außergewöhnliche Belastungen im Zusammenhang mit einer Behinderung - Erholungsurlaub oder Kuraufenthalt
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adresse***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Kitzbühel Lienz, nunmehr Finanzamt Österreich, vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018, Steuernummer ***Bf-StNr***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind der Beschwerdevorentscheidung vom zu entnehmen und bilden insoweit einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Im Rahmen seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2018 gab der Beschwerdeführer unter anderem an, dass er eine eigene Behinderung im Ausmaß von 60% habe und machte als außergewöhnliche Belastung im Zusammenhang mit dieser Behinderung an unregelmäßigen Ausgaben für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung 1.479,37 Euro geltend.
2. Aufgrund eines Ersuchens um Ergänzung gab der Beschwerdeführer bekannt, dass sich diese Kosten wie folgt zusammensetzen würden: Hotel 1.200,00 Euro, Haushaltsersparnis -62,76 Euro, Aufzahlung Gesundheitszentrum 311,00 Euro, Selbstbehalt Arzt 1,93 Euro und Selbstbehalt Gesundheitszentrum 29,20 Euro. Weiters übermittelte der Beschwerdeführer einen Teil einer Hotelrechnung und eine Reservierungsbestätigung des Hotels "***2***" in ***5***, eine Rechnung des "***3***" vom sowie zwei Aufstellung der Behandlungsbeiträge, einmal vom und einmal vom .
3. Mittels Nachtrag zum Ergänzungsersuchen führte der Beschwerdeführer weiter aus und beantragte zusätzlich noch die Fahrtkosten in Höhe von 305,76 Euro. Weiters legte er ein Schreiben von ***1*** vom vor.
4. Der Einkommensteuerbescheid 2018 vom führte zu einer Gutschrift von 578,00 Euro. In diesem Bescheid wurde der Behandlungsbeitrag von 1,93 Euro als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt berücksichtig (aufgrund des Selbstbehaltes keine Auswirkung) sowie der Freibetrag wegen eigener Behinderung in Höhe von 294,00 Euro. Die weiteren vom Beschwerdeführer beantragten Kosten wurden nicht berücksichtigt. Diesbezüglich erfolgte eine sehr ausführliche Begründung durch die Behörde.
5. Am erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte nach Darstellung seiner Gründe außergewöhnliche Belastungen, die mit seiner Behinderung im Zusammenhang stehen, in Höhe von 1.787,90 Euro. Beigelegt wurde eine Leistungsinformation für das Jahr 2018 der Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter sowie eine Aufstellung der Behandlungsbeiträge der Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter vom .
6. Mittels Beschwerdevorentscheidung vom wurden neben dem Freibetrag wegen eigener Behinderung in Höhe von 294,00 Euro auch nachgewiesene Kosten aus der eigenen Behinderung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 31,85 Euro berücksichtigt. In der dazu ergangenen gesonderten Bescheidbegründung begründete die belangte Behörde ihre Abweichung vom Begehren des Beschwerdeführers wiederum sehr ausführlich.
7. Am brachte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag ein. Begründend führte er aus, dass er, um die Behandlung zu erhalten, an den vorgeschriebenen Behandlungsort kommen müsste. Damit würden die Reisekosten anfallen. Da eine tägliche Hin- und Rückfahrt bei der Entfernung schwierig sei, verbliebe nur der Aufenthalt. Die veranschlagten Kosten seien nicht höher als Tages- und Nächtigungsgebühren laut amtlicher Reisegebührenvorschrift. Für die Kostenerstattung würden von den Sozialversicherungsträgern Art und Zeitablauf der Anwendungen vorgeschrieben. Wenn man durch kürzere Zeitabstände die Eigenleistung erhöhe, dürfe daraus nicht abgeleitet werden, dass die Behandlung nicht zweckmäßig sei. Weiters beschrieb der Beschwerdeführer die Entstehung seiner Behinderung. Die Behandlungen in der ***4*** würden ihm schon seit etlichen Jahren verbesserte Sicherheit und Beweglichkeit für viele Bewegungsabläufe geben. Sie seien auch immer vom Facharzt verschrieben und von der BVAEB genehmigt worden.
8. Aufgrund eines Vorhaltes des Gerichtes übermittelte der Beschwerdeführer nochmals nur einen Teil der Hotelrechnung und gab bekannt, dass diese Rechnung auf den Namen der Ehefrau lautet, aber von seinem Konto bezahlt worden sei. Weiters legte er eine ärztliche Bestätigung vom vor. Von der Versicherung seien Streichungen erfolgt, daher habe er für empfohlene Behandlungen aufgezahlt. Er besuche die Therme jedes Jahr. Früher hatte diese Therme eine Therapieabteilung mit Kurärzten, viele Jahre habe die Versicherung die Anwendungen mit Abstrichen genehmigt. Die Kosten der Unterkunft seien von der Versicherung nicht getragen worden. Die Therapie in der Therme ***5*** habe nicht zuletzt in der Kombination mit dem Thermalwasser so gute Wirkung gezeigt. Dieses Angebot gebe es in seinem Bezirk nicht. Mittlerweile sei die Therme verkauft worden und es gebe dieses Angebot nicht mehr. 2022 habe er eine von der Versicherung bezahlte Kur gehabt und auch für dieses Jahr sei eine genehmigt worden.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer bezog im Beschwerdejahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er hat eine Behinderung im Ausmaß von 60%. Seit seiner Geburt besteht beim Beschwerdeführer eine spastische Hemiparese links (siehe Verwaltungsakt und Schreiben ***1*** vom und vom ).
Durch das Finanzamt wurde im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung der Freibetrag wegen eigener Behinderung von 294,00 Euro sowie außergewöhnliche Belastungen, die mit der Behinderung im Zusammenhang stehen und somit ohne Selbstbehalt angesetzt wurden, in Höhe von 31,85 Euro berücksichtigt.
Strittig sind die Hotelkosten samt Fahrtkosten (abzüglich der Haushaltsersparnis) sowie die Kosten für zusätzliche Rückenmassagen in einer Gesamthöhe von 1.787,90 Euro.
Im Zeitraum vom 5. bis zum (12 Nächte) verbrachte der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern im Hotel "***2***" in ***5*** seinen Erholungsurlaub (siehe Rechnung des Hotels und Reservierungsbestätigung). Die Kosten für das Zimmer betrugen 4.800,00 Euro. Der Beschwerdeführer begehrte ein Viertel davon (1.200,00 Euro) und zog seine Haushaltsersparnis in Höhe von 62,76 Euro ab. Im Zusammenhang mit diesem Aufenthalt begehrte der Beschwerdeführer 305,76 Euro an Fahrtkosten (Kilometergeld für 728 km). Das Hotel, die Ausstattung, den Zeitpunkt und den Zeitraum bestimmte der Beschwerdeführer.
Am Beginn, während und am Ende des Aufenthalts gab es keine ärztliche Untersuchung.
Es bestand für den Aufenthalt keine ärztliche Verordnung bzw. Verschreibung.
Im Rahmen seines oben angeführten Aufenthalts in ***5*** nahm der Beschwerdeführer im Therapiebereich der Therme ***5*** an acht Tagen zuerst an einer Heil- und Krankengymnastik teil, unterzog sich danach für 20 Minuten einer Heilmassage und anschließend einer Rückenmassage (siehe Aufstellung und Rechnung des "***3***"). Die Heil- und Krankengymnastik sowie die Heilmassagen wurden durch die Sozialversicherung des Beschwerdeführers getragen und dafür Behandlungsbeiträge von der Versicherung dem Beschwerdeführer in Rechnung gestellt.
Diese Behandlungsbeiträge wurden vom Finanzamt im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen im Zusammenhang mit der Behinderung ohne Selbstbehalt berücksichtigt (siehe Leistungsinformation für das Jahr 2018 der Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter und Aufstellung der Behandlungsbeiträge der Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter vom ).
Betreffend die acht Rückenmassagen legte der Beschwerdeführer eine Rechnung in Höhe von 311,00 Euro vor (siehe Rechnung des "***3***").
Es bestand für diese acht Rückenmassagen keine ärztliche Verordnung und auch keine Erstattung durch die Sozialversicherung. Bei diesen Therapieeinheiten handelte es sich um nicht spezifische Massagen, sondern um klassische Rückenmassagen, die jeder Physiotherapeut durchführen kann.
Ein als "ärztliche Bestätigung" tituliertes Schreiben von ***1*** stammte vom (siehe Schreiben vom ), das weitere vom (siehe Schreiben vom ).
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den in Klammern angeführten, unstrittigen Unterlagen und aufgrund folgender Überlegungen:
Laut Reservierungsbestätigung nächtigte der Beschwerdeführer mitsamt seiner Familie im Hotel "***2***", einem vier Sterne Thermenhotel in ***5***, in zwei Doppelzimmer Deluxe mit Terrasse und Verbindungstür für Familienzeit für 12 Nächte vom 5. bis zum . Inkludiert waren neben einem reichhaltigen Frühstücksbuffet, leichtem Mittagessen und Genuss-Abendbuffet auch pro Person der tägliche Eintritt in die Therme ***5*** inklusive Sonnensauna und Fun Park, die Minibar und die Nutzung des hauseigenen Spa-Bereiches. Als All-in-Zusatzleistungen wurden Willkommensgetränk, Badetasche mit Bademantel, -Tücher und -Slipper, kostenfreies W-LAN, kostenfreie Parkplätze sowie hauseigener Spa- und Wellnessbereich angeführt. Der Preis dafür betrug 4.800,00 Euro.
Ebenso erfolgten laut Abrechnung des Hotels "***2***" weitere Konsumation und auch Spa-Behandlungen (insbesondere Shirodora Behandlungen).
Der Beschwerdeführer bestimmte selbst das Hotel, welche Zimmer gewählt wurden, welche Verpflegung und Zusatzleistungen beansprucht wurden, sowie den Zeitpunkt als auch die Dauer des Aufenthaltes in ***5***. Dies ergibt sich nicht nur aus der Reservierungsbetätigung samt Rechnung, sondern auch aus den Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerde über seine Obsorgepflichten und dass dies in der Ferienzeit am besten möglich sei.
Es gab weiters keine kurmäßig geregelte Tages- und Freizeitgestaltung. Dem Beschwerdeführer wurde nur achtmal eine Einheit an Heil- und Krankengymnastik und eine zwanzigminütige Heilmassage verschrieben. Anschließend unterzog er sich noch ohne Verschreibung einer halbstündigen Rückenmassage. Der weitere Tag und auch das Wochenende sowie ein zusätzlicher Tag standen dem Beschwerdeführer frei zur Verfügung.
Allgemein bekannt ist, dass man im Rahmen einer Kur zwar einen Wunschort angeben kann, die Sozialversicherung jedoch bevorzugt eine Kuranstalt wählt, die eine eigene Einrichtung darstellt, bzw. in weitere Folge eine Vertragseinrichtung. Die Sozialversicherung bestimmt weiters die Dauer (meist erfahrungsgemäß mindestens drei Wochen) und den Beginn der Kur. Es wird ein Therapieplan mit diversen Therapien vor- und nachmittags erstellt und auch die Mittagspause bestimmt. Am Beginn und am Ende erfolgt eine ärztliche Untersuchung.
Das vom Beschwerdeführer vorgelegten Schreiben des ***1***, Facharzt für Orthopädie und orthopädischer Chirurgie, vom , betitelt mit ärztliche Bestätigung lautet wie folgt: "Der Patient ist aufgrund einer seit der Geburt an bestehenden spastischen Hemiparese links auf regelmäßige physiotherapeutische Maßnahmen im Rahmen von Kuraufenthalten angewiesen. Der Patient war in den letzten Jahren regelmäßig an der Therme ***5***. Die dort durchgeführten Behandlungen waren stets erfolgreich, sodass der Patient dadurch sicherlich profitiert hat und deshalb aus ärztlicher Sicht diese Maßnahmen aufgrund der bestehenden Grunderkrankung zwingend notwendig sind und waren."
Bei diesem Schreiben, dass zudem erst im Nachhinein erstellt wurde, handelt es sich nicht um eine Verordnung bzw. Verschreibung eines konkreten Kuraufenthaltes (mit Notwendigkeit, Dauer der Reise und Reiseziel) im Rahmen eines Behandlungsplanes, sondern um eine allgemeine Bestätigung von regelmäßigen physiotherapeutischen Maßnahmen im Rahmen von Kuraufenthalten und dass diese zwingend notwendig seien und gewesen sind.
Auch in dem weiteren, im Nachhinein erstellten Schreiben desselben Arztes vom , führte der Arzt nur aus: "Daher sind seit jeher bei diesen verordneten physiotherapeutischen Maßnahmen auch diese Körperregionen (HWS, BWS und LWS) in den Therapieplan miteinzubeziehen."
Der Aufenthalt in ***5*** erfolgte somit ohne ärztliche Verschreibung.
Die Rechnung des "***3***" vom betrug 311,00 Euro und war für einen 5-er Block Rückenmassagen sowie drei Rückenmassagen am 6., 7. und . Laut dazugehöriger Behandlungsauflistung vom wurde für den Montag (6. August) beispielsweise um 08:40 Uhr eine Heil- und Krankengymnastik, um 09:20 Uhr eine Medizinische Heilmassage und um 09:40 eine Rückenmassage vereinbart. Entsprechende Behandlungsvereinbarungen (für teils andere Zeiten) gab es auch an den folgenden Tagen (Dienstag bis Freitag) sowie Montag, Dienstag und Donnerstag der folgenden Woche. In Summe fanden achtmal eine Kranken- und Heilgymnastik, achtmal eine medizinische Heilmassage (20 Minuten) und acht Rückenmassagen statt.
Laut Leistungsinformation für das Jahr 2018 des Beschwerdeführers wurden von der Versicherung für die Heilmassage (jeweils auf zwei Posten aufgeteilt) und die Spezialgymnastik (auch jeweils auf zwei Posten aufgeteilt) Leistungen für den Beschwerdeführer übernommen. Für die Rückenmassagen wurden laut dieser Aufstellung von der Versicherung keine Leistungen übernommen. Dafür wurde die oben angeführte Rechnung ausgestellt. Für die übernommenen Leistungen (Heilmassagen und Spezialgymnastik) wurden dem Beschwerdeführer (siehe Schreiben der Versicherung vom ) Behandlungsbeiträge in Höhe von 29,92 Euro aufgrund einer Zuweisung von ***1*** vorgeschrieben. Bei der Heil- und Krankengymnastik, den Heilmassagen und den Rückenmassagen handelt es sich um standardmäßige, nicht spezifische physiotherapeutische Maßnahmen und nicht um spezielle Behandlungen, die nur dort durchgeführt werden können. Der Beschwerdeführer hat sich diese Therapien an dem Ort der Therme aufgrund seines Aufenthalts verschreiben lassen.
Für die Rückenmassagen gibt es zudem keine ärztliche Verschreibung bzw. Zuweisung.
Betreffend das Schreiben des ***1*** vom und vom wird auf das bereits ausgeführte verwiesen. Außerdem spricht der Beschwerdeführer in seiner Vorhaltsbeantwortung vom selbst von empfohlenen Behandlungen, für die er aufgezahlt hat.
Laut Aufstellung der Behandlungsbeiträge der Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter vom betrug der Behandlungsbeitrag für ***1*** 1,93 Euro.
All diese Behandlungsbeiträge wurden vom Beschwerdeführer als behinderungsbedingte außergewöhnliche Kosten in Höhe von 31,85 Euro geltend gemacht und vom Finanzamt im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung auch berücksichtigt.
Der Beschwerdeführer wurde bereits vom Finanzamt im Zusammenhang mit den weiteren Behandlungsbeiträgen laut Schreiben der Versicherung vom darauf hingewiesen, dass diese Behandlungsbeiträge das Jahr 2016 und nicht das gegenständliche Jahr betrafen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)
§ 34 EStG 1988 lautet auszugsweise:
(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
(4) Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. …
…
(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:
…
- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.
§ 35 EStG 1988 wiederum besagt auszugsweise:
(1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen
- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,
…
und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.
(2) Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). …
(3) Es wird jährlich gewährt
bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit vonein Freibetrag von Euro
…
55% bis 64% ............................................................294
…
Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. II. Nr. 430/2010) lautet auszugsweise:
§ 1 (1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen
- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,
…
so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
…
(3) Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.
…
§ 4. Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.
Der Nachweis oder die Glaubhaftmachung einer außergewöhnlichen Belastung obliegt in erster Linie dem Steuerpflichtigen. Will dieser Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt wissen, hat er selbst alle Umstände darzulegen, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), Kommentar zum EStG (20. Lfg 2018) § 34 Rz 7).
Überdies gelten dort, wo die Abgrenzung zu Aufwendungen der allgemeinen Lebensführung schwierig ist, für die Nachweisführung besonders strenge Anforderungen (u.a. ). Der Beschwerdeführer ist deshalb bei Geltendmachung höherer Beträge als der Pauschbeträge als außergewöhnliche Belastung zu einer diesen ursächlichen Zusammenhang - von Heilbehandlungen mit der Behinderung - erkennen lassenden Darstellung verpflichtet ().
Beim Merkmal der Außergewöhnlichkeit von Belastungen ist ein Abgabepflichtiger, der Krankheitskosten oder Kosten einer Behinderung geltend macht, mit (kranken und gesunden) Abgabepflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu vergleichen. Aufwendungen, die bei der Mehrzahl der Abgabepflichtigen auftreten, die also im täglichen Leben üblich sind, stellen keine außergewöhnliche Belastung dar. Unzulässig wäre es, den Vergleich nur zwischen Personen anzustellen, die Krankheitskosten zu tragen haben oder behindert sind.
Da die Beurteilung, was als außergewöhnlich gilt, in besonderer Weise dem gesellschaftlichen Wandel unterliegt (was vor 20 Jahren noch als Luxus galt, ist heute vielfach durchaus alltäglich), ist hier auf eine dynamische Betrachtungsweise zu achten (-G/07). In Hinblick auf das heute in der Bevölkerung allgemein gestiegene Gesundheitsbewusstsein (Stichwort "Wellness"), kann es daher bei verschiedenen Kosten, selbst wenn sie in einem hinreichenden Zusammenhang mit einer Krankenbehandlung stehen, dennoch am Merkmal der Außergewöhnlichkeit fehlen.
Somit besteht auch im Falle eines durch ärztliches Sachverständigengutachten festgestellten Grades der Behinderung die Verpflichtung zum Nachweis einer ärztlichen Verordnung bei Inanspruchnahme von konkreten Heilbehandlungen. Die Berücksichtigung von Aufwendungen behinderter Personen für Heilbehandlungen als außergewöhnliche Belastungen ohne Abzug des Selbstbehaltes setzt überdies den Nachweis des Zusammenhanges der betreffenden Kosten mit der Behinderung voraus.
Nicht jede auf ärztliches Anraten und (auch) aus medizinischen Gründen durchgeführte Kur(reise) führt zu einer außergewöhnlichen Belastung (siehe ).
Begehrt der Abgabepflichtige die Anerkennung von Aufwendungen für einen Kuraufenthalt als außergewöhnliche Belastungen, so muss er weiters die geforderte Voraussetzung der Zwangsläufigkeit des Erwachsens dieser Aufwendungen nachweisen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zum Nachweis der Zwangsläufigkeit die Vorlage eines vor Antritt der Kur ausgestellten ärztlichen Zeugnisses, aus dem sich die Notwendigkeit und die Dauer der Reise sowie das Reiseziel ergeben, erforderlich. Einem ärztlichen Gutachten kann es gleichgehalten werden, wenn zu einem Kuraufenthalt von einem Träger der gesetzlichen Sozialversicherung oder auf Grund beihilfenrechtlicher Bestimmungen Zuschüsse geleistet werden, da zur Erlangung dieser Zuschüsse ebenfalls in der Regel ein ärztliches Gutachten vorgelegt werden muss (vgl. ).
Ebenso ist wesentlich, dass die Reise nach ihrem Gesamtcharakter ein Kuraufenthalt ist, dh eine nachweislich kurgemäß geregelte Tages- und Freizeitgestaltung aufweist und nicht bloß einen Erholungsaufenthalt darstellt ().
Im gegenständlichen Fall gab es für den Aufenthalt in ***5*** keine ärztliche Zuweisung aus dem sich die Notwendigkeit, die Dauer der Reise sowie das Reiseziel ergeben hat. Dementsprechend wurden auch von der Sozialversicherung für den Hotelaufenthalt keine Leistung erbracht. Die Versicherung trug, wie auch der Beschwerdeführer in der Vorhaltsbeantwortung anführt, solche Unterhaltskosten nicht. Unabhängig davon, handelt es sich nach dem Gesamtcharakter um keinen Kuraufenthalt. Es gab keinerlei ärztliche Kontrolle sowie keinen kurmäßig gestaltete Tages- und Freizeiteinteilung.
Der Beschwerdeführer gab selbst an, dass er sich die Verordnung von ***1*** für die physikalischen Maßnahmen bereits im Vorfeld ausstellen habe lassen. Hätte der Arzt in diesem Zusammenhang die Einbettung der Maßnahme in einen kurmäßigen Aufenthalt beabsichtigt, hätte er diesen Kuraufenthalt verordnet.
Nach Ansicht des Gerichts handelt es sich daher um einen Erholungsaufenthalt mit der Familie in den Sommerferien und um keinen Kuraufenthalt. Der Beschwerdeführer hat sich das Hotel, die Art der Unterbringung mit Zusatzleistungen, den Zeitpunkt und die Dauer des Aufenthaltes aufgrund privater Motive ausgesucht. Die Auswahl dieses Hotels in der Ferienzeit wurde laut Beschwerdeführer bewusst so aufgrund der Obsorgepflicht gewählt. Damit führt der Beschwerdeführer selbst die private Veranlassung für den Aufenthalt an.
Von einem kurmäßig geregelten Tagesablauf kann nur gesprochen werden, wenn ein Kurprogramm absolviert werde, das jenem von den Kuranstalten der Sozialversicherung angebotenen Kurprogrammen entspreche. In diesen Kuranstalten werde in der Regel auf der Grundlage einer kurärztlichen Untersuchung ein speziell auf die krankheitsmäßigen Bedürfnisse des Patienten abgestimmter Behandlungsplan erstellt, der täglich mehrere Therapiestunden vorsehe und dessen Wirksamkeit während des Kuraufenthaltes im Rahmen eines ärztlichen Zwischenberichts überprüft werde. Nach Abschluss der Kur erfolge eine ärztliche Schlussuntersuchung.
Wegen der im Allgemeinen schwierigen Abgrenzung von Kuraufenthalten und ebenfalls der Erhaltung und Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes dienenden Erholungsreisen sind an einen steuerlich beachtlichen Kuraufenthalt strenge Anforderungen gestellt. Deshalb stellt nicht jede auf ärztliches Anraten durchgeführter Kuraufenthalt eine außergewöhnliche Belastung dar. Im Beschwerdefall sind die geforderten Kriterien für eine steuerliche Anerkennung der Kurkosten nicht erfüllt.
Vielmehr ist das gewählte Reiseziel ein beliebter Urlaubsort und der Aufenthalt fand in einem "Wohlfühlhotel" inklusive Thermeneintritt statt. Dieses Hotel ist ein für jeden erholungssuchenden Urlauber zugänglichen Domizil. Es besteht keine Unterscheidung von einer Erholungsreise. Es handelt sich um Aufwendungen zur Förderung des allgemeinen körperlichen Wohlbefindens und damit um typische Kosten der privaten Lebensführung.
Somit ist weder die geforderte Außergewöhnlichkeit noch die Zwangsläufigkeit gegeben und zudem eine ausreichende Abgrenzung von der steuerlich unbeachtlichen privaten Sphäre nicht möglich.
Da die Zuweisung des Arztes betreffend die geltend gemachte Krankengymnastik bzw. Heilmassagen an die Therapie der Therme ***5*** erfolgte, sollte dem Beschwerdeführer offensichtlich die Möglichkeit eröffnet werden, anlässlich seines dortigen Aufenthaltes physiotherapeutische Maßnahmen aufgrund einer ärztlichen Verordnung in Anspruch zu nehmen.
Es besteht für das Gericht kein Zweifel, dass der Hotelaufenthalt samt Thermenzutritt dem Beschwerdeführer angenehm und seiner Gesundheit förderlich war. Dies reicht aber nach dem nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs anzulegendem strengen Maßstab für die Anerkennung der strittigen Ausgaben und Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung nicht aus. Es ist nicht Normzweck des § 34 EStG 1988 private Aufwendungen zu berücksichtigen und damit die Steuerlast auf die Allgemeinheit abzuwälzen.
Die Fahrtkosten wurden bei der erstmaligen Beantragung im Zusammenhang mit dem Hotelaufenthalt begehrt. Da es sich dabei um einen Erholungsurlaub handelt, sind auch die dazugehörigen Fahrtkosten der Privatsphäre des Beschwerdeführers zuzuschreiben.
Eine Berücksichtigung der Aufenthaltskosten in dem Hotel samt den dazugehörigen Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung ist daher nicht möglich.
Auch die spätere Begründung des Beschwerdeführers, dass die Fahrtkosten mit den Therapien zusammenhängen würden, ändern daran nichts. Der Beschwerdeführer hat nicht nachgewiesen bzw. angegeben, dass diese Therapien nur in dieser bestimmten Therme durchgeführt werden können. Es widerspricht dem Rechtsverständnis, Fahrtkosten für Therapien, die man sich bewusst an einem bestimmten, weiter entfernten Ort verschreiben lässt, steuerlich geltend zu machen.
Die Fahrtkosten zur Therme stehen im Zusammenhang mit dem Erholungsaufenthalt. Auch die Verschreibung des Heil- und Krankengymnastik sowie der Heilmassagen ändert daran nicht.
Wenn der Beschwerdeführer die Anerkennung von Aufwendungen für zusätzliche Therapien, wie im gegenständlichen Fall Rückenmassagen, begehrt, so muss er ebenso die geforderte Voraussetzung der Zwangsläufigkeit des Erwachsens dieser Aufwendungen nachweisen. An den Nachweis des Vorliegens der Zwangsläufigkeit müssen wegen der von der allgemeinen Lebensführung schwer abgrenzbaren Kosten strenge Anforderungen gestellt werden.
Da die getätigten Maßnahmen nachweislich zur Heilung oder Linderung der Krankheit (Behinderung) notwendig sein müssen, fordern Lehre und Rechtsprechung für die Anerkennung der entsprechenden Aufwendungen als Nachweis jedenfalls eine ärztliche Verordnung, aus der sich die medizinische Notwendigkeit der betreffenden Maßnahme klar ergibt und die noch vor Beginn der Behandlungsleistungen zu erfolgen hat ().
Einem ärztlichen Gutachten kann es gleichgehalten werden, wenn zu einer Therapie von einem Träger der gesetzlichen Sozialversicherung oder auf Grund beihilfenrechtlicher Bestimmungen Zuschüsse geleistet werden, da zur Erlangung dieser Zuschüsse ebenfalls in der Regel ein ärztliches Gutachten vorgelegt werden muss.
Für das Gericht ergibt sich geradezu daraus, dass die Gymnastik und Heilmassagen von der Sozialversicherung übernommen wurden, die Rückenmassagen aber nicht, dass nur diese übernommenen Therapien außergewöhnlich und zwangsläufig waren. Im Gegensatz dazu hat der Beschwerdeführer freiwillig die Rückenmassagen durchführen lassen, um sein allgemeines Wohlbefinden, so wie das vieler Menschen, zu steigern. Es handelt sich hier um Aufwendungen zur Förderung des allgemeinen körperlichen Wohlbefindens. Eine Berücksichtigung der Kosten für die acht zusätzlichen Rückenmassagen als außergewöhnliche Belastung im Zusammenhang mit der Behinderung ist daher mangels Nachweises der Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen nicht möglich.
Die Kostenbeiträge der Sozialversicherung in Höhe von 31,85 Euro wurden bereits in der Beschwerdevorentscheidung als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt anerkannt und sind nicht strittig. Es handelt sich um den Selbstbehalt von den verschriebenen Gymnastikeinheiten und Heilmassagen sowie von ***1*** (29,92 Euro plus 1,93 Euro ergibt 31,85 Euro).
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 35 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 35 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100723.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at