Kein Studienerfolgsnachweis für das Masterstudium
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum März 2022 bis Februar 2023, SVNr. ***1***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig .
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist Mutter von ***2***, geb. ***3***.
Diese absolvierte vom Wintersemester 2016 bis Sommersemester 2021 das Bachelorstudium Politikwissenschaften. Im Wintersemester 2021/22 begann sie mit dem Masterstudium Politikwissenschaften.
Die Tochter vollendete am TT.6.2022 das 24. Lebensjahr.
Lt. Mitteilung an die Bf. vom hatte sie Anspruch auf Familienbeihilfe bis Februar 2023.
Die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge wurden für den Zeitraum März 2022 bis Februar 2023 mit der Begründung zurückgefordert, dass abverlangte Unterlagen nicht vorgelegt worden seien. Im Konkreten handelte es sich dabei um einen Studienerfolgsnachweis in Form von Prüfungsnantritten für diesen Zeitraum, die mit Ergänzungsersuchen vom abverlangt worden waren.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom , eingelangt bei der Behörde am , in der die Bf. vorbrachte, die Tochter habe zielstrebig studiert, es seien jedoch seitens der Universität einige Prüfungen nicht eingetragen worden. Sie werde dies nachreichen.
Die Bf. legte eine Bestätigung der Universität betr. positiv absolvierter Prüfungen im Rahmen des Masterstudiums Politikwissenschaften vor. Demnach hat sie am (Wintersemester 2022) 4 ECTS Punkte erreicht und am (Sommersemester 2023) 9 ECTS Punkte.
Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Die Tochter habe an der UNI Wien am und dann erst
wieder am eine Prüfung abgelegt. Im Zeitraum zwischen bis ,
also über ein Jahr lang wurden keine Prüfungen abgelegt. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Tochter ernsthaft und zielstrebig studiert habe.
Im Schreiben vom , das von der belangten Behörde als Vorlageantrag gewertet wurde, verwies die Bf. darauf, dass die Universität bis 30.4. Zeit habe, einen Prüfungsantritt einzutragen. Genau das sei geschehen, obwohl die Tochter bereits im Februar 2023 ein Seminar abgeschlossen habe.
Sie habe in der fraglichen Zeit als geringfügig beschäftigt gearbeitet und habe auch etliche Vorlesungen besucht, sei aber nicht dazu gekommen, Prüfungen zu schreiben.
Sie bitte, dieses Seminar anzuerkennen, da sie wöchentlich teilgenommen habe, wöchentlich Hausaufgaben abgegeben, wöchentlich sich mit der Literatur auseinandergesetzt, regelmäßig Präsentationen abgelegt und eine 15-seitige wissenschaftliche Arbeit abgegeben habe.
Als Nachweis für ihr Vorbringen legte sie diverse computerverfasste "Vorlesungsmitschriften" vor.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Tochter der Bf. begann im Wintersemester (WS) 2021/2022 das Masterstudium Politikwissenschaften.
Sie vollendete am TT.6.2022 das 24. Lebensjahr.
Familienbeihilfe wurde zunächst bis Februar 2023 gewährt.
Die relevanten Semester umfassen folgende Monate:
WS 2021/2022: Oktober 2021-Februar 2022
SS 2022: März 2022 bis September 2022
WS 2022/2023: Oktober 2022-Februar 2023
Im Rahmen des Masterstudiums erreichte sie am , somit im WS 2021/2022 4 ECTS Punkte und im Sommersemester (SS) keine (0) ECTS Punkte.
Auch für das Wintersemester 2022/2023 (Ende des Rückforderungszeitraumes Februar 2023) wurden von der Universität keine ECTS Punkte bestätigt, sondern erst für (Sommersemester 2023) 9 ECTS Punkte.
2. Beweiswürdigung
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.
Gem. § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB. ; , 2006/15/0301; , 2011/16/0011; , 2009/17/0132). Ritz, BAO6, § 167 Tz 8).
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
§ 2 FLAG 1967 lautet:
§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
……..
b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß,
………………
(9) Die Anspruchsdauer nach Abs. 1 lit. b und lit. d bis j verlängert sich im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise, unabhängig von der Dauer der Beeinträchtigung durch diese Krise, nach Maßgabe folgender Bestimmungen:
……………….
b) für volljährige Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes genannte Einrichtung besuchen, abweichend von lit. a über die Altersgrenze und die Studiendauer, für die nach Abs. 1 Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, hinaus um ein weiteres Semester oder um ein weiteres Ausbildungsjahr, bei einem vor Erreichung der Altersgrenze begonnenem Studium infolge der COVID-19-Krise…………,
Gem. § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommen.
Der Tochter der Bf. wurde zunächst Familienbeihilfe auch nach Erreichen der Altersgrenze von 24 Jahren im Juni 2022 ausbezahlt.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 gilt die Aufnahme als ordentlicher Hörer als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Weitere Voraussetzungen sind dem FLAG 1967 nicht zu entnehmen. Für die Berechtigung der Annahme, dass eine Berufsausbildung vorliegt, stellt das FLAG 1967 insofern eine gesetzliche Beweisregel auf, als für Studierende nach dem ersten Studienjahr die Ablegung bestimmter Prüfungen nachzuweisen ist (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2. A. 2020 § 2 Rz 68). Es wird zwar der Begriff des Studiums nach dem StudFG jeweils durch die Inskription bestimmt (vgl. u.v.a), allerdings wird das in § 2 FLAG 1967 geforderte Tatbestandsmerkmal der überwiegenden Inanspruchnahme durch die Ausbildung, bezogen auf ein Universitätsstudium, nicht mit der bloßen Inskription erfüllt. Erforderlich ist, dass das Studium tatsächlich in einem bestimmten Ausmaß ernsthaft betrieben wird (vgl. zu AlVG). Wird über die Aufnahme als ordentlicher Hörer hinaus von vorneherein keinerlei Aktivität in Richtung eines Studiums gesetzt, liegt keine Berufsausbildung vor (vgl. ). Daher genügt die Inskription als reiner Formalakt nicht; der Besuch von Lehrveranstaltungen oder der Antritt zu Prüfungen ist essentielle Voraussetzung dafür, dass von einer Berufsausbildung gesprochen werden kann (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2. A. 2020 § 2 Rz 59; ; ; ).
Zum Betrieb eines Studiums gehört demnach auch der (regelmäßige) Besuch von Lehrveranstaltungen und die Anmeldung zu Prüfungen (z.B. ; ; ). Die jedem Studenten eingeräumte und auch vom Gesetzgeber in den Materialien zum Bundesgesetz BGBl. Nr. 311/1992 (Änderung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967) erwähnte akademische Freiheit, ein Studium und den Studienfortgang völlig frei zu bestimmen, bedeutet zwar einerseits nicht, dass detaillierte Nachweise zu erbringen wären, ob und wie in einem bestimmten Monat studiert wird. Andererseits kann diese akademische Freiheit aber nicht dahingehend aufgefasst werden, dass eine Berufsausbildung iSd FLAG durch Besuch einer in § 3 StudFG genannten Einrichtung auch dann vorliegt, wenn tatsächlich keine Aktivitäten in Richtung eines Studiums gesetzt werden, die die Annahme einer Berufsausbildung iSd FLAG rechtfertigen (vgl. , unter Verweis auf ; ).
Eine Berufsausbildung ist mit erfolgreicher Beendigung des Bachelorstudiums abgeschlossen. Ein anschließend begonnenes Masterstudium stellt ein davon getrenntes neues Studium und eine weitere Berufsausbildung dar (vgl. für viele ).
Die Tochter der Bf. hat das Bachelorstudium Politikwissenschaften beendet und im Wintersemester 2021 /2022 das Masterstudium, somit ein neues Studium, begonnen. Bezüglich eines Erfolgsnachweises gelten daher die o.a. allgemeinen Bestimmungen.
Das erste Studienjahr dauerte von Oktober 2021 bis September 2022. In diesem Zeitraum hat sie nur 4 ECTS Punkte bei einem Prüfungsantritt im Jänner 2022 erreicht, wobei im Sommersemester keine ECTS Punkte erreicht wurden. Von einem ernsthaft betriebenen Studium im Sinne der o.a. Judikatur des Verwaltungsgerichthofes und des Bundesfinanzgerichtes kann daher nicht gesprochen werden, sodass kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht.
Das zweite Studienjahr begann mit Oktober 2022. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht auf Grund der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 2 Abs. 1 FLAG 1967, wenn aus einem vorangegangenen Studienjahr ein Studienerfolg von mindestens 16 ECTS Punkten nachgewiesen wird. Dies ist erwiesenermaßen nicht der Fall, weil im ersten Studienjahr nur 4 ECTS Punkt erreicht wurden. Es ist daher für die Rückforderung, soweit sie den Zeitraum des zweiten Studienjahres, somit Oktober 2022 bis Februar 2023, betrifft nicht von Bedeutung, ob der Abschluss eines Seminares nach Auffassung der Bf. bereits im Februar und nicht, wie von der Universität, im April 2023 mit 9 ECTS Punkten zu erfassen gewesen wäre.
Dass die Tochter im Rückforderungszeitraum geringfügig beschäftigt gewesen sein soll und diese Beschäftigung sie daran gehindert haben soll zu Prüfungen anzutreten, stellt kein unabwendbares oder unvorhersehbares Ereignis im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 dar und führt somit nicht zu einer Studienbehinderung.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Frage wann eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 vorliegt wurde vom Verwaltungsgerichtshof bereits ausreichend geklärt, sodass eine Rechtsfrage von wesentlicher Bedeutung nicht vorliegt und die (ordentliche) Revision auszuschließen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100860.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at