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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.07.2024, RV/7400057/2021

Gebrauchsabgabe ohne Gebrauchserlaubnis - keine Abgabepflicht der Muldenaufstellerin bei Nennung der Bauführerin

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin MMag. Elisabeth Brunner über die Beschwerde der M***U***GmbH, vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, MA 46-P90/566684/2020/PIU/HES vom betreffend Gebrauchsabgabe zu Recht:

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit dem angefochtenen Bescheid schrieb der Magistrat der Stadt Wien der Beschwerdeführerin eine Gebrauchsabgabe als Einmalzahlung iHv € 96,00 gemäß §§ 9 Abs 1a und 10 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966 (GAG) für den Gebrauch des öffentlichen Grundes ohne Gebrauchserlaubnis vor.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde begründete die Beschwerdeführerin im Wesentlichen damit, sie habe keinen öffentlichen Grund ohne Gebrauchserlaubnis genutzt. Die Beschwerdeführerin habe lediglich der X***Y*** GmbH (in weiterer Folge: "Bauführerin") über deren Auftrag Mulden zur Verfügung gestellt.
Die Beschwerdeführerin beantrage daher, den Bescheid aufzuheben und diesen an die Bauführerin zu übermitteln.

Der Magistrat der Stadt Wien wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe als Eigentümerin der Mulde, was in der Beschwerde nicht bestritten werde, diese Mulde zugestandener Maßen auf öffentlichen Grund aufgestellt und dort für länger als 24 Stunden belassen. Dadurch habe sie zweifellos durch ihr Eigentum GAG-Grund benutzt. Für die Zahlungspflicht gemäß § 9 Abs 1a GAG komme es allein auf die Benützung an und nicht darauf, wer die Baustofflagerung durchgeführt habe bzw wer einen Antrag auf Gebrauchserlaubnis hätte einbringen können. Im Übrigen würde auch eine Gebrauchserlaubnis für die Beschwerdeführerin in Betracht kommen, weil ihre Mulde gelagert worden sei. Der Verweis auf eine Kundenbeziehung sei nicht geeignet, den Gebrauch durch die Beschwerdeführerin, die die Lagerung mit ihrem Eigentum durchgeführt habe, weg zu argumentieren.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht. In den auf der Rückseite des Lieferscheins der gegenständlichen Muldenaufstellung abgedruckten AGB sei vermerkt, wenn eine Mulde auf einer öffentlichen Verkehrsfläche aufgestellt werde, habe der Kunde vor der Aufstellung eine Bewilligung der Behörde auf seine Kosten einzuholen.
Eine Kopie des von einem Vertreter der Bauführerin unterzeichneten Lieferscheins wurde von der Beschwerdeführerin dem Vorlageantrag beigelegt.

Der Magistrat der Stadt Wien legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und wies, nach zusammengefasster Wiederholung der Begründung der Beschwerdevorentscheidung auf eine an den Verwaltungsgerichtshof eingebrachte (Amts)Revision zum Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7400142/2020 hin (Zahl des VwGH: Ro 2021/13/0016), dem ein ähnlich gelagerter Sachverhalt zugrunde liege.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts wurde die Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde bis zur Beendigung des vor dem Verwaltungsgerichtshof zur oa genannten Geschäftszahl Ro 2021/13/0016 anhängigen Verfahrens gemäß § 271 Abs 1 BAO ausgesetzt.

Mit Erkenntnis vom wurde das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beendet. Das ausgesetzte Beschwerdeverfahren wird daher gemäß § 271 Abs 2 BAO fortgesetzt.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Strittig ist ob die Beschwerdeführerin als Eigentümerin einer auf öffentlichem Grund abgestellten Mulde gemäß § 9 Abs 1a GAG abgabepflichtig ist.

Nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt steht unstrittig fest:

Die Beschwerdeführerin hatte in der Zeit von bis eine Mulde auf öffentlichem Grund abgestellt.

Die Beschwerdeführerin war Eigentümerin der Mulde.

Die Aufstellung der Mulde durch die Beschwerdeführerin erfolgte über Auftrag der Bauführerin.

Für den Gebrauch des öffentlichen Grunds lag keine Gebrauchserlaubnis vor.

Rechtlich folgt daraus:

Gemäß § 1 GAG ist für den Gebrauch von öffentlichem Grund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken.

Gemäß § 9 Abs 1 GAG idF LGBl Nr 57/2019 hat der Träger einer Gebrauchserlaubnis für öffentlichen Grund in der Gemeinde gemäß § 1 eine Gebrauchsabgabe zu entrichten.
Derjenige, der öffentlichen Grund in der Gemeinde benutzt ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis erwirkt zu haben, hat - unbeschadet der §§ 6 und 16 - die Gebrauchsabgabe entsprechend dem angeschlossenen Tarif zu entrichten (§ 9 Abs 1a GAG).

§ 9 GAG sieht eine Abgabepflicht für die Nutzung des öffentlichen Grundes in der Gemeinde Wien sowohl aufgrund einer Gebrauchserlaubnis (Abs1) als auch ohne Gebrauchserlaubnis (Abs 1a) vor.

Eine abgabenpflichtige Nutzung des öffentlichen Grundes liegt dann vor, wenn öffentlicher Grund auf eine im angeschlossenen Tarif angegebene Art gebraucht bzw gemäß angeschlossenen Tarif benutzt wird. Tarif D Post 1 nennt die Lagerung von Baustoffen, Schutt, Baugeräten, Baucontainern, Lademulden oder von sonstigen Gegenständen sowie die Aufstellung von Baugeräten, Baucontainern, Gerüsten oder Bauhütten. Die Aufstellung einer Mulde unterliegt somit Tarif D und stellt eine Nutzung des öffentlichen Grundes im Sinne des GAG dar.

Die Wirksamkeit einer Gebrauchserlaubnis ist - abgesehen von den in § 3 Abs 1 GAG angeführten, hier nicht vorliegenden Fällen - auf denjenigen Erlaubnisträger beschränkt, dem die Gebrauchserlaubnis erteilt wurde.

Eine Gebrauchsabgabe ist für ein und denselben Gebrauch in ein und demselben Zeitraum nur einmal zu entrichten (Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 9 Abs 1a, Beilage Nr 45/2012, LG - 03021/2012/0001 LGBl 11/2013).

Wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom (Ro 2021/13/0016) ausführt, kann nicht angenommen werden, dass Personen, die nicht Erlaubnisträger sind, aber als deren Auftragnehmer tätig werden, (etwa Werkunternehmer im Rahmen eines Werkvertrags mit dem Erlaubnisträger als Besteller) zusätzlich eine eigene Gebrauchserlaubnis erwirken müssten, um nicht den Tatbestand des § 9 Abs 1a GAG oder § 16 Abs 2 GAG zu verwirklichen. Derartige Personen sind als Erfüllungsgehilfen des Erlaubnisträgers von der Wirksamkeit der Gebrauchserlaubnis erfasst. Daraus ergibt sich, dass derartige Erfüllungsgehilfen einen "im § 1 umschriebenen Gebrauch" (iSd § 8 Abs 2 GAG) nicht (selbst) ausüben.

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin ihre Leistungen, das Aufstellen der Mulde auf öffentlichem Grund, im Auftrag der Bauführerin erbrachte und dieser gegenüber verrechnete. Damit erfolgte der Gebrauch (oder die Benutzung) des öffentlichen Grundes auf Rechnung und Gefahr dieser Bauführerin. Die Beschwerdeführerin als deren Erfüllungsgehilfin ist daher nicht als "Benutzerin" des öffentlichen Grunds iSd § 9 Abs 1a GAG anzusehen, sodass sie nicht abgabepflichtig ist.

Der Beschwerde ist daher Folge zu geben.

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall folgt das Bundesfinanzgericht zur Rechtsfrage, wer als Nutzer ohne Gebrauchserlaubnis iSd Bestimmung des § 9 Abs 1a Gebrauchsabgabegesetz anzusehen ist, der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 1 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966
§ 6 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966
§ 3 Abs. 2 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966
§ 271 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 8 Abs. 2 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966
§ 3 Abs. 1 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966
§ 9 Abs. 1a Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966
§ 9 Abs. 1a und 10 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966
§ 271 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 16 Abs. 2 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966
Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7400057.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at