Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.06.2024, RV/7100283/2024

Familienbeihilfe für einen subsidiär Schutzberechtigten nur, wenn auch den Kindern dieser Status zukommt und keine Leistungen aus der Grundversorgung bezogen werden

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für die Kinder:

***1***, geb. ***2***, für den Zeitraum 12/2021-11/2022,

***3***, geb. ***4***, für den Zeitraum 1/20 und 12/2021-7/2023 und

***5***, geb. ***6***, für den Zeitraum 12/2021-10/2022

zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben. Der Rückforderungszeitraum wird eingeschränkt für

  • ***1*** auf 3/2022-5/2022, 12/2021-2/2022 und 6/2022-10/2022 sowie 11/2022 werden nicht rückgefordert,

  • ***3*** 1/20 und 3/2022-5/2022 und 7/2022-10/2022, 6/2022 und 11/2022-7/2023 werden nicht rückgefordert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurden Familienbeihilfe (inkl. Geschwisterstaffel) und Kinderabsetzbeträge für die im Spruch genannten Kinder zurückgefordert. Als Begründung wurde folgendes ausgeführt:

Ihnen wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Sie erhalten nur dann

Familienbeihilfe, wenn Sie arbeiten und keine Leistung aus der Grundversorgung beziehen (§

3 Abs. 4 Familienlastenausgleichsgesetz 1967). Auch für das Kind dürfen keine Leistungen

aus der Grundversorgung bezogen werden.

Von Ihnen wurden im Zeitraum von bis Leistungen aus der

Grundversorgung bezogen."

Die Kinder bezogen lt. Begründung für folgende Zeiträume Leistungen aus der Grundversorgung:

***1***: seit ,

***3***: bis sowie seit ,

***5***: seit .

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom , in der der Bf. vorbrachte, er, seine Frau und die Kinder ***1*** und ***3*** seien nur bis November 2022 und nicht bis Juli 2023 in der Grundversorgung gewesen.

***5*** beziehe die Grundversorgung und habe jetzt eine eigene Wohnadresse.

In der Vorhaltsbeantwortung vom verwies der Bf. auf eine Bestätigung der Caritas vom , wonach die Familie aus 2 Erwachsenen und 2 minderjährigen Kindern bestehe und mit aus der Grundversorgung entlassen worden sei.

Die belangte Behörde ersuchte daraufhin beim Fonds Soziales Wien (FSW) um Auskunft, ob in folgenden Zeiträumen Leistungen aus der Grundversorgung bezogen worden seien:

***7*** geb. ***8*** - von bis

***9*** geb. ***6*** - seit bis laufend

***10*** geb. ***2*** - seit bis laufend

***11*** geb. ***4*** - von - sowie seit - laufend.

Diese Daten wurden vom FSW mit E-Mail vom bestätigt.

Die Beschwerde wurde daraufhin mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen.

Mit dem Vorlageantrag vom legte der Bf. diverse Bezugsbestätigungen der Caritas betr. Grundversorgung aus dem Jahr 2022, letztmalig für Oktober 2022, vor, und verwies erneut darauf, dass seit November 2022 keine Leistungen mehr bezogen worden seien.

Die belangte Behörde ersuchte den FSW um eine detaillierte Aufstellung, welche Familienmitglieder sich in welchem Zeitraum in der Grundversorgung befanden bzw. befinden.

Per E-Mail vom bestätigte der FSW:

" Die gesamte Familie, außer der Vater sind (nachwie vor) aktiv in der GVS Wien"

Per E-Mail vom erteilte der FSW über Anfrage der belangten Behörde folgende Auskunft:

***12***, geb. ***8***

- GVS-Wien

- GVS-Niederösterreich

- EAST Ost Traiskirchen

***9***, geb. ***6***

- laufend GVS-Wien

- EAST Ost Traiskirchen

***10***, geb. ***2***

- GVS-Wien

- EAST Ost Traiskirchen

***13***, geb. ***4***

- GVS-Wien

- GVS-Wien

- GVS-Niederösterreich

- EAST Ost Traiskirchen

Dem Bundesfinanzgericht wurde über Anfrage mitgeteilt, dass das Kind ***3*** von - in der GVS Wien aktiv gewesen sei, Auszahlungen hätten allerdings nur von bis stattgefunden.

Auf die unterschiedlichen Angaben- in den E-Mails vom und vom aufmerksam gemacht, erteilte der FSW per E-mails vom folgende Auskunft:

"Beide Kinder ***3*** und ***1*** wurden mittlerweile aus der GVS Wien entlassen (die Bearbeitung fand leider Zeitversetzt statt - daher auch unterschiedliche Antworten an das BMF zu unterschiedlichen Zeitpunkten - je nach aktuellem Bearbeitungsstand des Falls). Der Zeitversatz in der Bearbeitung ist dem Ukraine Krieg geschuldet (viel mehr Anträge /Fälle zur Bearbeitung).

***3*** war bis in der GVS Wien aktiv (wobei Auszahlungen an ihn nur bis stattgefunden haben)

***1*** war bis zum in der GVS Wien aktiv und hat bis zu diesem Datum Auszahlungen erhalten."

Diese Mitteilung wurde der belangten Behörde per E-Mail vom zur Kenntnis gebracht.

Das Bundesfinanzgericht fragte beim Fonds Soziales Wien folgendes an:

"Können Sie feststellen, welche Art der Grundversorgung (Krankenversicherung, Verpflegung, Wohnen..) und in welcher Höhe die Kinder ***3*** und ***1***, jeweils erhalten haben und zwar:

***3***: 1/20 und 3/22-10/22 und

***1***: 12/21-10/22

Lt. einer Bestätigung der Caritas, die von Herrn ***Bf1*** vorgelegt wurde, hat die ganze Familie im Juni 2022 wegen der Höhe seines Einkommens keine GV erhalten."

Folgende Aufstellung wurde per E-Mail vom übermittelt:

***13***

01/2020 ( - ) Verpflegung Minderjährige 100€ + Krankenversicherung ( - )

03/2022 ( - ) Verpflegung Minderjährige 136,15€ + keine KV

04/2022 ( - ) Verpflegung Minderjährige 145€ + keine KV

05/2022 ( - ) Verpflegung Minderjährige 145€ + keine KV

06/2022 ( - ) NUR Richtsatzerhöhung i.H.v 45€ für Monate 03-05/22 wegen Einkommenshöhe des Vaters in 06/22

07/2022 ( - ) Verpflegung Minderjährige 145€ + keine KV

08/2022 ( - ) Verpflegung Minderjährige 145€ + keine KV

09/2022 ( - ) Verpflegung Minderjährige 100€ + keine KV (abzüglich Einkommen des Vaters)

10/2022 ( - ) Verpflegung Minderjährige 100€ + keine KV (abzüglich Einkommen des Vaters)

***10***

12/2021 ( - ) keine Leistungen

01/2022 ( - ) keine Leistungen

02/2022 ( - ) keine Leistungen

03/2022 ( - ) Verpflegung Minderjährige 136,15€ + KV

04/2022 ( - ) Verpflegung Minderjährige 145€ + KV

05/2022 ( - ) Verpflegung Minderjährige 145€ + KV

06/2022 ( - ) NUR Richtsatzerhöhung i.H.v 45€ für Monate 03-05/22 wegen Einkommenshöhe des Vaters in 06/22 + KV

07/2022 ( - ) Verpflegung Minderjährige 145€ + KV

08/2022 ( - ) Verpflegung Minderjährige 145€ + KV

09/2022 ( - ) Verpflegung Minderjährige 100€ + KV (abzüglich Einkommen des Vaters)

10/2022 ( - ) Verpflegung Minderjährige 145€ + KV

12/2022 ( - ) nur KV

Da sich mittlerweile herausgestellt habe, dass die Familie wegen des Einkommens ( bzw. dessen Höhe) des Vaters zu Unrecht Leistungen aus der Grundversorgung bezogen habe, werden die Leistungen für ***10*** werden von 06/22 - 10/22 zur Gänze rückgefordert.

Die Leistungen für ***13*** geb. ***4*** im Zeitraum 06/22 - 10/22 werden NICHT rückgefordert.

Per E-Mail vom übermittelte der FSW die (an die Kindesmutter ausgestellte) Rechnung, mit der auch die für ***1*** ausgezahlte Grundversorgung rückgefordert wurde.

Mit E-Mail vom wurde ergänzend bestätigt, dass für die Kinder ***3*** und ***5*** keine Rückforderung erfolge.

In Wahrung des Parteiengehörs wurde der gesamte E-Mailverkehr zwischen der erkennenden Richterin und dem zuständigen Sachbearbeiter des FSW (teilweise nochmals) der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Dem Beschwerdeführer (Bf.) kommt der Staus eines subsidiär Schutzberechtigten zu und befand er sich von 15.8.20216 bis in der sog. Grundversorgung. Seit Jänner 2020 ist er unselbständig erwerbstätig.

Auch seiner Ehefrau und den Kindern, ***5***, geb. ***6***, ***1***, geb. ***2*** und ***3***, geb. ***4*** kommt jeweils der Status subsidiär Schutzberechtigter zu.

Die Kinder bezogen in folgenden Zeiträumen Leistungen aus der Grundversorgung:

***5***: -lfd.

***1***: -

***3***: Jänner 2020 und -

Die Art der gewährten Leistungen ist den Entscheidungsgründen zu entnehmen, wobei darauf hinzuweisen ist, dass im Juni 2022 nur eine sog. "Richtsatzerhöhung i.H. von jeweils € 45.- ausbezahlt wurde.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt sowie weitere Ermittlungen durch das Bundesfinanzgericht, wie in den Entscheidungsgründen dargestellt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 3 Abs. 1 FLAG 1967 in der ab geltenden Fassung haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Der hier einschlägige § 3 Abs. 4 FLAG 1967 lautet:

"(4) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde."

Unstrittig ist, dass der Bf. sowie die Kinder im Rückforderungszeitraum über den Status subsidiär Schutzberechtigter verfügten. Der Bf. war unselbständig erwerbstätig und hat ab Februar 2020 keine Leistungen aus der Grundversorgung bezogen.

Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2014/16/0014, stellt dieser klar, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe einerseits verlangt, dass die Person des Anspruchsberechtigten die im Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) gestellten Voraussetzungen - soweit nicht unions­rechtlich verdrängt - erfüllt (z.B. den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet - § 2 Abs. 1 FLAG, die Haushaltszugehörigkeit oder die überwiegende Tragung der Unterhalts­kosten - § 2 Abs .2 FLAG, den Mittelpunkt der Lebens­interessen im Bundesgebiet - § 2 Abs. 8 FLAG, für Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, eine näher festgelegte Aufenthalts­berechtigung - § 3 Abs .1 und Abs. 3 erster Satz und Abs. 4 erster Satz FLAG). Zudem muss aber auch das Kind, für welches ein Anspruch auf Familienbeihilfe geltend gemacht wird, die für dieses im FLAG gestellten Voraussetzungen - soweit nicht unions­rechtlich verdrängt - erfüllen (z.B. bei Volljährigen die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 lit. b bis 1 FLAG, bei Kindern, die nicht österreichische Staatsbürger sind, eine näher festgelegte Aufenthalts­berechtigung - § 3 Abs. 2, Abs .3 zweiter Satz und eben - wie im Revisionsfall - Abs. 4 zweiter Satz FLAG). In diesem Erkenntnis brachte der Verwaltungsgerichtshof auch zum Ausdruck, dass dieser Auffassung der Gedanke zu Grunde liege, einem Familienbeihilfenanspruch stehe die Deckung des typischen Unterhalts durch die öffentliche Hand entgegen.

Gem. § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Gem. § 26 hat Familienbeihilfe derjenige zurückzuzahlen, der sie zu Unrecht, d.h. ohne dass ein entsprechender Anspruch bestünde, bezogen hat. Dabei handelt es sich um eine objektive, verschuldensunabhängige Rückzahlungsverpflichtung (vgl. z.B. , , ).

Gem. § 33 Abs. 3 EStG 1988 ist im Fall zu Unrecht bezogener Kinderabsetzbeträge § 26 FLAG 1967 anzuwenden.

Unstrittig ist, dass sowohl dem Bf. und zugleich Familienbeihilfebezieher als auch den von der Rückforderung betroffenen Kindern ***5***, ***3*** und ***1*** der Status subsidiär Schutzberechtigter zukommt.

Unstrittig ist auch, dass der Bf. selbst nur bis inkl. Jänner 2020 Leistungen aus der Grundversorgung bezogen hat. Anspruch auf Familienbeihilfe hat er ab diesem Zeitpunkt für seine Kinder aber nur dann, wenn auch die Kinder keine Leistung aus der Grundversorgung beziehen.

Während die belangte Behörde noch von diesbezüglichen Leistungen im jeweiligen Rückforderungszeitraum lt. Spruch des bekämpften Bescheides ausging, stellten sich im Zuge des beim Bundesfinanzgericht anhängigen Beschwerdeverfahrens auf Grund von weiteren Ermittlungen für ***3*** und ***1*** davon abweichende Bezugszeiträume heraus.

Dies liegt, wie im Detail noch zu zeigen sein wird, zum einen daran, dass entweder keine Leistungen bezogen wurden oder die ursprünglich gewährten Leistungen zurückgefordert werden und zum anderen daran, dass keine Leistung bezogen wurde, die einer Unterhaltstragung durch die öffentliche Hand i.S. der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entspricht (siehe auch , wonach die Leistung NUR von Krankenversicherungsbeiträgen keine Tragung der typischen Unterhaltskosten darstellt und daher den Beihilfenbezug nicht ausschließt)

Für die Rückforderung ergeben sich daher für folgende Kinder folgende Zeiträume:

***3***:

  • Jänner 2020, wie bisher

  • März 2022-Mai 2022. Im Juni 2022 wurde nur eine Richtsatzerhöhung für 3-5/2022 ausbezahlt, daher erfolgt keine Rückforderung, da keine einer Unterhaltsleistung entsprechende Leistung aus der Grundversorgung erbracht wurde.

  • Juli 2022-Oktober 2022

***1***:

  • März 2022 bis Mai 2022

Ab Juni 2022 bis Oktober 2022 werden sämtliche Leistungen betr. ***1*** vom FSW zurückgefordert Es besteht somit kein Anspruch auf Grundversorgung, wohl aber auf Familienbeihilfe.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit dem vorliegenden Erkenntnis wird hinsichtlich der Frage unter welchen Voraussetzungen einem subsidiär Schutzberechtigten Familienbeihilfe zusteht nicht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, sodass die (ordentliche) Revision auszuschließen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100283.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at