Haftungsbescheid: kein Nachweis der Gläubigergleichbehandlung mangels Unterlagen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Mirha Karahodzic MA in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch RA Dr. Maximilian Schludermann, Ditscheinergasse 2 Tür 4, 1030 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Inanspruchnahme zur Haftung für näher bezeichnete Abgaben, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Bisheriger Verfahrensgang
Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer als Haftungspflichtiger gemäß § 9 i.V.m. §§ 80 ff. Bundesabgabenordnung für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma ***1*** GmbH, Firmenbuchnummer: ***2***, im Ausmaß von 31.322,71 Euro in Anspruch genommen:
In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde wendete der Beschwerdeführer ein, sei unstrittig von bis handelsrechtlicher Geschäftsführer der genannten GmbH gewesen und habe das Unternehmen erfolgreich über mehr als ein Jahr der Covid-19-Zeit geführt. Erst durch den Verlust von Aufträgen und damit einhergehende mangelhafte Zahlung der Auftraggeber sei das Unternehmen in Probleme geraten. Der Beschwerdeführer habe jedoch ein lebendes Unternehmen veräußert. Der nachfolgende Geschäftsführer sei bestrebt gewesen mit neuen Aufträgen die Geschäftstätigkeit auszuweiten und die Zahlungen zu leisten. Offenbar sei dies nicht erfolgt. Der Beschwerdeführer sei auch immer um die Gleichbehandlung der Gläubiger bemüht gewesen. Er hat ab Erkennen der wirtschaftlichen Probleme der später insolventen Primärschuldnerin sämtliche Gläubiger gleichbehandelt. Er sei bestrebt mit einem Steuerberater für den Zeitraum 01-05/2021 einen Gleichbehandlungsnachweis erstellen zu lassen und diesen im Rahmen des Verfahrens vorzulegen. Dazu müssten die Buchhaltungsunterlagen erst besorgt werden. Es werde jedenfalls das Verschulden des Beschwerdeführers am geltend gemachten Abgabenrückstand ausdrücklich bestritten.
Mit Beschwerdevorentscheidungvom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das Finanzamt führte darin wörtlich aus wie folgt:
"Wird Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der GmbH von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen (). Von der Beachtung dieses Gleichbehandlungsgebotes sind die haftungsgegenständlichen Lohnsteuern nicht unmittelbar betroffen. Die im Haftungsbescheid vom angeführten Lohnsteuern wurden allesamt während Ihrer unstrittigen Tätigkeit als Geschäftsführer der ***1*** GmbH (29.08.20019 bis ) dem Finanzamt gemeldet, jedoch nicht entrichtet.
Der Unternehmer hat gern. § 21 Abs. 1 UStG spätestens am Fälligkeitstag eine Voranmeldung der zu entrichtenden Steuern (Umsatzsteuervorauszahlung) beim zuständigen Finanzamt einzureichen und die selbst zu berechnenden Vorauszahlungen spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Da weder die fristgerechte Meldung noch die fristgerechte Zahlung der nachfolgend angeführten und im Haftungsbescheid vom enthaltenen Umsatzsteuern erfolgte, ist auch hier von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen.
Zeitraum Fälligkeitstag Abgabe der Voranmeldung
U 02/2021 Elektronische Einbringung am
03/2021 Elektronische Einbringung am
04/2021 Elektronische Einbringung am
05/2021 Elektronische Einbringung am
Trotz Aufforderung vom und zweimaliger Gewährung einer Fristverlängerung bis zum wurden bis dato keinerlei Behauptungen oder Beweise zu Ihrer Entlastung eingebracht. Auch hier sind Sie Ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen und die Schuldhaftigkeit ist durch ihr pflichtwidriges Verhalten zu begründen."
Am ersuchte der Beschwerdeführer um Vorlage seiner Beschwerdesache an das Bundesfinanzgericht ohne ein weiteres Vorbringen.
Am fand im Beisein des Beschwerdeführers, seines rechtlichen Vertreters sowie der Amtsvertreter der belangten Behörde eine mündliche Verhandlung statt, in der die Nichtvorlage eines Gelichbehandlungsnachweises thematisiert wurde. Ausgeführt wurde, dass die Covid-Situation das 2018 gegründete Unternehmen vor besondere Herausforderungen gestellt habe, insbesondere z.B. die Abstandsregeln und auch die arbeitsrechtlichen Bestimmungen, wonach Mitarbeiter nicht mehr so schnell gekündigt werden konnten.
II. Über die Beschwerde wurde erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war von bis handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma ***1*** GmbH (Primärschuldnerin), die mit Eintrag vom amtswegig im Firmenbuch gemäß § 40 FBG gelöscht wurde. Am wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der aufgelösten juristischen Person wegen Vermögenslosigkeit nicht eröffnet.
Bereits am wurde von der belangten Behörde ein Haftungsverfahren eingeleitet und ein Vorhalt an den Beschwerdeführer als ehemaligen Geschäftsführer erlassen. Nach zweimaliger Fristverlängerung übermittelte dieser am eine Vorhaltsbeantwortung, ohne jedoch einen Gleichbehandlungsnachweis vorzulegen. Auch im weiteren Verfahren wurde ein solcher Nachweis nicht vorgelegt. Der Beschwerdeführer verfügt über keine Unterlagen aus der Zeit, in der er Geschäftsführer war.
Mit Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer gemäß § 9 iVm § 80 ff. BAO für folgende Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin iHv EUR 31.322,71 zur Haftung herangezogen:
1) Diese Bescheide waren dem Haftungsbescheid beigelegt.
Die im Haftungsbescheid angeführten Lohnsteuern - samt Dienstgeberbeitrag und Zuschlag dazu - wurden allesamt während der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Geschäftsführer der ***1*** GmbH dem Finanzamt gemeldet, jedoch nicht oder nicht vollständig entrichtet. Hinsichtlich der Umsatzsteuern erfolgte weder die fristgerechte Meldung, noch deren fristgerechte Zahlung. Die Abgaben sind bei der Primärschuldnerin uneinbringlich und hafteten auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung aus.
2. Beweiswürdigung
Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf die vorgelegten Aktenteile, insbesondere den Haftungsbescheid sowie den darin angeführten Meldungen und übermittelten Bescheide, sowie die Einsicht in das Firmenbuch und in das Abgabenkonto der GmbH.
Der Beschwerdeführer selbst hat nicht bestritten, dass die GmbH Löhne ausgezahlt hat, sondern nur dargelegt, dass beabsichtigt gewesen sei, die Lohnabgaben durch den späteren Geschäftsführer abzuführen. Anhaltspunkte, dass im strittigen Zeitraum gar keine Löhne ausgezahlt worden wären, gibt es nicht. Dass die in Rede stehenden Abgaben uneinbringlich sind, ergibt sich aus dem Umstand, dass die Primärschuldnerin gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit amtswegig im Firmenbuch gelöscht wurde. Dass die Abgaben auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung wie im Haftungsbescheid angeführt unbeglichen aushafteten, ergibt sich aus der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Rückstandsaufgliederung, die dem Beschwerdeführer in der Verhandlung vorgehalten und von diesem nicht beanstandet wurde.
Dass der Beschwerdeführer keine Unterlagen vorgelegt hat, ergibt sich zum einen aus dem Akteninhalt, zum anderen aus den Angaben in der mündlichen Verhandlung. Dort gab der Beschwerdeführer an, dass es ihm nicht gelungen sei, Unterlagen vom späteren Geschäftsführer beizubringen. Unterlagen aus der Zeit seiner Geschäftsführertätigkeit habe er sich nicht behalten.
Trotz Aufforderung vom und zweimaliger Gewährung einer Fristverlängerung bis zum sowie des nochmaligen Vorhaltes der angekündigten Vorlage einer Gläubigergleichbehandlung im Vorlagebericht, hat der Beschwerdeführer auch in der mündlichen Verhandlung keine Beweise zu seiner Entlastung bzw. zum Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung beigegebracht.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
3.1.1. Die hier maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
§ 9 Abs. 1 BAO lautet:
"Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können."
§ 20 BAO lautet:
"Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen."
§ 80 Abs. 1 BAO lautet:
"Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden."
§ 224 Abs. 1 BAO lautet:
"Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten."
§ 78 Abs. 3 EStG 1988 lautet:
"Reichen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht aus, so hat er die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten."
Nach § 79 Abs. 1 EStG 1988 hat der Arbeitgeber die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates in einem Betrag an das Finanzamt der Betriebsstätte abzuführen.
Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.
Gemäß § 21 Abs 1 UstG 1994 hat der Unternehmer spätestens am Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuß unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 und des § 16 leg. cit., selbst zu berechnen hat. Der Unternehmer hat eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.
Der Dienstgeberbeitrag ist gemäß § 43 Abs. 1 FLAG für jeden Monat bis spätestens zum 15. Tag des nachfolgenden Monats an das Finanzamt zu entrichten. Der zu entrichtende Umlagebetrag (Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag) ist gemäß § 122 Abs. 6 Z 2 WKG kalendervierteljährlich selbst zu berechnen und spätestens am fünfzehnten Tag des nach Ende des Kalendervierteljahres zweitfolgenden Kalendermonats zu entrichten.
3.1.2. Nach der im Folgenden näher dargestellten, ständigen Rechtsprechung desVerwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO voraus, dass
1. eine Abgabenforderung gegen die vertretene Gesellschaft besteht (Abgabenforderung),
2. die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO gehört (Vertreterstellung),
3. die Abgabenforderung gegen den Vertretenen uneinbringlich ist (Uneinbringlichkeit),
4. ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertretenen vorliegt (Verschulden) und
5. die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (Kausalität).
3.1.2.1. Abgabenforderung und Vertreterstellung
Die in der Haftung enthaltenen Abgabenforderungen beruhen allesamt entweder auf Meldungen der Primärschuldnerin oder wurden bescheidmäßig festgesetzt. Der Beschwerdeführer war wie festgestellt unbestritten im hier relevanten Haftungszeitraum handelsrechtlicher Geschäftsführer der genannten Primärschuldnerin, wobei die Fälligkeiten der haftungsgegenständlichen Abgaben im Zeitraum von und lagen. Seine Geschäftsführertätigkeit wurde im Firmenbuch am als beendet eingetragen.
3.1.2.2. Zur Uneinbringlichkeit der Abgaben
Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung. Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (). Wie sich aus den Feststellungen ergibt, steht diese zweifelsfrei fest.
3.1.2.3. Zum Verschulden:
Die Haftung nach § 9 BAO ist eine verschuldensabhängige Haftung. Voraussetzung ist daher ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten der vertretenen Gesellschaft. Dabei ist entscheidend, wann die Abgaben nach den gesetzlichen Vorschriften fällig gewesen wären.
Gemäß § 21 Abs. 1 UStG hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 UStG und des § 16 UStG selbst zu berechnen und zu entrichten hat.
Der Fälligkeitszeitpunkt für die Umsatzsteuerabschlusszahlung richtet sich nach der Grundregel des § 210 Abs. 1 BAO und tritt damit mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe des Abgabenbescheides ein.
Nach § 78 Abs. 1 EStG 1988 ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Lohnsteuer bei jeder Lohnzahlung einzubehalten. Wenn die Mittel nicht ausreichen, muss die Lohnsteuer von dem tatsächlich ausgezahlten Betrag berechnet werden. Der Vertreter muss nach § 80 BAO darlegen, warum er Abgaben nicht entrichten konnte, andernfalls kann eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden.
Den Geschäftsführer trifft die Pflicht, für den Nachweis seines pflichtgemäßen Verhaltens zu sorgen. Führt er die Abgaben nicht rechtzeitig ab, liegt eine objektive Pflichtverletzung vor. Im Haftungsverfahren muss der Geschäftsführer darlegen, warum er die Abgaben nicht entrichtet hat.
Die Lohnsteuer ist unabhängig von der Gleichbehandlung anderer Gläubiger zu entrichten. Eine Haftung entfällt nur, wenn wegen fehlender Mittel keine Löhne ausgezahlt wurden.
Der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer hat daher das Fehlen ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen. Außerdem hat er darzutun, dass er die Abgabenforderungen bei der Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt hat (vgl. zB VwGH.9.1986, ZI. 84/13/0198).
Führt demnach ein Geschäftsführer als Vertreter der Gesellschaft geschuldete Abgaben nicht spätestens zum Fälligkeitstag ab, liegt eine objektive Verletzung der den Geschäftsführer treffenden abgabenrechtlichen Pflichten vor. Die Verschuldensprüfung hat dabei von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen (vgl. ).
Den Geschäftsführer einer Gesellschaft, deren Abgaben nicht entrichtet worden und uneinbringlich geworden sind, trifft im Haftungsverfahren die Obliegenheit, darzulegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf ().
Die Auszahlung von Löhnen ohne korrekte Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer wie im vorliegenden Fall stellt daher in jedem Fall eine Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten dar (). Die auf ausbezahlte Löhne entfallenden Lohnsteuerbeträge sind somit unabhängig von einer allfälligen Gleichbehandlung der anderen Gläubiger stets zu entrichten; die Nichtabfuhr der Lohnsteuer, die auf den ausbezahlten Arbeitslohn entfällt, kann nicht damit entschuldigt werden, dass die Geldmittel nicht ausgereicht haben.
Eine Geschäftsführerhaftung für Lohnsteuer besteht nur dann nicht, wenn wegen fehlender Mittel überhaupt keine Löhne mehr zur Auszahlung gelangt sind. Dafür gibt es im vorliegenden Fall aber keine Anhaltspunkte.
Wäre die Lohnsteuer unter Berücksichtigung der (ohnedies) zur Verfügung stehenden Mittel ordnungsgemäß einbehalten und abgeführt worden, hätte ein uneinbringlicher Rückstand an Lohnsteuer erst gar nicht entstehen können. Eine Verschuldensentkräftigung ist daher ausgeschlossen (vgl. schon Stoll, BAO, 129).
Zahlungsschwierigkeiten, die die Gesellschaft nicht gehindert haben, Lohn zu zahlen, dürfen sie auch nicht hindern, die darauf entfallende Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen. Stehen daher nur mehr beschränkte Mittel zur Verfügung, ist vor Durchführung der Lohnzahlung sicherzustellen, dass die auf die Löhne entfallende Lohnsteuer auch entrichtet werden kann. Ist dies nicht der Fall, muss die Lohnzahlung so weit reduziert werden, dass mit den vorhandenen Mitteln auch noch die auf diese eingeschränkte Lohnzahlung entfallende Lohnsteuer einbehalten und abgeführt werden kann.
Soweit der Beschwerdeführer mit seinen Beschwerdebehauptungen darauf abzielen sollte, dass ihm keine ausreichenden Mittel zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zur Verfügung gestanden wären und ihm daher die Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen wäre, ist ihm folgendes entgegenzuhalten:
Zum einen ist für die Haftung nach § 9 BAO ohne Bedeutung, ob den Vertreter ein Verschulden am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit trifft (). Zum anderen kann die Nichtabfuhr der Lohnsteuer aber ohnedies nicht mit dem Hinweis auf das Fehlen ausreichender Mittel gerechtfertigt werden (), liegt die schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers doch bereits darin begründet, dass er von den Löhnen nicht einen entsprechend niedrigeren Betrag zur Auszahlung brachte, sodass die auf diese niedrigeren Löhne entfallende Lohnsteuer - ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Primärschuldnerin - auch einbehalten und an das Finanzamt hätte abgeführt werden müssen. Die Lohnsteuer für die für den Zeitraum Jänner bis Juli 2021 ausbezahlten Löhne wäre jedenfalls zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten (im Zeitraum und ) abzuführen gewesen.
Auch für die restlichen Abgaben ist aus den folgenden Gründen eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers anzunehmen:
Der Beschwerdeführer war im Haftungszeitraum unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***1*** GmbH, also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen. Er war somit auch verpflichtet, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen. Mittels Haftungsbescheid wurde der Beschwerdeführer für die während seiner Tätigkeit fällig gewordenen Abgabenschuldigkeiten zur Haftung herangezogen. Nach der Judikatur obliegt dem Vertreter der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (zB ; , 2007/13/0137; , 2009/16/0108; , 2011/16/0184; , 2013/16/0199; , Ra 2015/16/0078). Hierbei sind noch nicht fällige Verbindlichkeiten nicht zu berücksichtigen ().
Eine Haftung zur Gänze kommt daher nur in Betracht, wenn der Vertreter seiner qualifizierten Mitwirkungspflicht hinsichtlich des teilweisen Fehlens liquider Mittel und der anteiligen Verwendung dieser Mittel nicht nachkommt (vgl. zB ; , 98/16/0348; , 98/14/0082).
Verfügt der Vertretene über (wenn auch nicht ausreichende) Mittel, so darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden aber nicht schlechter behandeln als die übrigen Schulden ("Gleichbehandlungsgrundsatz"; )
Dieser "Nachweis der Gläubigergleichbehandlung", und zwar die Darstellung der tatsächlich vorhandenen Mittel, sowie der aliquoten Mittelverwendung konnte nicht erbracht werden. Dazu wäre eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen zu übermitteln gewesen. In dieser Aufstellung hätten alle damaligen Gläubiger der ***1*** GmbH (auch die zu Gänze bezahlten) sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger) geleisteten Zahlungen enthalten sein müssen.
Dem Argument in der Beschwerde, der Beschwerdeführer habe ab Erkennen der wirtschaftlichen Probleme der später insolventen Primärschuldnerin sämtliche Gläubiger gleich behandelt ist entgegen zu halten, dass die pauschale Behauptung einer Gleichbehandlung aller Gläubiger nicht reicht ().
Der Beschwerdeführer hat im gesamten Verfahren stets angekündigt, er werde einen Gleichbehandlungsnachweis vorlegen, ist dieser Ankündigung jedoch trotz mehrerer Vorhalte nicht nachgekommen. Letztlich hat er in der mündlichen Verhandlung eingestanden, über gar keine Unterlagen zu verfügen, die sein Vorbringen untermauern könnten.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt es dem Vertreter entsprechende Beweisvorsorgen (etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken) zu treffen (zB ; , 2010/13/0042, 0044; , 2009/16/0181; , 2011/16/0187; , 2013/16/0200; , Ra 2020/13/0027).
Der Beschwerdeführer als Vertreter der Primärschuldnerin hat keine Zahlungen geleistet und auch nicht dargetan, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet. Mit seinem Beschwerdevorbringen hat er vielmehr dargetan, dass er den Fehler gemacht hat, keine Unterlagen aufzuheben und solche auch vom nachfolgenden Geschäftsführer nicht mehr bekommen habe, weshalb er auch nicht in der Lage (gewesen) sei, einen Gleichbehandlungsnachweis zu erbringen.
3.1.2.4. Zur Kausalität
Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung ursächlich für die Uneinbringlichkeit war ().
Die Verletzung der Einbehaltungspflicht nach § 78 Abs. 1 EStG 1988 führte zur Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Lohnsteuer in der vom Finanzamt festgestellten Höhe. Hätte der Beschwerdeführer die Lohnsteuer bei der Auszahlung der Löhne einbehalten bzw. im Sinne des § 78 Abs. 3 BAO entsprechend niedrigere Löhne zur Auszahlung gebracht, wäre der Abgabenausfall nicht eingetreten. Diese Pflichtverletzung war somit auch kausal für die Uneinbringlichkeit ().
3.1.2.5. Zum Ermessen
Die Inanspruchnahme zur Haftung liegt im Ermessen (§ 20 BAO). Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin steht als Folge des Konkursverfahrens fest. Bei der Ermessensübung ist zudem auf den Grad des Verschuldens des Haftenden Bedacht zu nehmen. Der Beschwerdeführer war alleiniger Geschäftsführer der Primärschuldnerin und war für die Entrichtung der Abgaben verantwortlich.
Eine allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit der geltend gemachten Verbindlichkeiten beim Haftungspflichtigen schließt nicht aus, dass künftig neu hervor gekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen könnten ().
Die Inanspruchnahme der Haftung in Ausübung des Ermessens ist mit dem derzeitigen, im Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides vorhandenen Vermögen nicht begrenzt (). Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Haftenden wie etwa dessen Vermögenslosigkeit und/oder Arbeitsunfähigkeit stehen nach der Rechtsprechung in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung und können somit die Ermessensübung nicht beeinflussen ().
Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ist ein Umstand, der bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht gelassen werden darf (). Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall aber sehr zeitnah einen Haftungsvorhalt an den Beschwerdeführer übermittelt und sehr rasch den angefochtenen Haftungsbescheid erlassen.
Damit liegen keine Gründe vor, die für eine Reduzierung der Haftungsbeträge bzw. gegen eine Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als Haftenden gemäß §§ 9 iVm 80 BAO sprechen.
Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung (vgl. die unter 3.1. zitierte Rechtsprechung). Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Im Übrigen liegen keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfrage, ob der Beschwerdeführer zu Recht zur Haftung herangezogen wurde, vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 122 Abs. 6 Z 2 WKG, Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998 § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 78 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 79 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 1298 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101084.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at