Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.07.2024, RV/7104735/2018

1. Nach Eintritt der Verjährung keine beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens gem. §303 Abs. 1 BAO 2. keine Rückerstattung von KESt gem. §240 Abs. 3 BAO wenn ESt-Veranlagung erfolgte

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt vom betreffend Zurückweisung der Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2008 gem. § 303 Abs. 1 BAO sowie auf Rückzahlung der zu Unrecht einbehaltenen Kapitalertragsteuer 2008 und 2015, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Schriftführers ***, zu Recht erkannt:

  • I.Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) war Mitglied der Argrargemeinschaft A. (=AG) und dieser hat im Jahr 2008 Grundstücke an das Land Niederösterreich verkauft.

Bei der AG handelt es sich um eine Körperschaft öffentlichen Rechts (vgl § 46 NÖ Flurverfassungs-Landesgesetz 1975 - NÖ FLG, LGBl 6650-0) in den Angelegenheiten der Bodenreform, von der agrargemeinschaftliche Grundstücke auf der Rechtsgrundlage des NÖ FLG gemeinschaftlich verwaltet und genutzt werden. Mit dem Eigentum an einer Stammsitzliegenschaft sind Anteilsrechte an einer Agrargemeinschaft als im Grundbuch angemerkte Realrechte verbunden.

Im Streitjahr 2008 veräußerte die AG für den Ausbau einer Landesstraße Teile der agrargemeinschaftlichen Grundstücke an das Land NÖ und schüttete auf Beschluss der Vollversammlung der AG den Großteil des Verkaufserlöses im Streitjahr 2008 an ihre Mitglieder aus. Aus der Veräußerung agrargemeinschaftlicher Grundstücke an das Land NÖ erhielt der Bf eine anteilige Grundablöse, für die seitens der AG im Jahre 2008 KESt einbehalten und an das Finanzamt abgeführt wurde.

Die Erlöse wurden an die Mitglieder der AG im Jahr 2008 und 2015 ausgeschüttet, wobei jeweils 25% KESt einbehalten und an das Finanzamt abgeführt wurden. Im Zuge einer Außenprüfung bei der AG sei festgestellt worden, dass die Ausschüttung keine nach § 27 EStG endbesteuerten Kapitaleinkünfte mit besonderem Steuersatz seien, sondern als Einkünfte aus Kapitalvermögen in der Veranlagung zu erfassen seien.

Am wurde der Einkommensteuerbescheid für 2008 erlassen. Beim Bf. wurden - im Gegensatz zu den anderen Mitgliedern - keine Einkünfte aus Kapitalvermögen angesetzt.

Mit Eingabe vom (eingelangt beim Finanzamt am ) stellte der Bf. einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 1 BAO hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 2008 und gleichzeitig einen Antrag auf Rückzahlung nach § 240 Abs. 3 BAO der einbehaltenen Kapitalertragsteuer 2008 und 2015 bei der restlichen Auszahlung des Verkaufserlöses aus 2008.

Begründend wurde ausgeführt:

"Auf Grund des VwGH Urteils 2013/15/0297 vom ersuche ich in offener Frist um Wiederaufnahme des Einkommensteuer - Verfahrens 2008 zu meiner Steuernummer:

Als Wiederaufnahmegründe erachte ich folgende Feststellungen des VwGH:

"Der Agrargemeinschaft wird seitens der Anteilsberechtigten nicht Kapital zur Verfügunggestellt, welches zu Kapitalforderungen und sodann zu Erträgnissen ausKapitalforderungen der Anteilsberechtigten führt."

Damit ist eindeutig klargestellt, dass die Grundstücke niemals Eigentum der Agrargemeinschaft geworden sind. Dadurch ist auch die Wertsteigerung bei den rechtlichen Eigentümern - also den Anteilsberechtigten - eingetreten. Folglich wurden daher Grundstücke der Anteilsberechtigten - nicht Grundstücke der Kapitalgesellschaft - verkauft. Es gab daher auch keinen Transfer von Eigentum der AG zu den Anteilsinhabern.

Im Jahr 2008 war der Verkauf von Grund und Boden grundsätzlich nicht steuerpflichtig.

"Die belangte Behörde ging im angefochtenem Bescheid davon aus, dass die im Jahr 2008 erfolgte Ausschüttung aus dem Anteilsrecht an der Agrargemeinschaft gemäß § 27 Abs.1 Z4 EStG 1988 als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen sei. Weiters vertrat sie dieAuffassung, der Rückzahlungsantrag sei gemäß § 240 Abs.3 BAO nicht berechtigt, weil die zu Recht einbehaltene Kapitalertragsteuer im Zuge der durchgeführten Pflichtveranlagung auf die Einkommensteuer angerechnet worden sei.

Damit hat sie die Rechtslage verkannt, weshalb sich der angefochtene Bescheid sowohlhinsichtlich der Einkommensteuer 2008 als auch hinsichtlich des Antrages auf Rückzahlung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer als rechtswidrig erweist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42Abs.2 Z 1 VwGH wegen Rechtswidrigkeit desInhaltes aufzuheben."

Damit sollte hinlänglich klargestellt sein, dass die Ausschüttung von Verkaufserlösen von Grundstücken, die im Eigentum der Mitglieder standen, 2008 weder Einkünfte waren noch einen Ertrag darstellten. Somit ist auch die Veranlagung unter keinem Paragraphen des EStG möglich, da Verkäufe von Grund und Boden 2008 steuerfrei waren.

Das Land NÖ hat die restlichen 10% des Verkaufserlöses erst 2015 bezahlt - somit wurde dieser Rest ebenfalls erst 2015 an die Mitglieder der Agrargemeinschaft ausbezahlt. Auch hier musste wieder KESt bezahlt werden mit dem Hinweis darauf, dass sich die Rechtslage mit dem Budgetbegleitgesetz 2009 geändert hat.

Doch auch hier hat der VwGH mit dem jetzigen Urteil festgestellt, dass sowohl bei der Änderung des § 93 als auch bei der Änderung des § 27 EStG konstitutiv von "Bezügen" und "Einkünften" aus Anteilen von Agrargemeinschaften die Rede ist. Auch die Ausschüttung der restlichen 10% des Verkaufserlöses aus dem Verkauf der Grundstücke der Mitglieder 2008 stellt daher ebenfalls 2015 keine Einkünfte oder Bezüge dar.

Seit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 BGI1996/201 sind Anteile an Agrargemeinschaften nicht mehr Teil des landwirtschaftlichen Betriebes! Daher stehen die Agrargemeinschaftsanteile auch bei Bauern im Privatbesitz. Demnach sind alle Mitglieder, der AG A. gleich zu behandeln. Im Übrigen steht auch im Erlass über Ausschüttungen:" Bei Ausschüttungen sind die Anteilsinhaber immer alle gleich zu behandeln."

Im Verwaltungsgerichtshofgesetz In Kraft mit: wird festgehalten:"§ 63. (1) Wenn der VwGH einer Revision stattgegeben hat, sind die Verwaltungsgerichte und Verwaltungsbehörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Rechtszustand herzustellen."

Daher ersuche ich um Wiederaufnahme des Einkommensteuer - Verfahrens 2008 und Rückzahlung sowohl der einbehaltenen KESt als auch der eingehobenen Einkommensteuer samt Zinsen seit der Einzahlung.

Außerdem stelle ich den Antrag auf Rückzahlung der eingehobenen Kapitalertragsteuer von der Auszahlung 2015 samt Zinsen auf mein Konto."

Mit Bescheid vom wurde der Antrag des Bf. auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2008 iSd § 303 Abs. 1 BAO und der Antrag auf Rückzahlung der zu Unrecht einbehaltenen Kapitalertragsteuer 2008 und 2015 nach § 240 Abs. 3 BAO zurückgewiesen.

1. Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2008 iSd § 303 Abs. 1 BAO vom :

Begründend wurde ausgeführt:

"Gemäß § 304 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur dann zulässig, wenn der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs 1 BAO vor Eintritt der Verjährung eingebracht wurde. Die Bemessungsverjährung gemäß § 207 BAO ist auf Bescheide über die Wiederaufnahme von Verfahren anzuwenden (Ritz, BAO, 5. Auflage, § 207 Tz 9).

Gemäß § 207 Abs 1 und 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist für die Festsetzung bzw Bemessung von Abgaben fünf Jahre. Die Bemessungsverjährung erfasst auch Abänderungen von Bescheiden (Ritz, BAO, 5. Auflage, § 207 Tz 7).

Gemäß § 208 Abs 1 lit a BAO beginnt die Verjährungsfrist mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, zu laufen. Gemäß § 4 Abs 1 BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Gemäß § 4 Abs 2 lit a Z 2 BAO entsteht der Abgabenanspruch für die zu veranlagende Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird. Nach § 209 Abs 1 BAO verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr, wenn von der Abgabenbehörde innerhalb der Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches unternommen werden. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.

Der Abgabenanspruch für die Einkommensteuer 2008 entstand mit Ablauf des Jahres 2008, für das die Veranlagung vorgenommen wurde, und die Verjährungsfrist begann mit Ablauf des Jahres 2008 zu laufen.

Das Erlassen des Einkommensteuerbescheides 2008 vom stellte eine nach außen erkennbare Amtshandlung zur Geltendmachung des Abgabenanspruches iSd § 209 Abs 1 BAO dar, die innerhalb der Verjährungsfrist gesetzt wurde und die Verjährungsfrist für die Festsetzung bzw Bemessung der Einkommensteuer 2008 um ein Jahr bis zum Ablauf des Jahres 2014 verlängerte. Im Jahr 2014 wurden keine Verlängerungshandlungen gesetzt, somit konnte die Verjährungsfrist nicht um ein weiteres Jahr verlängert werden. Zum Zeitpunkt des Einbringens Ihres Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einkommensteuer 2008 iSd § 303 Abs 1 BAO vom war die Verjährungsfrist schon abgelaufen.

Bei Eintreten der Verjährung wird die Behörde sachlich unzuständig (Ritz, BAO, 5. Auflage, § 207 Tz 4), dies auch wenn eine Abgabenfestsetzung im Interesse der Abgabepflichtigen erfolgen soll (). Die Verjährung kann sowohl dem Schutz der Abgabenpflichtigen dienen als auch im öffentlichen Interesse sein (Ritz, BAO, 5. Auflage, § 207 Tz 5).

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einkommensteuer 2008 iSd § 303 Abs 1 BAO vom war wegen Verspätung zurückzuweisen.

Bei Rechtzeitigkeit wäre Ihr Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einkommensteuer 2008 iSd § 303 Abs 1 BAO vom aus folgenden Gründen abzuweisen:

Gemäß § 303 Abs 2 BAO hat der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird sowie die Bezeichnung der Umstände (§ 303 Abs 1 BAO), auf die der Antrag gestützt wird, zu enthalten.

In Ihrem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einkommensteuer 2008 vom wurde als Wiederaufnahmsgrund gemäß § 303 Abs 1 BAO das VwGH- Erkenntnis vom , 2013/15/0297 genannt.

Das VwGH-Erkenntnis kann eindeutig nicht unter dem Tatbestand des § 303 Abs 1 lit a BAO (der Bescheid wurde durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen) subsumiert werden.

Gemäß § 303 Abs 1 lit b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Tatsachen im Sinne des § 303 Abs 1 lit b BAO sind tatsächliche Umstände, die ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängen. Als Beispiele für tatsächliche Umstände wurden vom VwGH zB "Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften" genannt (). Es wurde eindeutig festgestellt, dass Erkenntnisse, die sich auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen beziehen, keine Beweismittel oder Tatsachen darstellen (; ; ; -0279; ; ).

Das im Antrag angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2013/15/0297 stellt weder eine Tatsache noch ein Beweismittel im Sinne des § 303 Abs 1 lit b BAO dar.

Gemäß § 303 Abs 1 lit c BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag der Partei oder von Amts wegen dann wiederaufgenommen werden, wenn der Bescheid von Vorfragen (§ 116 BAO) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von dieser oder einer anderen Verwaltungsbehörde bzw dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Eine Vorfrage iSd § 303 Abs 1 lit c BAO ist eine Rechtsfrage, für deren Entscheidung die Abgabenbehörde nicht oder zumindest nicht in diesem Verfahren zuständig war, die aber für ihre Entscheidung eine notwendige Grundlage bildete und die als Hauptfrage in einem Verfahren vor dieser oder einer anderen Verwaltungsbehörde oder vor einem Gericht durch einen Abspruch rechtsfeststellender oder rechtsgestaltender Natur zu klären war (; ).

Die Entscheidung, in der über eine Rechtsfrage als Hauptfrage abgesprochen wurde, muss sowohl für die Abgabenbehörde, welche die Vorfrage beurteilt hat, als auch für die Partei (§ 78 BAO) des wiederaufzunehmenden Verfahrens bindend sein. Eine solche Bindung setzt Tatbestandsgleichheit und Parteienidentität (Ritz, BAO, 5. Auflage, § 303 Tz 40) voraus und bezieht sich auf den in Rechtskraft erwachsenen Spruch ().

Im gegenständlichen Fall liegt keine Vorfrage vor, die von dieser oder einer anderen Verwaltungsbehörde oder einem Gericht als Hauptfrage in einem anderen Verfahren zu klären war. Es ist hinzuzufügen, dass der VwGH grundsätzlich nicht als Hauptfragenbehörde gelten kann. Sowohl der VfGH mit Erkenntnis vom , G 5/09 als auch der VwGH mit Erkenntnis vom , 2008/16/0148 stellten fest, dass höchstgerichtliche Entscheidungen nicht zur Wiederaufnahme rechtskräftig abgeschlossener Verfahren nach dem Vorfragentatbestand berechtigen.

Im Verfahren betreffend Ihre Einkommensteuer 2008 abgeschlossen mit Einkommensteuerbescheid vom wurden von der Abgabenbehörde keine Vorfragen gemäß § 116 BAO beurteilt, die vom VwGH mit Erkenntnis vom , 2013/15/0297 als Hauptfragen zu lösen waren. Da das aufhebende Erkenntnis des VwGH über die dieses Erkenntnis betreffende Sache hinaus keine Bindungswirkung entfaltet, besteht auch für das Einkommensteuerverfahren 2008 des Bf. keine Bindung an ein einen anderen Abgabepflichtigen betreffendes VwGH-Erkenntnis 2013/15/0297 vom (). Weder Tatbestandsgleichheit noch Parteienidentität sind bei den genannten Verfahren gegeben. Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 Abs 1 lit c BAO liegen nicht vor.

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einkommensteuer 2008 iSd § 303 Abs. 1 BAO vom ist unbegründet.

2. Antrag auf Rückzahlung der zu Unrecht einbehaltenen Kapitalertragsteuer 2008 nach § 240 Abs. 3 BAO vom :

Gemäß § 240 Abs 1 und 3 BAO hat bei Abgaben, die für Rechnung eines Abgabepflichtigen ohne dessen Mitwirkung einzubehalten und abzuführen sind, auf Antrag des Abgabepflichtigen die Rückzahlung des zu Unrecht einbehaltenen Betrages insoweit zu erfolgen, als nicht a) eine Rückzahlung oder ein Ausgleich gemäß § 240 Abs 1 BAO erfolgt ist, b) ein Ausgleich im Wege der Veranlagung erfolgt ist, c) ein Ausgleich im Wege der Veranlagung zu erfolgen hat oder im Falle eines Antrages zu erfolgen hätte.

Der Antrag auf Rückzahlung der zu Unrecht einbehaltenen Kapitalertragsteuer 2008 gemäß § 240 Abs 3 BAO vom war als unzulässig zurückzuweisen, da die Kapitalertragsteuer nicht von Ihren Einkünften, sondern von den Einkünften der damaligen Eigentümerin der Stammsitzliegenschaft mit der ***3*** und Mitgliedern der Agrargemeinschaft A. Mag. ***2*** einbehalten und abgeführt wurde. Im Zuge der Gesamtrechtsnachfolge (Einantwortungsbeschluss vom ) gingen alle Rechtspositionen auf die Erbin und Gesamtrechtsnachfolgerin ***4*** über und ist nur diese antragsbefugt ().

Ihr Antrag auf Rückzahlung der zu Unrecht einbehaltenen Kapitalertragsteuer 2008 gemäß § 240 Abs 3 BAO vom war als unzulässig zurückzuweisen.

Bei Berechtigung zur Antragstellung wäre der Antrag auf Rückzahlung der zu Unrecht einbehaltenen Kapitalertragsteuer 2008 gemäß § 240 Abs 3 BAO vom als verspätet zurückzuweisen.

Gemäß § 240 Abs 3 BAO kann der Antrag auf Rückzahlung des zu Unrecht einbehaltenen Betrages bis zum Ablauf des fünften Kalenderjahres, das auf das Jahr der Einbehaltung folgt, gestellt werden. Die Fünfjahresfrist zur Antragstellung ist eine gesetzliche Ausschlussfrist, bei deren Versäumung ein Recht verloren geht und die gemäß § 110 Abs 1 BAO nicht erstreckt werden kann (Ritz, BAO, 5. Auflage, § 108 Tz 2 und § 240 Tz 7; ). Die Kapitalertragsteuer 2008 wurde im Jahr 2008 einbehalten. Der Antrag auf Rückzahlung war bis zum Ablauf des Jahres 2013 zu stellen und ist somit verspätet. Bei dem hier vorliegenden objektiven Fristversäumnis kommt es nicht auf ein allfälliges Verschulden an.

Ihr Antrag auf Rückzahlung der zu Unrecht einbehaltenen Kapitalertragsteuer 2008 gemäß § 240 Abs 3 BAO vom war verspätet.

3. Antrag auf Rückzahlung der zu Unrecht einbehaltenen Kapitalertragsteuer 2015 nach § 240 Abs 3 BAO vom

Gemäß § 240 Abs 3 BAO hat die Rückzahlung eines zu Unrecht einbehaltenen Betrages auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit zu erfolgen, als nicht

a) eine Rückzahlung oder ein Ausgleich gemäß § 240 Abs 1 BAO erfolgt ist,

b) ein Ausgleich im Wege der Veranlagung erfolgt ist,

c) ein Ausgleich im Wege der Veranlagung zu erfolgen hat oder im Fall eines Antrages auf Veranlagung zu erfolgen hätte.

Der Antrag auf Rückzahlung der zu Unrecht einbehaltenen Kapitalertragsteuer 2015 gemäß § 240 Abs 3 BAO vom war als unzulässig zurückzuweisen, da im Falle eines Antrages ein Ausgleich im Wege der Veranlagung zu erfolgen hätte (§ 240 Abs 1 lit c BAO).

Eine Anrechnung der auf die endbesteuerten Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 97 Abs.1 EStG 1988) und auf die endbesteuerten Einkünfte aus der Überlassung von Kapital, die zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 gehören (§ 27a Abs 6 EStG 1988), entfallenden Kapitalertragsteuer auf die Einkommensteuerschuld kann im Wege der Veranlagung erfolgen, wenn zur Regelbesteuerung gemäß § 27a Abs 5 EStG 1988 oder zum Verlustausgleich gemäß § 97 Abs 2 EStG 1988 optiert wird.

Bei Zulässigkeit des Antrages auf Rückzahlung der zu Unrecht einbehaltenen Kapitalertragsteuer 2015 vom wäre dieser als unbegründet abzuweisen, da die Kapitalertragsteuer zu Recht einbehalten und abgeführt wurde.

Sachverhalt:

Der Antragsteller ist Eigentümer einer sogenannten Stammsitzliegenschaft, mit der die Mitgliedschaft an der Agrargemeinschaft A. verbunden ist. Die Agrargemeinschaft besteht aus insgesamt 66 Mitgliedern mit 345 Anteilen. Zum agrargemeinschaftlichen Grundbesitz gehören die in ***3*** des Grundbuchs der Katastralgemeinde A. einliegenden Grundstücke. Entsprechend den Anordnungen des Niederösterreichischen Flurverfassungs-Landesgesetzes (§ 47 NÖ FLG 1975) sind im Grundbuch die Stammsitzliegenschaften, an denen die Anteilsrechte gebunden sind, mit ihrer Einlagezahl und der Anzahl der Anteilsrechte ersichtlich gemacht. Im Grundbuch ist zudem vermerkt, dass die Agrargemeinschaft aus den jeweiligen Eigentümern der Stammsitzliegenschaften besteht.

Mit Vereinbarung vom veräußerte die Agrargemeinschaft A. agrargemeinschaftliche Grundstücke an das Land Niederösterreich. Der größte Teil des Verkaufserlöses wurde im Jahr 2008, der Rest im Jahr 2015 an die Mitglieder ausbezahlt. Die Agrargemeinschaft hat für die ausbezahlten Beträge Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt.

Vom Steuerpflichtigen wird bestritten, dass die an die Mitglieder der Agrargemeinschaft ausbezahlten Beträge aus den Verkaufserlösen steuerpflichtige Einkünfte darstellen.

Rechtliche Beurteilung:

Agrargemeinschaften stellen Personengemeinschaften in Angelegenheiten der Bodenreform im Sinne des Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG dar. Die Ausführungsgesetze der Länder zum Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 bilden die Rechtsgrundlage für die Beurteilung der Rechtspersönlichkeit der Agrargemeinschaften ().

Nach § 46 des NÖ Flurverfassungs-Landesgesetzes 1975 besteht die Agrargemeinschaft aus der Gesamtheit der Eigentümer der Stammsitzliegenschaften (Liegenschaften, an deren Eigentum Anteilsrechte an agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden sind) und falls vorhanden aus jenen Personen, denen walzende (persönliche) Anteilsrechte zustehen.

Sobald die Behörde für die Agrargemeinschaft Verwaltungssatzungen erlassen hat, bildet diese eine Körperschaft öffentlichen Rechts.

Mit Bescheid vom wurden von der NÖ Agrarbezirksbehörde für die Agrargemeinschaft A. Verwaltungssatzungen erlassen. Im § 1 Abs 2 der Verwaltungssatzungen der AG A. wurde festgehalten, dass diese als körperschaftlich eingerichtete Agrargemeinschaft rechtsfähig ist. Im § 1 Abs 3 der Verwaltungssatzungen der AG A. wurde festgehalten, dass zum agrargemeinschaftlichen Grundbesitz die in ***3*** des Grundbuchs der Katastralgemeinde A. einliegenden Grundstücken gehören. Diese Feststellung entspricht der gesetzlichen Anordnung des § 47 Abs 1 NÖ Flurverfassungs-Landesgesetzes 1975, wonach die Behörde festzustellen hat, welche Grundstücke agrargemeinschaftlich sind. Laut § 47 Abs 2 NÖ Flurverfassungs-Landesgesetz 1975 sind agrargemeinschaftliche Grundstücke im Grundbuch vom Grundbuchsgericht aufgrund einer Mitteilung der Behörde als solche zu bezeichnen und die Anzahl der Anteilsrechte, die mit Eigentum an Stammsitzliegenschaften gebunden sind sowie die Einlagezahl der Stammsitzliegenschaften ersichtlich zu machen.

Dieser gesetzlichen Anordnung entsprechend ist das Alleineigentumsrecht der Agrargemeinschaft A. (Anteil 1/1) an den in ***3*** des Grundbuchs der Katastralgemeinde A. einliegenden Grundstücken, begründet mit Bescheid vom , im Grundbuch eingetragen und die EZ der Stammsitzliegenschaften, mit deren Eigentum Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft verbunden sind, ersichtlich gemacht.

Laut Raschauer verdient eine von der Agrarbehörde getroffene Feststellung des Eigentumsrechts eines Rechtsträgers den Schutz der Rechtsordnung, wenn diese Feststellung unangefochten blieb (Raschauer, Rechtskraft und agrarische Operation, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol (2010), 276 f sowie VfSIg 17.779/2006; VfSIg 18.446/2008; ). Die Agrargemeinschaft A. ist als rechtsfähige Körperschaft öffentlichen Rechts Eigentümerin der in ***3*** des Grundbuchs der Katastralgemeinde A. einliegenden Grundstücke (agrargemeinschaftliche Grundstücke). Gemäß § 2 der Verwaltungssatzungen der Agrargemeinschaft A. vom sind die jeweiligen Eigentümer der angeführten Stammsitzliegenschaften Mitglieder der Agrargemeinschaft.

Gemäß § 8 der Verwaltungssatzungen der AG A. sind bei Rechtsgeschäften, die die Veräußerung des Gemeinschaftsvermögens betreffen, die Urkunden neben dem vorgeschriebenen oder vorgedruckten Namen "Agrargemeinschaft A." durch den Obmann bzw den Obmannstellvertreter und noch durch ein zweites Mitglied des Vorstandes zu unterfertigen. Die Genehmigung der Veräußerung und Belastung agrargemeinschaftlicher Grundstücke (§ 48 Abs 1 NÖ FLG 1975) ist der Agrarbehörde Vorbehalten.

Gemäß § 3 der Verwaltungssatzungen der AG A. haben Mitglieder das Recht der Teilnahme an den Nutzungen des gemeinschaftlichen Besitzes gemäß den Bestimmungen dieser Verwaltungssatzungen. Dazu gehört auch die Teilnahme an den (Jahres)Erträgen, deren Aufteilung gemäß § 7 Abs 2 der Verwaltungssatzungen der AG A. dem Obmann nach Beratung mit dem Vorstand obliegt.

Die Auszahlung der Erlöse aus der Veräußerung agrargemeinschaftlicher Grundstücke im Jahr 2008 und 2015 beruht auf dieser Berechtigung der Mitglieder der Agrargemeinschaft der Teilnahme an den Nutzungen des gemeinschaftlichen Besitzes und an den Erträgen der Agrargemeinschaft. Dies entspricht auch der Auffassung des VfGH (Erkenntnis vom , B 80/63), wonach unter Anteilsrechten alle aus der Mitgliedschaft zu der Agrargemeinschaft entspringenden Berechtigungen und Verpflichtungen zu verstehen sind.

Die Auszahlungen stellen bei den Mitgliedern der Agrargemeinschaft Bezüge aus Anteilen an körperschaftlich organisierten Personengemeinschaften in den Angelegenheiten der Bodenreform (Agrargemeinschaften) im Sinne des Art 12 Abs 1 Z 3 des B-VG dar. Diese gehören nach der jetzt (und im Jahr 2015) geltenden Rechtslage zu den Einkünften aus der Überlassung von Kapital (§ 27 Abs 2 Z 1 lit d EStG 1988) und sind steuerpflichtig.

Dem Vorbringen des Antragstellers, Ausschüttungen der Erlöse aus dem Verkauf von agrargemeinschaftlichen Grundstücken seien nicht steuerpflichtig, ist entgegenzuhalten, dass Ausschüttungen Ausfluss der Anteilsrechte und unabhängig davon auf welche Geschäfte sie zurückzuführen sind, steuerpflichtig sind. Eine sachliche Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung von Ausschüttungen der Erträge aus zB der Nutzungsüberlassung agrargemeinschaftlichen Grundstücken zu nicht land- und forstwirtschaftlichen Zwecken, die steuerpflichtig sind, und der Erträge aus der Veräußerung von agrargemeinschaftlichen Grundstücken wurde nicht dargelegt.

Mit VwGH-Erkenntnis vom , 2006/15/0050 wurde festgehalten, dass Anteile Agrargemeinschaften keine Genussrechte darstellen und somit Ausschüttungen aufgrund dieser Anteile nicht dem § 93 Abs 2 Z 1 EStG 1988 (Kapitalertragsteuerabzug) in der Fassung vor dem Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl I Nr 52/2009 zu subsumieren sind.

Mit Budgetbegleitgesetz 2009 sollte laut ErlRV (113 BlgNR XXIV. GP, 5) die Verwaltungsübung ausdrücklich gesetzlich verankert werden und werden die Bezüge Anteilen an körperschaftlich organisierten Agrargemeinschaften der Kapitalertragsteuer unterzogen, unabhängig davon ob sie im Privatvermögen gehalten werden und Einkünfte Kapitalvermögen darstellen oder als Einkünfte aus der Überlassung von Kapital zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 gehören.

Mit VwGH-Erkenntnis vom , 2013/15/0297 wurde ausgesprochen, dass die im Jahr 2008 ausbezahlten Erträge keine Einkünfte aus Kapitalforderungen iSd des § 27 Abs 1 Z 4 EStG 1988 in der im Jahr 2008 geltenden Fassung darstellten, da der Agrargemeinschaft seitens der Anteilsberechtigten kein Kapital zur Verfügung gestellt wurde und somit eine Besteuerung als Einkünfte aus Kapitalvermögen rechtswidrig war. Es wurde vom VwGH zudem festgestellt, dass entgegen der Rechtsauffassung der Finanzbehörde, wonach die Bezüge aus Anteilen an der Agrargemeinschaft auch vor dem Budgetbegleitgesetz 2009 als Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerpflichtig waren und mit dem Budgetbegleitgesetz 2009 die Steuerpflicht dieser Bezüge lediglich ausdrücklich festgehalten wurde, mit der Einführung des § 27 Abs 1 lit d EStG 1988 (Budgetbegleitgesetz 2009) eine konstitutive gesetzliche Änderung erfolgte, dh ein neuer Tatbestand erfasst wurde.

Bezüge aus Anteilen an körperschaftlich organisierten Personengemeinschaften in den Angelegenheiten der Bodenreform (Agrargemeinschaften) im Sinne des Art 12 Abs 1 Z 3 des B-VG zählen zu den Einkünften aus der Überlassung von Kapital (§ 27 Abs 2 Z 1 lit d EStG 1988). Gemäß § 93 Abs 1 iVm § 93 Abs 2 Z 1 EStG wird bei Einkünften aus der Überlassung von Kapital, wenn die auszahlende Stelle sich im Inland befindet (§ 95 Abs 2 Z 1 lit b EStG) die Einkommensteuer durch Steuerabzug erhoben (Kapitalertragsteuer). Gemäß § 93 Abs 3 EStG 1988 ist die Kapitalertragsteuer auch dann abzuziehen, wenn die Kapitaleinkünfte beim Empfänger zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 gehören, ausgenommen die Einkünfte, die gemäß § 94 EStG 1988 vom Abzug ausgeschlossen sind.

Schuldner der Kapitalertragsteuer ist der Empfänger der Kapitalerträge (§ 95 Abs 1 EStG 1988). Abzugsverpflichteter ist die auszahlende Stelle (§ 95 Abs 2 Z 1 lit b EStG 1988). Der Abzugsverpflichtete haftet dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer. Gemäß § 95 Abs 3 EStG 1988 hat der Abzugsverpflichtete die Kapitalertragsteuer im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge abzuziehen. Die Kapitalerträge, deren Ausschüttung von einer Körperschaft beschlossen wird, gelten für Zwecke der Einbehaltung der Kapitalertragsteuer als zugeflossen an jenem Tag, der im Beschluss als Tag der Auszahlung bestimmt ist. Gemäß § 96 Abs 1 Z 1 lit a EStG 1988 hat der Abzugsverpflichtete bei Einkünften aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs 2 Z 1 EStG 1988 die einbehaltenen Steuerbeträge unter der Bezeichnung "Kapitalertragsteuer" binnen einer Woche nach dem Zufließen der Kapitalerträge abzuführen. Gemäß § 97 Abs 1 EStG 1988 gilt für natürliche Personen die Einkommensteuer für Einkünfte aus Kapitalvermögen, auf deren Erträge ein besonderer Steuersatz gemäß § 27a Abs 1 EStG 1988 anwendbar ist durch die Kapitalertragsteuer als abgegolten. Die Einkünfte aus der Überlassung von Kapital gehören gemäß § 27 Abs 1 EStG 1988 zu den Einkünften aus Kapitalvermögen, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 gehören (Subsidiarität). Gemäß § 27a Abs 1 Z 2 EStG 1988 unterliegen Einkünfte aus Kapitalvermögen einem besonderen Steuersatz und sind bei der Berechnung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen (§ 2 Abs 2 EStG 1988) zu berücksichtigen, sofern nicht die Regelbesteuerung (§ 27a Abs 5 EStG 1988) anzuwenden ist. Gemäß § 27a Abs 3 EStG 1988 sind bei der Überlassung von Kapital (§ 27 Abs 2 EStG 1988) als Einkünfte die bezogenen Kapitalerträge anzusetzen.

Diese Bestimmungen (§27a Abs 1 bis 5 EStG 1988) sind auch auf Einkünfte aus der Überlassung von Kapital anzuwenden, soweit diese zu den Einkünfte iSd § 2 Abs 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 gehören (§ 27a Abs. 6 EStG 1988).

Conclusio

Die im Jahr 2015 von der Agrargemeinschaft an die Mitglieder ausbezahlten Beträge stellen Einkünfte aus der Überlassung von Kapital dar (§ 27 Abs 2 Z 1 lit d EStG 1988). Die Agrargemeinschaft war zur Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer verpflichtet und erfolgte diese rechtmäßig (§ 93 Abs 1 iVm § 93 Abs 2 Z 1 EStG, § 95 Abs 2 Z 1 lit b EStG 1988). Die Steuer für Einkünfte aus der Überlassung von Kapital ist, unabhängig davon ob diese zu den Einkünften aus Kapitalvermögen oder zu den Einkünften gemäß § 2 Abs 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 gehören, mit dem Kapitalertragsteuerabzug abgegolten (§ 97 Abs 1 EStG 1988). Auf die Einkünfte aus der Überlassung von Kapital kann gemäß § 27a Abs 1 Z 2 iVm § 27a Abs 6 EStG 1988 auf Antrag der allgemeine Steuertarif angewendet werden (Regelbesteurungsoption) oder sind diese gemäß § 97 Abs 2 EStG 1988 auf Antrag zu veranlagen (Verlustausgleichsoption).

Da die Kapitalertragsteuer zu Recht einbehalten wurde, ist der Antrag auf Rückzahlung der zu Unrecht einbehaltenen Kapitalertragsteuer 2015 gemäß § 240 Abs 3 BAO vom unbegründet.

Mit Eingabe vom (eingelangt beim Finanzamt am ) erhob der Bf. Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid sowie gegen die Zurückweisung des Antrages auf Rückzahlung der rechtswidrig einbehaltenen Kapitalertragsteuer 2008 und 2015 und die Einkommensteuer 2008 Beschwerde.

Begründend wurde ausgeführt:

"Zur Verjährung:

Da laut § 207 bei hinterzogenen Abgaben (bei rechtswidrigem Verhalten) die Verjährung 10 Jahre beträgt, müsste im Umkehrschluss auch bei rechtswidriger Besteuerung eine ebenso lange Verjährungsfrist gelten.

BAO § 209(3) Das Recht auf Festsetzung einer Abgabe verjährt nach spätestens fünfzehn Jahren nach Entstehen des Abgabenanspruches. Wenn das Amt nach 15 Jahren noch einen neuen Steuerbescheid ausstellen kann, kann es auch nach 15 Jahren mit Bescheid feststellen, dass in vorliegendem Fall keine Steuer angefallen ist.

Ein Verschulden meinerseits liegt nicht vor, da ich auf die Auskünfte des Finanzamtes vertraut habe.

Erst im Jänner 2017 wurde mir durch das VwGH Erkenntnis vom , 2013/15/297 bewusst, dass uns das Finanzamt und der UFS absolut gesetzwidrig besteuert hat.

Ich habe um Wiederaufnahme des Verfahrens zur Einkommensteuer im Sinne des § 303 Abs. 1 BAO angesucht.

Die Bezahlung der KESt 2008 wurde auf Grund einer falschen Auskunft des Finanzamtes vom Obmann der AG abgeführt. Das FA hat dem Obmann angedroht, dass er mit seinem Privatvermögen für die KESt der AG haftet. Man kann daher mit Fug und Recht behaupten, dass die Bezahlung durch falsche Rechtsauskunft und Druck rechtswidrig zu Stande gekommen ist.

Die Hauptfrage in unserem Steuerverfahren war: Wer war Eigentümer der verkauften Grundstücke? Ist die Auszahlung des Wiederbeschaffungswertes an die Mitglieder unserer AG steuerpflichtig oder nicht. Wichtig für die Klärung dieser Hauptfrage ist der Inhalt der Satzungen (Gesellschaftsvertrag) der Agrargemeinschaft.

Die offizielle Definition auf der Land NÖ Seite lautet:

Agrargemeinschaften sind in der Regel Vereinigungen ehemaliger "Grunduntertanen", denen gemeinsam Eigentumsrechte an bestimmten Grundstücken zustehen ("agrargemeinschaftliche Grundstücke").

Bei der AG A. wurden diese Grundstücke bereits bei der Gründung von A. 1868 nachweislich von den Urhausbesitzern käuflich erworben. Noch heute sind im Grundbuch die Mitglieder im Eigentumsblatt als Miteigentümer eingetragen. Auch bei den Grundstücken die 2008 an das Land für einen Straßenbau abgegeben werden mussten waren die Mitglieder als Eigentümer eingetragen. Auch in den Satzungen (Gesellschaftsvertrag) ist immer vom gemeinschaftlichen Eigentum die Rede.

Die Hauptfrage bei der Veranlagung war daher: Kann man eine Agrargemeinschaft überhaupt mit einer Kapitalgesellschaft vergleichen, wenn niemals Kapital zur Verfügung gestellt wurde und die Mitglieder offensichtlich Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Grundstücke geblieben sind?

Ohne diese Hauptfrage zu beantworten hat das FA, in der irrtümlichen Annahme die verkauften Grundstücke wären Eigentum der AG gewesen, gegenüber dem Obmann festgestellt, dass die Auszahlung des Wiederbeschaffungswertes an die Eigentümer eine (Gewinn-) Ausschüttung wäre und daher KEST abzuführen ist. Damit hat sich das Amt sowohl über das Grundbuch als auch das Flurverfassungslandesgesetz hinweggesetzt. Erst der VwGH hat dadurch diese Hauptfrage rechtskonform beantwortet.

Mit dem Budgetbegleitgesetz 2009 wurde konstitutiv festgestellt, dass bis zum kein Gesetz existiert hat, das eine Besteuerung von Ausschüttungen aus Agrargemeinschaften ermöglicht hätte.

Ab ist die Besteuerung von Bezügen also Einkünften aus der Beteiligung an einer Agrargemeinschaft gesetzlich vorgeschrieben. Ein Wiederbeschaffungswert für Grundstücke, der Mitglieder stellt jedoch niemals weder Einkünfte noch Bezüge dar, da man dafür nur gleichwertige Grundstücke kaufen kann somit nur den Eigentumsstand von vor dem Grundstücksverkauf wiederherstellen kann. Nur Vermögensmehrungen sind in Österreich steuerpflichtig.

Trotzdem hat das FA und der UFS am in Kenntnis des BBG 2009 und im Wissen, dass 2008 ein privater Grundverkauf nicht einkommensteuerpflichtig war die Rückzahlung der KEST rechtswidrig abgelehnt. Daraufhin hat das FA offensichtlich in Kenntnis der Rechtslage die Mitglieder dazu gedrängt eine Einkommensteuererklärung abzugeben und die Auszahlung als Kapitalertrag einzutragen, um eine rechtswidrige Besteuerung zu ermöglichen. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Abgabe einer Einkommensteuererklärung in solchen Fällen Pflicht ist und die Nichtabgabe eine Strafe nach sich ziehen würde.

Einige Mitglieder haben sich auch gegen diese Besteuerung bis zum UFS zur Wehr gesetzt mit Hinweis auf das VWGH Urteil vom , 2006/15/0050, das sehr aufschlussreich war, denn 2004 hat der UFS in Kärnten bei einer Agrargemeinschaft festgestellt, dass Anteilsrechte an Agrargemeinschaften Eigentumsrechte keine Substanzgenussrechte sind. Das FA in Kärnten hat dagegen Beschwerde eingelegt und der VWGH hat dem UFS Recht gegeben und damit auch festgestellt, dass Anteilsrechte an AG's Miteigentumsrechte sind und dadurch die Auszahlung aus diesem Grundstücksverkauf nicht kapitalsteuerpflichtig war. Das UFS Urteil aus 2004 müsste sowohl dem FA als auch dem UFS bereits 2008 bekannt gewesen sein!

Das FA schreibt bei einer Stellungnahme 2011 doch tatsächlich, dass es 2008 keine gesetzliche Möglichkeit der Besteuerung der Auszahlung der AG gegeben hat. "Der Gesetzgeber kann das jedoch nicht so gemeint haben", daher fühlt sich das Amt 2011 trotz eindeutiger Gesetzeslage dazu berufen einen Analogieschluss zu Kapitalgesellschaften mit völlig anderem Gesellschaftsvertrag zu machen.

Im Bemühen ohne gesetzliche Möglichkeit trotzdem eine Besteuerung durchzuführen kam es sowohl beim FA als auch beim UFS zu den kuriosesten Formulierungen:

"Zu Einkünften aus Kapitalvermögen gehören alle Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein Entgelt für die Kapitalnutzung darstellen, schrieb das FA. Das würde in unserem Fall bedeuten: Wenn die AG die Grundstücke der Mitglieder verkauft, kann sie mit dem Wiederbeschaffungswert ein Entgelt für die Kapitalnutzung an die Mitglieder bezahlen, was bei den Mitgliedern eine Vermögensmehrung durch Bezüge aus Kapitalgesellschaften darstellen würde und daher zu besteuern wäre. Die Grundstücke und die Einkünfte daraus wären dann allerdings für die Eigentümer für immer verloren!

Der UFS ging dann 2011 in seinem Rechtssatz (RV/0581-W/11 vom ) noch einen Schritt weiter: Im Falle der AG werden die Hauptmerkmale " des Tatbestandes im § 27 Abs. 1 Z. 4 EStG, "Erträgnisse aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art" überwiegend erfüllt. "Die Anteilsberechtigten stellen - wenn auch unter Einschränkungen des Flurverfassungs-Landesgesetzes - disponibles, agrargemeinschaftliches Liegenschaftsvermögen der Agrargemeinschaft zur entgeltlichen Nutzung - nämlich gegen Einräumung anteilsmäßiger vermögenswerter Nutzungsvorteile - zur Verfügung". Vermögenswerte Nutzungsvorteile, adäquat zum uneingeschränkten Eigentum, müssten auch den Substanzwert sowie dessen Wertsteigerung beinhalten. Es ist ausgeschlossen, dass die Mitglieder durch die Nutzungsvorteile das uneingeschränkte Eigentumsrecht verlieren. Die Nutzung der eigenen Grundstücke kann niemals das Entgelt für das Eigentum von Grund und Boden sein. Der UFS hat trotzdem den Schluss gezogen, dass die Grundstücke beim Verkauf im Alleineigentum der AG standen.

Der VWGH hat am , 2013/15/297 dazu in seinem Rechtssatz festgestellt: "Der Agrargemeinschaft wird seitens der Anteilsberechtigten nicht Kapital zur Verfügung gestellt, welches zu Kapitalforderungen und sodann zu Erträgnissen aus Kapitalforderungen der Anteilsberechtigten führt."

Damit hat der VwGH die Hauptfrage in unserem Fall beantwortet.

Dieser Rechtssatz des VwGH stellt eindeutig einen Neuerungstatbestand dar, weil er einen Inhalt der Satzungen (Gesellschaftsvertrag) klarstellt: Die Mitglieder sind nach wie vor die uneingeschränkten Eigentümer des agrargemeinschaftlichen Liegenschaftsvermögens. Erlass BMF-010103/0053-VI/2006 vom :1.3 Neuerungstatbestände:

1.3.1 Tatsachen: "Inhalt des Gesellschaftsvertrages für die Frage, ob eine Mitunternehmerschaft vorliegt."

"Wiederaufnahmegründe sind nur Entscheidungswesentliche Sachverhalts Elemente. Dies sind solche, die im neuen Sachbescheid zu berücksichtigen, somit seinen Spruch zu beeinflussen geeignet sind".

Seit der Neufassung von § 33a VwGG wurde die Möglichkeit der Ablehnung von Beschwerden durch den VwGH unter anderem auch auf Beschwerden gegen Bescheide unabhängiger Finanzsenate erweitert. Die Ablehnung kommt nur dann in Betracht, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängig wäre, der grundsätzliche Bedeutung zukommt! Bekanntlich wurde die Beschwerde 2013/15/297 eines Mitgliedes unserer AG bearbeitet, es wurde daher eindeutig über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu Recht erkannt, dass die Besteuerung rechtswidrig war. Schon daher kann es nicht sein, dass das VwGH Erkenntnis nur für ein einziges Mitglied gilt, wenn der Fall für alle absolut identisch ist. Schließlich wurde über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abgesprochen und alle Ämter sind verpflichtet sich daran zu halten.

Dadurch kann und wird die Behandlung einer Beschwerde über dieselbe Rechtsfrage in Zukunft vom VWGH mit Hinweis auf dieses Urteil abgelehnt werden.

Der VwGH hat allerdings keine neue Rechtslage geschaffen, sondern hat nur die geltende Rechtslage erklärt.

Erlass des BMF:

Nach dem Normzweck des § 303 Abs. 4 BAO ist idR dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor der Rechtsbeständigkeit zu geben.

Dies gilt auch für sich zu Gunsten der Partei auswirkende Wiederaufnahmen. Die Wiederaufnahme ist bei geklärtem entscheidungserheblichem Sachverhalt grundsätzlich auch zu Gunsten der Partei zu verfügen. Der Umstand, dass der Abgabenpflichtige die Frist zur Stellung eines Wiederaufnahmeantrages oder zur Einbringung einer Berufung versäumte, steht einer amtswegigen Wiederaufnahme nicht entgegen. Eine sich zu Gunsten der Partei nicht geringfügig auswirkende Wiederaufnahme von Amts wegen darf nur in Ausnahmefällen unterbleiben.

Zusammenfassend beantrage ich die Wiederaufnahme der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2008 nach § 303 aus folgenden Gründen:

• Die Einzahlung der KEST 2008 ist durch eine falsche Rechtsauskunft und massivem Druck, durch das FA rechtswidrig zustande gekommen.

Wiederaufnahmegründe 1.1. "sonst wie erschlichen"

• Der KEST Rückzahlungsantrag ist nach vollständiger Klärung der Gesetzeslage durch das Budgetbegleitgesetz 2009 trotzdem am vorsätzlich gesetzwidrig abgelehnt worden.

• Die Einkommensteuerveranlagung 2008 ist vom FA vorsätzlich durch rechtswidrige Anweisungen gesetzwidrig veranlagt worden.

• Der UFS hat bei klarer Gesetzeslage gesetzwidrig entschieden.

• In der Hauptfrage wurde vom VwGH entgegen der Ansicht des FA und des UFS festgestellt, dass die Substanz im Eigentum der Mitglieder geblieben ist.

• Für eine Wiederaufnahme von Amtswegen lässt der Gesetzgeber in solchen Fällen keinen Ermessensspielraum zu.

• Mein Antrag auf Wiederaufnahme wurde fristgerecht eingebracht.

Ich beantrage daher erneut die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2008. Ich beantrage daher erneut die Rückzahlung sowohl der rechtswidrig eingehobenen KEST 2008 und 2015 als auch der rechtswidrig eingehobenen Einkommensteuer 2008 samt Zinsen seit der Einzahlung…."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die oa Beschwerde als unbegründet abgewiesen:

"Als erster Rechtsbehelf zur Bekämpfung von Bescheiden steht das Rechtsmittel der Beschwerde (bzw im Jahr 2008 das Rechtsmittel der Berufung) zur Verfügung (§ 243 BAO). Wird ein Bescheid nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist bekämpft, erwächst dieser in Rechtskraft. Auch rechtswidrige Bescheide erwachsen in formelle und materielle Rechtskraft (; ) und entfalten normative Wirkung (; ; ).

Um dem Grundsatz der Rechtsrichtigkeit Rechnung zu tragen, wurden vom Gesetzgeber bestimmte Möglichkeiten eröffnet, in formelle Rechtskraft erwachsene Bescheide außerhalb des Rechtsmittelverfahrens abzuändern bzw aufzuheben (). Diese Möglichkeiten sind aber, um den Grundsätzen der Rechtssicherheit und Rechtsbeständigkeit Rechnung zu tragen, begrenzt. Eine dieser Möglichkeiten ist die Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen bzw auf Antrag der Partei. Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist nur innerhalb der Verjährungsfrist möglich bzw auf Antrag der Partei, wenn der Antrag innerhalb der Verjährungsfrist gestellt wurde (§ 304 BAO iVm § 303 Abs 1 BAO). Wird der Antrag auf Wiederaufnahme nach Ablauf der Verjährungsfrist gestellt, ist eine Wiederaufnahme nicht zulässig ().

Der Antrag auf Wiederaufnahme wurde nach Ablauf der fünfjährigen Bemessungsverjährungsfrist gestellt (§ 207 Abs 1 BAO) und ist verspätet. Da die zehnjährige Verjährungsfrist sich ausdrücklich auf hinterzogene Abgaben bezieht, ist im Umkehrschluss die normale Bemessungsverjährungsfrist auf die nicht hinterzogenen Abgaben anzuwenden. Es liegt keine planwidrige Gesetzeslücke vor, die durch Analogie zu schließen wäre.

Die absolute Verjährungsfrist beträgt gemäß § 209 Abs 3 BAO zehn Jahre und ist weder verlängerbar noch hemmbar (Ellinger ua, BAO3, § 209 Anm 14). Die absolute Verjährungsfrist dient der Begrenzung der Bemessungsverjährungsfrist und kann nicht zur Abgabenfestsetzung nach dem Ablauf der Bemessungsverjährungsfrist berechtigen.

Zum Wiederaufnahmegrund des § 303 Abs 1 lit a BAO - der Bescheid ist sonstwie erschlichen worden - ist Folgendes festzuhalten: sonstwie einen Bescheid erschleichen kann nur die Partei und nicht die Behörde (Ritz, BAO6, § 303 Tz 20, mit Verweis auf , 85/13/0117, Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze, 1467; Hengstschläger, Verwaltungsverfahrensrecht4, Tz 580).

Zum Wiederaufnahmegrund des § 303 Abs 1 lit b BAO - Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln - ist Folgendes festzuhalten: Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden sowie höchstgerichtliche Erkenntnisse erfüllen den Neuerungstatbestand nicht (Ritz, BAO6, § 303 Tz 23).

Zur Unzulässigkeit bzw Unbegründetheit des Antrages auf Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2008 sowie auf Rückzahlung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer 2008 und 2015 wird im Übrigen auf die Begründung im Zurückweisungsbescheid vom verwiesen.

Die Zurückweisung des von der Agrargemeinschaft gestellten Antrages auf Rückzahlung der zu Unrecht einbehaltenen Kapitalertragsteuer erfolgte zu Recht, da zur Antragstellung nur der Abgabepflichtige berechtigt ist (§ 240 Abs 3 BAO).

Vom VwGH wurden mit Erkenntnis vom , 2013/15/0297 keine Feststellungen bezüglich Eigentum über die agrargemeinschaftlichen Grundstücke getroffen. Zur Eigentumsfrage wird ebenfalls auf die Ausführungen im Zurückweisungsbescheid vom verwiesen."

Mit Eingabe vom (eingelangt beim Finanzamt am ) stellt der Bf. einen Vorlageantrag. Begründend wurde ausgeführt:

"Aus Gutem Grund hat der Gesetzgeber bindend vorgeschrieben, dass Anteilsrechte an Agrargemeinschaften weder ersessen werden, noch verjähren können. Nimmt man einem Bauern seinen Acker nimmt man ihm auch für immer seine Verdienstmöglichkeit. :RA 2016/07/0006 2007/07/0100

Rechtssatz:

"Anteilsrechte an einer Agrargemeinschaft können weder verjähren noch ersessen werden (vgl. E , 2012/07/0256; E , 2010/07/0090); dies gilt auch für das Anteilsrecht "Substanzwert"(inklusive Substanzerlöse).

Der VfGH führt dazu bereits 1982 aus, dass die Mitglieder Eigentümer der Substanz bleiben!

Das Finanzamt hat uns bis zu 50% des Substanzerlöses widerrechtlich abgenommen und ist nicht bereit die unrechtmäßig kassierte Steuer zurückzugeben. Den Mitgliedern ist erst nach bekanntwerden des VwGH Urteils aus 2016 klar geworden, dass die Einhebung sowohl der Kapitalertragsteuer als auch der Einkommensteuer rechtswidrig war. (Wiederaufnahmeantrag wurde daraufhin sofort gestellt) Dem Obmann hat man mit dem Hinweis: "Sie sind für die Abfuhr der Kapitalertragsteuer persönlich haftbar!" Unter Druck gesetzt. Den Mitgliedern hat das FA mit Strafe gedroht, wenn sie nicht eine Einkommensteuererklärung abgeben und die Auszahlung des Verkaufserlöses ihrer Grundstücke als Kapitalertrag eintragen. Danach hat das FA bis zu 50% EkSt nachweislich rechtswidrig eingehoben. Die Mitglieder haben auf die Richtigkeit der FA Auskünfte vertraut.

Die Gemeinde A. musste den Urhausbesitzern sogar nach ca. 50 Jahren in der die Gemeinde irrtümlich im Grundbuch als Eigentümer eingetragen war die Grundstücke unbeschadet zurückgeben. Sie durfte nur die seinerzeit von den Urhausbesitzern käuflich erworbenen Grundstücke behalten. Siehe Anhang.

Unser Bescheid von der Agrarbehörde Wien über die Eigentumsverhältnisse stammt aus 1925 und wurde damals sogar von der Landesregierung bestätigt und seither nie aufgehoben! Chronologie der Regulierung der Agrargemeinschaft siehe Anhang.

ABGB: Der Eigentümer besitzt den Verfassungsrechtlichen Schutz gegen behördliche Eingriffe wegen des Gesetzesvorbehaltes in Art 5 StGG! (Staatsgrundgesetz):

Das Eigentum ist unantastbar!

Auch das Finanzamt kann uns daher nicht rechtswidrig enteignen.

Es ist falsch wenn das Finanzamt schreibt, dass der VwGH keine Eigentumsfeststellung getroffen hat:

Auch der VwGH (, 2013/15/297) hat eindeutig darauf Bezug genommen als er erklärte:

1. )Rechtssatz: "Der Agrargemeinschaft wird seitens der Anteilsberechtigten nicht Kapital zur Verfügung gestellt, welches zu Kapitalforderungen und sodann zu Erträgnissen aus Kapitalforderungen der Anteilsberechtigten führt.

2. )VwGH Begründung: "Entsprechend der Anordnung des NÖ FvfLG 1975 S47 sind im Grundbuch die Stammsitzliegenschaften, an welche die Anteilsrechte gebunden sind, mit ihrer Einlagezahl und der Anzahl der Anteilsrechte ersichtlich gemacht. Im Grundbuch ist zudem vermerkt, dass die Agrargemeinschaft aus den jeweiligen Eigentümern der Stammsitzliegenschaften besteht. Es ist auch ersichtlich, das sämtliche Liegenschaften von den Mitgliedern (in den Jahren 1929 und 1986) eingebracht worden sind."

NÖ FvfLG 1975 $47: "(1) Die Behörde hat festzustellen, welche Grundstücke agrargemeinschaftliche sind und wem sie gehören. Auf welche agrargemeinschaftlichen Liegenschaften sich die Anteilsrechte beziehen." Dann stellt der VwGH noch fest: ... ."Weiters vertrat die Behörde die Auffassung, der Rückzahlungsantrag sei gemäß § 240 Abs. 3 BAO nicht berechtigt, weil die zu Recht einbehaltene Kapitalsteuer im Zuge der durchgeführten Pflichtveranlagung auf die Einkommensteuer angerechnet worden sei. Damit hat sie die Rechtslage verkannt, weshalb sich der angefochtene Bescheid sowohl hinsichtlich der Einkommensteuer 2008 als auch hinsichtlich des Antrages auf Rückzahlung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer als rechtswidrig erweist."

WiEReG Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz:

Ab müssen Kapitalgesellschaften die wirtschaftlichen Eigentümer von Kapitalgesellschaften melden. Agrargemeinschaften Einzelunternehmen und Wohnungseigentümergemeinschaften sind nicht meldepflichtig, weil bei diesen die wirtschaftlichen Eigentümer dem Finanzamt und der BMF -(Registrierbehörde) ohnehin bekannt sind.

Ein weiterer Beweis dafür, dass dem FA die Eigentumsverhältnisse sehr wohl bekannt waren und auch sind!"

Abschließend wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.

Mit Bericht vom legte die belangte Behörde die oa Beschwerde dem BFG zur Entscheidung vor und beantragte nachdem im Vorlageantrag keine neuen Argumente vorgebracht wurden, die Abweisung der Beschwerde.

Im Zuge des Verfahrens vor dem BFG wurde die Ladung zur mündlichen Verhandlung vom Bf. nachweislich am übernommen. Da der Bf. der mündlichen Verhandlung am BFG am ferngeblieben ist, wurde in Abwesenheit des Bf. verhandelt.

Wie in der Niederschrift vom festgehalten wurde, verwies der Vertreter des FA auf die bisher in den Schriftsätzen getätigten Ausführungen und die bisher ergangenen Erkenntnisse (unter anderem RV/7105752/2018, RV/7104734/2018, RV/7104736/2018).

Abschließend beantragt der Behördenvertreter die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt und Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ist wie im Verfahrensgang beschrieben aktenkundig, wurde von keiner Partei bestritten und kann daher als erwiesen angenommen werden.

Die Steuerpflichtige war im Streitjahr 2008 Mitglied der Agrargemeinschaft A. (= AG). Die AG hat im Jahr 2008 Grundstücke an das Land Niederösterreich verkauft. Ein Großteil der Erlöse aus der Grundablöse wurde an die Mitglieder der AG im Jahr 2008 ausgeschüttet, wovon jeweils 25% KESt einbehalten und an das FA abgeführt wurden.

Im Jahr 2010 wurde im Rahmen einer Außenprüfung bei der AG festgestellt, dass die Ausschüttungen keine nach § 27 EStG endbesteuerten Kapitaleinkünfte mit besonderem Steuersatz sind, sondern als Einkünfte aus Kapitalvermögen in der Veranlagung bei den AG-Mitgliedern (darunter auch den Bf.) zu erfassen sind. Beim Bf. wurde dies aber im Gegensatz zu den anderen Mitgliedern nicht umgesetzt. Der letzte Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 wurde am erlassen.

Am stellte der Bf. einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 2008, da nach Auffassung des Bf. die Einkünfte aus Anteilen an einer AG rechtswidrig besteuert worden seien - was sich aus dem mittlerweile am ergangenen VwGH-Erkenntnis, 2013/15/0297, ergebe - und gleichzeitig auch einen Antrag auf Rückzahlung gem § 240 Abs 3 BAO der im Jahr 2008 und 2015 angeblich rechtswidrig einbehaltenen Kapitalertragsteuer bzw. Einkommensteuer.

Mit Bescheid vom wurden die oa Anträge zurückgewiesen.

Daraufhin erfolgte am eine Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes sowohl hinsichtlich des Wiederaufnahms- als auch bzgl. der Rückzahlungsanträge, die wiederum mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen wurden. Am stellte der Bf. den Antrag, die Beschwerde dem BFG zur Entscheidung vorzulegen.

Den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites bildet somit die Frage, ob hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides 2008 datiert vom aufgrund des Antrages des Bf. vom eine Wiederaufnahme des Verfahrens gem § 303 Abs 1 BAO zu verfügen ist. Dies insbesondere im Hinblick auf den Eintritt der Verjährung sowie des Umstandes, dass eine geänderte Rechtsauffassung keinen Wiederaufnahmegrund darstellt.

Der Bf. vertritt Auffassung, dass das Verfahren wiederaufzunehmen sei, da die Einkünfte aus Anteilen an einer Agrargemeinschaft rechtswidrig besteuert worden seien.

Darüberhinaus wurde vom Bf. eine Rückerstattung der Kapitalertragsteuern 2008 und 2015 gemäß § 240 Abs. 3 BAO beantragt, da diese seiner Auffassung nach rechtswidrig eingehoben und abgeführt worden seien.

  • 2. Rechtslage:

Das Bundesgesetz über allgemeine Bestimmungen und das Verfahren für die von den Abgabenbehörden des Bundes, der Länder und Gemeinden verwalteten Abgaben (Bundesabgabenordnung - BAO), idF BGBl I 2019/103 (§ 4), BGBl I 2014/13 (§ 207), BGBl I 2012/112 (§ 208), BGBl I 2015/163 (§ 209), BGBl I 2019/104 (§ 240), BGBl I 2013/14 (§ 303), BGBl I 2018/62 (§ 304), lautet auszugsweise:

Es wird darauf hingewiesen, dass es sich bei den folgenden im Beschwerdefall anzuwendenden Normen der BAO um verfahrensrechtliche Bestimmungen handelt. Bei Änderungen prozessualer Rechtsvorschriften ist das neue Recht ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens anzuwenden und zwar auch auf solche Rechtsvorgänge - wie im Beschwerdefall -, die sich vor dem Inkrafttreten des neuen Verfahrensrechts ereignet haben (vgl etwa , mwN).

Entstehung des Abgabenanspruches:

§ 4 BAO lautet:

(1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.

(2) Der Abgabenanspruch entsteht insbesondere

a) bei der Einkommensteuer und bei der Körperschaftsteuer

1. für die Vorauszahlungen mit Beginn des Kalendervierteljahres, für das die Vorauszahlungen zu entrichten sind, oder, wenn die Abgabepflicht erst im Lauf des Kalendervierteljahres begründet wird, mit der Begründung der Abgabepflicht;

2. für die zu veranlagende Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, soweit nicht der Abgabenanspruch nach Z 1 schon früher entstanden ist, oder wenn die Abgabepflicht im Lauf eines Veranlagungszeitraumes erlischt, mit dem Zeitpunkt des Erlöschens der Abgabepflicht;

3. für Steuerabzugsbeträge im Zeitpunkt des Zufließens der steuerabzugspflichtigen Einkünfte;

[…]

Verjährung

§ 207 BAO lautet:

(1) Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

(2) Die Verjährungsfrist beträgt (…) bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe.

[…]

(4) Das Recht, den Ersatz zu Unrecht geleisteter oder die Rückzahlung zu Unrecht bezogener Beihilfen zu fordern, sowie das Recht auf Rückforderung zu Unrecht zuerkannter Erstattungen, Vergütungen oder Abgeltungen von Abgaben verjährt in fünf Jahren. Abs. 2 zweiter Satz gilt sinngemäß.

[…]

§ 208 BAO

(1) Die Verjährung beginnt

a) in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht im Abs. 2 ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird;

[…]

§ 209 BAO

(1) Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.

[…]

§ 240 BAO

(1) Bei Abgaben, die für Rechnung eines Abgabepflichtigen ohne dessen Mitwirkung einzubehalten und abzuführen sind, ist der Abfuhrpflichtige berechtigt, während eines Kalenderjahres zu Unrecht einbehaltene Beträge bis zum Ablauf dieses Kalenderjahres auszugleichen oder auf Verlangen des Abgabepflichtigen zurückzuzahlen.

[…]

(3) Auf Antrag des Abgabepflichtigen (Abs. 1) hat die Rückzahlung des zu Unrecht einbehaltenen Betrages insoweit zu erfolgen, als nicht

a) eine Rückzahlung oder ein Ausgleich gemäß Abs. 1 erfolgt ist,

b) ein Ausgleich im Wege der Veranlagung erfolgt ist,

c) ein Ausgleich im Wege der Veranlagung zu erfolgen hat oder im Fall eines Antrages auf Veranlagung zu erfolgen hätte.

Der Antrag kann bis zum Ablauf des fünften Kalenderjahres, das auf das Jahr der Einbehaltung folgt, gestellt werden.[…]

Wiederaufnahme des Verfahrens.

§ 303 BAO

(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

[…]

§ 304 BAO

Nach Eintritt der Verjährung ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur zulässig, wenn sie

a) vor Eintritt der Verjährungsfrist beantragt wird, oder

b) innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides beantragt oder durchgeführt wird."

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I (Abweisung)

3.1.1. Wesen und Grundlagen von Agrargemeinschaften:

Historisch betrachtet gehen die Agrargemeinschaften auf die bereits in ältester Zeit existierende "Allmende", somit auf gemeinschaftliche Wälder, Weiden und Alpen zurück. Die in weiterer Folge entstandenen vielfältigen Erscheinungsformen der agrarischen Gemeinschaften sind das Ergebnis einer jahrhundertelangen Auseinandersetzung zwischen den alteingesessenen Bauern und der übrigen, später zugezogenen Bevölkerung um die Nutzungsrechte an der Allmende. In diesem Zusammenhang ist auch die historische Entwicklung des Gemeinderechts und die Anlegung neuer Grundbücher in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts bedeutend. Dabei wurden teilweise alte Gemeinschaften in Einzeleigentum aufgeteilt, teilweise wurden die Gemeinschaften im Eigentumsblatt des Grundbuchs eingetragen (z.B. als Nachbarschaft, Interessentenschaft oder Genossenschaft bezeichnet). In Regulierungsverfahren sind dann diese gemeinschaftlichen Nutzungs- und Verwaltungsrechte an Weide und Wald von der politischen Ortsgemeinde mit ihren kommunalen Aufgaben abgetrennt worden (ReichsrahmenG aus 1883).

Nach der heutigen Rechtslage bilden die Agrargemeinschaften eine Personen- und Sachgemeinschaft, die auf Grundlage des Art 12 Abs. 1 Z. 3 B-VG im Flurverfassungs Grundsatzgesetz 1951 und den dazu ergangenen Ausführungsgesetzen der Länder (hier das NÖ-Flurverfassungs-Landesgesetz 1975) geregelt sind (insb. die Organe der Agrargemeinschaft, Mitgliedschaftsrechte und -pflichten, Aufsicht der Agrarbehörde, Regulierungs- und Teilungsverfahren).

Die Agrargemeinschaft besteht aus der Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer der Stammsitzliegenschaften, an deren Eigentum ein Anteilsrecht an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden ist sowie jener Personen, denen persönliche (walzende) Anteilsrechte zustehen. Die im agrargemeinschaftlichen Eigentum stehenden Grundstücke werden von der AG verwaltet und im Interesse ihrer Mitglieder genutzt: Bestimmungsgemäß für land- und forstwirtschaftliche Zwecke, bei besserer und höherwertigerer Eignung mit Zustimmung der Agrarbehörde aber auch für andere Nutzungen (z.B. Golfplatz, Campingplatz, Schipisten, Gaststätten, Schotterabbau usw.).

Unter dem Begriff "Stammsitzliegenschaft" ist jene wirtschaftliche Einheit zu verstehen, an welcher bestimmte Anteilsrechte an agrargemeinschaftlichen Liegenschaften gebunden sind. Gegenstand des gebundenen Anteilsrechtes sind ein oder mehrere Grundstücke, die nicht zwingend zu nur einer einzigen bücherlichen Einlagezahl zusammengefasst sein müssen. Der Begriff der Stammsitzliegenschaft iSd Flurverfassungsrechts ist demnach nicht mit jenem des Grundbuchskörpers deckungsgleich. Eine Stammsitzliegenschaft kann somit auch aus mehreren Grundbuchskörpern bestehen, die in ihrer Gesamtheit die Stammsitzliegenschaft bilden (vgl. Zl. 93/07/0179).

Die Mitgliedschaft an der A. AG wird durch das Eigentum an einer, der in der Satzung angeführten Stammsitzliegenschaften begründet. Das Beteiligungsausmaß ergibt sich aus der Anzahl der Anteilsrechte, welche ebenfalls in der Satzung den jeweiligen Stammsitzliegenschaften zugeordnet sind.

Neben den Mitwirkungs- und Kontrollrechten im Verhältnis der Anteilsrechte haben die Mitglieder das Recht auf Nutzung des gemeinschaftlichen Besitzes einschließlich des Anspruches an den anteiligen Einkünften der AG und am Auseinandersetzungsvermögen. Die Mitgliedschaft umfasst auch die Verpflichtung für laufende Ausgaben der AG nach Maßgabe der Anteilsrechte aufzukommen (anteilige Nachschussverpflichtung bei Organbeschluss).

3.1.2. Rechtsform der Agrargemeinschaft:

Gemäß § 46 NÖ Flurverfassungs-Landesgesetz (NÖ FLG) 1975 idF ab der 4. Novelle bilden die Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer jener Liegenschaften, an deren Eigentum Anteilsrecht an agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden sind (Stammsitzliegenschaften), als auch jener Personen, denen persönliche (walzende) Anteilsrechte zustehen, eine Agrargemeinschaft. Diese ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts, sobald die Behörde für sie Verwaltungssatzungen erlassen hat.

Agrargemeinschaften sind nach den jeweiligen Landesausführungsgesetzen idR als Körperschaften öffentlichen Rechts oder als Körperschaften privaten Rechts eingerichtet.

Das Körperschaftssteuerrecht knüpft an die jeweilige Rechtsform der AG an. Im Ergebnis sind aber im Wesentlichen sowohl öffentlich-rechtlich als auch privatrechtlich statuierte AG mit ihrer land- und forstwirtschaftlichen Kerntätigkeit persönlich steuerbefreit und mit Einkünften aus Gewerbebetrieben und der Überlassung von Gewerbebetrieben und Grundstücken zu nicht landwirtschaftlichen Zwecken körperschaftssteuerpflichtig (siehe zu AG-KÖR: § 1 Abs. 2 Z 2 iVm § 2 KStG; und zu AG-KpR: § 1 Abs. 3 Z. 3 iVm. § 5 Z 5 KStG).

Ob eine Ausschüttung der AG auf landwirtschaftliche oder nichtlandwirtschaftliche Einkünfte der Körperschaft zurückzuführen ist, ob diese Einkünfte bei der Körperschaft körperschaftssteuerpflichtig oder -befreit sind, ist für die Beurteilung der Einkommensteuerpflicht dieser Zuwendungen auf Mitgliederebene nicht von Bedeutung. Für die Besteuerung von Bezügen aus dem Anteilsrecht der Mitglieder gegenüber der AG - in Geldes- oder Sachwert - gelten die allgemeinen, für das jeweilige Mitglied anzuwendenden Vorschriften des EStG.

Die AG A. besteht aus mehr als fünf Mitglieder und es wurden erstmals 1928 Verwaltungssatzungen für die Rechtsgemeinschaft von der zuständigen Agrarbehörde erlassen. Diese Satzungen wurden mit Bescheid vom erneuert und gelten seither in dieser Fassung.

Die AG ist somit kraft gesetzlicher Anordnung eine Körperschaft öffentlichen Rechts.

Die Mitgliedschaft an der AG wird durch das Eigentum an einer der in der Satzung angeführten Stammsitzliegenschaften begründet. Das Beteiligungsausmaß ergibt sich aus der Anzahl der Anteilsrechte, welche ebenfalls in der Satzung den jeweiligen Stammsitzliegenschaften zugeordnet sind.

Neben den Mitwirkungs- und Kontrollrechten im Verhältnis der Anteilsrechte haben die Mitglieder das Recht auf Nutzung des gemeinschaftlichen Besitzes einschließlich des Anspruches an den anteiligen Einkünften der AG und am Auseinandersetzungsvermögen. Die Mitgliedschaft umfasst auch die Verpflichtung für laufende Ausgaben der AG nach Maßgabe der Anteilsrechte aufzukommen.

In seinen körperschaftsrechtlichen Elementen weist die Agrargemeinschaft Ähnlichkeiten mit einem wirtschaftlichen Verein und auch Übereinstimmungen mit den Kapitalgesellschaften auf. Die Mitglieder geben der AG durch die Satzungen eine körperschaftliche Organisation (ähnlich wie durch Gesellschaftsvertrag). Aufgrund des öffentlichen Interesses an einer nachhaltigen und ertragreichen inländischen Land- und Forstwirtschaft wirkt die Agrarbehörde im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufsichtsfunktion mit.

Wirtschaftlicher Zweck ist die erfolgreiche Bewirtschaftung agrargemeinschaftlicher Grundstücke zur Förderung des Erwerbs seiner Mitglieder. Dementsprechend kommt es zu (planmäßigen) Vermögenstransfers von der AG zu den Mitgliedern, wie er für Körperschaften öffentlichen Rechts (KÖR) untypisch ist. Die Zahl der Mitglieder ist durch die Bindung der Anteilsrechte an eine Stammsitzliegenschaft nahezu fixiert.

Zwischen der AG als KÖR und ihren Mitgliedern besteht das gesellschaftsrechtliche und steuerrechtliche Trennungsprinzip. Die AG bildet ein eigenes Steuersubjekt und es haben zwei voneinander getrennte Ertragsbesteuerungen - auf Ebene der AG wie auf Ebene der Mitglieder - zu erfolgen. Einkünfte und Vermögen der AG gelangen durch Ausschüttung oder Einlagenrückzahlung in die Sphäre der Mitglieder und sind bei diesen der persönlichen Einkommensbesteuerung zu unterziehen.

3.1.3.Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2008 :

§ 303 Abs. 1 und 2 BAO lautet:

"(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

(2) Der Wiederaufnahmsantrag hat zu enthalten:

a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird;

b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird"

Gem. § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

Die Verjährungsfrist beträgt nach § 207 Abs. 2 BAO bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre.

Die Zielsetzungen der Verjährung - Förderung der Rechtssicherheit, Vorbeugung großer Beweisschwierigkeiten und Fehler in der Sachverhaltsermittlung, Vermeidung von Nachlässigkeit in der Rechtsausübung, Rechtsfriede, etc (vgl ) - treffen unabhängig dazu zu, ob eine Abgabenfestsetzung im Interesse des Abgabengläubigers oder des Abgabepflichtigen erfolgt. Umstände, die lange Zeit bestehen, haben ein gewisses Indiz der Richtigkeit für sich (; vgl auch Ritz/Koran, BAO7, § 207, Rz 5 mwN). Der Anspruchsverlust soll erst dann erfolgen, wenn der Abgabengläubiger nichts unternommen hat, um den Anspruch geltend zu machen, obwohl dieser hiezu in der Lage gewesen wäre.

§ 208 Abs 1 lit a BAO normiert, dass die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs 2 leg cit mit dem Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Abgabenanspruch (die Abgabenschuld) entstanden ist. Sofern die Entstehung des Abgabenanspruches für den Beginn der Verjährungsfrist maßgeblich ist, ergibt sich dies aus § 4 BAO.

Nach § 4 Abs 2 lit a Z 2 leg cit entsteht der Abgabenanspruch bei der Einkommensteuer und bei der Körperschaftsteuer für die zu veranlagende Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, soweit nicht der Abgabenanspruch nach Z 1 schon früher entstanden ist, oder wenn die Abgabepflicht im Lauf eines Veranlagungszeitraumes erlischt, mit dem Zeitpunkt des Erlöschens der Abgabepflicht.

Werden nach § 209 Abs. 1 BAO innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.

§ 304 BAO lautet:

"Nach Eintritt der Verjährung ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur zulässig, wenn sie

a) vor Eintritt der Verjährungsfrist beantragt wird, oder

b) innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides beantragt oder durchgeführt wird."

Auf den gegenständlichen Fall bezogen bedeutet dies:

Im vorliegenden Fall entstand der Abgabenspruch für die Einkommensteuer 2008 mit Ablauf des Jahres 2008, für das die Veranlagung vorgenommen wurde. Die 5-jährige Verjährungsfrist begann mit Ablauf des Jahres 2008 zu laufen. Da die Kapitalertragsteuer nur eine Erhebungsform der Einkommensteuer darstellt, verlängert jede Amtshandlung zur Geltendmachung der Einkommensteuer auch die Verjährungsfrist für deren Erhebung um ein (weiteres) Jahr.

Die Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2008 am stellte eine nach außen erkennbare Amtshandlung zur Geltendmachung des Abgabenanspruches iSd § 209 Abs 1 BAO dar, die innerhalb der Verjährungsfrist gesetzt wurde und diese somit um ein weiteres Jahr bis zum Ablauf des Jahres 2014 verlängerte (vgl ). Selbst ein gesetzwidriger Verwaltungsakt - wie ihn in casu der Bf. behauptet - bewirkt eine Verjährungsverlängerung, wenn er nach außen in Erscheinung getreten ist (vgl schon ), sogar auch dann, wenn er nachträglich beseitigt wird ( mwN). Nach VwGH-Judikatur verlangt § 209 Abs 1 BAO auch nicht, dass der geforderten (fristverlängernden) Amtshandlung eine zutreffende Rechtsansicht zugrunde liegen müsse ( mwN). Im Jahr 2014 setzte das Finanzamt keine weiteren Verlängerungshandlungen.

Der Antrag des Bf. auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom ist daher gem. § 304 lit a BAO verspätet, da er nach Eintritt der 5-jährigen Verjährungsfrist gestellt worden ist.

Der Antrag des Bf. ist aber auch gem. § 304 lit b BAO verspätet, da ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 304 lit b BAO nur zulässig ist, wenn er innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides beantragt oder durchgeführt wird.

Im gegenständlichen Fall wurde der Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2008 am erlassen und gilt gem. § 26 Abs. 2 ZuStellG als am 3. Werktag nach Übergabe an die Post d.h.am Donnerstag, den , als zugestellt.

Die Rechtskraft (=Ablauf der Beschwerdefrist; vgl. Ritz, BAO 7, § 304, Rz 5) des Bescheides ist am Montag, den eingetreten. Die Frist zur Stellung eines Antrages auf Wiederaufnahme gem. § 304 lit b BAO ist somit am abgelaufen.

Das Finanzamt hat daher zu Recht den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2008 vom wegen Verspätung zurückgewiesen und die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Aber auch bei Rechtzeitigkeit des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens wäre diesem Antrag kein Erfolg beschieden gewesen, da keiner der in § 303 Abs. 1 BAO genannten Voraussetzungen (Wiederaufnahmetatbestände) für eine Wiederaufnahme vorliegen.

Das Vorliegen des "Erschleichungstatbestandes" nach § 303 Abs 1 lit a BAO hätte zur Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige (und nicht - wie von der Bf insinuiert - die belangte Behörde) objektiv vorsätzlich unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung gemacht hätte, die in weiterer Folge dem Erstbescheid zu Grunde gelegt wurden. Dieser Tatbestand des "Erschleichens" kommt daher für das Handeln der Behörde selbst von vornherein nicht in Betracht (vgl jüngst mwN). So seitens der Partei jedoch eine vertretbare Rechtsansicht gegeben ist, wäre die Annahme einer Erschleichungsabsicht ausgeschlossen (vgl ).

Beim "sonstwie Erschleichen" kommt ein Bescheid auf eine solche Art zustande, dass der Steuerpflichtige (und nicht - wie von der Bf insinuiert - die belangte Behörde) objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung gemacht hat und diese Angaben dann dem Bescheid zugrunde gelegt werden (; , 88/08/0207). Diese objektiv unrichtigen Angaben müssen in Irreführungsabsicht ( mwN), somit vorsätzlich, gemacht worden sein. Auch ein "sonstwie Erschleichen" kann nur von einer Partei oder ihrem Vertreter vorgenommen werden, nicht jedoch von einer Behörde oder deren Vertreter (vgl jüngst mwN).

Die Wiederaufnahme aufgrund neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel (Neuerungstatbestand gem § 303 Abs 1 lit b BAO) bietet die Möglichkeit, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen. Die vom Bf. behaupteten Rechtsirrtümer bzw Fehlbeurteilungen oder auch die Negierung des VwGH-Judikats vom , 2013/15/0297 durch die belangte Behörde sind keine neuen Tatsachen.

Eine Wiederaufnahme kann nach der st Rsp des VwGH demnach nicht auf neue Erkenntnisse in Bezug auf rechtliche Beurteilungen von Sachverhaltselementen gestützt werden, gleichgültig, ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rsp oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden (vgl nur mwN) oder aufgrund eines nachträglichen Bekanntwerdens von Entscheidungen des VwGH, aus denen sich ergibt, dass die von der Behörde im abgeschlossenen Verfahren vertretene Rechtsauffassung gesetzwidrig war (-0289; , 2008/13/0175).

Entscheidungen von Gerichten sind nach der st Rsp des VwGH ebenso wenig Beweismittel ().

Somit kann der Bf. das Ergehen des VwGH-Erkenntnisses vom , 2013/15/0297 zum Vorliegen/Nichtvorliegen von Einkünften aus Kapitalvermögen bei Einkünften aus Anteilen einer AG auch nicht auf den Wiederaufnahmsgrund des § 303 Abs 1 lit b BAO stützen.

Genauso wenig kann im konkreten Fall eine Wiederaufnahme des Verfahrens unter den Vorfragentatbestand gem § 303 Abs 1 lit c BAO subsumiert werden. Dies insbesondere, als eine abweichende Vorfragenentscheidung nur dann einen Wiederaufnahmsgrund darstellt, wenn die Abgabenbehörde an die Entscheidung der Hauptfragenbehörde gebunden (vgl ; , 2004/15/0153, 2005/15/0005) und die Entscheidung der Hauptfragenbehörde gegenüber der Partei des wiederaufzunehmenden Verfahrens bindend rechtskräftig geworden ist (vgl ).

Nicht zuletzt wegen mangelnder Parteienidentität sind EuGH- und VwGH-Entscheidungen keine Wiederaufnahmsgründe für Verfahren anderer (als jener des "Anlassverfahrens") Parteien (vgl Ritz/Koran, BAO, 2021, § 303, Rz 40).

Das Hervorkommen einer Entscheidung eines (innerstaatlichen) Höchstgerichtes wie dem VwGH - wie der Bf behauptet - vermittelt dementsprechend keine Berechtigung zur Wiederaufnahme all jener (rechtskräftig abgeschlossenen) Verfahren, wie dem beschwerdegegenständlichen Einkommensteuerbescheid 2008 vom , in denen die gleiche Rechtsfrage abweichend beantwortet worden war. Eine Vorfrage kann nicht durch ein Erkenntnis des VwGH entschieden werden, das in einem anderen, wenn auch rechtlich gleich zu beurteilenden Fall ergangen ist (vgl ). Unabhängig von der fehlenden Parteienidentität kommt als Vorfrage nämlich nur eine Frage in Betracht, zu deren verbindlicher Beantwortung die entscheidende (Abgaben-)Behörde im konkreten Verfahren sachlich nicht zuständig ist.

Der Sinn dieser Beschränkungen der Wiederaufnahmemöglichkeiten besteht insbesondere darin, dass Fehlbeurteilungen und unzutreffende rechtliche Würdigungen - gleich von welcher Seite der beteiligten Parteien - den Eintritt der Rechtskraft nicht behindern können. Das gilt für amtswegige Wiederaufnahmen wie auch für vom Steuerpflichtigen beantragte Wiederaufnahmen.

Ungeachtet des bereits mit Ende 2014 erfolgten Eintrittes der Verjährung ist darauf zu verweisen, dass neue rechtliche Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, gleichgültig, ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis, der (höchstgerichtlichen) Rsp oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung/Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden, keine Wiederaufnahmsgründe darstellen (vgl ; , 2008/15/0215). Ebenso wenig stellen im Nachhinein ergangene Entscheidungen des VwGH Wiederaufnahmsgründe dar, so sich die Unrichtigkeit dieser Rechtsauffassung insb aus nachträglicher Jud des VwGH ergibt (vgl mwN). Deshalb vermittelt der Bf. nach der st Rsp des VwGH das Hervorkommen der erwähnten VwGH-Entscheidung vom , 2013/15/0297 in einem analogen Fall für das gegenständliche Beschwerdeverfahren keine Berechtigung zur Wiederaufnahme des (rechtskräftig abgeschlossenen) Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2008 (vgl. ).

Dies ist aus Gleichheitsüberlegungen auch verfassungsrechtlich geboten. Da Judikaturänderungen bzw. neue Rechstsprechung nach allgemeinem Verfahrensrecht keine Wiederaufnahme zulassen, kann auch eine VwGH-Entscheidung, die die bisherige Verwaltungspraxis oder die eigene frühere Judikatur abweichend beantwortet, keine Verfahrenswiederaufnahme ermöglichen (; , G 5, 6/09 ua).

Für den Beschwerdefall bedeutet dies:

Da der Abgabenanspruch im Jahr 2008 entstanden ist und die 5-jährige Verjährungsfrist gem. der oa Bestimmung des § 208 Abs. 1 lit a BAO mit Ablauf des Jahres 2008 zu laufen begann, wurde durch die Erlassung des Einkommensteuerbescheides eine Unterbrechungshandlung gesetzt, sodass sich die Frist bis ins Jahr 2014 verlängert hat. Da im Jahr 2014 keine nach außen hin erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches gesetzt wurden, ist somit mit Ende 2014 Verjährung eingetreten. Neue rechtliche Erkenntnisse aufgrund des VwGH-Erkenntnisses vom , 2013/15/0297, können somit (im Wiederaufnahmeweg) nicht (mehr) zu Bescheidänderungen führen und somit - gleich in welcher Richtung - bescheidmäßig berücksichtigt werden.

Laut dem Beschwerdevorbringen sei der Zeitpunkt der Festsetzung und der Fälligkeit einer Abgabe ohne Einfluss auf die Entstehung des Abgabenanspruches. Im Fall des Bf. sei nachweislich (laut VwGH) kein Abgabenanspruch entstanden. Es habe daher auch niemals einen Zeitpunkt gegeben, an dem die "Verjährungszeit" beginnen hätte können. Mit diesem Vorbringen negiert der Bf., dass Bescheide, die keine Nichtbescheide sind (wie bspw Bescheide, die nicht an das intendierte Steuerrechtssubjekt gerichtet, fehlerhaft adressiert oder mangelhaft zugestellt wurden), so lange Rechtswirkungen entfalten, bis sie - etwa im Zuge eines (rechtskräftig erledigten) Beschwerde- oder Wiederaufnahmeverfahrens - nicht aus dem Rechtsbestand entfernt werden.

Bezüglich des Erschleichungstatbestandes bringt der Bf vor, dass sowohl die KESt als auch die ESt 2008 durch Zwang und falsche Auskunft des Finanzamtes herbeigeführt worden sei. Dem Obmann sei sowohl mündlich als auch schriftlich gedroht worden, dass er persönlich für die Abfuhr der "jetzt nachweislich rechtswidrig eingehobenen Steuer" hafte. Die belangte Behörde habe sich damit die widerrechtlich vorgeschriebene KESt sowie die ESt "offensichtlich erschlichen".

Dem ist zu entgegnen, dass diese Argumentation über die Behauptungsebene nicht hinausgeht und mit keinerlei Beweisen untermauert ist (zB rechtskräftige strafrechtliche Verurteilungen der handelnden öffentlich Bediensteten etc, zB nach §§ 302, 293, 304, 289, 223, 105, 107 StGB). Die Vertreter der Abgabenbehörde hätten eine der erwähnten gerichtlich strafbaren Taten darauf richten müssen, die Hinausgabe eines bestimmten Bescheides herbeizuführen (vgl ). Auch diesbzgl gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Condicio sine qua non für den Erschleichungstatbestand ist ferner, dass nicht nur die objektive, sondern auch die subjektive Tatseite der gerichtlich strafbaren Tat erfüllt sein muss (). Ein bloßer Verdacht ist kein Wiederaufnahmsgrund (; ).

Weiters lässt das Vorbringen des Bf nicht erkennen, dass er gehindert gewesen wäre, eine vom Rechtsstandpunkt der belangten Behörde abweichende Steuererklärung einzureichen und in einer Beilage zu dieser die ihm vom Finanzamt kundgetane und von ihm nicht geteilte abgabenrechtliche Sicht offenzulegen. Unter diesen Umständen kann von seitens des Finanzamtes für den Fiskus erschlichenen Abgaben keine Rede sein. Zudem kann der Tatbestand des Erschleichens nur vom Steuerpflichtigen oder einem Dritten, nicht aber von einem Behördenorgan verwirklicht werden (, 0117).

3.1.4. Antrag auf Rückzahlung KESt 2008 und 2015 gem § 240 Abs 3 BAO

Gemäß § 240 Abs. 1 BAO ist bei Abgaben, die für Rechnung eines Abgabepflichtigen ohne dessen Mitwirkung einzubehalten und abzuführen sind, der Abfuhrpflichtige berechtigt, während eines Kalenderjahres zu Unrecht einbehaltene Beträge bis zum Ablauf dieses Kalenderjahres auszugleichen oder auf Verlangen des Abgabepflichtigen zurückzuzahlen.

Gemäß § 240 Abs. 3 BAO hat auf Antrag des Abgabepflichtigen (Abs. 1) die Rückzahlung des zu Unrecht einbehaltenen Betrages insoweit zu erfolgen, als nicht

a) eine Rückzahlung oder ein Ausgleich gemäß Abs. 1 erfolgt ist,

b) ein Ausgleich im Wege der Veranlagung erfolgt ist,

c) ein Ausgleich im Wege der Veranlagung zu erfolgen hat oder im Fall eines Antrages auf Veranlagung zu erfolgen hätte.

3.1.4.1. Rückzahlungsantrag betreffend Kapitalertragsteuer (KESt) 2008:

Erster Grund:

Ein Antrag auf Rückzahlung kann gem. § 240 Abs 3 BAO bis zum Ablauf des 5. Kalenderjahres, das auf das Jahr der Einbehaltung folgt, gestellt werden. Nach dem Wortlaut des § 240 Abs 3 lit b und c BAO hat eine Rückzahlung des zu Unrecht einbehaltenen Betrages nur insoweit zu erfolgen, als nicht ein Ausgleich im Wege der Veranlagung erfolgt ist bzw. zu erfolgen hat oder im Fall eines Antrages auf Veranlagung zu erfolgen hätte.

Nach der ständigen Rsp des VwGH ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des § 240 Abs 3 BAO, dass Abgaben, die für Rechnung eines Abgabepflichtigen einzubehalten und abzuführen sind, insoweit nicht auf Grund eines auf § 240 BAO gestützten Antrages zurückgezahlt werden dürfen, als das Einkommensteuergesetz eine Überprüfung und allfällige Korrektur (im Wege des Jahresausgleiches oder) im Verfahren der Veranlagung vorsieht.

Beim Erstattungsverfahren nach § 240 Abs. 3 BAO handelt es sich lediglich um einen subsidiären Rechtschutz, wo dem Veranlagungsverfahren gegenüber einem Antrag des Bf. auf Rückerstattung gemäß § 240 Abs. 3 BAO der Vorrang zukommt (vgl. Zl. 2002/13/0241).

Da betreffend das Jahr 2008 eine Einkommensteuerveranlagung durchgeführt wurde (vgl. den o.a. Einkommensteuerbescheid 2008 vom ) schließt dies eine auf § 240 Abs. 3 lit. b und c BAO gestützte Rückzahlung von Kapitalertragsteuerbeträgen aus.

Mit anderen Worten: Aufgrund der betreffend das Jahr 2008 am durchgeführten Einkommensteuerveranlagung ist aus verfahrensrechtlichen Gründen für einen auf § 240 Abs. 3 BAO gestützten Antrag auf Rückerstattung der Kapitalertragsteuer 2008 kein Raum.

Der betreffend das Jahr 2008 eingebrachte Antrag gemäß § 240 BAO auf Erstattung der - nach Auffassung des Bf. zu Unrecht einbehaltenen - Kapitalertragsteuer ist somit nicht zulässig, und wurde als unzulässig zurückgewiesen. Die gegen den Zurückweisungsbescheid eingebrachte Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Zweiter Grund:

Ein auf § 240 Abs. 3 BAO gestützter Antrag auf Rückzahlung der Kapitalertragsteuer 2008 kann nur bis zum Ablauf des fünften Kalenderjahres, das auf das Jahr der Einbehaltung folgt, gestellt werden.

Diese Fünfjahresfrist ist eine gesetzliche und nicht erstreckbare Ausschlussfrist (vgl. Ritz, BAO, § 240, Rz. 7).

So erst mit ein Antrag auf Rückerstattung der Kapitalertragsteuer 2008 gestellt wurde, wäre dieser Rückerstattungsantrag (bei Außerachtlassen des obigen Grundes) wegen verspäteter Einbringung zurückzuweisen.

  • 3.1.4.2.Rückzahlungsantragbetreffend Kapitalertragsteuer (KESt) 2015:

Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 wurde am erlassen.

Da betreffend das Jahr 2015 eine Einkommensteuerveranlagung durchgeführt wurde (vgl. den o.a. Einkommensteuerbescheid 2015 vom ) schließt dies eine auf § 240 Abs. 3 lit. b und c BAO gestützte Rückzahlung von Kapitalertragsteuerbeträgen aus.

Mit anderen Worten: Aufgrund der betreffend das Jahr 2015 am durchgeführten Einkommensteuerveranlagung ist aus verfahrensrechtlichen Gründen für einen auf § 240 Abs. 3 BAO gestützten Antrag auf Rückerstattung der Kapitalertragsteuer 2015 kein Raum.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

1.1. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die vorliegende Entscheidung folgt in den Fragen des Eintritts der Verjährung den gesetzlichen Bestimmungen und in der Frage der Zulässigkeit eines auf § 240 BAO gestützten Rückzahlungsantrages der im ggst Erkenntnis dargestellten Judikatur. Die Frage, ob Tatsachen neu hervorgekommen sind, ist eine Beweisfrage. Im Übrigen folgt das BFG der VwGH-Judikatur, wonach höchstgerichtliche Erkenntnisse keinen Wiederaufnahmsgrund bilden. Es waren in casu somit keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die vorliegende Entscheidung folgt in den Fragen des Eintritts der Verjährung den gesetzlichen Bestimmungen und in der Frage der Zulässigkeit eines auf § 240 BAO gestützten Rückzahlungsantrages der im ggst Erkenntnis dargestellten Judikatur. Die Frage, ob Tatsachen neu hervorgekommen sind, ist eine Beweisfrage. Im Übrigen folgt das BFG der VwGH-Judikatur, wonach höchstgerichtliche Erkenntnisse keinen Wiederaufnahmsgrund bilden. Es waren in casu somit keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 27 Abs. 2 Z 1 lit. d EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 46 NÖ FLG, NÖ Flurverfassungs-Landesgesetz 1975, LGBl. 6650-0
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7104735.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at