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Säumnisbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 28.06.2024, RS/5100003/2024

Unzulässige Eingabe eines abberufenen gerichtlichen Erwachsenenvertreters

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Säumnisbeschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** laut Eingabe vom vertreten durch ***Erwachsenenvertreter_1***, ***Ewachsenenvertreter_1_Adresse*** (als Erwachsenenvertreter) über die Beschwerde betreffend die behauptete Säumnis des Finanzamtes Österreich betreffend die Entscheidung über den Antrag vom auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe ab dem Zeitpunkt des Eintritts der erheblichen Behinderung im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung (Juni 2017 bis inklusive Dezember 2021, zu ***SVNr***) beschlossen:

Die Säumnisbeschwerde wird gemäß § 284 Abs. 7 lit. b BAO in Verbindung mit § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Verfahrensgang und relevanter Sachverhalt

Für den Beschwerdeführer (in der Folge: "Bf.") ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** geboren am ***2***, wurde mit Beschluss desBezirksgerichtes ***3*** vom ***2021*** zu ***GZ_1*** ***Erwachsenenvertreter_1***, Rechtsanwalt, ***Ewachsenenvertreter_1_Adresse***, als gerichtlicher Erwachsenenvertreter gemäß § 271 ABGB idF BGBl. I Nr. 59/2017 bestellt. Sein Aufgabenkreis umfasste die Vertretung vor Ämtern, Behörden und Gerichten, finanzielle Angelegenheiten (soweit sie über Geschäfte für den täglichen Bedarf hinausgehen und Vertretung beim Abschluss von damit in Zusammenhang stehenden Rechtsgeschäften) sowie die Vertretung bei medizinischen Behandlungen, soweit sie rehabilitative Maßnahmen der psychischen Erkrankung betreffen.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes ***3*** vom zu ***GZ_1*** wurde diese gerichtliche Erwachsenenvertretung erneuert und umfasste nunmehr folgenden Wirkungsbereich: Vertretung in behördlichen Angelegenheiten und gerichtlichen Verfahren betreffend die Familienbeihilfe, Vertretung zur Wahrung der Rechte des Betroffenen im Rahmen des Maßnahmenvollzuges sowie die Vertretung vor Ämtern, Behörden und Gerichten. Ein Genehmigungsvorbehalt wurde nicht angeordnet.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts ***1*** vom zu ***GZ_2*** wurde der bisherige Erwachsenenvertreter ***Erwachsenenvertreter_1*** abberufen und an dessen Stelle der Erwachsenenschutzverein ***Erwachsenenvertreter_2***, ***Erwachsenenvertreter_2_Adresse***, als gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt. Dessen Wirkungsbereich umfasst die Vertretung in behördlichen Angelegenheiten und gerichtlichen Verfahren betreffend die Familienbeihilfe, Vertretung zur Wahrung der Rechte der betroffenen Person im Rahmen des Maßnahmenvollzuges sowie (allgemein) die Vertretung vor Ämtern, Behörden und Gerichten. Der Beschluss enthält im Anschluss an die Beschlussbegründung unter anderem folgenden Hinweis: "Wirksamwerden der gerichtlichen Erwachsenenvertretung:Die Übertragung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung wird mit Rechtskraft dieses Beschlusses wirksam."

Dieser Beschluss wurde dem bisherigen und damit nunmehr abberufenen Erwachsenenvertreter und dem neu bestellten Erwachsenenvertreter jeweils am zugestellt. Gegen diesen Beschluss wurde nach Auskunft des Pflegschaftsgerichtes vom bis zum Ablauf der Rekursfrist und auch danach keinerlei Rechtsmittel oder Rechtsbehelf eingebracht.

Mit brachte der mit Beschluss vom abberufene Erwachsenenvertreter ***Erwachsenenvertreter_1*** für den Bf. "als Erwachsenenvertreter" die nunmehr gegenständliche Säumnisbeschwerde vom ein.

Das Bundesfinanzgericht übermittelte die Säumnisbeschwerde sowie weitere relevante Aktenteile der belangten Behörde mit Beschluss vom zur Kenntnis und Stellungnahme und ersuchte zur Klärung des relevanten Sachverhalts bezüglich des Vorliegens einer Säumnis, da dies aufgrund der Aktenlage nicht abschließend beurteilt werden konnte, um die Beantwortung konkreter Fragen. Aus einer Einsichtnahme des Bundesfinanzgerichts in die Finanzverwaltungs-Datenbank betreffend Familienbeihilfen (FABIAN) hatte sich nämlich ergeben, dass vom nunmehrigen Beschwerdeführer am ein Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe für den Zeitraum ab gestellt wurde (FABIAN-Eingangsdatum , Posteingangsstempel ), welcher allerdings nicht in der Säumnisbeschwerde erwähnt wurde. Zu diesem Antrag war zum Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde am und auch zum Zeitpunkt des Beschlusses vom in dieser Datenbank keine ausdrücklich darauf Bezug nehmende Erledigung dokumentiert.

Erst nach Übermittlung der Säumnisbeschwerde an die belangte Behörde erfolgte eine entsprechende bescheidmäßige Absprache durch die belangte Behörde über den Antrag des Bf. vom . Die belangte Behörde erließ mit Bescheiden vom konkret betreffend den Zeitraum Jänner 2019 bis Dezember 2021 sowohl (jeweils abweisende) Entscheidungen betreffend den Grundbetrag der Familienbeihilfe, als auch betreffend den Erhöhungsbetrag.

Am erreichte das Bundesfinanzgericht die Stellungnahme der belangten Behörde vom selben Tag zur verfahrensgegenständlichen Säumnisbeschwerde vom . Darin wurde mitgeteilt, dass zum Antrag vom auf Gewährung von Familienbeihilfe mit ein Abweisungsbescheid erlassen wurde, mit welchem über den Zeitraum 01/2019-12/2021 abgesprochen wurde. Ebenfalls mit wurde demnach der noch offene Antrag des Bf. vom auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe für den Zeitraum 1/2019 bis 12/2021 abgewiesen. Aus Sicht der Abgabenbehörde liege im gegenständlichen Fall keine Säumnis vor, da über den Antrag vom bereits vollständig entschieden worden sei. In diesem Zusammenhang verwies die belangte Behörde auf das Erkenntnis des BFG vom , Punkt 3.1. (Seite 4 unten), wonach das Finanzamt den allein gestellten Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages ab 6/2017 bis 12/2021 nicht in der Sache behandeln dürfe, solange dazu kein (korrespondierender) Antrag auf Familienbeihilfe vorliege. Mit der nunmehrigen bescheidmäßigen Erledigung des Antrages vom liege kein offener Antrag auf den Grundbetrag mehr für jenen Zeitraum vor, der in der Säumnisbeschwerde als offen bezeichnet werde. Eine Behandlung in der Sache für den Zeitraum 6/2017 bis 12/2018 sei daher aus Sicht der Abgabenbehörde nicht möglich.

Mit Eingabe vom , dem Bundesfinanzgericht zugestellt am , gab der Erwachsenenschutzverein ***Erwachsenenvertreter_2*** gegenüber dem Bundesfinanzgericht seine Bestellung zum Erwachsenenvertreter mit Verweis auf den Beschluss des Bezirksgerichtes ***1*** vom bekannt, ohne jedoch eine Kopie des entsprechenden Beschlusses zu übermitteln. Weiters wurde unter Anschluss einer entsprechenden Urkunde vom mitgeteilt, dass ***Erwachsenenvertreter_2_Mitarbeiter***, Mitarbeiter des Vertretungsnetzes, mit der Wahrnehmung der Erwachsenenvertretung für den Bf. betraut wurde.

In der Folge wurden der bestellte und der abberufene Erwachsenenvertreter durch das Bundesfinanzgericht über den Standdes Säumnisbeschwerdeverfahrens informiert und um Übermittlung weiterer Unterlagen ersucht. Der nunmehrige Erwachsenenvertreter legte dazu ein Schreiben seinerseits vom an das Bezirksgericht ***1*** vor, in welchem er um Bekanntgabe der Bestätigung der Rechtskraft seines Bestellungsbeschlusses und den Vermerk des Datums, mit dem der Beschluss rechtskräftig wurde, ersuchte. Weiters legte dieser das entsprechende Antwortschreiben des Bezirksgerichts ***1*** vom vor, wonach er zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter bestellt sei. Dieses Antwortschreiben enthält allerdings keine taggenaue Angabe, wann die Rechtskraft eingetreten war.

Der abberufene Erwachsenenvertreter (***4*** als zuständige Sachbearbeiterin der Kanzlei des abberufenen Erwachsenenvertreters ***Erwachsenenvertreter_1***) teilte auf Anfrage des Bundesfinanzgerichts, ob und ggf. wann ihm der Abberufungsbeschluss des Bezirksgerichtes ***1*** vom ***GZ_2*** zugestellt wurde, mit, dass dies am der Fall war. Dazu wurde ein entsprechender Beleg (ERV-Beschlussausfertigung mit Zeitstempel) übermittelt. Auf weiteres Befragen, warum trotz Abberufung vom noch die Eingabe vom für ***Bf1*** durch die Kanzlei eingebracht wurde, wurde mitgeteilt, dass die Eingabe leider verspätet und wohl auch erst nach Rechtskraft des Abberufungsbeschlusses eingebracht wurde und die Fristen offenbar übersehen worden sein müssen.

Das Bundesfinanzgericht ersuchte das Bezirksgericht ***1*** am bezugnehmend auf den Erwachsenenvertreter-Umbestellungsbeschluss vom um Auskunft, ob und ggf. seit wann dieser Umbestellungsbeschluss rechtskräftig ist bzw. ob dagegen gerichtete Eingaben eingelangt sind. Es wurde die Auskunft erteilt, dass bislang kein Rechtsmittel/Rechtsbehelf eingelangt ist.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ist - soweit entscheidungsrelevant - unstrittig und ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Akteninhalt. Weiters stützt sich dieser auf die Angaben der Parteien, des abberufenen und des nunmehrigen Erwachsenenvertreters, auf Recherchen des Bundesfinanzgerichts in der Familienbeihilfen-Datenbank der Bundesfinanzverwaltung ("FABIAN") sowie auf einer Auskunft des für die Erwachsenenvertreterbestellung zuständigen Bezirksgerichts ***1***.

3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Rechtslage

Nach § 80 Abs. 1 BAO (Bundesabgabenordnung) idF BGBl. I Nr. 200/2023 haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen.

§ 284 BAO idF BGBl. I Nr. 105/2014 lautet:

"(1) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

(2) Das Verwaltungsgericht hat der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.

(3) Die Zuständigkeit zur Entscheidung geht erst dann auf das Verwaltungsgericht über, wenn die Frist (Abs. 2) abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.

(4) Säumnisbeschwerden sind mit Erkenntnis abzuweisen, wenn die Verspätung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen ist."

(5) (…)

"(6) Partei im Beschwerdeverfahren ist auch die Abgabenbehörde, deren Säumnis geltend gemacht wird.

(7) Sinngemäß sind anzuwenden:

a) § 256 Abs. 1 und 3 (Zurücknahme der Beschwerde),

b) § 260 Abs. 1 lit. a (Unzulässigkeit),

c) § 265 Abs. 6 (Verständigungspflichten),

d) § 266 (Vorlage der Akten),

e) § 268 (Ablehnung wegen Befangenheit oder Wettbewerbsgefährdung),

f) § 269 (Obliegenheiten und Befugnisse, Ermittlungen, Erörterungstermin),

g) §§ 272 bis 277 (Verfahren),

h) § 280 (Inhalt des Erkenntnisses oder des Beschlusses)."

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist die Beschwerde vom Bundesfinanzgericht mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Gemäß § 271 ABGB (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) idF BGBl. I Nr. 59/2017 ist einer volljährigen Person vom Gericht auf ihren Antrag oder von Amts wegen insoweit ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter zu bestellen, als

1. sie bestimmte Angelegenheiten aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen kann,

2. sie dafür keinen Vertreter hat,

3. sie einen solchen nicht wählen kann oder will und

4. eine gesetzliche Erwachsenenvertretung nicht in Betracht kommt.

Gesetzlicher Vertreter einer natürlichen Person ist nach § 1034 Abs. 1 Z 3 ABGB idF BGBl. I 59/2017 unter anderem ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter. Nach § 1034 Abs. 2 ABGB wird, sofern nichts anderes angeordnet ist, eine durch Gerichtsentscheidung angeordnete gesetzliche Vertretung mit Rechtskraft der Entscheidung wirksam.

§ 23 des Bundesgesetzes über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (Außerstreitgesetz - AußStrG 2005) idF BGBl. I Nr. 76/2002 lautet samt Überschrift:

"Fristen

(1) Die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über die Fristen, ausgenommen § 222 ZPO, sind sinngemäß anzuwenden.

(2) Die Fristen für die Einbringung und Beantwortung eines Rechtsmittels und die Anbringung eines Abänderungsantrags sind Notfristen."

§ 42 AußStrG 2005 idF BGBl. I Nr. 111/2003 lautet:

"Soweit eine Partei einen Beschluss nicht mehr anfechten kann, erwächst er ihr gegenüber in Rechtskraft."

§ 43 Abs. 1 AußStrG 2005 idF BGBl. I Nr. 111/2003 lautet samt Überschrift:

"Beschlusswirkungen

Mit der Rechtskraft eines Beschlusses treten Vollstreckbarkeit, Verbindlichkeit der Feststellung oder Rechtsgestaltung ein."

§ 45 AußStrG 2005 idF BGBl. I Nr. 111/2003 lautet:

"Beschlüsse des Gerichtes erster Instanz können mit Rekurs an das Gericht zweiter Instanz (Rekursgericht) angefochten werden. Verfahrensleitende Beschlüsse sind, soweit nicht ihre selbständige Anfechtung angeordnet ist, nur mit dem Rekurs gegen die Entscheidung über die Sache anfechtbar."

§ 46 AußStrG 2005 idF BGBl. I Nr. 111/2010 lautet:

"(1) Die Frist für den Rekurs beträgt vierzehn Tage. Sie beginnt mit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des selbständig anfechtbaren Beschlusses.

(2) Eine nicht aktenkundige Partei, der der Beschluss nicht zugestellt worden ist, kann einen Rekurs bis zu jenem Zeitpunkt erheben, bis zu dem eine aktenkundige Partei einen Rekurs erheben oder eine Rekursbeantwortung erstatten kann."

§ 120 Abs. 1 AußStrG 2005 idF BGBl. I Nr. 58/2018 lautet:

"Erfordert es das Wohl der betroffenen Person, so hat ihr das Gericht zur Besorgung dringender Angelegenheiten längstens für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Erwachsenenvertreter mit sofortiger Wirksamkeit zu bestellen."

§ 125 AußStrG 2005 idF BGBl. I Nr. 59/2017 lautet samt Überschrift:

"Wirksamwerden der Bestellung eines Erwachsenenvertreters

Dem Beschluss, mit dem der gerichtliche Erwachsenenvertreter bestellt wird (§ 123 Abs. 1), kann keine vorläufige Wirksamkeit zuerkannt werden."

§ 124 ZPO (Zivilprozessordnung) idF RGBl. Nr. 113/1895 lautet:

"Der Lauf einer richterlichen Frist beginnt, sofern nicht bei Festsetzung derselben etwas anderes bestimmt wurde, mit Zustellung des die Frist anordnenden Beschlusses an die Partei, welcher die Frist zugute kommt; wenn es aber einer Zustellung des Beschlusses nicht bedarf, mit der Verkündung des Beschlusses."

§ 125 Abs. 1 ZPO idF RGBl. Nr. 113/1895 lautet:

"Bei Berechnung einer Frist, welche nach Tagen bestimmt ist, wird der Tag nicht mitgerechnet, in welchen der Zeitpunkt oder die Ereignung fällt, nach der sich der Anfang der Frist richten soll."

3.2. Zu Spruchpunkt I. (Zurückweisung)

Vertreter einer natürlichen Person ist unter anderem gemäß § 1034 Abs. 1 Z 3 ABGB in Verbindung mit § 80 BAO ein rechtskräftig bestellter gerichtlicher Erwachsenenvertreter (Ritz/Koran, BAO7 Rz 3). Gemäß § 1034 Abs. 2 ABGB wird eine durch Gerichtsentscheidung angeordnete gesetzliche Vertretung mit Rechtskraft der Entscheidung wirksam. Die Rechtskraft eines Beschlusses des Pflegschaftsgerichtes, mit dem ein Erwachsenenvertreter im Außerstreitverfahren bestellt wird, tritt daher in Verbindung mit §§ 42, 43 Abs. 1 und 45 AußStrG 2005 mit (ungenütztem) Ablauf der Rechtsmittelfrist gegen diesen Beschluss ein. Diese Frist beträgt gemäß § 46 AußStrG 2005 vierzehn Tage und beginnt nach § 23 AußStrG 2005 in Verbindung mit §§ 124, 125 ZPO mit dem Tag nach dem Tag der Zustellung des Beschlusses, im konkreten Fall somit mit dem (Tag der Zustellung des Beschlusses an den abberufenen und an den neu bestellten Erwachsenenvertreter war jeweils der ). Entsprechend § 125 Abs. 1 ZPO wird für den Lauf der Berechnung einer Frist, welche nach Tagen bestimmt ist, der Tag nicht mitgerechnet, in welchen der Zeitpunkt oder die "Ereignung" fällt, nach der sich der Anfang der Frist richten soll, weshalb die Rekursfrist mit Ablauf des endete.

Im Gegensatz zu § 12 AußStrG alter Fassung (vor der AußStrG-Novelle 2005) lässt § 43 Abs. 1 AußStrG neuer Fassung (ab dem Jahr 2005 bzw. der Fassung BGBl. I Nr. 111/2003) die Vollstreckbarkeit, Verbindlichkeit der Feststellung oder Rechtsgestaltung (erst) mit der Rechtskraft des Beschlusses eintreten. Dies gilt - mangels einer Sonderregelung - auch für Umbestellungsbeschlüsse des Sachwalterschaftsgerichts bzw. nunmehr des für die Erwachsenenvertretung als Pflegschaftsgericht zuständigen Bezirksgerichts (OGH Rechtssatz RS0120299, vgl. ; , 1Ob161/12a mwN).

Da die gerichtliche Erwachsenenvertretung - im Unterschied zur gewählten oder gesetzlichen Erwachsenenvertretung - nicht mit der Eintragung in das Österreichische Zentrale Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) entsteht, kann dieses Verzeichnis nicht ohne Weiteres als Grundlage für die Bestimmung des Zeitpunktes des tatsächlichen Entstehens der Vertretung herangezogen werden.

Die Rechtswirkungen eines Beschlusses, mit dem ein Kurator abberufen und an dessen Stelle eine andere Person bestellt wird, sind zwar konstitutiv, treten aber gem. § 43 Abs. 1 AußStrG allerdings nicht bereits mit der Zustellung des Umbestellungsbeschlusses, sondern erst mit dessen Rechtskraft ein. Bis zu diesem Zeitpunkt obliegt noch dem bisherigen Kurator die Verpflichtung zur Fortführung der Kuratel (Mondel, Das Recht der Kuratoren3 Rz 3.154, Stand , rdb.at). Gemäß § 44 AußStrG besteht zwar die Möglichkeit, dem Umbestellungsbeschluss (ausnahmsweise und zum Schutz des Betroffenen) die vorläufige Wirksamkeit zuzuerkennen, dies war allerdings im gegenständlichen Sachverhalt nicht der Fall. Eine einstweilige, verfahrensbezogene und (ausnahmsweise) sofort wirksame Bestellung im Sinne des § 120 AußStrG 2005 erfolgte mit diesem Beschluss daher nicht. Da bis zum Ablauf der Rekursfrist am Dienstag, (und auch bis zur Beauskunftung am ) kein Rechtsmittel beim zuständigen Bezirksgericht eingebracht wurde, wurde der Beschluss gemäß § 42 AußStrG 2005 mit Ablauf des rechtskräftig und somit (erst zu diesem Zeitpunkt) auch nach AußStrG 2005 vollstreckbar und wirksam.

Insoweit ist im Übrigen auch die diesbezügliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (; , 2013/03/0162) bzw. des BFG () differenziert zu betrachten, als in § 125 AußStrG 2005 idF BGBl. I Nr. 59/2017 explizit normiert ist, dass dem Beschluss, mit dem der gerichtliche Erwachsenenvertreter bestellt wird (§ 123 Abs. 1 AußStrG), keine vorläufige Wirksamkeit zuerkannt werden kann (systemkohärent zu § 43 Abs. 1 AußStrG 2005, vgl. auch ).

Das bedeutet für den konkreten Fall, dass der einschreitende Rechtsanwalt im Zeitpunkt der Einbringung der gegenständlichen Säumnisbeschwerde (Montag, ) nicht mehr gerichtlich bestellter Erwachsenenvertreter und somit nicht mehr gesetzlicher Vertreter des Bf. war, da seine Abberufung (bereits zuvor) mit Mittwoch, wirksam geworden war. Demzufolge konnte er auch keine wirksamen Eingaben (mehr) für den Bf. einbringen. Es war im Anschluss an die Erhebungen bei den Erwachsenenvertretern und dem zuständigen Pflegschaftsgericht auch kein Mängelbehebungsverfahren gem. § 85 Abs. 2 BAO zu initiieren, da sich der Anwendungsbereich des § 85 Abs. 2 BAO nur auf "zulässige" Anbringen beschränkt. Ein Mängelbehebungsverfahren oder eine Klarstellung kommen hinsichtlich der vorliegenden Beschwerde nicht in Betracht, weil kein (rechtsgeschäftlicher) Vollmachtsmangel, kein inhaltlicher Mangel und auch kein Formgebrechen, sondern eine unzulässige Eingabe vorliegt. Die Aktenlage betreffend die Frage, wer wann bestellter Erwachsenenvertreter war und ist, gestaltet sich eindeutig, auch wenn dem Bundesfinanzgericht die mangelnde Legitimation des Einschreiters erst durch die Eingabe des neuen Erwachsenenvertreters vom bekannt geworden ist, was auch der Grund dafür ist, dass der belangten Behörde zuvor noch betreffend das Säumnisvorbringen inhaltlich mit Beschluss vom Parteiengehör eingeräumt worden war.

Eine Bescheidbeschwerde ist gemäß § 260 Abs. 1 lit a BAO unter anderem unzulässig bei mangelnder Aktivlegitimation des Einschreiters (Ritz/Koran, BAO7 § 260 Rz 5). Dies ist etwa dann der Fall, wenn das Recht der Beschwerdeerhebung fehlt. Unzulässige, sprich nicht von legitimierten Personen oder nicht fristgerecht eingebrachte Anbringen, sind - ohne einen (ohnehin nicht erfüllbaren) Auftrag zur Mängelbehebung - zurückzuweisen ( mit Verweis auf Ritz, BAO7, § 85 Tz 15 und die dort zitierte Rechtsprechung; vgl. auch ; , 2013/03/0162; , Ro 2022/01/0014; , Ra 2022/02/0228).

Die eingebrachte Säumnisbeschwerde war daher gemäß § 284 Abs. 7 lit. b BAO in Verbindung mit § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückzuweisen.

Es wird ergänzend darauf hingewiesen, dass die in der Säumnisbeschwerde behauptete Säumnis insoweit in der Folge des erwähnten Beschlusses vom zwischenzeitlich (auch) nach Ansicht des nunmehrigen Erwachsenenvertreters von der belangten Behörde beseitigt wurde, als dass die belangte Behörde mit Bescheiden vom über den Antrag auf Familienbeihilfe vom betreffend den Zeitraum ab und über den Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe vom betreffend den Zeitraum von 5 Jahren rückwirkend ab Antragstellung abweisend abgesprochen hat und zwar jeweils betreffend den Zeitraum ab Jänner 2019 bis Dezember 2021. Hätte nicht bereits die gegenständliche Zurückweisung zu erfolgen, wäre das Säumnisbeschwerdeverfahren daher insoweit gemäß § 284 Abs. 2 Satz 3 BAO ohnedies einzustellen gewesen. Keine Bescheide bislang erlassen hatte die belangte Behörde allerdings betreffend die erhöhte Familienbeihilfe für jene Zeiträume, die zwischen 5 Jahren vor Antragstellung und Dezember 2018 ("vor Jänner 2019") liegen. Diesbezüglich soll lediglich auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes verwiesen sein, wonach über einen Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe nicht zu entscheiden ist, solange kein Antrag auf Familienbeihilfe für denselben Zeitraum gestellt wurde (vgl. Reinalter in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 10 Rz 3; ; , RV/5100809/2018; mit Bezugnahme auf Strafvollzug: ). Auch könnte eine nunmehrige Antragstellung betreffend Familienbeihilfe für den Zeitraum von bis zu 5 Jahren vor dem Zeitpunkt der Antragstellung keinen Zeitraum vor mehr umfassen.

Im konkreten Fall ist dem Bundesfinanzgericht allerdings eine inhaltliche Erledigung der Säumnisbeschwerde ohnehin verwehrt, da die Beschwerde - wie ausgeführt - bereits als unzulässig zurückzuweisen war.

3.3. Zu Spruchpunkt III. (Zulässigkeit der Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Zurückweisung einer Eingabe, die von einem zum Zeitpunkt der Einbringung wegen zwischenzeitlicher Abberufung nicht befugten Einschreiter eingebracht wurde, wirft keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung auf. Die Entscheidung weicht nicht von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Daher war die ordentliche Revision für unzulässig zu erklären.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 284 Abs. 7 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RS.5100003.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at