TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.06.2024, RV/7101332/2024

Nichterfüllen der Anspruchsvoraussetzungen für Familienbeihilfe bei Schulbesuch eines erwachsenen Kindes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom über die Rückforderung Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum 09.2021-02.2023, SVNR: ***1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO für den Zeitraum September 2021 bis Februar 2022 Folge gegeben. Diesbezüglich wird der Bescheid aufgehoben.

Darüber hinaus wird die Beschwerde für den Zeitraum März 2022 bis Februar 2023 gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der im Spruch näher bezeichnete beschwerdegegenständliche Rückforderungsbescheid vom wurde mit Hinweis auf § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz (kurz: FLAG) 1967 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (kurz: EStG) 1988 begründet.

Dagegen brachte die Beschwerdeführerin (Bf.) am eine Beschwerde ein, in der sie um Überprüfung der beigelegten Unterlagen ersuchte.

Die abweisende Beschwerdevorentscheidung (kurz: BVE) vom wurde begründet wie folgt:
"Gemäß § 115 BAO trifft die Partei im Abgabenverfahren (was auch die Beihilfen einschließt) eine Mitwirkungspflicht. Diese wird umso größer, je weniger Ermittlungsmöglichkeiten der Behörde offenstehen. Bei Auslandssachverhalten besteht daher eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Da Sie trotz Aufforderung keine der verlangten Unterlagen vorgelegt haben, konnte über Ihre Beschwerde nur anhand der vorhandenen Aktenlage entschieden werden."

Die Bf. stellte am einen Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) und führte darin im Wesentlichen aus wie folgt:
"Laut Finanzbehörde wurde am ein Bescheid per Post an mich zugeschickt. Ich konnte diesen jedoch wegen gesundheitlichen Gründen nicht abholen. Am hat meine Tochter ihr Zeugnis aus dem 1. Semester beim Finanzamt Baden abgeben, nun war es zu spät. Jedoch hat meine Tochter telefonisch den Termin verschoben, aber leider wurde der Termin von Ihrer Seite aus (Finanzamt) nicht vermerkt. Deshalb ersuche ich, dass die Dokumente erneut überprüft werden."

Im Bericht zur Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlagebericht) vom führte das Finanzamt (FA) aus wie folgt:
"Sachverhalt:
Die Bf. bezog für ihre volljährige Tochter Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag. Mit Bescheid vom , zugestellt via FON am , wurden die ausbezahlten Beträge für den Zeitraum September 2021 bis Februar 2023 zurückgefordert mit der Begründung, dass die Bf. nicht nachgewiesen habe, dass ihre Tochter im fraglichen Zeitraum einer Berufsausbildung ernsthaft und zielstrebig nachgegangen sei. Dagegen erhob die Bf. mit Rechtsmittel vom Beschwerde und legte Semesterzeugnisse ihrer Tochter vor. In der Folge wurde die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen, welche durch Hinterlegung mit zugestellt wurde. Daraufhin stellte die Bf. am den Antrag, ihre Beschwerde dem Gericht vorzulegen.
Stellungnahme:
Es wird beantragt, der Beschwerde der Bf. teilweise stattzugeben. Gemäß § 2 Abs 1 lit. b FLAG 1967 besteht für Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie für einen Beruf ausgebildet werden oder in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Der Gesetzgeber hat den Begriff der Schulausbildung nicht näher definiert. Gemäß ständiger Rechtsprechung des VwGH fallen darunter alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen. Der Begriff der Berufsausbildung weist sowohl ein qualitatives Element als auch ein quantitatives Element auf. Daher erfordert eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG einen gewissen zeitlichen Umfang. Grundsätzlich ist bei Ausbildungen zwischen solchen zu unterscheiden, die im Rahmen einer schulischen oder kursmäßigen Ausbildung erfolgen und solchen, wo die Ausbildung im Rahmen eines Selbststudiums erfolgt. Zielt die Ausbildung wie im vorliegenden Fall auf die Ablegung der Matura ab, wird von der Judikatur überwiegend ein Gesamtausmaß der Vorbereitungszeit von 30 Wochenstunden gefordert (vgl. ; ; ; ; ). Bei einer Schulausbildung ist jedenfalls von einem ausreichenden zeitlichen Ausmaß auszugehen, wenn Unterrichtsstunden im Ausmaß von 20 bis 25 Wochenstunden besucht werden zuzüglich der anfallenden Hausaufgaben (Lenneis/Wanke, FLAG2, Rz 39 und 40). Die Tochter der Bf. besuchte im fraglichen Zeitraum die BHS Baden, fraglich ist das zeitliche Ausmaß der Schulausbildung.

Ad Zeitraum September 2021 bis Februar 2022
Für diesen Zeitraum liegt ein Semesterzeugnis der Tochter vor, welches eine Gesamtwochenstundenzahl an besuchten Unterrichtsfächern im Ausmaß von 25 Stunden ausweist. Ein Beihilfenanspruch ist jedenfalls zu bejahen und der Beschwerde insoweit stattzugeben.

Ad Zeitraum März 2022 bis Februar 2023
In diesem Zeitraum konnte die Bf. nicht nachweisen, dass die Ausbildung ihrer Tochter das erforderliche zeitliche Ausmaß erreicht hat, die Beschwerde ist dahingehend abzuweisen. Das Semesterzeugnis für den Zeitraum März 2022 bis Juli 2022 weist lediglich besuchte Unterrichtsfächer im Ausmaß von 11 Wochenstunden aus, wobei in drei Fächern keine Beurteilung vorliegt und ein Unterrichtsfach aufgrund einer Befreiung nicht besucht wurde. Im Wintersemester 2022/2023 wurden ebenfalls Unterrichtsfächer im Ausmaß von 14 Wochenstunde besucht, zwei Fächer wurden nicht beurteilt, bei drei Fächern lag eine Befreiung vor.
Die Tochter der Bf. besuchte im fraglichen Zeitraum die BHS (im aktenkundigen Ort/Stadt), fraglich ist das zeitliche Ausmaß der Schulausbildung.

Bei einer Schulausbildung ist jedenfalls von einem ausreichenden zeitlichen Ausmaß auszugehen, wenn Unterrichtsstunden im Ausmaß von 20 bis 25 Wochenstunden besucht werden zuzüglich der anfallenden Hausaufgaben (Lenneis/Wanke, FLAG2, Rz 39 und 40).

§ 26 Abs 1 leg. cit. normiert, dass die Familienbeihilfe zurückzuzahlen ist, wenn diese zu Unrecht bezogen wurde. Hierbei handelt es sich um eine objektive Rückzahlungsverpflichtung, subjektive Elemente wie z.B. Verschulden sind dabei unerheblich."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Das Gericht bezieht sich mangels widerstreitender Sachverhaltselemente auf das wiedergegebene verwaltungsbehördliche Geschehen.

Rechtsnormen

Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 idF BGBl. I Nr. 28/2020 sowie BGBl. I Nr. 220/2021:

§ 2 (1) FLAG 1967 Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
a) für minderjährige Kinder,
b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. …

§ 26 FLAG 1967

(1) Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. …

Rechtliche Beurteilung

Grundsätzlich wird um Wiederholungen zu vermeiden auf die ausführliche Begründung des Finanzamtes im o. a. Vorlagebericht des Finanzamtes im Zuge der Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (BFG) hingewiesen, und diese Begründung ist auch ausdrücklich Teil der Begründung des gegenständlichen Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts.
Angemerkt wird, dass dieser Vorlagebericht an die Bf. zur Kenntnisnahme übermittelt wurde.

Ad Zeitraum September 2021 bis Februar 2022
Für diesen Zeitraum liegt ein Semesterzeugnis der volljährigen Tochter vor, welches eine Gesamtwochenstundenzahl an besuchten Unterrichtsfächern im Ausmaß von 25 Stunden ausweist. Ein Beihilfenanspruch ist jedenfalls zu bejahen und der Beschwerde insoweit wie bereits vom Finanzamt beantragt stattzugeben (vgl. vgl. o.a. § 2 (1) lit b FLAG 1967 iVm der o.a. hL und hRspr; Begründung im o.a. Vorlagebericht des Finanzamtes).

Ad Zeitraum März 2022 bis Februar 2023
In diesem Zeitraum konnte die Bf. nicht nachweisen, dass die Ausbildung ihrer volljährigen Tochter das erforderliche zeitliche Ausmaß erreicht hat, die Beschwerde ist dahingehend abzuweisen. Das Semesterzeugnis für den Zeitraum März 2022 bis Juli 2022 weist lediglich besuchte Unterrichtsfächer im für den Anspruch auf Familienbeihilfe zu geringen zeitlichen Ausmaß von 11 Wochenstunden aus, wobei in drei Fächern keine Beurteilung vorliegt und ein Unterrichtsfach aufgrund einer Befreiung nicht besucht wurde. Im Wintersemester 2022/2023 wurden lediglich Unterrichtsfächer im Ausmaß von 14 Wochenstunde besucht, zwei Fächer wurden nicht beurteilt, bei drei Fächern lag eine Befreiung vor. Die Tochter der Bf. besuchte im fraglichen Zeitraum die BHS Baden, das nachgewiesene zeitliche Ausmaß erfüllt nicht das Mindestausmaß von 20 bis 25 Wochenstunden für den Familienbeihilfenanspruch aufgrund einer Schulausbildung.

Auf die o.a. ausführliche Begründung im Vorlagebericht des Finanzamtes wird verwiesen und diese ist ausdrücklich Teil der Begründung dieses Erkenntnisses.
Für März 2022 bis Februar 2023 ist daher die Beschwerde im Sinne des Antrages des Finanzamtes abzuweisen (vgl. o.a. § 2 (1) lit b FLAG 1967 iVm § 26 FLAG 1967 iVm der o.a. hL und hRspr).

Insgesamt ist daher spruchgemäß zu entscheiden (§ 2 Abs 1 lit b FLAG 1967; § 26 Abs 1 leg. cit.)

Zu Spruchpunkt II. (Nichtzulassen der Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da das gegenständliche Erkenntnis der Gesetzeslage sowie der hL und hRspr folgt, ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig. Eine über den Individualfall hinaus relevante Rechtsfrage liegt nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101332.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at