Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 09.07.2024, RV/7100912/2024

Antragslose Veranlagung gemäß § 41 Abs. 2 EStG

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Dr. Anna Radschek, die Richterin Mag. Sonja Stradner sowie die fachkundigen Laienrichter Manfred Fiala und Dipl.Ing. Wolfgang Weichselbraun in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch Woditschka Steuerberatung GmbH, Lanzendorfer Hauptstraße 9 Tür 1, 2130 Mistelbach, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Zurückweisung des Antrags auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2017, Steuernummer ***Bf-StNr***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin Christina Seper zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der Zurückweisungsbescheid vom wird ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Nach zweimaliger Aufforderung an die Beschwerdeführerin (Bf.) zur Abgabe der Einkommen-steuererklärung 2017 erließ das Finanzamt am einen Einkommensteuerbescheid für das Veranlagungsjahr 2017, wobei der Gesamtbetrag der zu veranlagenden Einkünfte in Höhe der lohnsteuerpflichtigen Einkünfte angesetzt wurde.

Mit Datum vom übermittelte die Bf. das Formular "Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2017" und machte darin Sonderausgaben iHv 1.037,00 € und Werbungskosten iHv 3.194,00 € geltend.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung 2017 zurück. Begründend wurde ausgeführt, dass die Veranlagung für das Jahr 2017 bereits rechtkräftig mit Bescheid vom durchgeführt worden sei.

Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und damit begründet, dass der seinerzeitige Bescheid als Einkommensteuerbescheid und noch dazu im Wege einer Schätzung, also ohne Berücksichtigung irgendwelcher Eingaben des Steuerpflichtigen, ergangen sei. Es werde erstmalig die Veranlagung aufgrund der Angaben der Bf. beantragt. Weiter wurde ausgeführt, dass die Beschwerde gleichzeitig auch den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens beinhalte, da neue Tatsachen in Form von Ausbildungskosten hervorgekommen seien.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab, da sich der Zurückweisungsbescheid vom als richtig erweise.

Die Bf. beantragte am die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung durch den Senat.

Mit Vorlagebericht vom wurde der Akt der zuständigen Gerichtsabteilung vorgelegt und seitens des Finanzamtes ausführlich Stellung zur Zurückweisung und zum Thema der Wiederaufnahme genommen.

In der am durchgeführten, mündlichen Verhandlung brachte der steuerliche Vertreter vor, dass die Bf. im Jahr 2017 eine Ausbildung bei der Wirtschaftskammer zur Qualitätsbeauftragten absolviert habe. Die daraus resultierenden Werbungskosten iHv ~ 3.200,- € habe er erst spät mitbekommen. Da das Finanzamt den Akt von der betrieblichen Veranlagung in die Allgemeinveranlagung überstellt habe, sei es nur mehr möglich gewesen, einen Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung zu stellen. Der rechtskräftige Einkommensteuerbescheid 2017 sei falsch, die erwachsenen Kosten seien im Rahmen der Lohnsteuerrückzahlung zu berücksichtigen.

Die Finanzamtsvertreterin verwies auf die Stellungnahme im Vorlagebericht und führte nochmals aus, dass der Einkommensteuerbescheid 2017 vom rechtskräftig sei. Technische Probleme könnten nicht nachvollzogen werden, darüber hinaus sei es der Bf. freigestanden, Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 zu erheben bzw. eine Erklärung in Papierform einzubringen. Es liege ein rechtskräftiger Bescheid vor. Die Rechtsrichtigkeit bzw. -widrigkeit des Bescheides sei nicht Thema der Verhandlung.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf. erklärte bis zum Jahr 2014 Einkünfte aus dem Betrieb eines privaten Pflegeheims. Für die Veranlagungsjahre 2015 bis 2017 wurden bis zum keine Steuererklärungen abgegeben.

Für das Jahr 2017 wurde für die Bf. ein Lohnzettel an das Finanzamt übermittelt. Darin sind steuerpflichtige Bezüge aus unselbständiger Tätigkeit iHv 25.967,71 € ausgewiesen.

Hinsichtlich der streitgegenständlichen Einkommensteuer 2017 hat das Finanzamt die Bf. mit Bescheiden vom und , sogar unter Androhung der Festsetzung einer Zwangsstrafe iHv 300,00 €, zur Abgabe der Einkommensteuererklärung aufgefordert.

Eine Zwangsstrafe wurde nicht verhängt. Ein Verzicht auf eine antragslose Veranlagung lag seitens der Bf. nicht vor.

Am erließ das Finanzamt einen Einkommensteuerbescheid für das Veranlagungsjahr 2017. Die Einkünfte wurden in Höhe der steuerpflichtigen Bezüge laut Lohnzettel festgesetzt. Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden nicht angesetzt (auch nicht iHv 0,00 €). Das Werbungskostenpauschale iHv 132,- € sowie der Pauschbetrag für Sonderausgaben iHv 60,- € wurden ebenso berücksichtigt wie der Kirchenbeitrag und die ans Finanzamt gemeldeten Zuwendungen gemäß § 18 Abs. 1 Z 7 EStG. Auch der Verkehrsabsetzbetrag und der Pendlereuro fanden Eingang in die Berechnung. Die festgesetzte Einkommensteuer ergab eine Abgabengutschrift iHv 78,- €. Der Einkommensteuerbescheid 2017 wurde zu Handen des steuerlichen Zustellbevollmächtigten zugestellt und erwuchs unstrittig in Rechtskraft. Es wurde keine Beschwerde erhoben.

Mit Datum vom übermittelte die Bf. das Formular "Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2017" und machte darin Sonderausgaben iHv 1.037,00 € und Werbungskosten iHv 3.194,00 €, (Reisekosten iHv 894,00 € und Fortbildungskosten iHv 2.300,00 €) geltend. Das Formular ist datumsmäßig mit von der steuerlichen Vertretung gezeichnet.

In der Beschwerde wurde zeitgleich ein Antrag auf Wiederaufnahme des Einkommensteuer-bescheides 2017 gestellt. Über diesen hat das Finanzamt noch nicht abgesprochen. Im Vorlagebericht wurde auf die gängige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Wiederaufnahme - jeweils aus der Sicht des Antragstellers - hingewiesen.

2. Beweiswürdigung

Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und ist unstrittig. Der Einkommensteuerbescheid 2017 wurde ohne Antrag und ohne Mitwirkung der Bf. erlassen. Auf dem Einkommensteuerbescheid sind nur lohnsteuerpflichtige Einkünfte ausgewiesen. Der Lohnzettel der Bf. wurde im Rahmen der amtswegigen Ermittlungspflicht eingesehen. Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind aus dem Bescheid vom nicht ersichtlich. Sofern die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 0,00 € geschätzt wurden, so wären sie auch in dieser Höhe im Bescheid anzuführen gewesen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

§ 41 Abs. 2 EStG 1988 lautet:

1. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vor, hat das Finanzamt auf Antrag des Steuerpflichtigen eine Veranlagung vorzunehmen, wenn der Antrag innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraums gestellt wird (Antragsveranlagung). § 39 Abs. 1 dritter Satz ist anzuwenden.

2. Wurde bis Ende des Monats Juni keine Abgabenerklärung für das vorangegangene Veranlagungsjahr eingereicht, hat das Finanzamt von Amts wegen eine antragslose Veranlagung vorzunehmen, sofern der Abgabepflichtige nicht darauf verzichtet hat. Dabei gilt Folgendes:

a) Folgende Voraussetzungen müssen vorliegen:

  1. Aufgrund der Aktenlage ist anzunehmen, dass der Gesamtbetrag der zu veranlagenden Einkünfte ausschließlich aus lohnsteuerpflichtigen Einkünften besteht.

  2. Aus der Veranlagung resultiert eine Steuergutschrift.

  3. Aufgrund der Aktenlage ist nicht anzunehmen, dass die zustehende Steuergutschrift höher ist als jene, die sich aufgrund der übermittelten Daten gemäß § 18 Abs. 8, § 35 Abs. 8 und § 84 ergeben würde.

b) Wurde bis zum Ablauf des dem Veranlagungszeitraum zweitfolgendem Kalenderjahres keine Abgabenerklärung für den betroffenen Veranlagungszeitraum abgegeben, ist jedenfalls eine antragslose Veranlagung durchzuführen, wenn sich nach der Aktenlage eine Steuergutschrift ergibt.

c) Wird nach erfolgter antragsloser Veranlagung innerhalb der Frist der Z 1 eine Abgabenerklärung abgegeben, hat das Finanzamt darüber zu entscheiden und gleichzeitig damit den gemäß lit. a oder lit. b ergangenen Bescheid aufzuheben.

[…]

Im gegenständlichen Fall hat das Finanzamt mit Bescheid vom eine Veranlagung für das Jahr 2017 vorgenommen. Der Gesamtbetrag der zu veranlagenden Einkünfte bestand ausschließlich aus lohnsteuerpflichtigen Einkünften und führte zu einer Steuergutschrift. Eine Antragsveranlagung lag nicht vor. Der erkennende Senat geht daher von einer vom Finanzamt durchgeführten, antragslosen Veranlagung gemäß § 41 Abs. 2 lit. a EStG 1988 aus.

Mit der am eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2017 beantragte die Bf. nun die Veranlagung entsprechend der übermittelten Daten. Da die Abgabenerklärung 2017 innerhalb der fünfjährigen Frist ab dem Ende des Veranlagungszeitraumes eingebracht wurde, ist sie somit rechtzeitig. Gemäß § 41 Abs. 2 Z 2 lit. c EStG 1988 hat das Finanzamt darüber zu entscheiden und gleichzeitig den gemäß lit. a ergangenen Bescheid aufzuheben.

Soweit das Finanzamt den Antrag vom auf Durchführung einer Arbeitnehmer-veranlagung für das Jahr 2017 mit Bescheid vom wegen bereits rechtskräftig durchgeführter Veranlagung zurückgewiesen hat, hat es die Rechtslage verkannt. Der Beschwerde war daher Folge zu geben und der Zurückweisungsbescheid aufzuheben.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich die Rechtsfolgen einer antragslosen Veranlagung bereits aus dem Gesetzestext ergeben, war eine Revision nicht zuzulassen. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100912.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at