Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.06.2024, RV/7400033/2024

Geschäftsführerhaftung, Gleichbehandlungsnachweis gescheitert

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., A-1, vertreten durch Stapf Neuhauser Rechtsanwälte OG, Eßlinggasse 7/7, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom , N-1, betreffend Haftung gemäß § 6a DGAG zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom des Magistrates der Stadt Wien MA 6 wurde der Beschwerdeführer (Bf.) gemäß § 6a Abs. 1 DGAG iVm § 80 BAO als damaliger Geschäftsführer der G-1 als unbeschränkt haftende Gesellschafterin der G-2 für die Dienstgeberabgaben 2019 und 01-12/2020 in der Höhe von € 1.635,00 zur Haftung herangezogen.

Gemäß § 6a Abs. 1 DGAG hafteten die in den §§ 80ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden könne, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs. 2 BAO gelte sinngemäß.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO hätten die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen oblägen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalteten, entrichtet würden.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom D-1 sei über das Vermögen der Primärschuldnerin ein Sanierungsverfahren eröffnet worden. Die bereits vom Gesetzgeber als typischer Fall der erschwerten Einbringung angeführte Voraussetzung für die Haftung sei durch die Eröffnung des Konkursverfahrens jedenfalls erfüllt.

Der Bf. sei seit D-2 im Firmenbuch als Geschäftsführer der G-1, die als unbeschränkt haftende Gesellschafterin der G-2 fungiere, eingetragen und habe weder die Bezahlung veranlasst noch irgendwelche Schritte zur Abdeckung des Rückstandes unternommen.

Er habe somit die ihm als Geschäftsführer der GmbH auferlegten Pflichten verletzt und sei daher für den Rückstand haftbar, da dieser bei der Gesellschaft nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden könne.

Die Geltendmachung der Haftung entspreche auch den Ermessensrichtlinien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit nach § 20 BAO, da nach der Aktenlage kein Hinweis darauf bestehe, dass der nunmehr aushaftende Betrag überhaupt noch eingebracht werden könnte.

Der Rückstand setze sich laut Abgabenkonto wie folgt zusammen:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
Dienstgeberabgabe
2019
334,00
Dienstgeberabgabe
01-11/2020
1.569,10


Von dem offenen Rückstand in der Höhe von € 1.903,10 (ursprüngliche Forderung € 2.180,00, zwischenzeitliche Quotenzahlungen seien erfolgt) werde nur ein Betrag von € 1.635,00 geltend gemacht, da eine 25 %ige Sanierungsplanquote bestätigt worden sei.

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In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten, jedoch als Stellungnahme bezeichnete Beschwerde wandte der Bf. ein, dass ein Haftungstatbestand seitens der Gesellschaft nicht begründet worden sei:

Zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Gebrauchsabgabe 2019 per sei es der Primärschuldnerin, der KG, aufgrund des Fehlens ausreichender liquider finanzieller Mittel nicht möglich gewesen, sämtliche fällige Verbindlichkeiten ihrer Gläubiger zu befriedigen.

Der Geschäftsführer hafte nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes () für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft nur dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausgereicht hätten und der Magistrat gegenüber den sonstigen Gläubigern nicht benachteiligt worden sei.

Per setzten sich die Verbindlichkeiten gegenüber der Stadtkasse wie folgt zusammen:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
Kommunalsteuer
10/2017
3.172,64
Kommunalsteuer
09/2019
3.355,64
Kommunalsteuer
11/2019
- 3.271,89
Kommunalsteuer
12/2019
7.814,83
Kommunalsteuer
01/2020
4.182,30
Dienstgeberabgabe
10/2017
280,00
Dienstgeberabgabe
09/2019
280,00
Dienstgeberabgabe
11/2019
- 216,00
Dienstgeberabgabe
12/2019
270,00
Dienstgeberabgabe
01/2020
216,00
16.083,52
Gebrauchsabgabe
fällig
6.900,00
Gesamt daher
22.983,52


Die übrigen Gesamtverbindlichkeiten, dh jene ohne die separat ausgewiesenen Verbindlichkeiten gegenüber der Stadtkasse hätten sich per auf € 2.784.540,44 belaufen.

Per seien seitens der Gesellschaft keine Zahlungen geleistet worden.

Im Februar 2020 seien insgesamt Zahlungen in der Höhe von € 351.183,37 erfolgt, welche sich wie folgt verteilt hätten:


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Stadtkasse
3.574,40
sonstige Verbindlichkeiten
347.608,97


Daraus ergebe sich, dass in diesem Zeitraum die Gläubiger in nachstehendem prozentuellen Ausmaß ihrer Außenstände befriedigt worden seien, nämlich:


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Stadtkasse
15,55 %
übrige Gläubiger
12,48 %


Bereits aus dieser Gegenüberstellung zeige sich, dass die Stadtkasse gegenüber den übrigen Gläubigern nicht benachteiligt worden sei.

Betrachte man die Saldenentwicklung bis zur Insolvenzeröffnung (die Daten ergäben sich aus dem von der Insolvenzverwalterin erstellten Anmeldeverzeichnis), so ergebe sich folgendes Bild:

Während sich die Verbindlichkeit gegenüber der Stadtkasse ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit der in Haftung gezogenen Gebrauchsabgabe von € 22.983,52 bis zur Eröffnung des Sanierungsverfahrens auf € 14.865,99 verringert habe, seien die Gesamtverbindlichkeiten (inklusive Stadtkasse) auf € 3.300.120,92 angewachsen.

Ausgehend von den letztendlich als Grundlage der Quotenverteilung im Insolvenzverfahren herangezogenen Gesamtverbindlichkeiten zeige sich, dass ab Fälligkeit der Gebrauchsabgabe bis zur Insolvenzeröffnung eine Reduktion der Verbindlichkeiten gegenüber der Stadtkasse um knapp 40 % eingetreten sei, während in diesem Zeitraum eine Ausweitung der übrigen Gesamtverbindlichkeiten um rund 16 % festzustellen sei.

Aus den genannten Gründen liege keine Haftungsgrundlage gegenüber der Geschäftsleitung vor.

Es werde der Antrag gestellt, den angefochtenen Haftungsbescheid ersatzlos aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

Obwohl seitens des Geschäftsführers kein haftungsbegründender Tatbestand gesetzt worden und weil es für ihn erforderlich sei, die gesamte Kraft und Aufmerksamkeit der laufenden Sanierung des Rechtsträgers zu widmen, wiederhole er aus Gründen einer raschen und abschließenden Bereinigung der in Haftung gezogenen Abgabenverbindlichkeiten gegenüber dem Magistrat der Stadt Wien das bereits im Rahmen der Stellungnahme vom erstattete unpräjudizielle Anbot, sämtliche Haftungstatbestände aus der Insolvenz der KG durch Leistung eines Abschlagsbetrages von € 350,00 zu bereinigen. Mit diesem Anbot bleibe er dem Magistrat der Stadt Wien bis im Wort.

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Mit Schreiben vom (irrtümlich mit datiert) der MA 6 wurde der Bf. eingeladen, eine monatliche Aufschlüsselung der Abgabenbeträge an Dienstgeberabgabe für den Zeitraum Jänner 2019 bis November 2020 sowie eine gegliederte Liquiditätsaufstellung für denselben Zeitraum vorzulegen. Die Liquiditätsaufstellung habe für den genannten Betrachtungszeitraum und auf die Fälligkeit bezogen folgende Angaben zu enthalten, wobei der jeweilige Betrachtungszeitraum zwischen dem Entstehen der einzelnen Abgabe bis zu deren Fälligkeit falle:

- eine Auflistung der im jeweiligen Betrachtungszeitraum bestandenen (falle zwischen dem 16. des Vormonats und dem 15. des Fälligkeitsmonats) und neu entstandenen Verbindlichkeiten, in Gegenüberstellung mit

- einer Auflistung aller Zahlungen (inklusive Zahlungen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes bzw. Zug-um-Zug-Geschäfte) und sonstigen Tilgungen im Betrachtungszeitraum und

- eine Aufstellung der liquiden Mittel zum Fälligkeitstag (15. des Fälligkeitsmonats)

Eine korrekte Aufstellung der Verbindlichkeiten, der neu entstandenen Verbindlichkeiten sowie deren Abstattungsbeträge habe nach den jeweiligen Fälligkeiten alle Gläubiger - einzeln und mit Angabe des Namens - und Beträge zu enthalten (zB Lieferverbindlichkeiten, Miete, Pacht, Gas, Strom, Wasser, Versicherungen, Löhne und Gehälter, Gebietskrankenkasse, Finanzamt, etc.).

Darüber hinaus sei eine Aufstellung der liquiden Mittel zum jeweiligen Fälligkeitstag (15. des Folgemonats) beizubringen. Weiters habe die Liquiditätsaufstellung eine Quotenberechnung zu enthalten. Die Liquiditätsaufstellung samt Quotenberechnung müsse für die Behörde rechnerisch nachvollziehbar und aussagekräftig sowie durch entsprechende Unterlagen belegt sein.

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Dieses Schreiben blieb unbeantwortet.

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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und nach Zitierung der §§ 6a Abs. 1 KommStG und DGAG sowie des § 80 Abs. 1 BAO ausgeführt:

Zu den im § 80 Abs. 1 BAO genannten Personen gehörten auch die Geschäftsführer der Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die gemäß § 18 Abs. 1 GmbHG die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten hätten.

Voraussetzungen für die Haftung seien eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die erschwerte Einbringung der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die erschwerte Einbringung.

Dass die im angefochtenen Bescheid angeführten Abgabenforderungen tatsächlich bestünden, stehe nach der Aktenlage fest.

Weiters stehe unbestritten fest, dass der Bf. als Geschäftsführer der Gesellschaft zu dem in § 80 Abs. 1 BAO angeführten Personenkreis gehöre.

Ferner werde nicht bestritten, dass die angeführten Abgabenrückstände bei der Gesellschaft erschwert einbringlich seien.

Es sei ferner Aufgabe des Vertreters, nachzuweisen, dass ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten für die Gesellschaft unmöglich gewesen sei, weil nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen derjenige, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfülle, die Gründe darzutun habe, aus denen ihm die Erfüllung unmöglich gewesen sei, widrigenfalls angenommen werden könne, dass er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen sei.

Zum Beschwerdevorbringen werde festgestellt:

Da sowohl im Jahr 2019 als auch im Jahr 2020 Löhne und Gehälter entrichtet worden seien, sei die vorgelegte Aufstellung des Bf. nicht vollständig und daher auch nicht nachvollziehbar. Bei Entrichtung von Löhnen und Gehältern bei gleichzeitiger Nichtentrichtung der damit einhergehenden Abgaben (Dienstgeberabgabe) liege eine Gläubigerungleichbehandlung vor.

Mit Parteiengehör vom sei der Bf. aufgefordert worden, zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung eine Liquiditätsaufstellung zu übermitteln. Dabei sei im Detail erläutert worden, welche Voraussetzungen für die Nachvollziehbarkeit vorliegen müssten (samt Praxisbeispiel). Weiters sei um monatliche Aufteilung der Steuerbeträge an Dienstgeberabgabe für den Haftungszeitraum ersucht worden, da alle Beträge von der Primärschuldnerin in einem Jahresbetrag selbst erklärt worden seien, und der Primärschuldnerin aufgrund der Lohnverrechnung auch monatlich vorliegen müssten.

Den Bf. treffe hinsichtlich des Nachweises der anteiligen Befriedigung sämtlicher Gläubiger durch die Primärschuldnerin eine qualifizierte Mitwirkungspflicht.

Dieser Aufforderung sei er nicht nachgekommen, es sei auch keinerlei Stellungnahme eingebracht worden.

Die vom Bf. in der Beschwerde beigebrachte Auflistung an Zahlungen und Verbindlichkeiten gebe keinerlei Auskunft darüber, welche Verbindlichkeiten zu welchen Fälligkeitsterminen in welchem Ausmaß mangels ausreichender Geldmittel von der Primärschuldnerin nicht hätten beglichen werden können. Obwohl er mit dem genannten Schreiben ausdrücklich auf die genauen inhaltlichen Erfordernisse einer beweiskräftigen Liquiditätsaufstellung hingewiesen worden sei, enthalte die von ihm beigebrachte Aufstellung keinerlei Angaben über die der Gesellschaft im Haftungszeitraum zur Verfügung stehenden Mittel, sodass auch keine Aussage bzw. rechnerische Nachvollziehbarkeit gegeben sei, ob mit diesen Mitteln der Abgabengläubiger ohne Benachteiligung befriedigt worden sei.

Der Bf. habe sohin keinen Nachweis erbracht, dass die im Haftungszeitraum vorhandenen Mittel der Gesellschaft anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet worden seien. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die Erkenntnisse 84/13/0198, 89/14/0043, 89/14/0044 u.a.) hafte der Geschäftsführer für die in Haftung gezogenen Abgabe zur Gänze, wenn er dem Gleichbehandlungsgebot zuwiderhandle bzw. keinen entsprechenden Nachweis der Gleichbehandlung erbringe.

Der Bf. habe in seiner Beschwerde somit nicht den Nachweis erbracht, dass ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich war.

Seine Pflichtverletzung ergebe sich aus der Missachtung der abgabenrechtlichen Bestimmungen. Er hätte Sorge tragen müssen, dass die Dienstgeberabgabe für den Haftungszeitraum fristgerecht entrichtet werde.

Aufgrund dieser Tatsachen sei die Beschwerde als unbegründet abzuweisen gewesen.

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Fristgerecht beantragte der Bf. mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht, ohne auf die als Vorhalt geltende Begründung der Abgabenbehörde in der Beschwerdevorentscheidung zum mangelhaften Gleichbehandlungsnachweis einzugehen.

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Mit Schreiben vom ersuchte das Bundesfinanzgericht den Bf. um Erbringung eines Gleichbehandlungsnachweises für den Zeitraum ab der nachstehenden Fälligkeit der jeweiligen Abgabe bis D-1 (Eröffnung des Sanierungsverfahrens) mit Berechnung der Ungleichbehandlungsquote für die nachstehenden Abgaben sowie um Nachweis der Höhe der liquiden Mittel durch Vorlage des Kassabuches und der betrieblichen Bankkonten.

Allerdings sei nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Inanspruchnahme für eine Zusammenfassung von mehreren Voranmeldungszeiträumen für die Dienstgeberabgaben nicht zulässig gewesen, da der Bf. damit nicht in die Lage versetzt werde, die geforderte Liquiditätsaufstellung zu den jeweiligen Fälligkeitstagen zu erstellen () bzw. konkret vorzubringen, weshalb er welche Abgabe nicht (vollständig) abgeführt oder entrichtet habe, und so den ihm auferlegten Entlastungsbeweis zu erbringen (), weshalb diese Abgaben mangels Beantwortung des Vorhaltes vom mit je 1/12 (2019) bzw. 1/11 (2020) für Zwecke der Erbringung des Gleichbehandlungsnachweises monatlich aufzugliedern gewesen seien.

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Auch dieses Ersuchen wurde nicht beantwortet.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Rechtsgrundlagen Dienstgeberabgabe

Gemäß § 5 Gesetz über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe beträgt die Abgabe für jeden Dienstnehmer und für jede angefangene Woche eines bestehenden Dienstverhältnisses 2 Euro.

Gemäß § 6 Abs. 1 Gesetz über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe hat der Abgabepflichtige bis zum 15. Tag jedes Monats die im Vormonat entstandene Abgabenschuld zu entrichten.

Geltendmachung von Haftungen

Die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter haften gemäß § 6a Gesetz über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung. § 9 Abs. 2 BAO gilt sinngemäß.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 224 Abs. 1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Haftungsvoraussetzungen

- Abgabenforderungen gegen die vertretene Gesellschaft
- erschwerte Einbringlichkeit der Abgabenforderungen
- Stellung des Geschäftsführers als Vertreter
- abgabenrechtliche Pflichtverletzung des Vertreters
- dessen Verschulden an der Pflichtverletzung
- Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die erschwerte Einbringlichkeit der Abgaben

Abgabenforderungen

Festgestellt wird, dass die haftungsgegenständlichen Dienstgeberabgaben 01-12/2019 und 01-11/2020 von der Primärschuldnerin in jeweiligen Jahresbeträgen selbst erklärt, aber trotz Aufforderung nicht monatsweise aufgegliedert und auch nicht entrichtet wurden. Diese haften nach Abzug der Sanierungsplanquote von 25 % noch in Höhe des haftungsgegenständlichen Betrages von € 1.635,00 aus.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen wurde der Bf. jedoch nicht für eine Gebrauchsabgabe zur Haftung herangezogen.

Erschwerte Einbringlichkeit

Die Haftung nach § 6a DGAG ist keine Ausfallshaftung, es ist lediglich vorausgesetzt, dass die Abgaben nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können. Dies gilt nach den genannten Haftungsbestimmungen insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Im Beschwerdefall steht sogar die Uneinbringlichkeit der (unter Berücksichtigung der in Höhe von 25 % geleisteten Quotenzahlungen) haftungsgegenständlichen Abgaben fest, da mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom D-3 das über das Vermögen der G-2 am D-4 eröffnete Sanierungsverfahren aufgehoben wurde.

Vertreterstellung

Unbestritten ist auch, dass der Bf. seit D-2 Geschäftsführer der G-1 als unbeschränkt haftende Gesellschafterin der G-2 ist.

Schuldhafte Pflichtverletzung

Ihm oblag daher die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der KG, da bei einer GmbH & Co KG der Geschäftsführer der GmbH (der Komplementärin) für Abgabenschulden der KG zur Haftung gemäß § 6a DGAG herangezogen werden kann (vgl. ).

Insbesondere war im Rahmen dieser Verpflichtung für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der gemäß § 6 Abs. 1 DGAG jeweils am 15. des Folgemonats fällig gewordenen Dienstgeberabgaben Sorge zu tragen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (, 0038). Er hat also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, andernfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. ).

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht (; ).

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichen; es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten ().

Im gegenständlichen Fall wurde nicht behauptet, dass dem Bf. keine Mittel zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zur Verfügung gestanden wären, sondern brachte er vor, über nicht ausreichende Mittel verfügt zu haben.

Am Bf., dem als Geschäftsführer der Primärschuldnerin ausreichend Einblick in die Gebarung zustand, wäre es gelegen gewesen, das Ausmaß der quantitativen Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen (), da nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen hat, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel ().

Weist der Haftungspflichtige nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Den im Rahmen der besonderen Behauptungs- und Konkretisierungspflicht zur Feststellung des für die aliquote Erfüllung der Abgabenschuld zur Verfügung stehenden Teiles vom Gesamtbetrag der liquiden Mittel geforderte Liquiditätsstatus in Form einer Gegenüberstellung von liquiden Mitteln und Verbindlichkeiten, wobei es auf die Abgabenverbindlichkeiten einerseits und die Summe der übrigen Verbindlichkeiten andererseits ankommt, hat der Bf. jedoch nicht aufgestellt, da er weder die liquiden Mittel bekanntgegeben noch diese den Verbindlichkeiten für den Zeitraum ab dem jeweiligen Fälligkeitstag der haftungsgegenständlichen Abgaben bis zur Insolvenzeröffnung gegenübergestellt hat, weshalb auch keine korrekte Quote berechnet wurde.

Aus der Gesamtschau aller angeführten Mängel ergibt sich, dass der vom Bf. unternommene Versuch zur Erbringung eines Gleichbehandlungsnachweises als gescheitert anzusehen ist.

Da der Bf. im Schreiben vom mit konkreten Anleitungen durch die Abgabenbehörde dazu aufgefordert und ihm mit dem Ersuchen vom Gelegenheit zur Verbesserung gegeben wurde, waren nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes weitere Ermittlungen seitens des Bundesfinanzgerichtes nicht mehr vorzunehmen ().

Der Einwand, dass die Abgabenbehörde gegenüber den übrigen Gläubigern sogar bevorzugt worden sei, geht mangels korrekter Berechnung ebenfalls ins Leere, zumal ausschließlich auf eine nicht in Haftung gezogene Gebrauchsabgabe hingewiesen wurde.

Im Hinblick auf die unterlassene Behauptung und Konkretisierung des Ausmaßes der Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestandenen Mittel zur Erfüllung der vollen Abgabenverbindlichkeiten kommt eine Beschränkung der Haftung des Bf. bloß auf einen Teil der von der Haftung betroffenen Abgabenschulden nicht in Betracht ().

Kausalität

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Ermessen

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Vom Bf. wurden keine Gründe vorgebracht, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Einschätzung bewirken hätten können.

Ergebnis

Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen der § 6a Abs. 1 DGAG erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bf. als Haftungspflichtiger für die Abgabenschuldigkeiten der G-2 zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt hier nicht vor. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten Judikatur des VwGH.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 6a WDGAG, Wr. Dienstgeberabgabegesetz, LGBl. Nr. 17/1970
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7400033.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at