1. Versagung der Fristverlängerung rechtswidrig 2.Grundanteil bei Eigentumswohnungen für AfA-Berechnung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende ***SenV***, die Richterin ***Ri*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ATHLON Wirtschaftstreuhand- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Erndtgasse 23, 1180 Wien, über die Beschwerden vom und vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom und betreffend Einkommensteuer 2018 und 2019, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Schriftführers ***Sf*** zu Recht erkannt:
I. Der Bescheid vom zur Abweisung der Fristverlängerungsanträge wird aufgehoben.
II. Die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2018 und 2019 werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Bisheriger Verfahrensgang
1. 2018
Die Beschwerdeführerin (Bf) setzte in ihrer Einkommensteuererklärung für 2018 Einkünfte von 17.507,33 Euro aus der Vermietung von vier Eigentumswohnungen an. Bei den streitgegenständlichen beiden Wohnungen hat sie die AfA wie folgt berechnet:
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1230 Wien, Adr1 | |
Anschaffungskosten | 470.808,08 |
Abzügl. 14,19% (66.821,02) Grundanteil lt. GrundstückswertV ergibt | 403.987,06 |
Halbjahres-AfA | 3.029,90 |
AfA Küche | 375,00 |
AfA Summe | 3.404,90 |
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1120 Wien, Adr2 | |
Anschaffungskosten | 509.921,40 |
Abzügl. 6,05% (30.854,59) Grundanteil lt. GrundstückswertV ergibt | 479.066,81 |
Halbjahres-AfA | 3.593,00 |
Dem Einkommensteuerbescheid für 2018 vom wurden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 18.981,39 Euro zu Grunde gelegt. In der Begründung führte das Finanzamt aus, dass bei Berechnung der AfA die Anteile für Grund und Boden anhand der Grundstückswertverordnung von weniger als 20% des Gesamtkaufpreises nicht plausibel erscheinen. Die Grundanteile bei den Objekten Adr1 von 14,9% und Adr2 von 6,05% seien nicht als glaubhaft anzuerkennen. Es seien daher die Aufteilungsverhältnisse der GrundanteilsV 2016 anzuwenden. Die AfA sei folgendermaßen zu berechnen:
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Adr1 | Adr2 | |
Anschaffungskosten | 470.808,08 | 509.921,40 |
Abzügl. 30% GuB | -141.242,42 | -152.976,42 |
ergibt | 329.565,66 | 356.944,98 |
Jahres-AfA 1,5% | 4.943,48 | 5.354,17 |
Halbjahres-AfA | 2.471,75 | 2.677,09 |
Küche | 375,00 | |
Summe AfA | 2.846,75 | 2.677,09 |
In der Beschwerde vom wurde geltend gemacht, dass nach den EStR und der das Aufteilungsverhältnis Grund zu Gebäude abweichend von § 16 Abs. 1 Z 8 lit d EStG bzw der GrundanteilsVO anders nachgewiesen werden könne. Danach gelte die Glaubhaftmachung des Verhältnisses Grund zu Gebäude nach der GrundstückswertVO auch als Nachweis. Hinsichtlich dem plausiblen prozentuellen Verhältnis gebe es in der Information des BMF keine Aussage, daher sei auch ein unter 20% liegender Anteil für Grund und Boden als plausibel anzuerkennen. Führe der Grundstückwertrechner zu unplausiblen Ergebnissen, stelle das auch die Rechtskonformität/Verfassungsmäßigkeit der Berechnung von Grunderwerbsteuer in Frage. Die Methodik der GrundstückswertV müsse zu Aufteilungsverhältnissen zwischen Grund und Gebäude führen, die die Realität abbilden und müsse die Anwendbarkeit auch für die Einkommensteuer gegeben sein (Prodinger, SWK 1, 2019). Das Aufteilungsverhältnis sowie die AfA sei wie in der Steuererklärung 2018 dargestellt anzuerkennen.
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. In der Begründung führte das Finanzamt nach Darlegung der Regelungen des § 16 Abs. 1 Z 8 lit d EStG 1988 und der GrundanteilV aus, dass die Anwendung des pauschalen Ansatzes als Regelfall nur in besonders gelagerten Fällen einer erheblichen Abweichung ausgeschlossen sein solle.
Offenkundige besondere Umstände würden nicht vorliegen. In diesem Fall könne vom gesetzlich vermuteten Aufteilungsschlüssel nur abgegangen werden, wenn der den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Anteil nachgewiesen werde.
Laut dem können die Anteile des Grund und Bodens und des Gebäudes auch anhand des Verhältnisses von Grundwert zum Gebäudewert gemäß § 2 Abs. 2 und 3 der Grundstückswertverordnung glaubhaft gemacht werden.
Voraussetzung für eine gelungene Glaubhaftmachung sei nach der Rechtsprechung des VwGH, dass die Umstände des Einzelfalles dafür sprechen, dass der vermutete Sachverhalt von allen anderen denkbaren Möglichkeiten die größte Wahrscheinlichkeit für sich habe. Selbst wenn eine Glaubhaftmachung genüge, habe der Abgabepflichtige die maßgeblichen Umstände zumindest schlüssig zu behaupten. Die Glaubhaftmachung entsprechend des Erlasses setze daher voraus, dass die anhand der GrundstückswertV ermittelnden Anteile aufgrund der Erfahrungen aus der Praxis plausibel erscheinen.
Die von der Bf angegebenen Grundanteile von 14,19% und 6,05% würden auf der BMF-Grundstückswert-Berechnung beruhen, die anhand pauschaler Werte ermittelt werden. Nach § 1 der aufgrund des § 4 Abs 1 GrEStG ergangenen GrundstückswertV könne der Grundstückswert als Summe des hochgerechneten (anteiligen) dreifachen Bodenwertes gemäß § 52 Abs 2 erster und zweiter Satz BewG 1955 (Grundwert) und des (anteiligen) Wertes des Gebäudes (Gebäudewert) nach Maßgabe des § 2 GrundstückswertV (Pauschalwertmodell) oder in Höhe eines von einem geeigneten Immobilienpreisspiegel abgeleiteten Wertes nach Maßgabe des § 3 GrundstückswertV ermittelt werden.
Eine Ermittlung anhand pauschalierter Werte für Grundstücke und Gebäude lasse aber keine hinreichend plausiblen Rückschlüsse auf den Verkehrswert der gegenständlichen Mietobjekte zu. Dies erschließe sich auch daraus, dass einem ermittelten Grundstückswert laut BMF-Grundstückswert-Berechnung für die Adr1 von 155.593,71 Euro tatsächliche geleistete Anschaffungskosten in der Höhe von 470.808,08 Euro gegenüberstehen. Da der Verkehrswert des Gesamtgrundstücks das Dreifache des durch die Berechnung anhand § 2 GrWVO ermittelten Wertes ergebe, könne es sich bei den so ermittelten Werten kaum um die Werte handeln, die den tatsächlichen Wertverhältnissen entsprechen; zumal ein Grundwert unter 20% des Gesamtkaufpreises in Literatur und Rsp von vornherein nicht als plausibel angesehen werde ( mit Verweis auf Knechtsberger, ÖStZ 2018, 652,627).
Bei den angegebenen Werten könne es sich daher nicht um die tatsächlichen Wertverhältnisse handeln. Andere Unterlagen, die eine Abweichung von den Richtwerten der GrundanteilV rechtfertigen würden, seien nicht vorgelegt worden. An der Anwendbarkeit der GrundanteilV sei daher nicht zu zweifeln.
Aus § 2 GrundanteilV ergebe sich für Gemeinden über 100.000 Einwohnern für Gebäude mit mehr als 10 Wohneinheiten ein Anteil des Grund und Bodens von 30%, welcher der AfA für die beiden Wohnungen zugrunde gelegt worden seien.
Der steuerliche Vertreter beantragte mit Eingabe vom eine Fristverlängerung für die Einbringung eines Vorlageantrages bis zum . Diesem Antrag gab das Finanzamt mit Bescheid vom statt.
Mit einem weiteren Fristverlängerungsantrag vom begehrte der steuerliche Vertreter eine Verlängerung bis .
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt diesen Antrag und gleichzeitig den Antrag auf Fristverlängerung zur Einbringung einer Beschwerde für 2019 ab (siehe dazu unten Pkt. 2, 2019).
Die Bf ergänzte im Vorlageantragvom, dass die gegenständlichen Gebäude neu errichtete mehrstöckige Wohnanlagen mit einer großen Anzahl an Wohnungseigentümern seien. Daher falle der ideelle Anteil an Grund und Boden nur sehr gering aus. Auch die eher hochwertige Bauweise steigere den Wert der Gebäude. Das anhand der GrundanteilV ermittelte Aufteilungsverhältnis führe daher zu einer Überbewertung des Grund und Bodens.
Der Nachweis eines anderen Verhältnisses werde gesetzlich ausdrücklich zugelassen. Laut den Informationen des BMF könne auch der mit Hilfe des Grundstückwertrechners ermittelte Grundstückswert herangezogen werden, was im gegenständlichen Fall auch geschehen sei. Die Ablehnung des so ermittelten Anteils sei unverständlich, da der Grundanteil von mehreren Faktoren wie Flächenverhältnis, Grundfläche, Grundpreis, Gebäudefläche und Baukosten beeinflusst werde. Ein unter 20% liegenden Grundanteil könne lt. Prodinger, SWK 1/2019, durchaus plausibel sein.
In der beiliegenden Aufstellung würden die geltend gemachten Werte plausibilisiert. Die anhand der Grundstückswertrechner ermittelten Quadratmeterpreise seien durchaus mit den von der Statistik Austria veröffentlichen Preisen vergleichbar. Auch die Überprüfung des Anteils anhand des im Verhältnis zu den schematisch und vereinfacht ermittelten geschätzten Gesamtkosten der einzelnen Projekte gesetzten Baugrundstückspreise spreche für die Richtigkeit der Aufteilung.
Beigelegt ist eine Aufstellung der Statistik Austria mit durchschnittlichen Quadratmeterpreisen von Baugrundstücken für 2017 in den einzelnen Wiener Gemeindebezirken, wobei Durchschnittspreise von 775,20 Euro in Wien 10., 985,70 Euro in Wien 12. und 709,70 Euro in Wien 23. ersichtlich sind.
In einer Ergänzung vom teilte der steuerliche Vertreter mit, dass der Abweisungsbescheid vom am bei der Postgeschäftsstelle hinterlegt worden sei. Zu dieser Zeit sei sein Büro wegen Betriebsurlaub von bis unbesetzt gewesen, sodass die Zustellung erst am wirksam geworden sei. Somit gelte der Vorlageantrag als fristgerecht eingebracht, da er ihn bereits am ersten Tag der Rückkehr übermittelt habe.
2. 2019
Die Bf setzte in der Einkommensteuererklärung 2019 Einkünfte von 4.356,52 Euro aus der Vermietung von nunmehr fünf Wohnungen an. Bei den streitgegenständlichen drei Wohnungen wurde analog zu der Vorgangsweise für 2018 folgende AfA angesetzt:
Adr1: 6.809,81 Euro
Adr2: 7.186,00 Euro
Adr3: 1.976,00 Euro
Der Einkommensteuerbescheid für 2019 vom enthält hingegen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von 8.746,99. In der Begründung wurde wiederum darauf verwiesen, dass für die Berechnung der AfA die Anschaffungskosten der Gebäude in Höhe von jeweils 70% der gesamten Anschaffungskosten herangezogen wurden.
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Anschaffungskosten Gebäude | AfA 1,5% | |
Adr1 | 329.565,66 | 4.943,48 |
Adr2 | 356.944,98 | 5.354,17 |
Adr3 | 171.158,82 | 2.567,38 |
Für die Wohnung Adr3 sei für 2019 nur die Hälfte der AfA anzusetzen. Ergänzend werde auf die Begründung der Beschwerdevorentscheidung zum Einkommensteuerbescheid 2018 verwiesen.
Nach einem Fristverlängerungsantragvom wurde die Frist zur Einbringung einer Beschwerde bis zum antragsgemäß verlängert.
Den Fristverlängerungsantragvom zur nochmaligen Verlängerung der Frist bis zur Einbringung eines Vorlageantrages betreffend Einkommensteuer 2018 und zur Einbringung einer Beschwerde betreffend Einkommensteuer 2019 wies das Finanzamt mit Bescheid vom ab. Der Antrag für 2018 sei mit anhaltender Arbeitsüberlastung aufgrund von Kurzarbeit und Coronahilfemaßnahmen begründet worden. Der Antrag für 2019 enthalte dieselbe Begründung sowie den Hinweis, dass die nochmalige Evaluierung der BVE 2018 einen direkten Einfluss auf den Einkommensteuerbescheid 2019 habe. Beide Anträge seien damit unbegründet. Sowohl die BVE 2018 als auch der Einkommensteuerbescheid 2019 sei bereits im Dezember 2021 erlassen worden. Für die Begründung einer nochmaligen Fristverlängerung seien daher konkrete Umstände erforderlich gewesen, die diesen Fall betreffen. Solche Umstände seien nicht genannt worden.
Der Bescheid wurde per Post mit Zustellnachweis an den steuerlichen Vertreter als Zustellungsbevollmächtigten versendet und am (lt. Ausdruck des FA) hinterlegt.
Die elektronisch am eingelangte Beschwerde betreffend 2019 richtet sich wie im Vorjahr gegen die Höhe der im Bescheid angesetzten Vermietungungseinkünfte und enthält wiederum die Daten der Einkommensteuererklärung mit der Ankündigung, dass mangels ausreichendem Raum das Anschreiben samt Begründung und Beilagen mit heutiger Post versendet worden sei. Dieses Begründungsschreiben fehlt in den vorgelegten Verwaltungsakten.
Die Abgabenbehörde wies die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 mit Beschwerdevorentscheidung vom gemäß § 260 BAO als verspätet zurück.
Der Einkommensteuerbescheid sei am an die Steuerberatungskanzlei als Vertreterin zugestellt worden. Die Bf habe am , somit am letzten Tag der Frist, einen Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist bis gestellt. Dem Antrag habe das Finanzamt stillschweigend stattgegeben. Am , somit wiederum am letzten Tag der Frist, sei neuerlich um Verlängerung der Beschwerdefrist bis ersucht worden. Diesen Antrag habe das Finanzamt mit Bescheid vom abgewiesen. Dieser Bescheid sei laut dem betreffenden Zustellnachweis am (Karfreitag) hinterlegt worden und sei ab (Dienstag nach Ostern) zur Abholung bereitgehalten worden. Der Bescheid gelte daher mit dem ersten Tag der Hinterlegungsfrist als zugestellt.
Somit hätte eine Beschwerde nur noch am 19. oder spätestens (1 Resttag) eingebracht werden können. Daher sei die Beschwerde um einen Tag verspätet eingebracht worden.
Im Vorlageantrag vom betreffend 2019 ergänzte der steuerliche Vertreter, dass der Bescheid vom betreffend Abweisung des Ersuchens um Gewährung einer zusätzlichen Frist bis am bei der Postgeschäftsstelle hinterlegt worden sei. Zu dieser Zeit sei das Büro wegen Betriebsurlaubes von bis unbesetzt gewesen. Er habe daher nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen können. Diese Tatsache führe dazu, dass die Zustellung erst am Tag nach der Rückkehr, also am , wirksam geworden sei.
Er habe erst am von der behördlich zugestellten Post Kenntnis erlangt und die Sendung am gleichen Tag abgeholt. Somit gelte die unverzüglich bereits am Tag der Rückkehr übermittelte Beschwerde als fristgerecht.
Das Finanzamt ersuchte die Bf mit Schreiben vom um einen Nachweis dafür, dass die Kanzlei im konkreten Zeitraum tatsächlich geschlossen gewesen ist (zB. Nachweis über die Einrichtung eines Urlaubsfaches bei der Post, ...). Der Geschäftsführer der Steuerberatungskanzlei wohne im Nachbauhaus der Kanzlei und hätte unschwer die Kanzleiräume aufsuchen können, um die Post durchzuschauen.
Im Übrigen habe das Finanzamt inhaltlich festgestellt, dass hinsichtlich zweier Liegenschaften (Adr4 und Adr5) eine Anpassung des Grundanteiles bzw der AfA durchzuführen sein werde.
Weiters sei hinsichtlich der Wohnungen Adr1, Adr2 und Adr3 die Berechnung der Grundanteile durch die Bf unschlüssig.
Adr2:
Die Bf berechne beim Objekt Adr2 einen Grundwert von 10.147,26 Euro und einen Gebäudewert von 157.552,40 Euro, somit in Summe 167.699,65 Euro, und komme so auf einen Grundanteil von 6,05%.
Tatsächlich habe der Kaufpreis der Bf ohne Nebenkosten 480.972,64 Euro zuzüglich 20% Umsatzsteuer betragen. Somit weiche die Grundstückswertmethode von den realen Verhältnissen selbst ohne Umsatzsteuer um fast das Dreifache ab.
Der steuerliche Vertreter habe einen Quadratmeterpreis der anteilig erworbenen Flächen von 1.392,14 Euro ermittelt. Davon weiche der für die Probeberechnung angewendete Durchschnittspreis der Statistik Austria von 985,70 Euro massiv ab. Der Wert der Statistik Austria sei viel zu niedrig.
Die BUWOG, von welcher die Bf die Wohnung gekauft habe, habe die Liegenschaft mit 1296 m² (3 Parzellen) von einer fremden GmbH am um 4.766.600,00 Euro erworben, somit pro m² um 3.677,93 Euro. Eine der Parzellen sei unbebaut gewesen, auf einer habe sich ein Lagerschuppen befunden und auf der dritten ein nicht bewilligtes Altgebäude. Diese Gebäude hätten wohl für den Verkäufer und auch für den Käufer keinen relevanten Wert gehabt. Mit Vertrag vom habe die BUWOG von der Stadt Wien eine zusätzliche Fläche von 697m² um 2.500 Euro pro m² erworben. Diese unbebaute Grundfläche sei mit einem Servitut belastet gewesen, das sich auch auf die zukünftige Bebauung ausgewirkt habe, was sich im niedrigeren Kaufpreis widerspiegle. Beide Grundstückspreise würden massiv vom Wert der Statistik Austria vom 985,70 Euro einige Jahre später abweichen.
Adr1, Adr3:
Diese beiden Liegenschaften seien von den jeweiligen Bauträgern mit der Widmung als Betriebsgrundstück erworben worden. Die Liegenschaften hätten durch die Umwidmung auf Bauland für Wohngebäude mit höherer Bauklasse stark an Wert gewonnen.
Im Kaufvertrag der Bf vom zum Erwerb des Liegenschaftsanteiles Adr1 sei davon die Rede, dass die beiden Vertragsparteien den Kaufpreis für angemessen erklären und die kaufende Partei den Kaufgegenstand um den vereinbarten Kaufpreis aus besonderer Vorliebe und in Kenntnis des wahren Wertes übernehme.
Somit erweise sich die Verwendung eines Durchschnittspreises für das Grundstück jedenfalls als unbrauchbar.
Mit Eingabe vom antwortete der steuerliche Vertreter, dass zu seiner Ortsabwesenheit von bis im Zweifel Zeugen benannt werden können, wobei die Abwesenheit am in Hinblick auf die Hinterlegung ohnehin amtsbekannt sei. Der Großteil der arbeitenden Bevölkerung werde sich zu Ostern in einem längeren Urlaub befinden. Die Ortsabwesenheit sei somit schlüssig erklärt.
Der Ansatz, dass ein Geschäftsführer mit Wohnsitz in der Nachbarschaft im Erholungsurlaub die geschäftliche Post durchzusehen habe, sei lebensfremd und widerspreche der Definition von Erholungsurlaub. Das Durchsehen der Post hätte sogar zwingend zum Abbruch des Urlaubs führen müssen.
Weiters scheine es verwaltungsökonomisch fragwürdig, eine Fristverlängerung, bei der es schließlich nur noch um wenige Tage gegangen sei, abzuweisen, zumal die BVE betreffend Einkommensteuer 2018 von Juli 2020 bis Dezember 2021 - also rund 1 1/2 Jahre - gedauert habe. Er habe dennoch keinen Devolutionsantrag eingebracht. Schließlich hätten auch die Begründungen unter dem Zeitdruck der Abweisungen gelitten.
Zu den Objekten Adr4 und Adr5: hier sei eine Anpassung entsprechend der BMF-Information zu den Änderungen bei der Besteuerung von Grundstücken und Kapitalvermögen durch das Steuerreformgesetz 2015/2016 vorgenommen worden. Bei der Adr4 sei eine Anpassung auf das gesetzliche Aufteilungsverhältnis 60:40% (Grundanteil) vorgenommen worden und per der Wert des Gebäudes um 25% abgestockt worden. Bei der Adr5 sei zur Anpassung an das Aufteilungsverhältnis 70:30% (Grundanteil) per der Wert des Gebäudes um 12,5% abgestockt worden.
Adr2: Die BUWOG habe laut Abgabenbehörde folgende Grundstückserwerbe getätigt:
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Fläche in m² | Gesamtpreis in € | €/m² | |
1.296 | 4.766.600,00 | 3.677,93 | |
697 | 1.742.500,00 | 2.500,00 | |
Summen | 1.993 | 6.509.100,00 |
Der Gesamtpreis des Grundstücks werde nun auf die von der Bf erworbenen Anteile nach erfolgter Bebauung aufgeteilt:
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Anteil der Bf an gesamter Liegenschaft lt. Grundbuch | 132/11.033 |
Anteil in % | 1,2% |
1,2% Grundanteil der Bf | 77.875,57 € |
Nutzfläche der Wohnung | 101,26 m² |
Grundanteil je m² Nutzfläche | 769,07 € |
Der anteilige Grundwert je m² der erzielten Nutzfläche sei niedriger als der Wert des nackten Grund und Bodens, da sich dieser Wert auf die gesamte erzielte Nutzfläche aufteile. Der errechnete Grundanteil je m² Nutzfläche betrage somit entsprechend den Informationen des Finanzamtes 769,00 Euro. Eine allfällig generierte Wertsteigerung sei nicht dem Grund und Boden zuzurechnen, sondern der erzielten Nutzfläche, da nur diese schlussendlich vermarktet werde. Es werde daher beantragt, den Grundanteil für die Adr2 wie oben berechnet mit 77.875,57 Euro festzulegen.
Zur Angemessenheit des Kaufpreises sei festzuhalten, dass die vom Finanzamt erwähnte Formulierung in Kaufverträgen üblich sei, um eine Anfechtung wegen "Verkürzung über die Hälfte" (laesio enormis) zu verhindern. Die Formulierung habe daher keine Relevanz für den zu beurteilenden Sachverhalt. Der Kaufpreis sei objektiv angemessen gewesen.
Beigelegt sind die Anlageverzeichnisse für die Wohnungen Adr4 und Adr5.
In einem ergänzenden Schreiben vom führte der steuerliche Vertreter aus, er habe anhand der Kaufverträge der Liegenschaften Adr1 und Adr3 die Anschaffungskosten des nackten Grund und Bodens mit den von ihm angesetzten Werten verglichen.
Adr1, Kaufvertrag vom :
Es sei insgesamt eine Fläche von 17.099 m² um 8.500.000,00 Euro, das sind 497,11 Euro pro m², erworben worden. Der anteilig errechnete Gesamtpreis des Grundstücks werde nun auf die von der Bf erworbenen Anteile aufgeteilt:
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Anteil der Bf an gesamter Liegenschaft lt. Grundbuch | 133/21.906 |
Anteil in % | 0,6% |
0,6% von 7.540.090,06 € Grundanteil der Bf | 45.778,87 € |
Nutzfläche der Wohnung | 97,94 m² |
Grundanteil je m² Nutzfläche | 467,42 € |
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Steuerlich geltend gemachter Grundanteil | 66.821,02 |
Nutzfläche der Bf | 97,94 m² |
Grundanteil je m² Nutzfläche | 682,26 € |
Der errechnete Grundanteil je m² Nutzfläche betrage somit rund 470 Euro. Der ursprüngliche Antrag bleibe aufrecht, da der berechnete Wert (467,42 Euro) und der beantragte Wert (682,26 Euro) wesentlich realistischer seien als der vom Finanzamt festgesetzte Wert (1.442,13 Euro).
Adr3, Kaufvertrag vom und Realteilungsvertrag vom :
Es sei insgesamt eine Fläche von 55.517 m² um 34.000.000,00 Euro, das sind 612,43 Euro pro m², erworben worden, nach Realteilung eine Fläche von 3.374 m² um errechnet 2.066.322,03 Euro. Der anteilig errechnete Gesamtpreis des Grundstücks werde nun auf die von der Bf erworbenen Anteile aufgeteilt:
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Anteil der Bf an gesamter Liegenschaft lt. Grundbuch | 73/8.308 |
Anteil in % | 0,9% |
0,9% von 2.066.322,03 € Grundanteil der Bf | 18.156,18 € |
Nutzfläche der Wohnung | 68,99 m² |
Grundanteil je m² Nutzfläche | 263,17 € |
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Steuerlich geltend gemachter Grundanteil | 20.490,39 |
Nutzfläche der Bf | 68,99 m² |
Grundanteil je m² Nutzfläche | 297,01 |
Der errechnete Grundanteil je m² Nutzfläche betrage somit rund 260 Euro. Der ursprüngliche Antrag bleibe aufrecht, da der berechnete Wert (263,17 Euro) und der beantragte Wert (297,01Euro) wesentlich realistischer seien als der vom Finanzamt festgesetzte Wert (1.063,25 Euro).
Der anteilige Grundwert je m² der erzielten Nutzflächen sei bei beiden Liegenschaften niedriger als der Wert des nackten Grund und Bodens, da sich dieser Wert auf die gesamte erzielte Nutzfläche aufteile.
Eine allfällig generierte Wertsteigerung sei nicht dem Grund und Boden zuzurechnen, sondern der erzielten Nutzfläche, da nur diese schlussendlich vermarktet werde.
Aus beiden Beispielen sei zu schließen, dass der Nachweis eines von der Grundanteilverordnung abweichenden Aufteilungsverhältnisses zwischen Grundstück und Gebäude mithilfe des zulässigen Grundstückswertrechners durchaus plausibel sei.
Mit Schreiben vom wiederholte das Finanzamt die Aufforderung, Nachweise für den behaupteten Betriebsurlaub zu erbringen.
Der steuerliche Vertreter legte dem Antwortschreiben vom die Bestätigungen zweier Dienstnehmerinnen (DN1, Mag. DN2) bei, wonach diese von bis bzw im Urlaub gewesen seien.
Das Finanzamt legte die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht vor und hielt im Vorlagebericht vom fest, dass
- diese beiden vorgelegten Schreiben in ihrem Schriftbild völlig ident seien
- der Urlaub zweier Personen nichts darüber aussage, ob eine Kanzlei geschlossen gewesen ist.
- der Post eine entsprechende Ortsabwesenheit der Kanzlei nicht angezeigt worden sei. Ein berufsmäßiger Parteienvertreter hätte im Falle einer tatsächlichen vorübergehenden "Ortsabwesenheit"/Schließung einer Kanzlei dies mit Sicherheit der Post bekanntgegeben, um eine eventuelle Versäumung von Fristen hintanzuhalten. Eine solche Verständigung der Post sei aber nachweislich nicht passiert, weil der Bescheid dem Finanzamt ansonsten mit dem Vermerk "ortsabwesend" oder "ortsabwesend bis (...)" retourniert worden wäre.
Ergänzend zum Vorlagebericht gab die belangte Behörde bekannt, dass in der Zeit von bis Oktober 2022 noch mindestens eine weitere Person in der Kanzlei tätig gewesen sei, nämlich Mag. ***.
3. Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht
Im Rahmen einer schriftlichen Zeugeneinvernahme von Mag. ***, die im Jahr 2022 Mitarbeiterin des steuerlichen Vertreters gewesen war, gab diese am dem Bundesfinanzgericht bekannt, dass sie sich nicht mehr erinnern könne, ob sie am 19.4. und in der Kanzlei des Arbeitgebers anwesend gewesen sei und ob die Kanzlei zu Ostern unbesetzt gewesen sei.
Nach einem Mängelbehebungsauftrag des Bundesfinanzgerichts vom wegen der fehlenden Begründung der Beschwerde betreffend Einkommensteuer 2019 übermittelte der steuerliche Vertreter am die Begründung und die Beilagen, die inhaltlich identisch mit dem Vorlageantrag 2018 sind. Hinsichtlich der Zeugenaussage von Mag. *** bzw. der Ortsabwesenheit legte der steuerliche Vertreter nochmals eine Bestätigung seiner beiden - noch bei ihm tätigen - Mitarbeiterinnen vor, wonach die Steuerberatungskanzlei vom 15.4. bis in Betriebsurlaub gewesen sei, und verwies dazu auf zwei beiliegende Kopien von Kalenderblättern mit handschriftlichen Eintragungen. Die Woche nach Ostern sei eine weit verbreitete Urlaubszeit.
Das Bundesfinanzgericht brachte der belangten Behörde die schriftliche Zeugenaussage und das Antwortschreiben des steuerlichen Vertreters vom zur Kenntnis.
Das Finanzamt führte in der Stellungnahme vom aus, dass das Finanzamt bei der bisherigen Beurteilung der behaupteten Ortsabwesenheit bleibe. Die Umstände, dass die Woche nach Ostern eine verbreitete Urlaubszeit sei und dass keine Zustellung erfolgen konnte, beweise keine Ortsabwesenheit. Die Eintragungen in den Kalenderblättern seien nicht entzifferbar bzw. würden sich in der Woche des behaupteten Betriebsurlaubes zahlreiche geschwärzte Eintragungen befinden.
Unklar sei, wieso abseits der Bestätigung der Mitarbeiter keinerlei andere offizielle Kommunikation vorliege, etwa Mails oder Ausschreibungen des Betriebsurlaubes, Vereinbarungen in den Arbeitsverträgen, Zeiterfassungsunterlagen (gerade auch im Kontext der arbeitsrechtlichen Problematik eines etwaigen einseitig angeordneten Betriebsurlaubes) oder eine Ortsabwesenheitsmeldung bei der Post etc.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht am ergänzte der steuerliche Vertreter, dass es ihm bisher nicht untergekommen sei, dass ein Fristverlängerungsantrag um Ostern nicht gewährt werde. Die Art und Weise der Abweisung habe er noch nicht erlebt.
Der steuerliche Vertreter legte das Original seines Terminkalenders für 2022 mit beruflichen und privaten handgeschriebenen Eintragungen vor. Am Karfreitag ist eingetragen: Büro bis zu (mit Bleistift). Für 18.04. - ist ein Urlaub für alle drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingetragen.
Außer den Kalendereintragungen gebe es keine Aufzeichnungen über den Urlaub der MitarbeiterInnen. Es gebe Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden. Die Eintragungen im Kalender am 19.04. und am sind private, bei einer Eintragung wisse er es nicht mehr. Kürzlich habe eine GPLA-Prüfung bei ihm stattgefunden, bei der es keine Beanstandungen gegeben habe.
Eine Abwesenheitsmitteilung bei der Post werde bei ihm nie vorgenommen, weil dies nicht notwendig sei, da die Fristen normalerweise länger laufen und nicht eine Restfrist von lediglich einem Tag verbleibe.
Der Kalender wurde dem steuerlichen Vertreter zurückgestellt.
Der Vertreter des Finanzamtes hielt die Meinung aufrecht, dass am Karfreitag die Ortsabwesenheit der Kanzlei nicht nachgewiesen sei.
Der Steuerliche Vertreter entgegnete, dass er keine sonstigen Nachweise für den Urlaub erbringen könne. Es handle sich um eine kleine Kanzlei mit damals drei Mitarbeiterinnen, da laufe alles eher informell ab.
Auch zu Weihnachten - meistens bis nach dem 6. Jänner - seien alle MitarbeiterInnen auf Urlaub und das Büro sei geschlossen. Das sei aus seinen Kalendereintragungen ersichtlich.
Festgestellt wurde anhand der Kalenderblätter, dass am : "Büro bis zu" eingetragen ist.
Der Vertreter des Finanzamtes meinte, dass aus der Nichtzustellung des Bescheides am Karfreitag eine Ortsabwesenheit am Karfreitag nicht zwingend ableitbar sei.
Nach Ansicht des steuerlichen Vertreters sei es bei Steuerberatern Gang und Gäbe, dass Firstverlängerungsanträge erst am letzten Tag der Frist eingebracht werden. Üblicherweise werde eine Frist gewährt mit dem Hinweis auf die letztmalige Gewährung.
Der steuerliche Vertreter legte zwei Berechnungsblätter vor, die Großteils den bisher vorgelegten Berechnungen entsprechen. Enthalten ist überdies eine Berechnung nach dem Immobilienpreisspiegel der WKO. Dazu gibt es einen Ausdruck betreffend "WKO Immobilienpreisspiegel 2020" für Baugrundstücke für freistehende Einfamilienhäuser, 600-800 m². Daraus ergibt sich für sehr gute Wohnlage im Jahr 2019 für den 10. Bezirk ein m²-Preis von 529,00 Euro, für den 12. Bezirk ein Preis von 671,00 Euro und für den 23. Bezirk ein m²-Preis von 793,20 Euro. Der Ausdruck wird zu den Akten genommen.
Der Vertreter des Finanzamtes wendete ein, dass die Werte der Statistik Austria nach Literatur und Rechtsprechung nicht geeignet seien, um von der Grundanteilverordnung abweichende Werte zu belegen. Auch der Immobilienpreisspiegel der WKO sei nicht geeignet, weil man Werte für Baugrundstücke für Einfamilienhäuser nicht mit Grundwerten für Eigentumswohnungen vergleichen könne (Erkenntnis ).
Der steuerliche Vertreter entgegnete, dass er auf mehreren Wegen eine Berechnung vorgenommen habe. Die Ergebnisse würden immer in die gleiche Richtung gehen, was für sein Vorbringen spreche.
Der Vertreter des Finanzamtes verwies darauf, dass der Immobilienpreisspiegel in zwei Fällen auch nicht das richtige Jahr betreffe. Die Partei habe abweichende Werte nachzuweisen, nach (nicht veröffentlicht), grundsätzlich durch ein Sachverständigengutachten.
Der steuerliche Vertreter erklärte, dass sich aus seinen Berechnungen eine Abweichung von zumindest 50% im Vergleich zu den Werten des Finanzamtes ergebe.
Nach Meinung des Finanzamtes seien auch die Anschaffungskosten der Bauträger keine geeignete Grundlage für die Berechnung des Grundanteils der Bf.
Der steuerliche Vertreter meinte dazu, dass der Bauträger Kosten für die Liegenschaft und Baukosten habe. Bei Verkauf der Wohnungen komme noch ein Aufschlag dazu. Dadurch ändere sich aber nicht das Verhältnis der Liegenschaftskosten zu den Baukosten. Für die Erlassmeinung, dass Werte unter 20% nicht plausibel sein sollen, gebe es keine Begründung.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
A. Verspätung des Vorlageantrages 2018 bzw der Beschwerde 2019
1. Sachverhalt
Einkommensteuer2018:
- Beschwerdevorentscheidung vom , Zustellung
- Antrag vom zur Verlängerung der Vorlagefrist bis
- Stattgabe mit Bescheid vom
- Antrag vom zur weiteren Verlängerung der Rechtsmittelfrist bis
- Abweisung der Fristverlängerung mit Bescheid vom
- Vorlageantrag vom
Einkommensteuer 2019:
- Einkommensteuerbescheid vom , Zustellung am
- Antrag vom zur Verlängerung der Beschwerdefrist bis
- stillschweigende Fristverlängerung durch das Finanzamt
- Antrag vom zur Verlängerung der Beschwerdefrist bis
- Abweisung der Fristverlängerung mit Bescheid vom
- Beschwerde vom
Die Vorlagefrist 2018 und die Beschwerdefrist 2019 wurden von der belangten Behörde antragsgemäß bis verlängert. Durch die am letzten Tag der verlängerten Frist eingebrachten neuerlichen Fristverlängerungsanträge wurde der Lauf der beiden Rechtsmittelfristen gehemmt.
Der Abweisungsbescheid vom , mit dem die belangte Behörde die neuerlichen Fristverlängerungsanträge zur Einbringung des Vorlageantrages 2018 sowie der Beschwerde 2019 abgelehnt hat, wurde an den steuerlichen Vertreter als Zustellungsbevollmächtigten versendet und am (Karfreitag) nach einem Zustellversuch beim Postamt hinterlegt. Dieser Bescheid wurde ab (Dienstag nach Ostern) zur Abholung bereitgehalten und am abgeholt.
2. Beweiswürdigung
Der oben dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und ist unbestritten. Unterschiedliche Ansichten der Verfahrensparteien bestanden hingegen über den Zeitpunkt der rechtswirksamen Zustellung des Abweisungsbescheides vom betreffend Fristverlängerung: lt. belangter Behörde Zustellung am (Dienstag nach Ostern, erster Tag der Abholungsfrist) oder lt. steuerlichem Vertreter wirksame Zustellung wegen Betriebsurlaubs erst am .
In der Eingabe vom sowie in der mündlichen Verhandlung wendete sich der steuerliche Vertreter auch gegen den Abweisungsbescheid vom .
Die gegenständlichen Fristverlängerungsanträge vom begründete der steuerliche Vertreter mit immer noch andauernder Arbeitsüberlastung iZm der Kurzarbeit und Corona-Hilfemaßnahmen. Er habe den Sachverhalt in Hinblick auf die Begründung des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung 2018 noch nicht erneut evaluieren können, es bestehe aber ein direkter Einfluss auf den Einkommensteuerbescheid 2019. Das Finanzamt erachtete diese Begründung nicht als berücksichtigungswürdig.
Festzuhalten ist, dass sich die belangte Behörde in der Beschwerdevorentscheidung für 2018 detailliert und ausführlich mit der Feststellung des in den Anschaffungskosten enthaltenen Grundanteils auseinandersetzt. Der steuerliche Vertreter hatte umfangreiche Sach- und Rechtsfragen iZm dem Ankauf der drei Eigentumswohnungen zu bedenken. Es ist ihm daher zuzugestehen, dass mit einer sorgfältigen Ausarbeitung des Vorlageantrages 2018 bzw. der Beschwerde 2019 ein nicht unerheblicher Zeitaufwand verbunden war - zumal es Aufgabe eines Steuerpflichtigen bzw. seines Vertreters ist, die von der Abgabenbehörde angewendeten Werte der Liegenschaftsanteile nach der Grundanteilverordnung mit stichhaltigen Argumenten zu widerlegen.
Überdies ist bekannt, dass Wirtschaftstreuhand- und Steuerberatungskanzleien auch noch im Zeitraum bis März 2022 mit der Bearbeitung von Corona-Hilfe-Anträgen sehr belastet waren. Erst mit Ende Juni sind die meisten Corona-Hilfsinstrumente ausgelaufen (siehe Pressemeldung des .
Das Vorbringen des steuerlichen Vertreters zur Begründung der Fristverlängerungsanträge ist daher durchaus zu berücksichtigen.
Eine Beweiswürdigung zur Frage, an welchem Tag der Abweisungsbescheid rechtswirksam an den Zustellbevollmächtigen der Bf zugestellt wurde, kann mangels rechtlicher Relevanz entfallen (siehe unten).
3. Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerdefrist beträgt gemäß § 245 Abs. 1 erster Satz BAO einen Monat. Sie beginnt mit der Bekanntmachung des Bescheides (vgl. Ritz, BAO5, § 245 Tz 4). Die Frist zur Stellung eines Vorlageantrages beträgt gemäß § 264 Abs. 1 BAO ebenfalls einen Monat ab Bekanntgabe.
§ 245 Abs. 3 und 4 BAO regelt zur Verlängerung der Beschwerdefrist:
"(3) Die Beschwerdefrist ist auf Antrag von der Abgabenbehörde aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, zu verlängern. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Ablauf der Beschwerdefrist gehemmt.
(4) Die Hemmung des Fristenlaufes beginnt mit dem Tag der Einbringung des Antrages (Abs. 2 oder 3) und endet mit dem Tag, an dem die Mitteilung (Abs. 2) oder die Entscheidung (Abs. 3) über den Antrag dem Antragsteller zugestellt wird. In den Fällen des Abs. 3 kann jedoch die Hemmung nicht dazu führen, dass die Beschwerdefrist erst nach dem Zeitpunkt, bis zu dem letztmals ihre Verlängerung beantragt wurde, abläuft."
Diese Bestimmungen sind gemäß § 264 Abs. 4 BAO sinngemäß auf Vorlageanträge anzuwenden.
Zur Ablehnung der Fristverlängerung:
Gegen nur das Verfahren betreffende Verfügungen, zu denen auch die Abweisung eines Fristverlängerungsantrages gehört, ist gemäß § 244 BAO ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig. Sie können erst in der Bescheidbeschwerde gegen den die Angelegenheit abschließenden Bescheid angefochten werden (vgl. ). In dieser Beschwerde sind die Gründe für eine allfällige Fristverlängerung oder eine Kritik an der Versagung der begehrten Fristverlängerung anzuführen (vgl. ).
Im vorliegenden Fall erfolgte erst mit der Eingabe vom ein Einwand gegen die Nichtgewährung der Fristverlängerung. Da Erweiterungen der Beschwerde im Abgabenverfahren gemäß § 270 BAO zulässig sind (kein Neuerungsverbot), hat das Bundesfinanzgericht die von der belangten Behörde mit dem - nicht gesondert anfechtbaren - Bescheid abgelehnte Fristverlängerung zu überprüfen. Durch das Bundesfinanzgericht ist somit über die Rechtmäßigkeit des Abweisungsbescheides vom abzusprechen.
Die Verlängerung der Beschwerdefrist - auch wiederholt - liegt nicht im Ermessen der Abgabenbehörde (Ritz, BAO, § 245 Tz 16). Voraussetzung für eine Fristverlängerung sind aber berücksichtigungswürdige Gründe.
Der steuerliche Vertreter wendete gegen die Versagung der Verlängerung der beiden Fristen ein, dass es sich zwischen der Zustellung des Abweisungsbescheides und dem beantragten Fristablauf nur um einige Tage handle und dass nicht mit einer Ablehnung zu rechnen gewesen sei. Nun machen diese Umstände die Ablehnung der Fristverlängerung nicht rechtswidrig. Wie in der Beweiswürdigung angeführt, wäre aber auf die Begründung der Fristverlängerungsansuchen Bedacht zu nehmen gewesen, in welchen berücksichtigungswürdige Gründe angeführt wurden.
Die belangte Behörde hätte daher eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist wie beantragt bis vornehmen müssen (§ 245 Abs. 3 BAO "Die Beschwerdefrist ist ... zu verlängern ... "). Eine Abweisung der Fristverlängerungsanträge mit Bescheid vom hätte nicht erfolgen dürfen. Dieser Bescheid (verfahrensleitende Verfügung) wird daher aufgehoben.
Am Tag der Einbringung der Beschwerde bzw des Vorlageantrages, am , bestand somit (weiterhin) eine Hemmung des Fristenlaufes gemäß § 245 Abs. 4 BAO und wurden die Rechtsmittel damit jedenfalls rechtzeitig eingebracht - unabhängig davon, an welchem Tag der Abweisungsbescheid vom als zugestellt gilt.
Es ist daher weder der Vorlageantrag 2018 noch die Beschwerde 2019 vom Bundesfinanzgericht als verspätet zurückzuweisen, sondern über die inhaltlichen Beschwerdepunkte zu entscheiden.
B. Inhaltliche Beschwerdepunkte
Wenn die Beschwerde weder zurückzuweisen, noch als zurückgenommen oder gegenstandslos zu erklären, noch die Sache nach Aufhebung der angefochtenen Bescheide an die Abgabenbehörde zurückzuverweisen ist, hat das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 BAO in der Sache selbst zu entscheiden. Dies gilt auch dann, wenn die Abgabenbehörde die Beschwerde mit einer formalen Beschwerdevorentscheidung erledigt und somit das Verwaltungsgericht erstmals meritorisch über die Beschwerde abspricht (; ) (Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I3 § 260 BAO (Stand , rdb.at)).
1. Sachverhalt und Beweiswürdigung:
Die Bf erzielte im Jahr 2018 Vermietungseinkünfte aus vier Eigentumswohnungen, wovon zwei Wohnungen erstmals im Jahr 2018 vermietet wurden. Im Jahr 2019 kam noch eine weitere Wohnung dazu.
Strittig ist der von den Anschaffungskosten der "neuen" Wohnungen in 1230 Wien, Adr1, in 1120 Wien, Adr2, und (ab 2019) in 1100 Wien, Adr3, auszuscheidende Grundanteil für die Berechnung der AfA. Die Abgabenbehörde ging in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden entsprechend der GrundanteilV 2016 von pauschal berechneten Grundanteilen von 30% der Anschaffungskosten der jeweiligen Eigentumswohnung aus. Die Bf beantragte hingegen, niedrigere Grundanteile anzusetzen.
Adr1:
Die Bf erwarb mit Kaufvertrag vom die Wohnung mit 85,35m² bestehend aus drei Zimmern und zusätzlich Terrasse 38,31 m², Garten 266,53 m², Einlagerungsraum 3,81 m² und Garagenstellplatz. Der Kaufpreis betrug 440.596,00 Euro netto, samt den Nebenkosten insgesamt 470.808,08 Euro. Es handelt sich um eine mehrstöckige, neu errichtete Wohnanlage bestehend aus sieben Wohnhäusern und ca 205 Wohnungen. Auf die Bf entfällt lt. Grundbuchsauszug ein Anteil von 133/21906. Die Vermietung erfolgte nach Fertigstellung der Wohnhausanlage ab 2018.
Der Bauträger hat die Liegenschaft mit 17.099 m² zuvor mit Kaufvertrag vom um 8.500.000 Euro (ohne Nebenkosten) angekauft, das entspricht einem Quadratmeterpreis von 497 Euro.
Adr2:
Die Bf erwarb mit Kaufvertrag vom zwei 2-Zimmer-Wohnungen (Top 34 mit 57,15 m² und Top 35 mit 57,36 m²) jeweils mit Balkon und Keller, und einen KFZ Abstellplatz. Der Gesamtkaufpreis belief sich auf 480.972,64 Euro netto, samt den Nebenkosten 509.921,40 Euro. Es handelt sich um ein neu errichtetes Wohnhaus mit zehn Geschoßen bestehend aus 144 Wohnungen. Auf die Bf entfällt lt. Grundbuchsauszug ein Anteil von 132/11042. Die Vermietung der beiden Wohnungen erfolgte nach Fertigstellung des Gebäudes ab 2018.
Der Bauträger hat die Liegenschaft mit 1.854 m² mit zwei Kaufverträgen in den Jahren 2013 und 2014 um insgesamt 6.509.100,00 Euro (ohne Nebenkosten) angekauft, das entspricht einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 3.511 Euro.
Adr3:
Die Bf erwarb mit Kaufvertrag vom die Wohnung mit 55,78 m² bestehend aus zwei Zimmern und Balkon sowie Einlagerungsraum und einen KFZ-Abstellplatz. Der Kaufpreis betrug 228.000 Euro netto, samt den Nebenkosten insgesamt 244.512,60 Euro. Es handelt sich um ein neu errichtetes Wohnhaus mit neun Geschoßen bestehend aus 97 Wohnungen und 102 Garagenstellplätzen. Auf die Bf entfällt lt. Grundbuchsauszug ein Anteil von 73/8308. Die Vermietung erfolgte nach Fertigstellung der Wohnhausanlage ab 2019.
Der Bauträger hat die Liegenschaft mit 3.374 m² mit Kaufvertrag vom um (errechnet) 2.066.322,03 Euro (ohne Nebenkosten) angekauft, das entspricht einem Quadratmeterpreis von 612 Euro.
Obige Feststellungen ergeben sich aus den jeweiligen Kaufverträgen.
Wendet man - wie in den angefochtenen Bescheiden - den in der GrundanteilsV 2016 vorgesehenen pauschalen Grundanteil von 30% auf die gegenständlichen Eigentumswohnungen an, ergeben sich folgende Grundanteile bzw Quadratmeterpreise:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Adr1 | Adr2 | Adr3 | |
Ansch.kosten inkl Nebenkosten | 470.808,08 € | 509.921,40 € | 244.512,60 € |
x 30% Grundanteil | 141.242,42 € | 152.976,42 € | 73.353,78 € |
Ges. Grundfläche lt Grundbuch | 15.168 m² | 1.854 m² | 3.374 m² |
Anteile der Bf | 133/21906 | 132/11042 | 73/8308 |
(ideeller) Grundanteil der Bf | 92,09 m² | 22,16 m² | 29,65 m² |
Quadratmeterpreis | 141.242,42 €/ 92,09 m²=1.533,74€ | 152.976,42 €/ 20,76 m²=6.903,27€ | 73.353,78 €/ 29,65m²=2.473,99 € |
Der steuerliche Vertreter berechnete hingegen die Kosten der auf die gegenständlichen Wohnungen entfallenden Grundanteile vorerst anhand der GrundstückswertV (GrWV) und in weiterer Folge auch anhand der Ankaufspreise der Bauträger. Mit Schreiben vom beantragte der steuerliche Vertreter schließlich, folgende Beträge für die Grundanteile zu berücksichtigen: 66.821,02 Euro (Adr1), 77.875,57 Euro (Adr2) und 20.490,39 Euro (Adr3).
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Grundanteile lt. Bf | Adr1 | Adr2 | Adr3 |
GrundstückswertV | 66.821,02€ (14,19%) | 30.854,59 € (6,05%) | 20.490,39€ (8,38%) |
Lt. Ankaufspreis Bauträger | 45.778,87 € | 77.875,57 € | 18.156,18 € |
Es ist ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Aufteilung des Kaufpreises einer bebauten Liegenschaft nach streng objektiven Maßstäben zu erfolgen hat und hiezu jeweils der Verkehrswert des bloßen Grund und Bodens einerseits und des Gebäudes andererseits zu schätzen und der Kaufpreis im Verhältnis dieser Werte aufzuteilen ist (z.B. ). Auch § 16 Abs. 1 Z 8 lit. d EStG und die GrundanteilV stellen auf ein bestimmtes Verhältnis der Verkehrswerte ab, dieses Verhältnis wird lediglich, abhängig von Parametern wie Einwohnerzahl der betreffenden Gemeinde und Anzahl der Wohneinheiten, vermutet. Zur Widerlegung dieser Vermutung kann daher im Sinne der zitierten Rechtsprechung ebenfalls nur ein auf dem jeweiligen Verkehrswert beruhender Nachweis geeignet sein.
Daher eignet sich aus Sicht des Bundesfinanzgerichts für das anhängige Verfahren eine Berechnung nach der Bestimmung des § 2 GrWV zur Darlegung tatsächlicher Verhältnisse, die offenkundig erheblich vom Ergebnis der vom Gesetzgeber vermuteten pauschalen Verhältniswertermittlung abweichen, nicht, da der Berechnung nach § 2 GrWV ebenfalls eine Methode der pauschalen Ermittlung der Verhältniswerte und keine Verkehrswerte zu Grunde liegen.
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass lt. der vom steuerlichen Vertreter vorgelegten Grundstückswertberechnung nach § 2 GrWV für die Wohnung Adr1 der Grundwert mit 22.083,16 Euro und der Gebäudewert mit 133.510,55 Euro, insgesamt 155.593,71 Euro, ausgewiesen ist. Demgegenüber hat die Bf die Wohnung um einen Kaufpreis von 440.596,00 Euro erworben. Für die Wohnung Adr2 zeigt der Grundstückswertrechner einen Grundwert von 10.147,26 und einen Gebäudewert von 157.552,40 Euro, insgesamt 167.699,65 Euro. Die Bf hat die Wohnung um 480.972,64 Euro erworben. Daraus ist zu ersehen, dass die Grundstückswertberechnung die Abbildung realer Verkehrswerte nicht ermöglicht. Es muss aber ebenso die Darstellung realer Wertverhältnisse zwischen Grundstück und Gebäude in Zweifel gezogen werden.
Die GrWV ist zu § 4 Abs. 1 GrEStG ergangen und dient der Ermittlung des Grundstückswerts als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer. Beim Pauschalwertmodell nach § 2 GrWV wird der Grundwert in der Weise ermittelt, dass die Grundfläche mit dem dreifachen Bodenwert gemäß § 53 Abs. 2 BewG multipliziert wird, wobei für den Bodenwert jener Wert maßgebend ist, der auf den dem Erwerbsvorgang unmittelbar vorausgegangenen Feststellungszeitpunkt festgestellt wurde, weiters ist der dreifache Bodenwert mit einem Faktor, der konkret für den jeweiligen Bezirk in der Anlage zur GrWV festgelegt wurde, hochzurechnen; zur Berechnung des Gebäudewertes wird ein für jedes Bundesland (für Wien mit 1.470,00 €) festgelegter Baukostenfaktor herangezogen. Dieser pauschalen, standardisierten Berechnung liegen somit keine Feststellungen über die tatsächlichen Verkehrswertverhältnisse zu Grunde, weshalb die von der Bf vorgenommene Berechnung nach dem Pauschalwertmodell des § 2 GrWV nicht geeignet ist, ein anderes als das von der Behörde herangezogene Aufteilungsverhältnis nachzuweisen.
Das Bundesfinanzgericht folgt daher nicht der vom steuerlichen Vertreter zitierten gegenteiligen Meinung von Prodinger, SWK 1, 2019.
Die von der Bf angewendeten Erlassregelungen bzw. Informationen des BMF (eingearbeitet in EStR Rz 6447), wonach die Anteile des Grund und Bodens und des Gebäudes auch gemäß § 2 GrWV glaubhaft gemacht werden können, entfalten mangels gehöriger Kundmachung keine normative Wirkung und können keine über das Gesetz oder die GrundanteilV 2016 hinausgehende Rechte für die Bf begründen. Zudem ist aus dieser erlassmäßigen Regelung für die Bf auch deshalb nichts zu gewinnen, weil die EStR Rz 6447 eine Glaubhaftmachung anhand der Pauschalwertmethode des § 2 GrWV nur dann zulassen, wenn ein auf diese Weise ermittelter Anteil des Grund und Bodens nicht weniger als 20% des Gesamtkaufpreises beträgt. Der steuerliche Vertreter berechnete jedoch nach dieser Methode für die strittigen Eigentumswohnungen einen Grundanteil von jeweils unter 15% des Gesamtkaufpreises.
Die zur Veranschaulichung der Plausibilität der Werte gemäß der GrundstückswertV vom steuerlichen Vertreter angeführten Quadratmeterpreise der Statistik Austria für Baugrundstücke zeigen für 2017 folgendes Bild:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Adr1 1230 Wien | Adr2 1120 Wien | Adr3 1100 Wien | |
Quadratmeterpreis lt. Statistik Austria | 709,70 | 985,70 | 775,20 |
Quadratmeterpreis lt. GrWV errechnet | 725,60 | 1.392,14 | 692,65 |
Diese Preise entsprechen zwar zumindest betreffend die Wohnung in der Adr1 und jener am Adr3 annähernd den Quadratmeterpreisen, die der steuerliche Vertreter auf Basis der GrundstückswertV (Grundwertrechner) errechnet hat. Dennoch kann sich die Bf nicht erfolgreich darauf stützen, da die von Statistik Austria ermittelten Baugrundstückswerte nicht geeignet sind, als Richtwerte für den durchschnittlichen Baulandpreis zu dienen. Der durchschnittliche Quadratmeterpreis für baureifes Land wäre nach den Erläuterungen zur GrundanteilV 2016 anhand eines geeigneten Immobilienpreisspiegels festzusetzen bzw nachzuweisen (siehe EStR 6447, , Ebner in Jakom EStG, 2023, § 16 Rz 40). Die dem Immobilienpreisspiegel Statistik Austria zugrundeliegenden Annahmen entsprechen aber nicht jenen des in § 2 GrundanteilV bezeichneten Grundstückes, da der Durchschnittspreisermittlung durch Statistik Austria nicht ausschließlich voll aufgeschlossene unbebaute Baugrundstücke (baureifes Land) zu Grunde liegen.
Darüber hinaus kann man die Durchschnittswerte lt. Statistik Austria für Baugrundstücke, die von Privatpersonen gekauft werden, nicht auf Grundstücksanteile von Eigentumswohnungen umlegen. Zu bedenken ist auch, dass in den Grundstücksanteil des von der Bf bezahlten Kaufpreises auch diverse Nebenkosten des Bauträgers iZm der Liegenschaft einfließen.
Die gleiche Beurteilung gilt für die vom steuerlichen Vertreter in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Quadratmeterpreise des WKO Immobilienpreisspiegels 2020 für Baugrundstücke für freistehende Einfamilienhäuser, der je nach Wohnlage für 2019 folgende Quadratmeterpreise angibt:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
WKO Immobilienpreisspiegel | Adr1 1230 Wien | Adr2 1120 Wien | Adr3 1100 Wien |
Quadratmeterpreis | 413,33 - 793,20 | 347,00- 671,00 | 315,00- 529,00 |
Betrachtet man den Umstand, dass die Bf mit der Eigentumswohnung in der Adr1 auch einen Garten mit 266,53 m³ erworben hat, und wendet man auf die Gartenfläche die Quadratmeterpreise des Grundwertrechners bzw der Statistik Austria an, ergibt sich schon allein für den Garten ein Wert von rund 190.000 Euro, der weit über dem von der Abgabenbehörde berücksichtigten Grundanteil von 141.242,42 Euro liegt.
Schließlich leitete der steuerliche Vertreter die auf Grund und Boden entfallenden Anteile der Wohnungsanschaffungskosten aus den seinerzeitigen Ankaufspreisen der Bauträger anhand der entsprechenden Kaufverträge ab:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Adr1 | Adr2 | Adr3 | |
anteiliger Grundwert | 45.778,87 € | 77.875,57 € | 18.156,18 € |
Aber auch diese Berechnungen sind zur Glaubhaftmachung einer offenkundigen erheblichen Abweichung der tatsächlichen Werte von den Werten der GrundanteilV ungeeignet. Diese Werte berücksichtigen nämlich nicht die zwischen dem Ankauf der Liegenschaften durch die Bauträger (2013 und 2014) und dem Verkauf der Wohnungen an die Bf (2017 und 2018) eingetretenen Steigerungen der Preise für Grund und Boden.
Zieht man zur Veranschaulichung der Preissteigerungen die Durchschnittswerte der Statistik Austria für Baugrundstücke heran, wobei Werte vor 2015 nicht (mehr) veröffentlicht werden, zeigt sich, dass 2017 bereits gegenüber 2015 eklatante Preissteigerungen zu verzeichnen sind.
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Statistik Austria | 1230 Wien | 1120 Wien | 1100 Wien |
Quadratmeterpreis 2015 | 317,0 | fehlt | 286,1 |
Quadratmeterpreis 2017 | 709,7 | 985,7 | 775,2 |
Darüber hinaus haben die Bauträger in die Preiskalkulation der Verkaufspreise für den Grundstücksanteil jedenfalls neben den reinen Anschaffungskosten des Baugrundstücks (laut den vorliegenden Liegenschaftskaufverträgen aus 2013 bzw 2014) auch weitere Kosten des Bauträgers iZm der Liegenschaft wie Kaufnebenkosten, Kreditkosten, ein Gewinnaufschlag etc. einbezogen. Der steuerliche Vertreter hat jedoch für seine Berechnungen lediglich die reinen Anschaffungskosten der Bauträger berücksichtigt.
Aus den Ankaufspreisen der Bauträger in den Jahren 2013 und 2014 kann daher für die Bf nichts gewonnen werden, da sie aus den angeführten Gründen nicht aussagekräftig sind.
Anzumerken ist auch, dass der vom Bauträger für die Liegenschaft Adr2 in den Jahren 2013 und 2014 bezahlte durchschnittliche Quadratmeterpreis von 3.511 Euro die Werte der Statistik Austria für 2017 und des WKO Immobilienpreisspiegels für 2019 massiv übersteigt und damit der Plausibilität der Werte der Statistik Austria und des WKO Immobilienpreisspiegels widerspricht.
Aus den dargelegten Erwägungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die tatsächlichen Wertverhältnisse offenkundig erheblich unter den pauschal ermittelten Wertverhältnissen der angefochtenen Bescheide liegen.
2. Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 8 EStG 1988 idF. BGB. I Nr. 103/2019 sind Absetzungen für Abnutzungen und für Substanzverringerungen (§§ 7 und 8) als Werbungskosten abziehbar. Gehört ein abnutzbares Wirtschaftsgut (insbesondere Gebäude) nicht zu einem Betriebsvermögen, gilt für die Bemessung der Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung Folgendes: ...
d) Bei Gebäuden, die der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienen, können ohne Nachweis der Nutzungsdauer jährlich 1,5% der Bemessungsgrundlage als Absetzung für Abnutzung geltend gemacht werden. Ohne Nachweis eines anderen Aufteilungsverhältnisses sind von den Anschaffungskosten eines bebauten Grundstückes 40% als Anteil des Grund und Bodens auszuscheiden. Dies gilt nicht, wenn die tatsächlichen Verhältnisse offenkundig erheblich davon abweichen. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, an Hand geeigneter Kriterien (z. B. Lage, Bebauung) abweichende Aufteilungsverhältnisse von Grund und Boden und Gebäude im Verordnungswege festzulegen.
Entsprechend der gesetzlichen Ermächtigung zur Berücksichtigung unterschiedlicher örtlicher oder baulicher Verhältnisse erging die Grundanteilverordnung 2016.
Gemäß § 1 GrundanteilV 2016 ist für die Bemessung der Absetzung für Abnutzung von den Anschaffungskosten eines bebauten Grundstückes der Anteil des Grund und Bodens auszuscheiden. Ohne Nachweis ist der auszuscheidende Anteil des Grund und Bodens nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu ermitteln.
Gemäß § 2 Abs. 2 GrundanteilV 2016 sind in Gemeinden mit mindestens 100 000 Einwohnern und in Gemeinden, in denen der durchschnittliche Quadratmeterpreis für als Bauland gewidmete und voll aufgeschlossene unbebaute Grundstücke (baureifes Land) mindestens 400 Euro beträgt, als Anteil des Grund und Bodens
- 30% auszuscheiden, wenn das Gebäude mehr als 10 Wohn- oder Geschäftseinheiten umfasst, oder
- 40% auszuscheiden, wenn das Gebäude bis zu 10 Wohn- oder Geschäftseinheiten umfasst.
§ 3 GrundanteilV 2016 regelt:
(1) Der auszuscheidende Anteil des Grund und Bodens ist nicht nach § 2 pauschal zu ermitteln, wenn er nachgewiesen wird. Der Nachweis kann beispielsweise durch ein Gutachten eines Sachverständigen erbracht werden. Ein vorgelegtes Gutachten unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde.
(2) Der Anteil des Grund und Bodens ist gemäß § 16 Abs. 1 Z 8 lit. d dritter Satz EStG 1988 dann nicht nach § 2 pauschal auszuscheiden, wenn die tatsächlichen Verhältnisse offenkundig erheblich davon abweichen. Eine erhebliche Abweichung ist dann gegeben, wenn der tatsächliche Anteil des Grund und Bodens um zumindest 50% abweicht.
Vom gesetzlich vermuteten Aufteilungsverhältnis des § 16 Abs. 1 Z 8 lit. d EStG 1988 kann ohne entsprechenden Nachweis eines Grundanteiles nur bei Anwendung der Bestimmungen der GrundanteilV 2016 abgewichen werden. Die GrundanteilV 2016 berücksichtigt bauliche und örtliche Umstände, die ein Abweichen von der gesetzlichen Vermutung der Wertverhältnisse (40%-Regel) rechtfertigen.
Den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden wurde gemäß § 2 Abs. 2 GrundanteilV 2016 in Hinblick auf die Lage der streitgegenständlichen Wohnungen in Wien und den jeweils mehr als 10 Wohneinheiten ein Anteil von 30% für Grund und Boden zugrunde gelegt, der von den Anschaffungskosten der einzelnen Wohnungen als Bemessungsgrundlage der AfA in Abzug gebracht wurde.
Von der pauschalen Ermittlung der Aufteilung der Anschaffungskosten kann gemäß § 3 Abs. 1 GrundanteilV 2016 nur dann abgewichen werden, wenn der Anteil von Grund und Boden zB durch ein Sachverständigengutachten nachgewiesen wird, was im vorliegenden Fall nicht erfolgt ist.
Weicht der tatsächliche Wert des Grund und Bodens offenkundig um mehr als 50% vom gesetzlich vermuteten Wertanteil ab, ist ebenfalls die Anwendung einer pauschalen Ermittlung des Grundanteils nicht zulässig (§ 16 Abs. 1 Z 8 lit. d EStG 1988 iVm § 3 Abs. 2 GrundanteilV 2016).
Derartig erhebliche Wertabweichungen setzen besondere Umstände voraus, die offenkundig, d.h. für jedermann ohne jede Schwierigkeit und ohne besondere Fachkenntnisse ersichtlich sein müssen (vgl. ). Die Anwendung des pauschalen Ansatzes als Regelfall soll daher nur in besonders gelagerten Fällen, "Extremfällen" (vgl. Herzog, Einkommensteuerliche Änderungen bei den Grundstücken ab 2016, SWK 2016, 1035), in denen die erhebliche Abweichung klar zu Tage tritt, ausgeschlossen sein ().
Denkbar wäre dies etwa bei unverhältnismäßig großen Grundstücken oder bei vielstöckigen Eigentumswohnhäusern, bei denen auf die einzelne Wohnung ein relativ geringer Grundanteil entfällt (Ebner in Jakom EStG, 2023, § 16 Rz 40). Auch wenn davon auszugehen ist, dass mit zunehmender Anzahl der Wohneinheiten der Anteil der einzelnen Wohnung an Grund und Boden sinkt, muss aber auch in solchen Fällen gerade ein erhebliches Abweichen offenkundig sein.
Im vorliegenden Fall handelt es sich jeweils um vielgeschoßige Wohnanlagen. Es ist aber Sache der Bf, geeignete Umstände vorzubringen, um die Anwendbarkeit der gesetzlich bzw. durch Verordnung festgelegten Pauschalmethoden zu widerlegen. Dem Einwand des steuerlichen Vertreters, die belangte Behörde habe nicht nachgewiesen, dass die Grundanteile der GrundanteilV 2016 den realen Gegebenheiten entsprechen, kommt daher keine Berechtigung zu. Nach § 138 Abs. 1 BAO haben die Steuerpflichtigen auf Verlangen der Abgabenbehörde die Richtigkeit ihrer Ausgaben zu beweisen oder zumindest glaubhaft zu machen.
Wie oben dargelegt, sind die Berechnungen der Bf nach § 2 GrWV zur Darlegung tatsächlicher Verhältnisse, die offenkundig erheblich vom Ergebnis der vom Gesetzgeber vermuteten pauschalen Verhältniswertermittlung abweichen, nicht geeignet. Auch aus den Quadratmeterpreisen der Statistik Austria, des WKO Immobilienpreisspiegels und den ursprünglichen Anschaffungskosten der Bauträger ist für die Bf nichts zu gewinnen.
Die Beweislast für die Widerlegung der Vermutung des § 2 Abs. 2 GrundanteilV, wonach 30% des Kaufpreises der Wohnung auf den Grund und Boden entfällt, trifft die Steuerpflichtige. Die Widerlegung ist der Bf nicht gelungen.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Zu Frage der Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Sowohl die Beurteilung der Verspätung der Einbringung des Rechtsmittels als auch die Beurteilung der Bemessungsgrundlage der AfA sind Fragen der Beweiswürdigung. Die Revision ist daher nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 3 GrundanteilV 2016, BGBl. II Nr. 99/2016 § 16 Abs. 1 Z 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 245 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 245 Abs. 3 und 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 2 Abs. 2 GrundanteilV 2016, BGBl. II Nr. 99/2016 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100719.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at