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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.06.2024, RV/7100184/2024

Antrag gemäß § 299 BAO der Partei auf Bescheidaufhebung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch, den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch ***Stb***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Abweisung des "Antrages auf Wiederaufnahme der Arbeitnehmerveranlagung 2017 im Sinne des § 295 BAO" vom , zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO abgeändert.
Dem Antrag vom wird stattgegeben.
Der Bescheid betreffend Einkommensteuer 2017 (Arbeitnehmerveranlagung) vom wird gemäß § 299 BAO aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof
nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin ist Volks- und Sonderschullehrerin an einer öffentlichen Volksschule in ***X***.

Am erfolgte die antragslose Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2017 durch die Abgabenbehörde.

Am langte eine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2017 bei der Abgaben-behörde ein, in der die Beschwerdeführerin diverse Ausgaben als Werbungskosten geltend machte.

Mit Vorhalt vom wurde die Beschwerdeführerin ersucht, eine Kostenaufstellung sowie Belege betreffend die geltend gemachten Ausgaben zu übermitteln.

Mit Bescheid über die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2017 gemäß § 41 Abs 2 EStG 1988 vom wurde die antragslose Arbeitnehmerveranlagung aufgehoben. Mit gleichem Datum wurde ein mit der antraglosen Arbeitnehmerveranlagung gleichlautender Einkommensteuerbescheid 2017 mit der Begründung erlassen, dass trotz Aufforderung nicht alle Unterlagen übermittelt worden seien.
Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel erhoben.

Mit Anbringen vom stellte die Beschwerdeführerin einen "Antrag auf Wiederaufnahme der Arbeitnehmerveranlagung 2017 im Sinne des § 295 BAO" und führte dazu aus, dass sie aufgrund ihrer Unachtsamkeit das Ergänzungsersuchen nicht wahrgenommen habe. Die Beschwerdeführerin übermittelte diverse Belege, ersuchte, die Arbeitnehmerveranlagung 2017 entsprechend zu ändern, und führte ergänzend aus, dass sie als Volks- und Sonderschullehrerin an einer öffentlichen Volksschule in ***X*** sozial benachteiligte Kinder aus bildungsfernen Schichten unterrichte. Um den normalen Schulalltag zu bewältigen, seien vor allem psychologische Kompetenzen erforderlich (Kindesabnahmen in der Schule, Kontakt mit dem Jugendamt, sozial verwahrloste Kinder, Alkohol und Drogen, Gewalt in den Familien, …). Daher hätte sich die Beschwerdeführerin 2016 dazu entschlossen, sich auf diesem Gebiet weiterzubilden (Ausbildung psychotherapeutisches Propädeutikum). Leider stehe in öffentlichen ***Xer*** Volksschulen nicht der Bildungsauftrag im Vordergrund, sondern es seien hauptsächlich soziale und psychologische Kompetenzen gefragt. Die Beschwerdeführerin wies darauf hin, dass sie aufgrund ihrer musikalischen Vorerfahrungen in ihrer Schule für den musikalischen Schwerpunkt zuständig sei. Die Beschwerdeführerin bilde sich stets auf dem Gebiet weiter (Gesangsstunden und Stimmbildung). Im Juli hätte sie sich auch entschlossen Kurse am Diözesankonservatorium zu besuchen mit Schwerpunkt Spielmusik, Klavier und Gesang (günstigere Alternative - 220 € Semesterbeitrag).

Mit Bescheid vom wies die Abgabenbehörde das als "Antrag gemäß § 303 Abs 1 BAO vom auf Wiederaufnahme des Verfahrens" gedeutete Anbringen ab, "da es sich um keinen Neuerungstatbestand handle".

In der von der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin erhobenen Beschwerde vom führte diese aus, dass die seitens des Finanzamtes in das Finanzonlineportal der Beschwerdeführerin eingestellten Ergänzungsersuchen von der Beschwerdeführerin leider nicht gesehen oder wahrgenommen worden seien, wodurch per ein Einkommen-steuerbescheid ohne Berücksichtigung der beantragten Werbungskosten erlassen worden sei. Auch dieser Bescheid sei in das Finanzonlineportal gestellt worden, weshalb die Beschwerde-führerin nicht aufmerksam geworden sei. Bei der Erstellung der Steuererklärung 2018 Ende des Jahres 2022 sei die Beschwerdeführerin dann auf den ESt-Bescheid 2017 aufmerksam geworden, weil sie die Steuererklärung 2018 wieder per Finanzonline durchgeführt habe. Dabei sei ihr bewusst geworden, dass der ESt-Bescheid 2017 ohne die beantragten Werbungs-kosten veranlagt worden sei. Da die Beschwerdeführerin die Urgenzen seitens des Finanzamtes nicht mitbekommen habe, sei ihr keineswegs ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln vorzuwerfen. Auch eventuelle E-Mails habe sie vielleicht nicht bekommen können, da eventuell eine falsche E-Mail [gemeint: E-Mail-Adresse] hinterlegt worden sei, welche in der Zwischenzeit aufgelassen worden sei. Es sei in der Folge per ein Wiederaufnahme-antrag gemäß § 295a BAO gestellt worden, welcher leider vom Finanzamt per abgewiesen worden sei. Die steuerliche Vertretung ersuchte, die Wiederaufnahme antragsgemäß durchzuführen. Gesetz des Falles, dass trotz ihrer vorgebrachten Gründe die Beschwerde nicht antragsgemäß erledigt werde, stellte die steuerliche Vertretung den Antrag auf Vorlage vor dem BFG und beantragte die mündliche Verhandlung vor dem verstärkten Senat.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom mit der Begründung abgewiesen, dass die beantragten Aufwendungen bei der ursprünglichen Bescheiderlassung bekannt gewesen und somit nicht neu hervorgekommen seien.

Mit Schriftsatz vom stellte die steuerliche Vertretung den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht, auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und auf Entscheidung durch den Senat.

Mit Vorlagebericht vom übermittelte die Abgabenbehörde die Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht, verwies darauf, dass die Beschwerde-vorentscheidung der Beschwerdeführerin am in die FinanzOnline-Databox zugestellt, der Vorlageantrag aber erst am (siehe Poststempel) eingebracht worden sei und beantragte die Zurückweisung des Vorlageantrages, da dieser nicht fristgerecht eingebracht worden sei. Soweit die Beschwerdeführerin die Geltendmachung der ihr bekannten Aufwendungen aus Unachtsamkeit versäumt habe, wies die Abgabenbehörde darauf hin, dass ihr dies keinen Rechtstitel für die Durchführung einer Wiederaufnahme des Verfahrens gebe.

Mit Schriftsatz vom übermittelte die steuerliche Vertretung der Beschwerde-führerin dem Bundesfinanzgericht eine Kopie der Beschwerde [gemeint: des Vorlageantrages], aus dem ersichtlich ist, dass dieser bereits am über FinanzOnline übermittelt worden sei.

In ihrer Stellungnahme vom räumte die Abgabenbehörde ein, dass der Vorlageantrag anscheinend tatsächlich (auch) am eingebracht worden sei und dieser als rechtzeitig eingebracht zu qualifizieren sei.

Mit Beschluss vom wurde die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin vom Bundesfinanzgericht unter anderem ersucht, jene beiden Lehrveranstaltungsaufstellungen nachzureichen, die in den Rechnungen von "Prop" (Lehranstalt Psychotherapeutischen Propädeutikum der Erzdiözese ***X*** für Berufstätige), nämlich Rechnung Nr. 9006 vom iHv 949,62 € und Rechnung Nr. 9007 vom iHv 1.385,33 € als Beilage (Lehrveranstaltungsaufstellung) ausgewiesen werden und auf die in den erwähnten Rechnungen Bezug genommen wird ("Lehrveranstaltungen lt. beiliegender Aufstellung") sowie Stellung dazu zu nehmen, ob mit dem von der beschwerdeführenden Partei gestellten "Antrag auf Wiederaufnahme der Arbeitnehmerveranlagung 2017 im Sinne des § 295 BAO" bzw mit dem von der steuerlichen Vertretung gestellten "Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 295a BAO", nicht wie von der Abgabenbehörde angenommen, ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs 1 BAO, sondern ein Antrag gemäß § 299 BAO auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2017 vom gemeint gewesen sei.

Mit Schriftsatz vom übermittelte die steuerliche Vertretung der Beschwerde-führerin unter anderem zwei Lehrveranstaltungsaufstellungen der Lehranstalt Psychotherapeutischen Propädeutikum der Erzdiözese ***X*** für Berufstätige, aus denen die Titeln der von der Beschwerdeführerin absolvierten Lehrveranstaltungen, die Termine an denen die jeweiligen Lehrveranstaltungen stattgefunden haben und die Anzahl der absolvierten Lehreinheiten hervorgehen. Weiters stellte die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin klar, dass mit dem Anbringen vom ein Antrag gemäß § 299 BAO auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2017 vom gemeint gewesen sei.

In ihrer Stellungnahme vom zum Schriftsatz vom der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin führte die Abgabenbehörde unter anderem aus, dass wenn das Bundesfinanzgericht im Anbringen vom einen Antrag auf Bescheid-aufhebung gemäß § 299 BAO sehe bzw diese Sichtweise zulasse, die Abgabenbehörde sich dem nicht entgegenstelle.

Mit Fax vom nahm die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und auf Entscheidung durch den Senat zurück.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Die Beschwerdeführerin ist Volks- und Sonderschullehrerin an einer öffentlichen Volksschule in ***X***.

Beim Anbringen vom , das

  1. von der Beschwerdeführerin als "Antrag auf Wiederaufnahme der Arbeitnehmerveranlagung 2017 im Sinne des § 295 BAO",

  2. von der steuerlichen Vertretung in der Beschwerde vom als "Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 295a BAO" bezeichnet und

  3. von der Abgabenbehörde als "Antrag gemäß § 303 Abs 1 BAO auf Wiederaufnahme des Einkommensteuerbescheides 2017 vom " gewertet wurde,

handelt es sich um einen Antrag gemäß § 299 BAO auf Aufhebung des Einkommensteuer-bescheides 2017 vom .

Der Beschwerdeführerin erwuchsen im Streitjahr 2017 als Werbungskosten geltend gemachte Ausgaben für zwei an der Lehranstalt Psychotherapeutischen Propädeutikum der Erzdiözese ***X*** für Berufstätige absolvierte psychotherapeutische Propädeutika nachweislich in Höhe von 949,62 € und 1.385,33 €, die im Einkommensteuerbescheid 2017 nicht als Werbungs-kosten berücksichtigt wurden.

Der Vorlageantrag vom wurde rechtzeitig eingebracht.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den dem Bundesfinanzgericht von der Abgabenbehörde vorgelegten Unterlagen, den Schriftsätzen der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin vom und vom , den Stellungnahmen der Abgabenbehörde vom und vom sowie der folgenden Beweiswürdigung:

2. Beweiswürdigung

Die Beschwerdeführerin machte im Rahmen der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2017 Ausgaben als Werbungskosten geltend, die mangels Übermittlung angeforderter Unterlagen im Einkommensteuerbescheid 2017 nicht berücksichtigt wurden. Im Anbringen vom , das außerhalb der Rechtsmittelfrist eingebracht wurde, stellte die Beschwerde-führerin den "Antrag auf Wiederaufnahme der Arbeitnehmerveranlagung 2017 im Sinne des § 295 BAO", begründete diesen damit, dass sie aufgrund ihrer Unachtsamkeit das Ergänzungsersuchen der Abgabenbehörde nicht wahrgenommen hätte und übermittelte Aufstellungen, Rechnungen, Kassenbelege, Quittungen und dergleichen ihre als Werbungskosten geltend gemachten Ausgaben betreffend.
Die Abgabenbehörde ging bezüglich des Anbringens vom von einem Antrag gemäß § 303 (1) BAO aus und wies diesen mit der Begründung ab, dass es sich um keinen Neuerungstatbestand handle. Die gegen den Abweisungsbescheid eingebrachte Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit im Wesentlichen gleichlautender Begründung abgewiesen.
Bezüglich der Ausführungen im Vorlagebericht, wonach der Vorlageantrag - mit Hinweis auf den Poststempel vom - nicht rechtzeitig eingebracht worden sei, wurden im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht von der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin Unterlagen nachgereicht, woraufhin die Abgabenbehörde die rechtzeitige Einbringung des Vorlageantrages einräumte.
Im Hinblick darauf, dass der als "Sonstige Anbringen und Anfragen" bezeichnete Vorlageantrag am über FinanzOnline eingebracht wurde, geht das Bundesfinanzgericht - wie nun auch die Abgabenbehörde - davon aus, dass der Vorlageantrag rechtzeitig gestellt wurde.

Für die Beurteilung von Anbringen kommt es nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 85 Tz 1).
Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Anbringen vom den "Antrag auf Wieder-aufnahme der Arbeitnehmerveranlagung 2017 im Sinne des § 295 BAO" gestellt und gleichzeitig die von der Abgabenbehörde abverlangten Unterlagen nachgereicht. Während die Abgabenbehörde den von der Beschwerdeführerin verbal verwendete Verfahrenstitel der Wiederaufnahme aufgegriffen hat und das Anbringen vom als Antrag gemäß § 303 (1) BAO auf Wiederaufnahme des Verfahrens gewertet und diesen mit dem Hinweis abgewiesen hat, dass es sich um keinen Neuerungstatbestand handle, geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass von der Beschwerdeführerin das Ziel verfolgt wurde, mit der Nachreichung der abverlangten Unterlagen die antragsgemäße Berücksichtigung der als Werbungskosten geltend gemachten Ausgaben zu erwirken.

Parteierklärungen im Verwaltungsverfahren sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, dh es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 85 Tz 1).

Soweit das Ziel der Beschwerdeführerin in der Berücksichtigung der als Werbungskosten geltend gemachten Ausgaben bestand, war der Verfahrenstitel der Wiederaufnahme des Verfahrens - mit Hinweis auf die Begründung der Beschwerdevorentscheidung, wonach die beantragten Aufwendungen bei der ursprünglichen Bescheiderlassung bekannt gewesen und somit auch nicht neu hervorgekommen seien - dazu nicht geeignet. Im Hinblick darauf, dass im Zweifel dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen ist, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 85 Tz 1), geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass das Anbringen vom - wie von der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom klargestellt - als Antrag gemäß § 299 BAO auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2017 vom zu verstehen ist, zumal dieser auch innerhalb der Verjährungsfrist des § 302 Abs 1 BAO gestellt wurde.

Die Aufhebung, aber auch die Abweisung des Aufhebungsantrages, setzt die vorherige Klärung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes voraus (vgl ; , 2012/13/0059; Ritz/Koran, BAO7, § 299 Tz 13).

Ob bzw in welchem Ausmaß der Beschwerdeführerin Werbungskosten im Streitjahr 2017 erwachsen sind, ist eine Sachverhaltsfrage. Der angefochtene Bescheid enthält keine konkreten Feststellungen zu den einzelnen als Werbungskosten geltend gemachten Ausgaben. Erst wenn derartige Feststellungen getroffen sind, lässt sich beurteilen, ob der Spruch jenes Bescheides sich als nicht richtig erweist, deren Aufhebung die Beschwerdeführerin beantragt hat.

In ihrer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2017 machte die Beschwerdeführerin neben dem Pendlerpauschale und dem Pendlereuro, Ausgaben für Arbeitsmittel in Höhe von 1.145,64 €, Fachliteratur in Höhe von 483,17 € und Fortbildung in Höhe von 2.624,95 € als Werbungskosten geltend und übermittelte mit ihrem Anbringen vom neben Aufstellungen, Kassenbelege, Quittungen und dergleichen auch zwei Rechnungen von "Prop" (Lehranstalt Psychotherapeutischen Propädeutikum der Erzdiözese ***X*** für Berufstätige) vom in Höhe von 949,62 € und vom in Höhe von 1.385,33 €, in denen "Lehrveranstaltungen lt. beiliegender Aufstellung" verrechnet und als Beilage "Lehrveranstaltungsaufstellung" angeführt wurden. Mit Beschluss vom hat das Bundesfinanzgericht die Beschwerdeführerin ersucht, die in den beiden Rechnungen erwähnten Lehrveranstaltungsaufstellungen zu übermitteln, woraufhin die Beschwerde-führerin die folgenden Aufstellungen nachreichte, aus denen die der Beschwerdeführerin angerechneten Lehrveranstaltungen und die von der Beschwerdeführerin absolvierten Lehrveranstaltungen hervorgehen. Weiters sind den Aufstellungen die Titel der einzelnen Lehrveranstaltungen, die jeweiligen Vortragende, die Termine, an denen diese stattgefunden haben und die Anzahl der Lehreinheiten, zu entnehmen:

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 16 Abs 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. […] Werbungskosten sind auch:
[…]

10. Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit […].

Das Berufsbild des Lehrers beinhaltet über die Aufgabe der reinen Wissensvermittlung hinaus auch persönlichkeitsbildende Komponenten. Um den darin und allgemein im Lehrberuf gelegenen Anforderungen zu genügen und auch um einer erfolgreichen Wissensvermittlung gerecht zu werden, sind einschlägige psychologische Kenntnisse unzweifelhaft sinnvoll (vgl ; Jakom/Ebner EStG, 2024, § 16 Rz 49).

Die Beschwerdeführerin ist Volks- und Sonderschullehrerin an einer öffentlichen Volksschule in ***X*** und unterrichtet ihren eigenen Angaben zufolge sozial benachteiligte Kinder aus bildungsfernen Schichten. Um den normalen Schulalltag zu bewältigen, sind laut Beschwerdeführerin vor allem psychologische Kompetenzen erforderlich. Im Hinblick darauf, dass laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch die psychologische Fortbildung bei einem in kaufmännischen bzw technischen Fächern unterrichtenden Lehrer berufsspezifisch ist, geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass für eine Volks- und Sonderschullehrerin in ***X*** psychologische Kenntnisse ebenso unzweifelhaft sinnvoll sind und dass es sich bei den beiden von der Beschwerdeführerin im Streitjahr 2017 absolvierten psychotherapeutischen Propädeutika um eine berufliche Fortbildung handelt, die dazu dient, die bisherigen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten der Beschwerdeführerin zu verbessern, um im bereits ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden.

An Hand der beiden vorgelegten Rechnungen von "Prop" (Lehranstalt Psychotherapeutischen Propädeutikum der Erzdiözese ***X*** für Berufstätige) vom in Höhe von 949,62 € und vom in Höhe von 1.385,33 € sowie den nachgereichten Lehrveranstaltungs-aufstellungen wurden somit für das Streitjahr 2017 Ausgaben in Höhe von insgesamt 2.334,95 € nachgewiesen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechnung Nr. PROP 9006 - 16/23
949,62 €
Rechnung Nr. PROP 9007 - 16/23
1.385,33 €
Summe
2.334,95 €

Gemäß § 299 Abs 1 BAO idF des FVwGG 2012 (§ 323 Abs 37 BAO) BGBl I Nr 14/2013 kann die Abgabenbehörde auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Der Antrag hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides;
b) die Gründe, auf die sich die behauptete Unrichtigkeit stützt.

Die Aufhebung setzt die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus; die bloße Möglichkeit reicht nicht aus (vgl ; , 2012/13/0059).

Die Rechtswidrigkeit muss nicht offensichtlich sein.

Die Aufhebung, aber auch die Abweisung des Aufhebungsantrages, setzt die vorherige Klärung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes voraus (vgl ; , 2012/13/0059; Ritz/Koran, BAO7, § 299 Tz 13).

Der Inhalt eines Bescheides ist rechtswidrig, wenn der Spruch des Bescheides rechtswidrig ist, sei es, dass er gegen Gesetze, gegen Verordnungen oder gegen Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union verstößt. Der Bescheidspruch ist nicht nur bei unzutreffender Auslegung von Rechtsvorschriften inhaltlich rechtswidrig. Er ist auch rechtswidrig, wenn entscheidungserhebliche Tatsachen oder Beweismittel nicht berücksichtigt wurden; dies auch dann, wenn die Nichtberücksichtigung auf mangelnde Kenntnis der Abgabenbehörde (zB als Folge mangelnder Offenlegung durch die Partei) zurückzuführen ist (vgl Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 299 Tz 15).

Bei der Aufhebung auf Antrag bestimmt die betreffende Partei den Aufhebungsgrund. Sie gibt im Aufhebungsantrag an, aus welchen Gründen sie den Bescheid für inhaltlich rechtswidrig erachtet. Die Sache, über die in der Beschwerde gegen einen Bescheid, mit welchem der Aufhebungsantrag abgewiesen wird, zu entscheiden ist, wird bei der beantragten Aufhebung somit auch durch die Partei im Aufhebungsantrag festgelegt (vgl ).

Ob bzw in welchem Ausmaß die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Werbungskosten auch tatsächlich angefallen sind, ist eine Sachverhaltsfrage. Der angefochtene Bescheid enthält keine konkreten Feststellungen zu den einzelnen Werbungskosten. Erst wenn derartige Feststellungen getroffen sind, lässt sich beurteilen, ob der Spruch jenes Bescheides sich als nicht richtig erweist, dessen Aufhebung die Beschwerdeführerin beantragt hat.

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens hat das Bundesfinanzgericht mit Beschluss vom versucht, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt dahingehend zu klären, ob bzw in welcher Höhe der Beschwerdeführerin im Streitjahr 2017 Werbungskosten erwachsen sind. Aufgrund der oben ausführlich dargelegten freien Beweiswürdigung gelangt das Bundesfinanzgericht zu der Auffassung, dass der Beschwerdeführerin im Streitjahr 2017 nachweislich Werbungskosten im nicht unbeträchtlichen Ausmaß in Höhe von zumindest 2.334,95 € erwachsen sind. Der Spruch des Einkommensteuerbescheides 2017 erweist sich daher als nicht richtig.

Der Spruch eines Bescheides erweist sich auch dann als nicht richtig, wenn die Nichtberücksichtigung entscheidungserheblicher Tatsachen oder Beweismittel auf mangelnde Kenntnis der Abgabenbehörde zB als Folge mangelnder Offenlegung durch die Partei zurückzuführen ist.

Die Voraussetzungen für eine Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO liegen somit vor; ob der Einkommensteuerbescheid 2017 tatsächlich aufgehoben wird, ist jedoch eine Ermessens-entscheidung.

Gemäß § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen.

Unter "Billigkeit" versteht die ständige Rechtsprechung die "Angemessenheit in bezug auf berechtigte Interessen der Partei", unter "Zweckmäßigkeit" das "öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben".

Die Billigkeit gebietet die Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie des steuerlichen Verhaltens und der wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei, ferner sind auch das bisherige redliche oder unredliche Verhalten des Abgabepflichtigen, seine Einstellung zum Recht und zu seinen abgabenrechtlichen Pflichten zu würdigen. Zur Zweckmäßigkeit gehört auch die Berücksichtigung der Verwaltungsökonomie (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 20 Tz 7 und die dort zitierte Judikatur).

Die Ermessensübung hat sich vor allem am Zweck der Norm zu orientieren. Daher ist zB für Aufhebungen gemäß § 299 insbesondere der Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) vor jenem der Rechtsbeständigkeit zu beachten (siehe
Ritz/Koran, aaO, § 20 Tz 8; Stoll, BAO-Kommentar, 209).

Grundsätzlich ist für die Ermessensübung bedeutungslos, ob die Rechtswidrigkeit des Bescheides auf ein Verschulden der Abgabenbehörde und/oder der Partei zurückzuführen ist (Ritz/Koran, aaO, § 299 Tz 59).

Im vorliegenden Beschwerdefall wären im Streitjahr 2017 korrekterweise zumindest belegmäßig nachgewiesene Werbungskosten in Höhe von 2.334,95 € in Ansatz zu bringen. Allein diese Zahlen belegen, dass die Beschwerdeführerin berechtigte Interessen an der Bescheidaufhebung hat, zumal die Einkünfte der Beschwerdeführerin im Jahr 2017 lediglich 29.382,46 € betragen haben.

Selbst wenn man ein Verschulden der Beschwerdeführerin an der Nichtberücksichtigung der erst vor dem Bundesfinanzgericht nachgewiesenen Werbungskosten annimmt, der Beschwerdeführerin das Verschulden zurechnet, den Vorhalt der Abgabenbehörde vom nicht beantwortet zu haben und gegen den Bescheid vom keine Beschwerde erhoben zu haben, ist aufgrund der Höhe der nicht berücksichtigten Kosten das Ermessen im Sinne der Aufhebung des Einkommensteuerbescheides zu üben.

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die beiden von der Beschwerdeführerin absolvierten psychotherapeutischen Propädeutika Fortbildungsmaßnahmen im Sinne des
§ 16 Abs 1 Z 10 EStG 1988 darstellen und die der Beschwerdeführerin daraus erwachsenen Ausgaben in Höhe von 2.334,95 € als Werbungskosten zu berücksichtigen sind, war die Gewissheit der Rechtswidrigkeit des aufzuhebenden Bescheides gegeben und somit die Voraussetzung für die Abweisung des Aufhebungsantrages nicht erfüllt.

Bei Abwägung aller in Betracht kommender Gesichtspunkte ist dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit vor allem im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit zu geben, dem Antrag der Beschwerde-führerin auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2017 war daher stattzugeben (vgl ).

Der Bescheid betreffend Einkommensteuer 2017 (Arbeitnehmerveranlagung) vom wird gemäß § 299 BAO aufgehoben.

Die Abgabenbehörde wird in weiterer Folge einen neuen Sachbescheid (Einkommensteuer-bescheid 2017) zu erlassen haben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Die Beurteilung der zu lösenden Rechtsfrage erfolgte im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Im Übrigen hing der Beschwerdefall von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen ab. Tatfragen sind kein Thema für eine ordentliche Revision.
Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 41 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 302 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 299 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 323 Abs. 37 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Schlagworte
Billigkeit
Bescheidaufhebung
psychotherapeutisches Propädeutikum
Berufsbild
Werbungskosten
Zweckmäßigkeit
Rechtswidrigkeit
Lehrer
Ermessen
Antrag gemäß § 299 BAO
psychologische Kenntnisse
Ermessensentscheidung
Fortbildung
Verweise
Ritz/Koran, BAO 7. Aufl., § 85 Tz 1


Ritz/Koran, BAO 7. Aufl., § 299 Tz 13 + 59

Jakom/Ebener EStG, 2024, § 16 Rz 49

Ellinger/Sutter/Urtz, BAO 3. Aufl., § 299 Tz 15

Ritz/Koran, BAO 7. Aufl., § 20 Tz 7 + 8
Stoll, BAO-Kommentar, 209
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100184.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at