindung der Arbeitskraft kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Bildungsmaßnahme durch den Kursbesuch, die Vor- und Nachbereitungszeiten und die Prüfungsteilnahmen ein zeitliches Ausmaß in Anspruch nimmt, das zumindest annähernd dem eines Vollzeitverhältnisses entspricht. Es ist demnach von einer vollen Bindung der Arbeitskraft im Sinne des FLAG 1967 bei einer Wochenstundenzahl von etwa 20+ auszugehen. Soll heißen, dass etwa 20 Stunden Theorie bzw Praxisstunden + zusätzliche Zeiten für Lern-, Flaus- und Vorbereitungsaufgaben zu berücksichtigen sind.
Ihr Kind ***7*** wurde 04/2020 18 Jahre alt. Die Familienbeihilfe steht Ihnen gem §15 FLAG bis 03/2021 noch zu.
Ab 04/2021 ist die Intensität der Berufsausbildung für den Bezug der Familienbeihilfe nicht mehr ausreichend.
Im Zuge der letzten 2 Überprüfungen wurden Zeugnisse des Bundesgymnasiums für Berufstätige *** wie folgt vorgelegt:
Zeugnis 06/2021: nur 16 Wochenstunden benotet
Zeugnis 02/2022: alle Fächer nicht beurteilt
Zeugnis 06/2022: nur 15 Wochenstunden benotet
Zeugnis 02/2023: alle Fächer nicht beurteilt
Zeugnis 07/2023: nur 9 Wochenstunden benotet.
Vorlageantrag
Mit Schreiben vom , Postaufgabe am selben Tag, stellte der Bf Vorlageangrag:
Sie gehen in der Beschwerdevorentscheidung vom zur Familienbeihilfe und Absetzbetrag 2021,2022,2023 auf die Intensität der Ausbildung, nicht aber auf das Argument der Rechtssicherheit ein:
"Sie haben in den Mitteilungen vom und vom ,
die Gewährung der Familienbeihilfe geprüft und in Folge auch die Familienbeihilfe zur Anweisung gebracht.
Sie haben mich in den Glauben gelassen, dass Sie die Familie geprüft haben und für in Ordnung befunden.
Die Familienbeihilfestelle hätte diese Höhe der Schulden nicht zulassen sollen.
Deshalb bitte ich die Familienbeihilfe und den Absetzbetrag, aus dem Jahre 2023 zurückzahlen zu müssen.
Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO:
Ich beantrage die Aussetzung der Einhebung in Höhe des strittigen Betrages von € 5583.
Buchungen
Folgende Buchungen sind ersichtlich:
Vorlage
Mit Bericht vom legte das Finanzamt Österreich, Dienststelle Niederösterreich Mitte (FA29), die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte aus:
Bezughabende Normen
Sachverhalt und Anträge
Sachverhalt:
Mit seiner Antwort vom (Dok.8) auf das Anspruchsüberprüfungsschreiben vom legte der Beschwerdeführer (Bf.) u.a. Zeugniskopien des Kindes betreffend das Sommersemester 2022 (15 Wochenstunden beurteilt) und das Wintersemester 2022 (0 Wochenstunden beurteilt) vor.
Mit Ergänzungsersuchen vom (Dok.9) wurde der Bf. aufgefordert das Zeugnis des Sohnes von Juni 2021 vorzulegen.
Der daraufhin am vorgelegten Zeugniskopie betreffend das Sommersemester 2021 sind 16 beurteilte Wochenstunden zu entnehmen (Dok.10).
Mit Rückforderungsbescheid vom (Dok.1) wurde die Familienbeihilfe für den Sohn betreffend den Zeitraum April 2021 bis März 2023 zurückgefordert, da er sich mangels Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit nicht in einer Berufsausbildung befunden habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom (Dok.2). Darin brachte der Bf. vor, dass er aufgrund der Rechtssicherheit "und aus allen möglichen rechtlichen Gründen" ersuche die Rückforderung der mit Mitteilung vom bzw. Bestätigung vom zuerkannten Familienbeihilfe zurückzuziehen.
Mit Ergänzungsersuchen vom (Dok.11) wurden vom Bf. die Zeugnisse des Kindes von Februar und Juni 2023 abverlangt.
Die am eingelangte Antwort des Bf. (Dok.12) umfasst ebenso wie jene vom (Dok.13) Zeugniskopien betreffend das Sommersemester 2023 (8 Wochenstunden beurteilt) und das Wintersemester 2022 (0 Wochenstunden beurteilt) sowie eine Darstellung der je Semester inskribierten Module mit Legende.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom (Dok.3) wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, da die Intensität der Berufsausbildung des Kindes ab April 2021 für den Bezug der Familienbeihilfe nicht ausreichend sei.
Im Vorlageantrag vom (Dok.4) kritisierte der Bf., dass sein Einwand bezüglich Treu und Glauben in der Beschwerdevorentscheidung nicht berücksichtigt worden sei. Die Aussetzung der Einhebung wurde beantragt.
Beweismittel:
insbesondere
Anspruchsüberprüfung Antwort vom (Dok.6)
Anspruchsüberprüfung Antwort vom (Dok.8)
Antwort des Bf. vom (Dok.10)
Antwort des Bf. vom (Dok.12)
Stellungnahme:
Beim Grundsatz von Treu und Glauben handelt es sich um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der in keinem Gesetz näher definiert wird. Er wird im Bereich des öffentlichen Rechtes nach der Judikatur kraft Analogieschlusses aus dem österreichischen bürgerlichen Recht gewonnen, wo er in § 863 ABGB und § 914 ABGB seinen positiv-rechtlichen Niederschlag fand ( 98/17/0222). Dieser Grundsatz bedeutet, dass jeder, der am Rechtsleben teilnimmt, zu seinem Wort und zu seinem Verhalten zu stehen hat und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen darf, was er früher vertreten hat und worauf andere vertraut haben (z.B. 2008/15/0265, unter Verweis auf Ritz, BAO4, § 114 Tz. 6).
Nach ständiger Judikatur (z.B. 2003/15/0136) ist allerdings das Legalitätsprinzip (Art. 18 Abs. 1 B-VG) grundsätzlich stärker als jeder andere Grundsatz, insbesondere als jener von Treu und Glauben. Der Grundsatz von Treu und Glauben kann somit nur insoweit Auswirkungen zeitigen, als das Gesetz der Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt (z.B. 2011/15/0126), insbesondere also bei Ermessensbestimmungen. So können unrichtige Rechtsauskünfte den Grundsatz von Treu und Glauben verletzen und damit nach Lage des Falles eine Unbilligkeit iSd § 236 Abs. 1 BAO bewirken.
Laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. 2008/15/0329) normiert § 26 Abs. 1 FLAG 1967 eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Subjektive Elemente, wie Verschulden, Gutgläubigkeit oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat.
Da es sich bei § 26 Abs. 1 FLAG 1967 um keine Ermessensbestimmung handelt und auch sonst kein Vollzugsspielraum gegeben ist, wie etwa bei Auslegung unbestimmter Gesetzesbegriffe, steht der Grundsatz von Treu und Glauben schon deshalb einer zwingend vorzunehmenden Rückforderung nicht entgegen.
Familienbeihilfenanspruch für ein volljähriges Kind besteht nur, wenn eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ernsthaft und zielstrebig betrieben wird. Dies ist dann anzunehmen, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den Prüfungsterminen innerhalb eines angemessenen Zeitraums antritt.
Der Sohn des Bf. besucht laut Antwort vom (Dok.8) seit eine AHS für Berufstätige (AHSB).
Laut den vorgelegten Semesterzeugnissen wurde der Sohn des Bf. im Zeitraum von Sommersemester 2021 bis inkl. Sommersemester 2023 jeweils in Gegenständen mit folgendem Ausmaß beurteilt:
16 Wochenstunden im Sommersemester 2021 (Dok.10, Seite 2)
11 Wochenstunden im Wintersemester 2021 (Dok.6, Seite 12)
15 Wochenstunden im Sommersemester 2022 (Dok.8, Seite 12)
0 Wochenstunden im Wintersemester 2022 (Dok.8, Seite 13)
8 Wochenstunden im Sommersemester 2023 (Dok.12, Seite 2)
Die in der Judikatur etablierte erforderliche Anzahl von 30 Wochenstunden für die Inanspruchnahme der vollen Zeit des Kindes wurde somit in keinem Semester erreicht.
Das Finanzamt beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der im April 2002 geborene ***7*** ***2*** ist Sohn des Bf ***1*** ***2***-***3***. Er besuchte die Abend-AHS für Berufstätige an einem Bundesgymnasium, Bundesrealgymnasium und wirtschaftskundlichen Bundesrealgymnasium für Berufstätige mit folgenden Ergebnissen:
Sommersemester 2021: 10 Wochenstunden positiv, 3 Wochenstunden negativ, 3 Wochenstunden nicht beurteilt.
Wintersemester 2021/22: 7 Wochenstunden positiv beurteilt, 4 Wochenstunden negativ, 7 Wochenstunden nicht beurteilt.
Sommersemester 2022: 7 Wochenstunden positiv, 8 Wochenstunden negativ, 6 Wochenstunden nicht beurteilt.
Wintersemester 2022/23: 21 Wochenstunden nicht beurteilt.
Sommersemester 2023: 8 Wochenstunden positiv.
Im Rückforderungszeitraum April 2021 bis März 2023 bezog der Bf für ***7*** ***2*** Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag wie im Spruch ausgeführt.
Beweiswürdigung
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage und sind nicht strittig.
Rechtsgrundlagen
§ 2 FLAG 1967 lautet:
§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
a) für minderjährige Kinder,
b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß,
c) für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen,
d) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für vier Monate nach Abschluss der Schulausbildung; im Anschluss daran für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bis zum Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird,
e) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder eines Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa bis dd und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa bis dd begonnen oder fortgesetzt wird,
(Anm.: lit. f aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010)
g) für volljährige Kinder, die in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer. Diese Regelung findet in Bezug auf jene Kinder keine Anwendung, für die vor Vollendung des 24. Lebensjahres Familienbeihilfe nach lit. l gewährt wurde und die nach § 12c des Zivildienstgesetzes nicht zum Antritt des ordentlichen Zivildienstes herangezogen werden,
h) für volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 25 Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind nicht anzuwenden,
i) für volljährige Kinder, die sich in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, in Berufsausbildung befinden und die vor Vollendung des 24. Lebensjahres ein Kind geboren haben oder an dem Tag, an dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, schwanger sind, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,
j) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, bis längstens zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums, wenn sie
aa) bis zu dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, dieses Studium begonnen haben, und
bb) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt, und
cc) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird,
k) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, und die sich in Berufsausbildung befinden, wenn sie vor Vollendung des 24. Lebensjahres einmalig in der Dauer von acht bis zwölf Monaten eine freiwillige praktische Hilfstätigkeit bei einer von einem gemeinnützigen Träger der freien Wohlfahrtspflege zugewiesenen Einsatzstelle im Inland ausgeübt haben; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,
l) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die teilnehmen am
aa) Freiwilligen Sozialjahr nach Abschnitt 2 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,
bb) Freiwilligen Umweltschutzjahr nach Abschnitt 3 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,
cc) Gedenkdienst, Friedens- und Sozialdienst im Ausland nach Abschnitt 4 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,
dd) Europäischen Solidaritätskorps nach der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014.
(2) Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
(3) Im Sinne dieses Abschnittes sind Kinder einer Person
a) deren Nachkommen,
b) deren Wahlkinder und deren Nachkommen,
c) deren Stiefkinder,
d) deren Pflegekinder (§§ 186 und 186a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches).
(3a) Kinder im Sinne dieses Abschnittes sind auch Kinder, die aufgrund einer akut gefährdenden Lebenssituation kurzfristig von Krisenpflegepersonen betreut werden (Krisenpflegekinder). Krisenpflegepersonen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Personen, die im Auftrag des zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträgers ausgebildet und von diesem mit der vorübergehenden Pflege und Erziehung eines Kindes für die Dauer der Gefährdungsabklärung betraut wurden.
(4) Die Kosten des Unterhalts umfassen bei minderjährigen Kindern auch die Kosten der Erziehung und bei volljährigen Kindern, die für einen Beruf ausgebildet oder in ihrem Beruf fortgebildet werden, auch die Kosten der Berufsausbildung oder der Berufsfortbildung.
(5) Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn
a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,
b) das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt,
c) sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4).
Ein Kind gilt bei beiden Elternteilen als haushaltszugehörig, wenn diese einen gemeinsamen Haushalt führen, dem das Kind angehört.
(6) Bezieht ein Kind Einkünfte, die durch Gesetz als einkommensteuerfrei erklärt sind, ist bei Beurteilung der Frage, ob ein Kind auf Kosten einer Person unterhalten wird, von dem um jene Einkünfte geminderten Betrag der Kosten des Unterhalts auszugehen; in diesen Fällen trägt eine Person die Kosten des Unterhalts jedoch nur dann überwiegend, wenn sie hiezu monatlich mindestens in einem Ausmaß beiträgt, das betragsmäßig der Familienbeihilfe für ein Kind (§ 8 Abs. 2) oder, wenn es sich um ein erheblich behindertes Kind handelt, der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 2 und 4) entspricht.
(7) Unterhaltsleistungen auf Grund eines Ausgedinges gelten als auf Kosten des Unterhaltsleistenden erbracht, wenn der Unterhaltsleistende mit dem Empfänger der Unterhaltsleistungen verwandt oder verschwägert ist; solche Unterhaltsleistungen zählen für den Anspruch auf Familienbeihilfe auch nicht als eigene Einkünfte des Kindes.
(8) Personen haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.
(9) Die Anspruchsdauer nach Abs. 1 lit. b und lit. d bis j verlängert sich im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise, unabhängig von der Dauer der Beeinträchtigung durch diese Krise, nach Maßgabe folgender Bestimmungen:
a) für volljährige Kinder, die eine Berufsausbildung absolvieren, über die Altersgrenze hinaus um längstens sechs Monate, bei einer vor Erreichung der Altersgrenze begonnenen Berufsausbildung infolge der COVID-19-Krise,
b) für volljährige Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes genannte Einrichtung besuchen, abweichend von lit. a über die Altersgrenze und die Studiendauer, für die nach Abs. 1 Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, hinaus um ein weiteres Semester oder um ein weiteres Ausbildungsjahr, bei einem vor Erreichung der Altersgrenze begonnenem Studium infolge der COVID-19-Krise,
c) für volljährige Kinder, die eine Berufsausbildung beginnen oder fortsetzen möchten (Abs. 1 lit. d bis g), über die Altersgrenze hinaus um längstens sechs Monate, wenn zum Zeitpunkt der Erreichung der Altersgrenze der Beginn oder die Fortsetzung der Berufsausbildung infolge der COVID-19-Krise nicht möglich ist,
d) für volljährige Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes genannte Einrichtung besuchen möchten (Abs. 1 lit. d bis g), abweichend von lit. a über die Altersgrenze und die Studiendauer, für die nach Abs. 1 Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, hinaus um ein Semester oder um ein Ausbildungsjahr, wenn zum Zeitpunkt der Erreichung der Altersgrenze der Beginn oder die Fortsetzung des Studiums infolge der COVID-19-Krise nicht möglich ist.
§ 10 FLAG 1967 lautet:
§ 10. (1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen.
(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
(3) Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) werden höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. In bezug auf geltend gemachte Ansprüche ist § 209 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, anzuwenden.
(4) Für einen Monat gebührt Familienbeihilfe nur einmal.
(5) Minderjährige, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, bedürfen zur Geltendmachung des Anspruches auf die Familienbeihilfe und zur Empfangnahme der Familienbeihilfe nicht der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters.
§ 26 FLAG 1967 lautet:
§ 26. (1) Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
(2) Zurückzuzahlende Beträge nach Abs. 1 können auf fällige oder fällig werdende Familienbeihilfen angerechnet werden.
(3) Für die Rückzahlung eines zu Unrecht bezogenen Betrages an Familienbeihilfe haftet auch derjenige Elternteil des Kindes, der mit dem Rückzahlungspflichtigen in der Zeit, in der die Familienbeihilfe für das Kind zu Unrecht bezogen worden ist, im gemeinsamen Haushalt gelebt hat.
(4) Die Oberbehörde ist ermächtigt, in Ausübung des Aufsichtsrechtes das zuständige Finanzamt anzuweisen, von der Rückforderung des unrechtmäßigen Bezuges abzusehen, wenn die Rückforderung unbillig wäre.
§ 33 EStG 1988 lautet:
(3)
1. Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro (Anm. 1) für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.
2. Der Kinderabsetzbetrag ist mit Wirksamkeit ab 1. Jänner eines jeden Kalenderjahres mit dem Anpassungsfaktor des § 108f ASVG zu vervielfachen. Der Vervielfachung ist der im vorangegangenen Kalenderjahr geltende Betrag zugrunde zu legen. Der vervielfachte Betrag ist kaufmännisch auf eine Dezimalstelle zu runden. Der Bundesminister für Finanzen hat den für das folgende Kalenderjahr geltenden Betrag bis spätestens 15. November jeden Jahres zu ermitteln und mit Verordnung kundzumachen.
Rückzahlung zu Unrecht bezogener Familienleistungen
Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich eine objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der Familienbeihilfe (allenfalls in Form einer Ausgleichszahlung / Differenzzahlung) und Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen hat (vgl. die bei Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 12 zitierte Rechtsprechung). Fehlt es an einem Anspruch auf Familienbeihilfe (Ausgleichszahlung / Differenzzahlung), ist auch der Kinderabsetzbetrag zurückzufordern.
Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs der Familienleistungen an (vgl. etwa ; ), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. ; ). Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienleistungen (etwa durch unrichtige Angaben im Antrag gemäß § 10 FLAG 1967 oder Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß § 25 FLAG 1967), Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags oder die Verwendung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Gleiches gilt für den gutgläubigen Verbrauch der Beträge (vgl. die bei Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 13 zitierte Rechtsprechung). Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. etwa oder ). Einer Rückforderung steht auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist (die bei Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 16 zitierte Rechtsprechung). Allerdings kann ein Grund für eine Nachsicht nach § 236 BAO vorliegen (vgl. ; ).
Diese objektive Erstattungspflicht hat zur Folge, dass der Behörde, sobald die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nicht mehr gegeben sind, hinsichtlich der Rückforderung von bereits bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag kein Ermessensspielraum bleibt (vgl. ). Zur Rückzahlung eines unrechtmäßigen Bezuges an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag ist nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 derjenige verpflichtet, der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen hat (vgl. ). Die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag müssen demjenigen, von dem sie zurückgefordert wird, tatsächlich ausbezahlt worden sein.
Es ist somit zu prüfen, ob der Bf im Rückforderungszeitraum Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag hatte.
Berufsausbildung
Für minderjährige Kinder gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 wird unabhängig davon, ob sie einer Berufsausbildung nachgehen, Familienbeihilfe gewährt. Für volljährige Kinder ist Voraussetzung für die Beihilfengewährung gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, dass diese für einen Beruf ausgebildet werden.
Schule für Berufstätige
Der Besuch einer Schule für Berufstätige kann Berufsausbildung darstellen, wenn der Schulbesuch samt Vor- und Nachbereitungszeit die überwiegende Zeit des Kindes in Anspruch nimmt. Die Lehre (Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § Rz 40) geht von einer Berufsausbildung i.S.d. FLAG 1967 dann aus, wenn bei kursmäßigen Ausbildungen oder bei Maturaschulen ein wöchentlicher Zeitaufwand für Kursbesuch und Vorbereitungszeit außerhalb des Kurses von mindestens 30 Stunden anfällt. Das Bundesfinanzgericht nimmt bei Schulen für Berufstätige einen erforderlichen wöchentlichen Zeitaufwand von durchschnittlich20 bis 25 Stunden zuzüglich Hausaufgaben an (vgl. ), insgesamt von mindestens 30 Wochenstunden (vgl. ; "Echtstunden" zu 60 Minuten, ), um von einer Berufsausbildung i.S.d. FLAG 1967 zu sprechen (vgl. ; ; ).
Fest steht, dass der Unterricht an der AHS für Berufstätige zwischen 8 und 21 Wochenstunden in Anspruch genommen hat, wobei zwischen 3 und 21 Wochenstunden nicht beurteilt wurden und zwischen 3 und 8 Wochenstunden negativ beurteilt wurden (siehe Sachverhaltsfeststellungen). Auch unter Berücksichtigung von Lernen zu Hause kann nicht festgestellt werden, dass diese (berufsbegleitende) Ausbildung die überwiegende Zeit von ***7*** ***2*** in Anspruch genommen hat. Ein Teil der Wochenstunden wurde tatsächlich nicht besucht, weswegen eine Nichtbeurteilung erfolgt ist. Auch wenn negative Beurteilungen an sich nicht schädlich sind, lassen sie in der Gesamtsicht im gegenständlichen Fall auf einen geringen Vorbereitungsaufwand schließen.
Im Rückforderungszeitraum lag daher keine Berufsausbildung gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vor.
Keine Rechtskraft von Mitteilungen
Das FLAG 1967 kennt keine bescheidmäßige Zuerkennung von Familienbeihilfe. Gleiches gilt für den gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 gemeinsam mit der Familienbeihilfe auszuzahlenden Kinderabsetzbetrag. Mitteilungen über den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag sind keine Bescheide und stehen einer Rückforderung nicht entgegen (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 3 m.w.N.). Gleiches gilt für Bestätigungen über den Bezug von Familienbeihilfe.
Die Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom für den Zeitraum Jän. 2014 - März 2022 und die Bestätigung über den Bezug von Familienbeihilfe vom für den Zeitraum Jän. 2014 - März 2023 verhindern daher keine Rückforderung, wenn sich herausstellt, dass trotz der ursprünglichen Annahme des Finanzamts für diesen Zeitraum oder einen Teil dieses Zeitraums kein Anspruch bestanden hat. Dies war hier Fall. Selbst wenn das Finanzamt die damals vorgelegenen Unterlagen nicht genau geprüft haben sollte, stünde dies einer Rückforderung, wie ausgeführt nicht entgegen. Tatsächlich wurden aber dem Finanzamt die meisten Zeugnisse erst nach dem Juli 2022 vorgelegt und konnten dieser auf eine vor dem Juli 2022 erfolgte Beurteilung keinen Einfluss haben.
Treu und Glauben
Es ist zwar "Treu und Glauben" eine allgemeine, ungeschriebene Rechtsmaxime, die grundsätzlich auch im öffentlichen Recht zu beachten ist. Gemeint ist damit, dass jeder, der am Rechtsleben teilnimmt, zu seinem Wort und seinem Verhalten zu stehen hat und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen darf, was er früher vertreten hat und worauf andere vertraut haben.
Allerdings ist das in Art. 18 Abs. 1 B-VG normierte Legalitätsgebot stärker als der Grundsatz von "Treu und Glauben". Hat das Finanzamt die Unrichtigkeit einer Auskunft erkannt, ist es verfassungsrechtlich verpflichtet, sich rechtskonform zu verhalten. Gleiches gilt für das Bundesfinanzgericht, dass den angefochtenen Bescheid auf seine Rechtskonformität (Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG) zu prüfen hat, gemäß Art. 89 Abs. 1 B-VG i.V.m. Art. 135 Abs. 4 B-VG.
Der Grundsatz von "Treu und Glauben" kann sich aber in jenem Bereich auswirken, in welchem es auf Fragen der Billigkeit ankommt (), also Ermessen zu üben ist. Die Rückforderung gemäß § 26 FLAG 1967 ist jedoch keine Ermessensentscheidung. Die Rückforderung ist vorzunehmen, wenn objektiv der Rückforderungstatbestand verwirklicht ist (vgl. m.w.N.).
Im Übrigen ist auf die Ausführungen im Vorlagebericht des Finanzamts zu verweisen.
Keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides
Das Finanzamt hat zu Recht Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zurückgefordert, der angefochtene Bescheid ist somit nicht rechtswidrig (Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG).
Die Beschwerde ist daher gemäß § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.
Revisionsnichtzulassung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Das Erkenntnis folgt vielmehr der dargestellten Rechtsprechung.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 33 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 Art. 18 Abs. 1 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103580.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at