Unzulässige Maßnahmenbeschwerde mangels Vorliegens einer normativen Anordnung
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***V***, ***V-Adr***, betreffend Maßnahmenbeschwerde nach § 283 BAO wegen behaupteter Insolvenzanmeldung auf Basis rechtswidriger Rückstandsausweise und Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, beschlossen:
I. Die Maßnahmenbeschwerde nach § 283 BAO wird einschließlich des Antrages auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Mit Eingabe vom brachte der Beschwerdeführer gegen Organe des Finanzamtes Österreich, Dienststelle ***5***, eine Maßnahmenbeschwerde nach § 283 BAO ein. Das Finanzamt habe am ***x.xxxx.xxxx*** einen Insolvenzantrag gemäß § 70 IO auf Basis rechtswidriger Rückstandsausweise gestellt. Es werde beantragt, dass das Bundesfinanzgericht diesen rechtswidrigen Verwaltungsakt mit Erkenntnis für rechtswidrig erklären möge und aufgrund der Tatsache, dass der rechtswidrige Verwaltungsakt noch andauere, die belangte Behörde auffordern, die rechtswidrigen Handlungen einzustellen und anhand des Erkenntnisses den entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Dem Schriftsatz lagen der Ablehnungsbeschluss des VwGH betreffend Befangenheit vom , der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 70 IO vom ***x.xxxx.xxxx***, die Ladung des Beschwerdeführers zur Tagsatzung vom , drei gutachterliche Stellungnahmen vom bzw. vom zum Insolvenzantrag bzw. zu den Rückstandsausweisen und das Protokoll zur ersten Tagsatzung vom ***x.xxxxx.xxxx*** bei
Begründend wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass durch die Gutachten zweier renommierter Steuerrechtsexperten nachgewiesen sei, dass der dem Insolvenzantrag zugrunde gelegte Rückstandsausweis rechtswidrig sei. Es bestehe der dringende Verdacht, dass der Insolvenzantrag unbegründet, missbräuchlich und mutwillig gestellt worden sei. Gegen die Durchführung der Vollstreckung und den Rückstandsausweis selbst seien nach § 13 und § 15 AbgEO Einwendungen erhoben worden. Die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes liege in der Ausstellung der wissentlich falschen Rückstandsausweise. Dass der Rückstandsausweis falsch sei, sei bei der Tagsatzung bereits bestätigt worden. Auch der im Rahmen der Tagsatzung vorgelegte zweite Rückstandsausweis sei falsch.
Gleichzeitig wurde angeregt die Maßnahmenbeschwerde der Außenstelle Wien oder wahlweise Niederösterreich zur Entscheidung vorzulegen, weil auch gegen Mitarbeiter des Bundesfinanzgerichtes, Außenstelle ***5*** strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet worden seien.
Mit Schriftsatz vom - postalisch eingelangt am - wurde mitgeteilt, dass eine Ergänzung zur Maßnahmenbeschwerde bereits am zur Post gegeben worden sei und eine Kopie der Eingabe samt Postbestätigung beigelegt werde. Ergänzend wurde vorgebracht, dass die Maßnahmenbeschwerde im konkreten Fall den Charakter einer einstweiligen Verfügung habe, da die Rechtswidrigkeit anhalte und der Insolvenzantrag nicht zurückgezogen worden sei. Zusätzlich wurde beantragt der Maßnahmenbeschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Die Ergänzung der Maßnahmenbeschwerde vom samt Beilagen (Antrag nach § 15 AbgEO vom , Bescheid des Finanzamtes vom , die dagegen erhobene Beschwerde vom und das Deckblatt einer Zeugenvernehmung vom ), mit der mitgeteilt wurde, dass die Abgabenbehörde über die Einwendungen nach § 15 Abs. 2 AbgEO zwischenzeitlich abgesprochen habe, die Fehler im Rückstandsausweis zwar bestätigt, jedoch den Antrag abgewiesen habe, langte schließlich am beim Bundesfinanzgericht ein.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
§ 260 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) lautet:
"§ 260.(1)Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie
a)nicht zulässig ist oder
b)nicht fristgerecht eingebracht wurde."
§ 283 BAO lautet:
"§ 283. (1) Gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Abgabenbehörden kann wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde (Maßnahmenbeschwerde) erheben, wer durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
(2) Die Maßnahmenbeschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Beschwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat, sofern er aber durch sie behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, ab dem Wegfall dieser Behinderung beim Verwaltungsgericht einzubringen. Wird die Maßnahmenbeschwerde rechtzeitig bei einem anderen Verwaltungsgericht oder bei einer Abgabenbehörde eingebracht, so gilt dies als rechtzeitige Einbringung; solche Maßnahmenbeschwerden sind unverzüglich an das Verwaltungsgericht weiterzuleiten.
(3) Die Maßnahmenbeschwerde hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes;
b) soweit dies zumutbar ist, eine Angabe darüber, welches Organ den angefochtenen Verwaltungsakt gesetzt hat;
c) den Sachverhalt;
d) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt;
e) das Begehren, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären;
f) die Angaben, die zur Beurteilung der fristgerechten Einbringung der Maßnahmenbeschwerde erforderlich sind.
(4) Der angefochtene Verwaltungsakt ist vom Verwaltungsgericht mit Erkenntnis für rechtswidrig zu erklären, wenn die Maßnahmenbeschwerde nicht mit Beschluss bzw. mit Erkenntnis
a) als nicht zulässig oder nicht fristgerecht eingebracht zurückzuweisen ist (§ 260),
b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos zu erklären ist (§ 256 Abs. 3) oder
c) als unbegründet abzuweisen ist.
(5) Dauert der für rechtswidrig erklärte Verwaltungsakt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den dem Erkenntnis entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
(6) Partei im Beschwerdeverfahren ist auch die belangte Behörde.
(7) Sinngemäß sind anzuwenden:
a) § 245 Abs. 3, 4 und 5 (Frist),
b) § 256 Abs. 1 und 3 (Zurücknahme der Beschwerde),
c) § 260 Abs. 1 (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung),
d) § 265 Abs. 4 und 6 (Verständigungspflichten),
e) § 266 (Vorlage der Akten),
f) § 268 (Ablehnung wegen Befangenheit oder Wettbewerbsgefährdung),
g) § 269 (Obliegenheiten und Befugnisse, Ermittlungen, Erörterungstermin),
h) § 271 (Aussetzung der Entscheidung),
i) §§ 272 bis 277 (Verfahren),
j) § 280 (Inhalt des Erkenntnisses oder des Beschlusses)."
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dann vor, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen einen individuell bestimmten Adressaten einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und damit unmittelbar - d. h. ohne vorangegangenen Bescheid - in subjektive Rechte des Betroffenen eingreift. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwangs bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Es muss ein Verhalten vorliegen, das als Ausübung von Zwangsgewalt zumindest aber als-spezifisch verstandene Ausübung von Befehlsgewalt gedeutet werden kann. Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsakts in der Form eines Befehls gilt, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physischen Sanktion angedroht wird. Liegt kein ausdrücklicher Befolgungsanspruch vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (vgl. zB , mwN).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung ebenfalls ausgesprochen, dass der Rechtsbehelf der Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dem Zweck dient, eine Lücke im Rechtsschutzsystem zu schließen. Mit dieser Beschwerde sollte aber nicht eine Zweigleisigkeit für die Verfolgung ein und desselben Rechts geschaffen werden. Was in einem Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, kann daher nicht Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde sein (vgl. mwN).
Das Gesetz stellt demnach auf Befehle, also auf normative Anordnungen, ab. Ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach § 70 Insolvenzordnung (IO) durch das Finanzamt beim zuständigen Insolvenzgericht, mag diesem auch ein fehlerhafter bzw. rechtswidriger Rückstandsausweis zur Bescheinigung der Zahlungsunfähigkeit beigelegt worden sein, stellt mangels Vorliegens einer normativen Anordnung keinen derartigen Befehl dar.
Im Übrigen können die erhobenen Einwände im Verfahren über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Insolvenzgericht geltend gemacht werden und steht dem Beschwerdeführer ggf. der Rechtsweg des Rekurses offen.
Die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde erweist sich deshalb als unzulässig und war daher gemäß § 283 Abs. 7 lit. c) iVm § 260 Abs. 1 BAO als unzulässig zurückzuweisen.
Soweit der Beschwerdeführer anregt, die Maßnahmenbeschwerde durch eine andere Außenstelle entscheiden zu lassen, ist er darauf hinzuweisen, dass das bloße Faktum eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen ein Mitglied einer Außenstelle des Bundesfinanzgerichts für sich allein weder eine Befangenheit aus sonstigen wichtigen Gründen im Sinne des § 76 Abs. 1 lit. c darstellt, noch in einem solchen Fall alle Mitglieder der Außenstelle als befangen anzusehen sind (vgl. hierzu auch den vorgelegten Ablehnungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , So 2024/03/0014, Rz 27). Eine Abtretung der Beschwerdesache würde bei der gegebenen Sachlage auch der geltenden Geschäftsverteilung widersprechen.
Ein Antrag auf aufschiebende Wirkung im Zusammenhang mit einer Maßnahmenbeschwerde ist der hier anzuwendenden Bundesabgabenordnung fremd und war daher ebenfalls zurückzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Beschwerdefall liegt aber eine eindeutige und durch die Rechtsprechung der Höchstgerichte gesicherte Rechtslage vor, weshalb die (ordentliche) Revision als unzulässig zu erklären war.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 283 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 283 Abs. 7 lit. c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RM.3100001.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at