Doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten eines Arbeitnehmers aus Kroatien
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die Einkommensteuer wird für das Jahr 2021 festgesetzt mit -2.340,00 € (Gutschrift).
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
In der am elektronisch eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2021 wurden ua Kosten für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 3.900 € sowie Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von 3.672 € erklärt.
Mit Bescheid vom wurde die Arbeitnehmerveranlagung für 2021 durchgeführt. Die Kosten für die doppelte Haushaltsführung und die Familienheimfahrten wurden nicht als Werbungskosten berücksichtigt, da nach Ansicht des Finanzamtes die erforderlichen Beweismittel nicht vorgelegt wurden.
Am wurde gegen diesen Bescheid elektronisch Beschwerde eingebracht und beantragt, die Kosten für die doppelte Haushaltsführung und die Familienheimfahrten als Werbungskosten anzuerkennen.
In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom führte das Finanzamt aus, dass der Beschwerdeführer trotz Aufforderung nicht nachgewiesen habe, dass die Voraussetzungen für die in der Arbeitnehmerveranlagung geltend gemachten Werbungskosten vorgelegen sind.
Mit wurde fristgerecht ein elektronischer Vorlageantrag eingebracht. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung vorlägen, da der Familienwohnsitz auf Grund der Karenzierung der Ehegattin des Beschwerdeführers nicht verlegt werden konnte.
Die Beschwerde wurde am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Vorhalten vom und wurde der Beschwerdeführer vom Bundesfinanzgericht aufgefordert Beweise vorzulegen, aus denen hervorgeht, dass sich der Familienwohnsitz in Kroatien befindet und auch Aufwendungen am Arbeitsort in Wien angefallen sind.
Zusammenfassend wurde durch die Vorhaltsbeantwortungen nachgewiesen:
Laut Meldebescheinigung war der Beschwerdeführer bis in ***MT*** gemeldet. Nach einer beglaubigten Erklärung seines Schwiegervaters wohnte er jedoch schon seit mit seiner Gattin und seinem Sohn in ***C***. Der gemeinsame Sohn ***V*** ist am TT.08.2020 geboren.
Die Gattin bezog im Jahr 2021 umgerechnet 2.357,50 € an kroatischer Sozialhilfe.
Der Beschwerdeführer hat im Jahr 2021 Geld für Strom, Wasser und kommunale Abgaben beglaubigt seinem Schwiegervater übergeben.
Der Beschwerdeführer hat für seine Wohnung in Wien monatliche Mietzahlungen geleistet. In der Wohnung hat er mit seinem Bruder zusammengelebt, auf dessen Namen der Mietvertrag lief.
Zur Wahrung des Parteiengehörs wurden die vorgelegten Beweismittel am der Abgabenbehörde zur Kenntnis gebracht.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer ist kroatischer Staatsbürger und arbeitet seit Juli 2020 als Maurer bei einem Wiener Bauunternehmen.
Der Beschwerdeführer war bis in ***MT*** gemeldet. Ab ist er laut Wohnsitzbescheinigung in ***C*** gemeldet.
Der Beschwerdeführer ist seit tt.07.2021 mit seiner Gattin ***MB*** verehelicht. Am TT.08.2020 wurde der gemeinsame Sohn ***V*** geboren.
Die Gattin ist seit 1999 und der Sohn mit Geburt in ***C*** gemeldet. Sie bezog im Jahr 2021 umgerechnet 2.357,50 € an kroatischer Sozialhilfe.
Der gemeinsame Familienwohnsitz befindet sich im beschwerdegegenständlichem Jahr in ***C***.
Der Beschwerdeführer hat im Jahr 2021 Geld für Strom, Wasser und kommunale Abgaben seinem Schwiegervater übergeben. Die Liegenschaft, auf der sich der familiäre Wohnsitz befindet, ist noch im Eigentum seiner Schwiegereltern.
Der Beschwerdeführer hat für seine Wohnung in Wien monatliche Mietzahlungen geleistet. In der Wohnung hat er mit seinem Bruder zusammengelebt, auf dessen Namen der Mietvertrag lief.
Der Beschwerdeführer ist im Jahr 2021 an 40 Wochenenden von seiner Wohnung in Wien zu seinem Familienwohnsitz in Kroatien gefahren. Die einfache Wegstrecke Wien - ***C*** beträgt 296 Kilometer. In Summe wurden mit dem eigenen PKW über 23.000 Kilometer zurückgelegt.
2. Beweiswürdigung
Strittig war vor allem, ob sich am Wohnsitz der Gattin und des gemeinsamen Sohnes ein Familienwohnsitz befindet, da der Beschwerdeführer im streitgegenständlichen Zeitraum an einem anderen Ort gemeldet war.
Der Schwiegervater des Beschwerdeführers hat am beglaubigt erklärt, dass der Beschwerdeführer seit in ***C*** lebt. Er wohnt dort zusammen mit seiner Ehefrau ***MB***, seinen Schwiegereltern und seinem Sohn ***V***.
Laut Lehre und Rechtsprechung hat eine amtliche Wohnsitzbescheinigung lediglich eine Indizwirkung (vgl. ). Die Feststellung des Familienwohnsitzes eines verheirateten Steuerpflichtigen ist eine Sachverhaltsfeststellung, die gemäß den allgemein gültigen Beweisregeln aufgrund der erhobenen Beweise zu treffen ist.
Es entspricht sowohl dem Gesetz (§ 90 Abs. 1 ABGB) als auch der Lebenserfahrung, dass Ehegatten in aufrechter Ehe gemeinsam wohnen. Die Erfahrung zeigt, wie auch die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. ) dokumentiert, dass den Daten des Melderegisters allenfalls Indizwirkung zukommt. Menschen geben aus verschiedenen, zumeist außersteuerlichen Gründen einen bestimmten Wohnsitz als Hauptwohnsitz an oder vergessen auf eine zeitgerechte Ummeldung, obwohl sie tatsächlich an einem anderen Wohnsitz regelmäßig wohnen.
Für das Bundesfinanzgericht sind die beglaubigten Angaben des Schwiegervaters, wonach sein Schwiegersohn (= Beschwerdeführer) und seine Tochter ab in ***C*** in einem gemeinsamen Haushalt wohnen, glaubhaft.
Abgesehen von den materiell unrichtigen Meldedaten liegt kein Grund vor, warum der Beschwerdeführer im Beschwerdezeitraum weiter an seine alte Meldeadresse ***MT*** getrennt von seiner Ehegattin und dem gemeinsamen Sohn pendeln sollte.
Das Bundesfinanzgericht hält es daher für erwiesen, dass im streitgegenständlichen Jahr der gemeinsame Familienwohnsitz in ***C*** gelegen ist.
Der Beschwerdeführer hat im Jahr 2021 Geld für Strom, Wasser und kommunale Abgaben beglaubigt seinem Schwiegervater übergeben. Die Liegenschaft, auf der sich der familiäre Wohnsitz befindet, ist noch im Eigentum seiner Schwiegereltern.
Der Beschwerdeführer hat für seine Wohnung in Wien nachweislich monatliche Mietzahlungen geleistet. In der Wohnung hat er mit seinem Bruder zusammengelebt, auf dessen Namen der Mietvertrag lief.
Für den Nachweis der Familienheimfahrten legte der Beschwerdeführer dem Finanzamt eine Aufstellung über die Anzahl der Fahrten und der tatsächlich gefahrenen Kilometer vor. Als Beilage waren der Führerschein und der Zulassungsschein angeschlossen. Der Beschwerdeführer ist im Jahr 2021 an 40 Wochenenden von seiner Wohnung in Wien zu seinem Familienwohnsitz in Kroatien gefahren. Die einfache Wegstrecke Wien - ***C*** beträgt 296 Kilometer. Für das Bundesfinanzgericht ist es erwiesen, dass in Summe mit dem eigenen PKW über 23.000 Kilometer zurückgelegt wurden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 und Z 2 lit. a EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden:
1. Die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigenaufwendeten Beträge.
2. a) Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 sind auch Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits- bzw. Tätigkeitsort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) nicht abzugsfähig, soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 angeführten Betrag übersteigen.
Im gegenständlichen Fall ist in weiterer Folge strittig, ob vom Beschwerdeführer geltend gemachten Kosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten als Werbungskosten abzugsfähig sind oder nicht.
Eine sogenannte doppelte Haushaltsführung ist dann gegeben, wenn aus beruflichen Gründen zwei Wohnsitze geführt werden, und zwar einer am Familienwohnort (Familienwohnsitz) und einer am Beschäftigungswohnort (Berufswohnsitz). Als Familienwohnsitz gilt jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehegatten oder ein lediger Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Person bildet.
Liegt der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort, dann können die (Mehr)Aufwendungen für eine "doppelte Haushaltsführung", wie zB für die Wohnung am Beschäftigungsort und die Kosten für Familienheimfahrten, nur dann steuerlich berücksichtigt werden, wenn die doppelte Haushaltsführung beruflich bedingt ist. Wenn dem Arbeitnehmer Mehraufwendungen erwachsen, weil er am Beschäftigungsort wohnen muss und die Verlegung des (Familien)Wohnsitzes in eine übliche Entfernung zum Ort der Erwerbstätigkeit nicht zumutbar ist, sind die Mehraufwendungen Werbungskosten iSd § 16 Abs. 1 EStG 1988 (vgl. ).
Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 80 Kilometer entfernt ist und die Fahrzeit mehr als eine Stunde beträgt (vgl. ). Diese Voraussetzung ist aufgrund des festgestellten Sachverhaltes erfüllt.
Nach Wahrung des Parteiengehörs vertritt auch die Abgabenbehörde die Ansicht, dass der Familienwohnsitz in Kroatien ausreichend glaubhaft gemacht wurde.
Dem Steuerpflichtigen ist nach einer - nicht schematisch geregelten Zeit - in der Regel zumutbar, den Familienwohnsitz in den Nahbereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen (vgl. ). Dieser Zeitraum hängt insbesondere vom Familienstand ab und beträgt bei einem verheirateten Steuerpflichtigen zwei Jahre. Diese Zeitspanne ist im beschwerdegegenständlichen Jahr 2021 noch nicht abgelaufen, da der Beschwerdeführer erst seit durchgehend im Inland beschäftigt ist (vgl. mwN).
Spätestens nach Ablauf dieser Zeitspanne hat der Steuerpflichtige darzulegen, aus welchen Gründen der entfernt liegende Familienwohnsitz beibehalten wird (vgl. zB Jakom/Lenneis EStG 2021, § 16, ABC der Werbungskosten, "doppelte Haushaltsführung").
Die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen; die Gründe für die Beibehaltung sind jährlich von der Abgabenbehörde zu prüfen.
Der Beschwerdeführer hat neben dem Familienwohnsitz in Kroatien auch einen gesonderten Wohnsitz am Beschäftigungsort aus beruflichem Anlass begründet.
Da die Voraussetzungen einer (vorübergehenden) doppelten Haushaltsführung erfüllt sind, liegen somit auch die Voraussetzungen für den Abzug von Kosten für Familienheimfahrten als Werbungskosten vor. Die Höhe der absetzbaren Kosten ist durch § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 mit dem höchsten Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit d EStG 1988 begrenzt, wobei diese Bestimmung aufgrund der Entfernung der Wohnsitze und der Anzahl der Fahrten auf den gegenständlichen Sachverhalt anzuwenden ist.
Als Werbungskosten sind die beantragten Kosten der doppelten Haushaltsführung in Höhe von 3.900 € sowie die Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von 3.672 € (begrenzt mit dem höchstem Pendlerpauschale) abzugsfähig.
Der Beschwerde kam aus den angeführten Gründen Berechtigung zu, ihr war daher stattzugeben.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden auf der Sachverhaltsebene zu lösenden Fall nicht gegeben. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100617.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at