Irrtum über Unzulässigkeit der Kombination eines Gratisparkscheines mit einem kostenpflichtigen Parkschein
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7500286/2024-RS1 | Nur die Rechtfertigung bzw. Entschuldigung durch Notstand oder die Pflichtenkollision iSd § 6 VStG entbinden von der Pflicht, sich rechtzeitig auf den Weg zu dem in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellten Auto zu machen, um es vor Ablauf der 15-minütigen Gratiszeit auszuparken. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Christian Seywald über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom , gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde, Magistrat der Stadt Wien, als Abgabenstrafbehörde vom , GZ. MA67/GZ/2024, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, zu Recht erkannt:
I.) Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) in Verbindung mit (iVm) § 24 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) und § 5 Gesetz über die Organisation der Abgabenverwaltung und besondere abgabenrechtliche Bestimmungen in Wien (WAOR) wird der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als die gemäß § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 verhängte Geldstrafe von 60 Euro auf 20 Euro herabgesetzt und die gemäß § 16 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden auf 6 Stunden herabgesetzt wird. Im Übrigen wird das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
II.) Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III.) Als Vollstreckungsbehörde wird gemäß § 25 Abs. 2 BFGG der Magistrat der Stadt Wien bestimmt.
IV.) Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine (ordentliche) Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.
Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien (belangte Behörde), Magistratsabteilung 67, vom , GZ. MA67/GZ/2024, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf. genannt) eine Geldstrafe in Höhe von 60,00 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden verhängt, weil er das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen 123 (A) am um 14:23 Uhr in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone in Wien..., abgestellt habe, ohne dieses mit einem gültig entwerteten Parkschein gekennzeichnet oder einen elektronischen Parkschein aktiviert zu haben. Demnach habe er die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt.
Gemäß § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 wurde über den Bf. deswegen eine Geldstrafe in der Höhe von 60,00 Euro verhängt und eine für den Fall der Uneinbringlichkeit an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 14 Stunden auferlegt. Zudem wurde gemäß § 64 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) ein Betrag von 10,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt. Der zu zahlende Gesamtbetrag belief sich daher auf 70,00 Euro.
In der Begründung wurde dargelegt, dass Beweis genommen wurde durch Einsichtnahme in die Organstrafverfügung, welche von einem Parkraumüberwachungsorgan der Landespolizeidirektion Wien auf Grund einer eigenen dienstlichen Wahrnehmung gelegt worden sei, in die von diesem angefertigten Fotos, sowie in die erteilte Lenkerauskunft.
Im Einspruch gegen die Strafverfügung habe der Bf. eingewendet, dass er im KH Krankenhaus die persönlichen Gegenstände seines verstorbenen Stief-Großvaters abholen habe wollen.
Die Abholung hätte nur wenige Minuten dauern sollen, deshalb habe er lediglich einen 15-Minuten-Parkschein verwendet. Da die Sachen nicht, wie vereinbart, bei der Information bereitgelegen seien, habe der Bf. sofort nach technischer Möglichkeit einen 30-Minuten-Parkschein gelöst. Zum Beanstandungszeitpunkt sei er im Spital gewesen. Der längere Zeitbedarf wäre nicht vorhersehbar gewesen. Der Bf. würde um Einstellung des Verfahrens bzw. um Einleitung des ordentlichen Verfahrens ersuchen.
In der Beilage habe der Bf. einen Screenshot aus der App Handyparken übermittelt.
Mittels Aufforderung zur Rechtfertigung seien dem Bf. gemäß § 42 VStG die Anzeigeangaben samt Fotos zur Kenntnis gebracht worden. Gleichzeitig sei ihm die Möglichkeit geboten worden dazu Stellung zu nehmen sowie die seiner Verteidigung dienenden Tatsachen und Beweise vorzubringen.
In seiner Rechtfertigung habe der Bf. zusammengefasst eingewendet, dass er anlässlich des Ablebens seines Stief-Großvaters am um 14:06 Uhr in wien.. geparkt habe. Der Bf. habe die persönlichen Gegenstände seines Stief-Großvaters bei der Information abgeholt. Das habe mehr Zeit als gedacht in Anspruch genommen. Der Bf. habe in dieser Zeit versucht einen Parkschein zu lösen. Dies wäre nicht möglich gewesen da ein Gratis Parkschein noch gültig gewesen wäre. Sobald es das System zugelassen hätte, hätte er einen 30 Minuten Parkschein gelöst. Der Vater des Bf. könne die Anwesenheit des Bf. im Spital bezeugen. Der Bf. hätte eine Strafe erhalten im Zeitraum wo der 30 Minuten Parkschien gelöst worden wäre. Der Bf. würde über kein Vermögen verfügen und ein monatliches Einkommen von EUR 2.000,- beziehen. Er ersuche um Einstellung des Verfahrens.
Unbestritten sei sowohl die Lenkereigenschaft des Bf. als auch, dass das gegenständliche Fahrzeug zum Tatzeitpunkt an der in Rede stehenden Örtlichkeit abgestellt gewesen sei.
Zum Vorbringen des Bf. werde Folgendes festgestellt:
Jeder Lenker eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges, der ein solches in einer Kurzparkzone abstelle, müsse gemäß § 5 Abs. 2 der Parkometerabgabeverordnung bei Beginn des Abstellens die Parkometerabgabe entrichten. Die Abgabe sei mit der ordnungsgemäßen Entwertung des Parkscheins (der Parkscheine) oder mit der Bestätigung der Abstellanmeldung bei Verwendung eines elektronischen Parkscheines entrichtet (§ 5 Abs. 1 Parkometerabgabeverordnung kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien vom , Heft Nr. 51).
Wie einer Überprüfung bei HandyParken habe entnommen werden können, sei der Parkschein Nummer PS1 am um 14:06 Uhr für 15 Minuten gelöst worden. Das Fahrzeug sei nach Ablauf der 15 Minuten um 14:23 Uhr beanstandet worden. Zum Beanstandungszeitpunkt um 14:23 Uhr habe daher kein gültiger Parknachweis existiert. Die Buchung des Parkscheins mit der Nummer PS2 für 30 Minuten sei laut Überprüfung bei HandyParken um 14:24 bestätigt worden und stelle zum Beanstandungszeitpunkt daher keine Relevanz dar. Da somit für den Beanstandungszeitpunkt kein elektronischer Parkschein aktiviert gewesen sei, habe von der Einleitung des Verwaltungsstrafverfahrens und der Verhängung einer Geldstrafe nicht abgesehen werden können.
Weiters werde darauf hingewiesen, dass die Kombination eines Gebührenparkscheines mit einem Fünfzehn-Minuten-Parkschein in zeitlich unmittelbarer Aufeinanderfolge unzulässig sei (§ 4 Abs. 2 der Kontrolleinrichtungenverordnung vom , Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 29/2013, in der geltenden Fassung).
Zwar möge die Behörde durchaus Verständnis für die vom Bf. geschilderten Umstände aufbringen, jedoch würden diese keine Rechtfertigung bzw. Entschuldigung darstellen, welche die Rechtswidrigkeit oder das Verschulden ausschließen würden.
Bemerkt werde, dass die Behörde dann einen beantragten Beweis ablehnen dürfe, wenn der Sachverhalt so vollständig festgestellt sei, dass sie sich auf Grund der bisher vorliegenden Beweise ein klares Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen könne. Die Einwendungen des Bf. seien sohin nicht geeignet gewesen, den Bf. vom angelasteten Tatvorhalt zu entlasten. Er habe sohin den Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach der im Spruch zitierten Bestimmung verwirklicht und es sei die angelastete Übertretung daher als erwiesen anzusehen gewesen.
Ein Rechtfertigungsgrund, also eine Norm, die das tatbestandsmäßige Verhalten ausnahmsweise erlaube bzw. welche die Strafbarkeit aufheben würde, liege im gegenständlichen Fall nicht vor.
Nach § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006 genüge zur Strafbarkeit des dort umschriebenen Verhaltens Fahrlässigkeit. Fahrlässig handle, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt sei und die ihm zuzumuten sei, und deshalb nicht erkenne, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspreche. Aufgrund der Aktenlage sei Fahrlässigkeit anzunehmen gewesen.
Somit seien sowohl die objektiven als auch die subjektiven Voraussetzungen für die Strafbarkeit gegeben.
Der Bf. habe daher die Parkometerabgabe nicht entrichtet und somit fahrlässig verkürzt.
Der Bf. erhob mit Eingabe vom fristgerecht Beschwerde gegen das Straferkenntnis.
Begründend wurde ausgeführt:
"Auf meine Rechtfertigungsgründe zur Unvorhersehbarkeit der längeren Parkdauer wurde nicht eingegangen, sie wurdenauch nicht entsprechend überprüft. Die Versuche einen Parkschein zu erwerben wurden nicht berücksichtigt. Ebensowurde nicht berücksichtigt, dass es nur ein wenige Minuten dauernder Zeitraum gewesen war, an dem kein gültigerParkschein vorhanden gewesen war.
Wie bereits in der Rechtfertigung ausführlich erwähnt, betrug die vorhersehbare Parkdauer nur wenige Minuten, dieVerlängerung ist durch interne, organisatorische Probleme in KH Krankenhaus entstanden. Diese liegen nicht inmeiner Verantwortung. Im Bescheid befindet sich kein Hinweis zur Überprüfung meiner Angaben im Krankenhaus.
Für die vorhersehbar sehr kurze Parkzeit, wurde der Gratisparkschein gewählt, welcher genau für solche Fälle gedachtist. So wird und wurde es von der Stadt Wien auch kommuniziert.Aufgrund der unmöglichen Vorhersehbarkeit der entstandenen Verzögerung schließe ich fahrlässiges Verhaltenmeinerseits aus, hier insbesondere auch die leichte Form der Fahrlässigkeit, also ,Nachlässigkeit', nachdem alleSorgfaltspflichten mit Genauigkeit eingehalten wurden. Durch die Buchungszeiten ist der Zeitablauf ohnehin genauerkennbar.Anhand der Buchung des bezahlten Parkscheins ist außerdem ersichtlich, dass als Notmaßnahme der schnellstmöglicheKauf eines Parkscheins getätigt worden ist. Die technische Möglichkeit zum Erwerb eines bezahlten Parkscheins - mitBeginn der Gültigkeit des Gratisparkscheins - besteht leider nicht.
Die zum Kauf des bezahlten Parkscheins im Bescheid gewählte Formulierung ,Stellt zum Beanstandungszeitpunktebenso keine Relevanz dar' darf in Frage gestellt werden, denn der Kauf dieses Parkscheins zum erstmöglichenZeitpunkt des Erwerbs, zeigt den absoluten Willen zur Aufrechterhaltung, bzw. Herstellung des rechtmäßigen Zustands.
Außerdem merke ich an, dass der Stadt Wien primär kein finanzieller Schaden entstanden ist. Darüber hinaus wurde derbezahlte Parkschein zu einem Zeitpunkt gebucht, zu dem ich nicht wissen konnte, dass sich ein Kontrollorgan beimFahrzeug befindet - bzw. befunden hat. Es ist also mein absolutes Bestreben gewesen, alle Rechtsvorschriftengenauestens einzuhalten.Durch die fehlende rechtliche bzw. technische Möglichkeit, einen Zahlparkschein mit der Beginnzeit des Gratis Scheinszu lösen, war das leider nicht möglich.Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt ist Fahrlässigkeit - Sollte dieser Fall eine Sorgfaltsverletzung darstellen, würdedie Ausstellung eines Gratisparkscheins grundsätzlich - bei Auftreten unerwartbarer Ereignisse - immer in einerunlösbaren Situation enden. Es ist nicht vorstellbar, dass dies den Willen des Gesetzgebers widerspiegelt. Durch dieSchaffung der Möglichkeit, einen bezahlten Parkschein mit Beginn der Gratiszeit zu kaufen, könnte dieses Problembehoben werden.Zur Überprüfung meiner Angaben stelle ich den Antrag die Akten im KH Krankenhaus zu überprüfen, weiters dieAuswertung der Telefonprotokolle und eventuell, falls die Anrufe aufgezeichnet sind, auch die Überprüfung vonMitschnitten (falls vorhanden), ich erteile dazu meine Zustimmung. Ebenso muss im elektronischenAktenverwaltungssystem der verstärke Kundenandrang anhand der vom Kundendienst protokollierten Aktenvorgängeerkennbar sein. All diese Umstände sind als Beweis für den Beweis der wahrheitsgemäßen Angaben meinerseitserforderlich.Ich ersuche um Neubewertung des Falles und Einstellung des Verfahrens."
Der Magistrat der Stadt Wien (belangte Behörde), Magistratsabteilung 67, legte die Beschwerde samt Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Sachverhalt:
Das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen 123 (A) wurde vom Beschwerdeführer (abgekürzt: Bf.) am in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in Wien..., abgestellt. Der Bf. hatte vor, die persönlichen Gegenstände eines verstorbenen Angehörigen im KH Krankenhaus abzuholen. Aufgrund eines vorherigen Telefonates mit dem Krankenhaus ging der Bf. davon aus, dass dies rasch erledigt werden könnte, sodass ein 15-Minuten-Parkschein ausreichen werde.
Der Bf. buchte um 14:06 Uhr den 15-Minuten-Gratisparkschein Nr. PS1 mit einer Gültigkeitsdauer bis 14:21 Uhr.
Als der Bf. erkannte, dass die 15 Minuten zur Abholung der persönlichen Gegenstände des Verstorbenen nicht ausreichen würden, versuchte er zunächst vergeblich, einen 30-Minuten-Parkschein elektronisch zu lösen. Das Lösen eines weiteren elektronischen Parkscheines bis einige Minuten nach Ablauf des vorherigen elektronischen Gratis-Parkscheines war technisch gesperrt.
Der Bf. wusste am noch nicht, dass die Kombination eines 15-Minuten-Gratisparkscheines mit einem kostenpflichtigen Parkschein in zeitlich unmittelbarer Aufeinanderfolge gemäß Kontrolleinrichtungenverordnung unzulässig ist.
Um 14:23 Uhr beanstandete ein Überwachungsorgan das streitgegenständliche Kraftfahrzeug, welches nicht mit einem Papier-Parkschein versehen war und für welches zu diesem Zeitpunkt kein elektronischer Parkschein gebucht war.
Sobald die Buchung eines weiteren elektronischen Parkscheines technisch möglich war, buchte der Bf. um 14:24 Uhr den kostenpflichtigen 30-Minuten-Parkschein Nr. PS2, welcher von 14:30 bis 15:30 gültig war (und unter analoger Anwendung der Regelungen für angefangene Viertelstunden bei Verwendung eines Papier-Parkscheines in § 3 Abs. 2 und 4 Kontrolleinrichtungenverordnung auch für 14:24 bis 14:29 Uhr gültig war).
Die Ursachen für die Verzögerung bei der Abholung der persönlichen Gegenstände des Verstorbenen im KH Krankenhaus waren: Die telefonisch vereinbarte Abholung bei der Information war nicht möglich, weil die Dame an der Information nichts davon wusste und den Bf. an den Aufnahmeschalter verwies, wo es dauerte, bis der Bf. an die Reihe kam. Die abzuholenden Gegenstände waren auch dort noch nicht, sondern mussten erst noch mit Telefonaten gesucht und gefunden werden.
Der Bf. kehrte um 14:33 Uhr zu seinem Kfz zurück.
Der Bf. hat außer dem streitgegenständlichen Kraftfahrzeug Baujahr 2008 kein Vermögen, wobei die Kleidung kein relevantes realisierbares Vermögen ist. Er bewohnt eine Mietwohnung. Sein monatliches Einkommen beträgt 2.000,00 Euro. Er hat keine Sorgepflichten.
Beweiswürdigung und Beweisanträge:
Der Sachverhalt zu den gebuchten Parkscheinen für die Zeiträume 14:06 bis 14:21 Uhr und ab 14:24 Uhr sowie zur Beanstandung am um 14:23 Uhr ergibt sich aus den Anzeigedaten und eigenen Wahrnehmungen des Kontrollorganes der Parkraumüberwachung, den zum Beanstandungszeitpunkt aufgenommenen (zwei) Fotos sowie der Übersicht m-parking Wien über die vom Bf. durchgeführten Transaktionen.
Das Abstellen des auf den Bf. zugelassenen mehrspurigen Kraftfahrzeuges durch den Bf. ergibt sich aus der vom Bf. erteilten Lenkerauskunft.
Der Sachverhalt in Zusammenhang mit dem KH Krankenhaus, den zunächst vergeblichen Versuchen zum Buchen eines weiteren Parkscheines, der Rückkehr zum Kraftfahrzeug und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Bf. ergibt sich aus dem nach Ansicht des BFG glaubwürdigen Vorbringen des Bf. in seiner Rechtfertigung vom und in seiner Beschwerde vom . Die belangte Behörde hat die Glaubwürdigkeit dieses Vorbringens nicht bezweifelt, aber als irrelevant betrachtet. Inwieweit die aufgrund dieses Vorbringens festgestellten Sachverhaltselemente relevant sind, wird sich aufgrund der rechtlichen Würdigung und der Strafbemessung durch das BFG erweisen.
Es ist beim BFG bekannt, dass das Lösen eines weiteren elektronischen Parkscheines bis einige Minuten nach Ablauf des vorherigen elektronischen Gratis-Parkscheines technisch gesperrt ist.
Die Unzulässigkeit der Kombination eines 15-Minuten-Gratisparkscheines mit einem kostenpflichtigen Parkschein in unmittelbarer Aufeinanderfolge gemäß Kontrolleinrichtungenverordnung war dem Bf. noch nicht bekannt, als er mit E-Mail vom an MA-67-Service um die Rücknahme der Organstrafverfügung ersuchte. Der Bf. erkannte bloß die technische Unmöglichkeit, einen kostenpflichtigen Parkschein bis einige Minuten nach Ende der Gültigkeit des Gratisparkscheines zu buchen. Somit war dem Bf. die vorgenannte Unzulässigkeit der Kombination von Gratis-Parkschein und weiterem Parkschein auch am noch nicht bekannt.
Die Beweisanträge des Bf. zielen auf den Nachweis des Vorbringens des Bf. in Zusammenhang mit dem KH Krankenhaus ab. Da dieses Vorbringen vom BFG als wahr angesehen wird, ist es entbehrlich, den Beweisanträgen nachzukommen.
Rechtsgrundlagen:
(Wiener) Parkometerabgabeverordnung (Verordnung des Wiener Gemeinderats, mit der für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen die Entrichtung einer Abgabe vorgeschrieben wird, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 51/2005, zuletzt geändert durch die Verordnung Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 45/2023):
"§ 1. Für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen (§ 25 StVO 1960) ist eine Abgabezu entrichten.
[…]
§ 2. Die Abgabe beträgt für jede halbe Stunde Abstellzeit 1,25 Euro, wobei für angefangene halbe Stundender volle Abgabenbetrag zu entrichten ist. Beträgt die gesamte Abstellzeit nicht mehr als fünfzehn Minuten, ist einAbgabenbetrag nicht zu entrichten, wenn der hiefür vorgesehene Parkschein vorschriftsmäßig angebracht und entwertet oder aktiviert ist.
[…]
§ 5. (1) Die Abgabe gilt mit der ordnungsgemäßen Entwertung des Parkscheins (der Parkscheine) oder mit der Bestätigung der Abstellanmeldung als entrichtet.
(2) Zur Entrichtung der Abgabe sind der Lenker, der Besitzer und der Zulassungsbesitzer zur ungeteilten Hand verpflichtet. Jeder Lenker, der ein mehrspuriges Kraftfahrzeug in einem Gebiet abstellt, für das eine Abgabepflicht besteht, hat die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges zu entrichten. Die Lenker haben bei der Durchführung der angeordneten Kontrollmaßnahmen mitzuwirken.
[…]"
(Wiener) Kontrolleinrichtungenverordnung (Verordnung des Wiener Gemeinderates über die Art der zu verwendenden Kontrolleinrichtungen in Kurzparkzonen):
(zu Papier-Parkscheinen)
[…]
"§ 3. (1) Abgabepflichtige, die ein mehrspuriges Kraftfahrzeug in einer Kurzparkzone abstellen, haben dafür zu sorgen, dass es während der Dauer seiner Abstellung mit einem richtig angebrachten und richtig entwerteten Parkschein gekennzeichnet ist.
(2) Die Entwertung der Parkscheine nach Anlage II hat durch deutlich sichtbares und haltbares Ankreuzendes Beginnes der Abstellzeit (Monat, Tag, Stunde, Minute) und Eintragen des Jahres zu erfolgen, wobeiangefangene Viertelstunden unberücksichtigt gelassen werden können. Bei Verwendung mehrerer Parkscheinesind auf jedem Parkschein die gleichen, der Ankunftszeit entsprechenden Daten zu bezeichnen.
(3) Die Entwertung des Parkscheines nach Anlage I hat durch deutlich sichtbares und haltbares Eintragender Stunde und Minute zu erfolgen. Bei einstelligen Stunden- oder Minutenangaben ist eine Null vorzusetzen.
(4) Die Entwertung der Parkscheine nach Anlage III hat durch deutlich sichtbares und haltbares Eintragenvon Tag, Monat und Jahr zu erfolgen, wobei bei einstelligen Tages- oder Monatsangaben eine Null vorzusetzenist. Der Beginn der Abstellzeit (Stunde, Minute) ist deutlich sichtbar und haltbar anzukreuzen, wobeiangefangene Viertelstunden unberücksichtigt gelassen werden können. Bei Verwendung mehrerer Parkscheinesind auf jedem Parkschein die gleichen, der Ankunftszeit entsprechenden Daten zu bezeichnen.
[…]
§ 4 (1) Die Verwendung von mehr als einem Parkschein nach Anlage I (Fünfzehn-Minuten-Parkschein) in zeitlich unmittelbarer Aufeinanderfolge ist unzulässig.
(2) Die Kombination eines Parkscheines nach Anlage II oder III [kostenpflichtige Parkscheine] mit einem Parkschein nach Anlage I [Gratis-15-Minuten-Parkschein] in zeitlich unmittelbarer Aufeinanderfolge ist unzulässig."
(zu elektronischen Parkscheinen)
"§ 6. (1) Übersteigt die Abstellzeit fünfzehn Minuten, ist für die elektronischen Parkscheine ein Entgelt zu entrichten. Dieses wird durch die Verordnung des Wiener Gemeinderates, mit der für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen die Entrichtung einer Abgabe vorgeschrieben wird (Parkometerabgabeverordnung), festgesetzt.
[…]
§ 7. (1) Abgabepflichtige, die ein mehrspuriges Kraftfahrzeug in einer Kurzparkzone abstellen, haben dafür zu sorgen, dass während der Dauer seiner Abstellung ein elektronischer Parkschein aktiviert ist.
(2) Die Aktivierung eines elektronischen Parkscheines erfolgt durch Übermittlung einer SMS oder im Wege einer vom Systembetreiber zur Verfügung gestellten Internet-Applikation über das Internet Protokoll (IP) an das elektronische System. Über das Mobiltelefon bzw. das (mobile) Endgerät ist die beabsichtigte Parkdauer sowie das behördliche Kennzeichen des abgestellten mehrspurigen Kraftfahrzeuges einzugeben, sofern das behördliche Kennzeichen nicht bereits im Zuge der Einrichtung des Benutzerkontos im System erfasst wurde (Abstellanmeldung). Danach ist die Rückmeldung des elektronischen Systems durch SMS oder im Wege einer vom Systembetreiber zur Verfügung gestellten Internet-Applikation über das Internet Protokoll (IP) über die durchgeführte Transaktion abzuwarten (Bestätigung).
(3) Wird die Abstellanmeldung durch das elektronische System bestätigt, gilt die Abgabe als entrichtet oder darf das mehrspurige Kraftfahrzeug für einen fünfzehn Minuten nicht übersteigenden Zeitraum abgestellt werden.
[…]
§ 9. (1) Wird das Entgelt im Wege der Benützung eines elektronischen Parkscheines entrichtet, ist die Kombination mit einem Parkschein nach Anlage I (Fünfzehn-Minuten-Parkschein) oder mit einem fünfzehn Minuten nicht übersteigenden elektronischen Parkschein in zeitlich unmittelbarer Aufeinanderfolge unzulässig.
(2) Die unmittelbar aufeinander folgende Aktivierung von elektronischen Parkscheinen mit einer fünfzehn Minuten nicht übersteigenden Abstellzeit oder die Kombination der Aktivierung eines fünfzehn Minuten nicht übersteigenden elektronischen Parkscheins mit einem Parkschein gemäß Anlage I, II oder III in zeitlich unmittelbarer Aufeinanderfolge ist unzulässig."
§ 4 Abs. 1 (Wiener) Parkometergesetz 2006 (Gesetz über die Regelung der Benützung von Straßen durch abgestellte mehrspurige Kraftfahrzeuge) bestimmt: "Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu 365 Euro zu bestrafen."
§ 5 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) bestimmt: "Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte."
§ 6 VStG bestimmt: "Eine Tat ist nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist." (Der zweite Fall des § 6 VStG wird auch als Pflichtenkollision bezeichnet.)
Neben dem entschuldigenden Notstand im Sinne des ersten Falles des § 6 VStG bewirkt nach herrschender Meinung und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch der rechtfertigende Notstand, dass die Tat nicht strafbar ist. Der auch im Strafgesetzbuch (StGB) nicht ausdrücklich geregelte, aber stillschweigend vorausgesetzte rechtfertigende Notstand besteht darin, "dass der Täter als ultima ratio ein - einer unmittelbar drohenden Gefahr ausgesetztes - höherwertiges … Individualrechtsgut dadurch errettet, dass er ein geringwertigeres Rechtsgut opfert. Die Möglichkeiten einer rechtskonformen Gefahrenabwehr sind auszuschöpfen; unter den zur Verfügung stehenden Mitteln ist das relativ schonendste zu wählen. Es besteht zusätzlich ein Angemessenheitskorrektiv.
[…]
Der VwGH beschränkt den Notstand - weil er die zwischenzeitig im Kriminalstrafrecht vollzogene Öffnung gegenüber nicht notwehrfähigen Individualrechtsgüter noch nicht vollzogen hat - auf die Rechtsgüter Leben, die Freiheit oder das Vermögen; für diese muss eine unmittelbar drohende Gefahr bestehen […]" (Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG3, § 6 Rz 6)
Der entschuldigende Notstand erfordert - wie der rechtfertigende Notstand - das Vorliegen eines unmittelbar drohenden bedeutenden Nachteiles für ein Rechtsgut. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist streng und lässt eine Entschuldigung kraft Notstands nur in Ausnahmefällen zu. (Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG3, § 6 Rz 11 f)
Rechtliche Beurteilung:
Der Wiener Gemeinderat hat durch § 1 und § 2 Satz 1 Parkometerabgabeverordnung eine Abgabepflicht für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen grundsätzlich ab der ersten Minute und für jede Minute des Abgestelltseins ausgeschrieben und folgende zwei zeitlichen Ausnahmen normiert:
Gemäß § 2 Satz 2 Parkometerabgabeverordnung unter der Voraussetzung der vorschriftsmäßigen Anbringung und Entwertung bzw. Aktivierung eines 15-Minuten-Gratis-Parkscheines.
Gemäß § 3 Abs. 2 und 4 Kontrolleinrichtungenverordnung bei Verwendung von Parkscheinen nach Anlage II (übliche Papier-Parkscheine) und Anlage III (Papier-Parkscheine aus Automaten), wonach angefangene Viertelstunden unberücksichtigt gelassen werden können. Für elektronische Parkscheine wird eine solche zeitliche Ausnahme nicht ausdrücklich normiert. Dies könnte als planwidrige Regelungslücke angesehen werden, die durch Analogie zur Regelung für Papierparkscheine geschlossen werden könnte, indem die Zeitspanne zwischen der Buchung des elektronischen Parkscheines und der nächsten vollen Viertelstunde (hier: 14:24 bis 14:29 Uhr) als nicht abgabepflichtig angesehen würde. Dieser Analogieschluss hätte freilich auf den vorliegenden Fall, welcher durch die Tatzeit 14:23 Uhr gekennzeichnet ist, keine Auswirkung.
Im gegenständlichen Fall war das in Rede stehende Fahrzeug am um 14:23 Uhr ohne gültigen Parkschein abgestellt, obwohl Abgabepflicht bestand. Der Bf. hat dadurch die Parkometerabgabe zu diesem Zeitpunkt im Sinne des § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006 durch das Unterlassen der Entrichtung der Parkometerabgabe verkürzt.
Der Bf. bringt gegen seine Bestrafung mit dem angefochtenen Bescheid (Straferkenntnis) des Magistrates der Stadt Wien vor:
die Abfolge von Umständen, die dem Bf. die Entrichtung der Parkometerabgabe verunmöglicht hätten und die nicht vom Bf. zu verantworten seien;
dass der Stadt Wien kein finanzieller Schaden entstanden sei und sich der Bf. um die Herstellung eines rechtskonformen Zustandes durch die versuchte Buchung eines 30-Minuten-Parkscheines bemüht habe bzw. einen solchen ab der technischen Möglichkeit der Buchung tatsächlich gelöst habe;
dass ihm keine Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei;
dass es nicht im Sinne des Gesetzgebers sei, wenn die Verwendung eines Gratis-Parkscheines beim Auftreten unerwartbarer Ereignisse immer in einer unlösbaren Situation ende.
Die zur Vermeidung einer Bestrafung nach § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006 iVm Parkometerabgabeverordnung iVm Kontrolleinrichtungenverordnung erforderliche rechtskonforme Vorgangsweise wäre im vorliegenden Fall gewesen: Der Bf. hätte rechtzeitig zu seinem Kfz zurückkehren müssen, sodass er es spätestens um 14:21 Uhr ausparken, d.h. von seinem Abstellplatz entfernen hätte können. Nach dem Ausparken aus dem Abstellplatz hätte der Bf. sein Kfz:
entweder ab dem Ende der Buchungssperre für einen elektronischen Parkschein wieder abstellen können und dafür einen neuen Parkschein buchen können,
oder - wenn er einen Papier-Parkschein zur Hand gehabt hätte - das Fahrzeug sofort wieder abstellen können und den Papier-Parkschein ausfüllen und hinter der Windschutzscheibe auf das Armaturenbrett legen können.
Diese rechtskonforme Vorgangsweise wäre für den Bf. sehr unangenehm gewesen; sie hätte durch das Ausparken und durch das Wieder-Hinten-Anstellen im KH Krankenhaus den Bf. Mühe und Zeit gekostet. Diese Unannehmlichkeiten bleiben aber weit unter dem, was - wie im Abschnitt ´Rechtsgrundlagen´ dargestellt - unter einer Notstandssituation zu verstehen ist. Die Tat war also nicht durch Notstand gerechtfertigt oder entschuldigt.
Ebenso ist eine gesetzliche Pflicht, wonach die Abholung der Sachen des verstorbenen Angehörigen spätestens am erfolgen hätte müssen, nicht vorstellbar. Eine rechtfertigende oder entschuldigende Pflichtenkollision lag daher auch nicht vor.
Wenn der Bf. anlässlich des Abstellens seines Kfz um 14:06 Uhr einen 30-Minuten-Parkschein gebucht hätte, wäre die Parkometerabgabe (1,25 €) von 14:06 Uhr bis 14:45 Uhr entrichtet gewesen, was infolge der Rückkehr des Bf. zu seinem Kfz um 14:33 Uhr ausreichend gewesen wäre. Dieses Geschehen ist aber fiktiv.
Durch die tatsächliche Buchung eines 30-Minuten-Parkscheines um 14:24 Uhr wurde die Parkometerabgabe von 14:24 Uhr bis 15:00 Uhr in Höhe von 1,25 € entrichtet.
Die Parkometerabgabe in einem konkreten Fall hat nicht nur die Abgabenhöhe als Merkmal, sondern u.a. auch das zeitliche Element als Merkmal.
Die Nichtentrichtung (Verkürzung oder Hinterziehung) der Parkometerabgabe infolge des Unterlassens, die Parkometerabgabe zu entrichten, bewirkt einen Schaden für die Stadt Wien. Denn der Stadt Wien entgeht durch die festgestellte Nichtentrichtung der Parkometerabgabe zu einem bestimmten Zeitpunkt die rechtzeitige Einnahme von Parkometerabgabe in Höhe von zumindest 1,25 Euro (für eine angefangene halbe Stunde nach dem derzeitigen Tarif). Eine Verkürzung liegt bereits dann vor, wenn die Abgabe nicht zum vorgesehenen Termin entrichtet wird (vgl. ).
Die Verwirklichung des Deliktes der Verkürzung der Parkometerabgabe um 14:23 Uhr wird durch die Zahlung um 14:24 Uhr nicht rückwirkend ungeschehen gemacht. Eine solche Rückwirkung würde eine gesetzliche Normierung voraussetzen, welche nicht vorhanden ist.
Die Zahlung um 14:24 Uhr ist als Bemühen, den Schaden gutzumachen, anzusehen, was bei der Strafbemessung als Milderungsgrund berücksichtigt werden wird.
Gemäß § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 genügt für die Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.
Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet, nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbestand entspricht (§ 6 Abs. 1 StGB).
Nach der Judikatur des VwGH stellt die Unkenntnis iSd § 5 Abs. 2 VStG, ua. von straßenpolizeilichen Bestimmungen oder Parkgebührenvorschriften, keinen entschuldigenden Rechtsirrtum dar, wenn sich der am Straßenverkehr Teilnehmende über die gesetzlichen Bestimmungen nicht an geeigneter Stelle erkundigt hat (vgl , ).
Der Bf. erkannte, dass die bis 14:21 Uhr laufende Gratis-Parkzeit nicht ausreichen werde. Statt der bereits dargestellten rechtskonformen Vorgangsweise (rechtzeitige Rückkehr zum Kfz und Ausparken) versuchte der Bf. - in Unkenntnis der einschlägigen Regelung in der Kontrolleinrichtungenverordnung zur Unzulässigkeit der Kombination eines Gratis-Parkscheines mit einem kostenpflichtigen Parkschein - zunächst vergebens, dennoch einen solchen kostenpflichtigen Parkschein elektronisch zu buchen. Die Unkenntnis der einschlägigen Regelung in der Kontrolleinrichtungenverordnung ist dem Bf. als fahrlässig vorzuwerfen, weil er sich als Lenker eines Kfz, der dieses in einer Kurzparkzone abstellen will, vorher vollständig über die diesbezüglichen Vorschriften erkundigen hätte müssen (vgl. auch Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG3 § 5 Rz 18). Der nicht entschuldigende Rechtsirrtum (Verbotsirrtum) des Bf. wird bei der Strafbemessung als Milderungsgrund berücksichtigt werden.
Aus dem vom Bf. vorgebrachten Gedanken, einen zu bezahlenden Parkschein mit Beginn der Gratiszeit elektronisch buchen zu können (rückwirkend), ist für den vorliegenden Fall nichts zu gewinnen, weil dies nach der derzeitigen Rechtslage und auch technisch nicht vorgesehen ist.
Der Ansicht des Bf., wonach es nicht im Sinne des Gesetzgebers sei, wenn die Verwendung eines Gratis-Parkscheines beim Auftreten unerwartbarer Ereignisse immer in einer unlösbaren Situation ende, ist entgegenzuhalten: Die landesgesetzlichen Strafbestimmungen im Parkometergesetz 2006 sowie die Bestimmungen in den Verordnungen des Wiener Gemeinderates (Parkometerabgabeverordnung und Kontrolleinrichtungenverordnung) schaffen ein System, das eine effektive zeitpunktbezogene Kontrolle der Entrichtung der Parkometerabgabe ermöglicht und bei der Nichtentrichtung der Parkometerabgabe im Zeitpunkt der Kontrolle eine Bestrafung androht. Damit dies keine ´leere Drohung´ ist, deren Präventivwirkung alsbald verschwinden würde, ist gegebenenfalls eine Bestrafung vorzunehmen. Der Wille des Wiener Landtages als Gesetzgeber, eine möglichst effektive Strafdrohung bei Nichtentrichtung der Parkometerabgabe zu schaffen, ist deutlich an § 4 Abs. 6 Parkometergesetz 2006 zu erkennen. Dieser Absatz, welcher durch Art. VII des Gesetzes betreffend die Anwendbarkeit des § 33a VStG im Bereich der Wiener Rechtsvorschriften eingefügt wurde, macht den unter dem Motto ´Beratung statt Bestrafung´ geschaffenen § 33a VStG in Parkometer-Angelegenheiten unanwendbar.
Strafbemessung:
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG 1991 ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Gemäß § 19 Abs. 2 VStG 1991 sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches (StGB) sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Die Bemessung der Strafe ist eine Ermessensentscheidung der Behörde (hier gemäß § 38 VwGVG: des BFG als Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen), die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG 1991 festgelegten Kriterien vorzunehmen ist (, , , ).
Bei der Strafbemessung ist zu berücksichtigen, dass ein öffentliches Interesse an der ordnungsgemäßen und fristgerechten Abgabenentrichtung sowie einer effektiven diesbezüglichen Kontrolle besteht. Werden die hiefür vorgesehenen Kontrolleinrichtungen nicht richtig entwertet bzw. gebucht, entgehen der Gemeinde Wien unter Umständen die entsprechenden Abgaben.
Der Bf. hat das öffentliche Interesse dadurch geschädigt, dass er das Fahrzeug in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt hat, ohne dieses für die gesamte Abstellzeit mit einem gültigen Parkschein zu kennzeichnen (bzw. für die gesamte Abstellzeit einen elektronischen Parkschein zu buchen).
Die Einstellung des Strafverfahrens kommt nicht in Betracht, da nach der ständigen Judikatur des VwGH die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG voraussetzt, dass das Verschulden geringfügig sein muss und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind (vgl. zB , ). Im vorliegenden Fall wird zwar nicht von einem großen Verschulden, aber auch nicht von einem geringfügigen Verschulden ausgegangen.
In einem vom VwGH entschiedenen Fall, bei dem die Beschwerdeführerin den Parkschein nicht ordnungsgemäß ausgefüllt hat (keine Entwertung der Rubrik "Minute") erblickte der VwGH kein geringes Verschulden ().
Zugunsten des Bf. sind folgende Milderungsgründe zu berücksichtigen:
§ 34 Abs. 1 Z 12 StGB: Begehung der Tat in einem die Schuld nicht ausschließenden Rechtsirrtum;
§ 34 Abs. 1 Z 15 StGB: ernstliches Bemühen, den verursachten Schaden gutzumachen, durch die Buchung eines kostenpflichtigen 30-Minuten-Parkscheines um 14:24 Uhr.
Es sind keine Erschwerungsgründe ersichtlich.
Die ohne Milderungsgründe angemessene Geldstrafe in Höhe von 60,00 € und Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von zwölf Stunden werden zur Berücksichtigung der Milderungsgründe halbiert, sodass sich zunächst 30,00 € für die Geldstrafe und sechs Stunden für die Ersatzfreiheitsstrafe ergeben. Die 12-Stunden-Mindestdauer des § 12 VStG für primäre Freiheitsstrafen ist für Ersatzfreiheitsstrafen nicht anzuwenden und steht daher hier der Herabsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe auf sechs Stunden nicht entgegen (vgl. Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG3, § 16 Rz 6).
Bei der Bemessung der Geldstrafe sind darüber hinaus die wirtschaftlichen Verhältnisse des Bf. zu berücksichtigen. Ein Anhaltspunkt für die Einkommensverhältnisse ist der aktuellste von der Statistik Austria veröffentlichte Median der Nettomonatseinkommen (inkl. anteiliger Sonderzahlungen) für 2022: 2.330 Euro (106 Euro mehr als 2021). Für 2024 kann man zweimal die angegebene Jahresveränderung gegenüber 2021 (2 x 106 = 212 Euro) dazuschätzen, was 2.542 Euro ergibt. Darin sind laut Beschreibung auf der Website der Statistik Austria das anteilige Urlaubs- und Weihnachtsgeld, welche gemeinsam ein Sechstel ausmachen, enthalten. Die 2.542 Euro sind also sieben Sechstel des laufenden Monatsbezuges. 2.542 mal 6 dividiert durch 7 ergibt 2.179 Euro als Maßstab zum Vergleich mit dem Monatseinkommen des Bf., welches mit 2.000 Euro leicht darunterliegt. Die Vermögensverhältnisse des Bf. sind deutlich unterdurchschnittlich.
Insgesamt werden die wirtschaftlichen Verhältnisse dahingehend berücksichtigt, dass die Geldstrafe mit 20,00 € festgesetzt wird.
Zum Entfall einer öffentlichen mündlichen Verhandlung
Von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wird gemäß § 44 Abs. 3 VwGVG abgesehen, weil im Sinne von Z 3 leg.cit. eine 500 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und die Durchführung einer Verhandlung nicht beantragt worden ist und der Sachverhalt bereits durch das bisherige Verfahren vollständig ermittelt ist.
Kostenentscheidung
Da die Kosten des (verwaltungsbehördlichen) Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 64 VStG in Höhe von 10% der Strafen festzusetzen sind (mindestens jedoch mit zehn Euro), wurden sie somit in Höhe von 10 Euro korrekt festgesetzt.
Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind dem Bf. keine Kosten des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.
Gemäß § 25 Abs. 2 BFGG hat das Bundesfinanzgericht, soweit dies nicht in der BAO, im ZollR-DG oder im FinStrG geregelt ist, in seiner Entscheidung zu bestimmen, welche Abgabenbehörde oder Finanzstrafbehörde die Entscheidung zu vollstrecken hat.
Hier erweist sich der Magistrat der Stadt Wien als Vollstreckungsbehörde zweckmäßig, da dem Magistrat der Stadt Wien bereits gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 VVG die Vollstreckung der von den (anderen) Verwaltungsgerichten erlassenen Erkenntnisse und Beschlüsse obliegt (vgl. für viele ausführlich sowie Wanke/Unger, BFGG § 25 BFGG Anm. 6).
Zur Unzulässigkeit der Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine (ordentliche) Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig, weil das Erkenntnis angesichts der eindeutigen Rechtslage nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhinge, der grundsätzliche Bedeutung zukäme; und zwar selbst dann, wenn zu der anzuwendenden Norm noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen wäre (vgl. ; ; ; ; , RNr. 10).
Die beurteilten Tatfragen und die Strafbemessung können nicht Thema einer ordentlichen Revision sein. Soweit für die vorliegende Entscheidung des BFG Tatfragen (Sachverhaltsfeststellungen, Beweiswürdigung) zu lösen waren, welche keine Rechtsfragen sind, ist diesbezüglich die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig (vgl. ). Die Strafbemessung betrifft jeweils nur einen Einzelfall. Eine nur die Einzelfallgerechtigkeit berührende Wertungsfrage ist keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (vgl. ; ).
Für den Beschwerdeführer hingegen geht die absolute Unzulässigkeit einer Revision gemäß § 25a Abs. 4 VwGG vor (siehe auch Rechtsmittelbelehrung), welche im letzten Satz von Art. 133 Abs. 4 B-VG auch verfassungsrechtlich vorgezeichnet ist.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Verwaltungsstrafsachen Wien |
betroffene Normen | § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005 § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. Nr. 09/2006 § 4 Wiener Kontrolleinrichtungenverordnung, ABl. Nr. 33/2008 § 34 Abs. 1 Z 15 StGB, Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974 § 9 Wiener Kontrolleinrichtungenverordnung, ABl. Nr. 33/2008 § 6 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 19 Abs. 2 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 34 Abs. 1 Z 12 StGB, Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974 § 5 Abs. 2 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | ZVR 2024/201 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7500286.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at