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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.07.2024, RV/7101701/2024

Rückforderung Familienbeihilfe, da keine ernsthafte Berufsausbildung vorliegt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über die Beschwerde des Bf., Adresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Oktober 2022 bis November 2023, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (kurz: Bf), geb. 2002, bezog auf Grund seines Eigenantrags vom auf Grund seiner am begonnenen Lehre als Straßenerhaltungsfachmann bei der Stadtgemeinde NÖ im Streitzeitraum Oktober 2022 bis November 2023 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.

Die zuvor begonnene Lehre als Karosseriebautechniker wurde abgebrochen.

Über Aufforderung des Finanzamtes vom übermittelte der Bf eine Bestätigung des Wirtschaftsförderungsinstitutes der Wirtschaftskammer Niederösterreich, wonach er folgenden Kurs besuchte: Technik Center 2023 - Modul 11R: Karosseriebautechnik 111 vom 18.9. bis in St. Pölten.

Laut der Bestätigung war der Bf an folgenden Kurstagen anwesend:

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An folgenden Kurstagen war der Bf abwesend:

, , , , , , , , ,

Vom - besuchte der Bf am WIFI NÖ den Kurs Karosseriebautechnik IV. Er war an 3 Kurstagen anwesend.

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt (FA) für den genannten Zeitraum die Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge mit der Begründung zurück, dass ihm als volljähriges Kind die Familienbeihilfe während einer Berufsausbildung bzw. - fortbildung zustehe. Diese Voraussetzung würden gemäß § 6 Abs 2 lit. a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) nicht zutreffen. Er habe die Lehre mit abgebrochen und stehe derzeit in keiner weiteren Berufsausbildung, weshalb er ab Oktober 2022 keinen Anspruch auf Familienbeihilfe habe. Familienbeihilfe stehe bei einer ernsthaften und zielstrebigen Ausbildung zu. Die Ausbildung gelte als ernsthaft und zielstrebig, wenn volle Zeit dafür verwendet und in angemessener Zeit zu Prüfungen angetreten werde, was beim Bf nicht zutreffe. Die Bestätigungen der WIFI NÖ würden 38 Fehltage aufweisen, das entspreche keiner zielstrebigen und ernsthaften Ausbildung. Die Familienbeihilfe für Oktober 2022 bis November 2023 sei daher zurückzufordern gewesen.

Der Bf brachte in seiner Beschwerde vom vor, dass die Fehltage aufgrund von Krankenständen wegen Knieproblemen und Knieoperation zurückzuführen seien, daher habe er auch zu keinen Prüfungen antreten können.

Das FA wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit der Begründung ab, dass dem Bf als volljähriges Kind die Familienbeihilfe während einer Berufsausbildung bzw. - fortbildung zustehe. Diese Voraussetzung würden nicht zutreffen (Verweis auf § 6 Abs 2 lit. a FLAG 1967). Berufsausbildung sei die Verwendung der überwiegenden Zeit, um praktisches und theoretisches Fachwissen zu erlernen und diese Ausbildung mit einer Abschlussprüfung abzuschließen. Die Ausbildung habe eine angemessene Unterrichtsdauer und sei nicht auf Allgemeinbildung wie zum Beispiel Sprachkurse ausgerichtet. Familienbeihilfe stehe bei einer ernsthaften und zielstrebigen Ausbildung zu. Die Ausbildung gelte als ernsthaft und zielstrebig, wenn die volle Zeit dafür aufgewendet und in angemessener Zeit zu Prüfungen angetreten werde. Da der Bf die überwiegende Zeit im Krankenstand gewesen sei, hätten die Erfordernisse nicht erfüllt werden können.

Der Bf bringt im Vorlageantrag vom vor, dass die Fehltage (Krankenstandstage) wegen Knieproblemen und Operationen gewesen seien. Aus diesem Grund habe er zu keinen Prüfungen antreten können. Er sei deshalb beim Wifi von seiner Berufsausbildung aus gesundheitlichen Gründen ab- und erneut angemeldet worden und bitte daher um Berücksichtigung.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen

Sachverhalt

Der Bf brach seine Lehre zum Karosseriebautechniker ab und begann am bei der Stadtgemeinde NÖ eine Lehre als Straßenerhaltungsfachmann.

Er wurde vom - im Landesklinikum Lilienfeld stationär aufgenommen. Die stationäre Aufnahme des Patienten erfolgte zur operativen Sanierung eines vorderen Kreuzbandrisses.

Die Lehre wurde am vorzeitig aufgelöst.

Zwischen und war der Bf. als Arbeiter bei der X. GmbH in 9999 Wien beschäftigt.

Seit scheint er als arbeitsuchend auf.

Eine weitere stationäre Aufnahme im Landeskinikum Lilienfeld erfolgte zur Re-ASK am li. Knie und Kreuzbandrekonstruktion vom - .

Vom - besuchte der Bf am WIFI NÖ den Kurs Karosseriebautechnik III/Grundlagen I und war an folgenden Kurstagen anwesend:

An folgenden Kurstagen war der Bf. abwesend:

Der Bf war im Kurs Karosseriebautechnik III/ Modul 11R, welcher vom - (= 20 Tage) gedauert hat, 10 Tage anwesend.

Vom - besuchte der Bf am WIFI NÖ den Kurs Karosseriebautechnik IV. Er war lediglich an 3 Kurstagen anwesend und an 17 Kurstagen abwesend.

Von der ÖGK wurden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für folgende Zeiträume ausgestellt:

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Laut ÖGK war er vom - arbeitsunfähig.

Danach bezog er Arbeitslosengeld und Notstandshilfe.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem vom Finanzamt elektronisch vorgelegten Familienbeihilfenakt und aus den vom Bf vorgelegten Unterlagen, insbesondere aus den vom Bf übermittelten WIFI - Kursbesuchsbestätigungen, Arbeitsunfähigkeitsbestätigungen der ÖGK, WIFI-Kursbesuchsbestätigungen, ALG-Bezugsbestätigung, ärztliche Entlassungsbriefe vom des Landesklinikum Lilienfeld, Ärztlicher Entlassungsbrief vom , stationäre Aufnahme vom - zur Re-ASK am li. Knie und Kreuzbandrekonstruktion und elektronische Abfrage der Daten des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 Abs. 2 lit. a FLAG 1967 haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, haben nach § 6 Abs. 5 FLAG 1967 unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat.

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Was unter Berufsausbildung zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher definiert. In ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB ; ; ) sind unter diesem Begriff jedenfalls alle Arten von schulischer oder kursmäßiger Ausbildung zu verstehen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird, wobei die allgemein bildende Schulausbildung dazu gehört. Dabei muss jedoch auch das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg gegeben sein. Essentieller Bestandteil ist es dabei, dass die vorgesehenen Prüfungen abgelegt werden, wobei es nicht auf die positive Beurteilung ankommt (vgl. Lenneis/ Wanke, FLAG2 § 2 Rz 35).

Der Bf bringt im Vorlageantrag vom vor, dass die Fehltage (Krankenstandstage) wegen Knieproblemen und Operationen gewesen seien. Aus diesem Grund habe er zu keinen Prüfungen antreten können.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Unterbrechungen der Ausbildung durch der Natur der Dinge entsprechende Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich. Hiezu gehören Erkrankungen, die die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrechen, genauso wie Urlaube und Schulferien (vgl ; ).

Von einer bloßen Unterbrechung des tatsächlichen Ausbildungsvorganges kann im Zusammenhang mit der Gewährung der Familienbeihilfe aber nicht mehr gesprochen werden, wenn die Ausbildung nach ihrem Abbruch nicht wieder aufgenommen wird (vgl. zB VwGH , vgl. auch ).
Das bloße Aufrechterhalten eines Berufswunsches ist der tatsächlichen Ausbildung nicht gleichzuhalten (vgl. zB ).

Im ggstdl. Fall wurde die Berufsausbildung (Lehre zum Karosseriebautechniker) mit abgebrochen. Danach stand der Bf. in der Zeit vom - in einem Arbeitsverhältnis zur Fa. X. GmbH in 9999 Wien.

Auf Grund des vorliegenden Sachverhalts kann bei den in den Monaten März und September bis November erfolgten Kursbesuchen am WIFI NÖ nicht von einer ernsthaften und zielstrebigen Berufsausbildung ausgegangen werden.

Das bloße Vorbringen des Bf im Vorlageantrag vom , dass die Fehltage (Krankenstandstage) wegen Knieproblemen und Operationen gewesen seien und er aus diesem Grund zu keinen Prüfungen antreten habe können, ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass der Bf im Rückforderungszeitraum nicht in einer Berufsausbildung iSd Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gestanden ist, weil es dieser an Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit gefehlt hat und die Berufsausbildung auch nicht mehr aufgenommen wurde.

Das FA hat somit den angefochtenen Rückforderungsbescheid zu Recht erlassen.

Mit dem Familienbeihilfenanspruch verbunden ist der Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag (§ 33 Abs 3 EStG 1988). Auch dieser Betrag wurde demzufolge im Rückforderungszeitraum zu Unrecht bezogen. Der Kinderabsetzbetrag war nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 iVm § 26 FLAG 1967 unter den gleichen Voraussetzungen wie die Familienbeihilfe zurückzufordern.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der fehlende Anspruch auf Familienbeihilfe sowie die Rückerstattungspflicht ergeben sich aus dem Wortlaut des Gesetzes und die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der das Bundesfinanzgericht nicht abgewichen ist. Die (ordentliche) Revision war daher als unzulässig zu erklären.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at