Aufschub des Strafvollzuges wegen schwerer Krankheit
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag.Dr. Wolfgang Pagitsch in der Finanzstrafsache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Ainedter & Ainedter Rechtsanwälte, Taborstraße 24A, 1020 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid über die Aufschiebung der Vollstreckung des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , Geschäftszahl ***Zahl1***, Amtsbeauftragte Mag. Kerstin Schantl, zu Recht erkannt:
I.) Der Beschwerde wird gem. § 161 Abs. 1 FinStrG stattgegeben und der angefochtene Bescheid insofern abgeändert als der Strafvollzug gem. § 176 Abs. 1 FinStrG bis zum aufgeschoben wird.
II.) Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Erkenntnis vom wurde der Beschwerdeführer mehrerer Finanzvergehen für schuldig befunden und über ihn eine Geldstrafe von € 32.000,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 80 Tage) verhängt (ON 4).
Im Zuge einer Erhebung der Finanzpolizei am gab der Beschwerdeführer an, dass er zur Entrichtung der Geldstrafe nicht in der Lage sei, da er vermögenlos sei, lediglich über ein Monatseinkommen von € 1.208,00 verfüge und ein Insolvenzverfahren anhängig sei. Darüber hinaus verwies er auf ein Schreiben des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , wonach er aufgrund eines Gutachtens des ***Name1*** vollzugsuntauglich sei (ON 9).
Mit Schreiben der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer wegen Uneinbringlichkeit der Geldstrafe zum Strafantritt aufgefordert (ON 10).
Mit Schriftsatz vom teilte der Beschwerdeführer mit, dass er seit geraumer Zeit haftunfähig sei und diesbezüglich regelmäßig Gutachten eingeholt worden seien. Zum Beweis übermittelte er das letzte Gutachten des ***Name1*** vom sowie die letzten beiden Beschlüsse des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom und . Daraufhin teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer am per E-Mail mit, dass abgewartet werde, ob ein künftiges ärztliches Gutachten eine Änderung hinsichtlich der Hafttauglichkeit ergebe und die Aufforderung zum Strafantritt hinfällig sei (ON 12).
Am wurde der Beschwerdeführer aufgefordert ein aktuelles Gutachten bzw. aktuelle Nachweise über seinen Gesundheitszustand vorzulegen (ON 13).
Mit Schreiben vom teilte der Beschwerdeführer mit, dass eine Verbesserung seines Zustandes, der eine Strafvollzugstauglichkeit mit sich brächte, nicht in Sicht sei, und übermittelte als Beweis ein Gutachten des ***Name1*** vom und den darauf basierenden Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom sowie aktuelle Befunde der behandelnden Kardiologen vom und der koronarangiographischen Untersuchung in der Klinik Floridsdorf vom . Zugleich beantragte er die weitere Aufschiebung des Strafvollzugs (ON 14).
Am ersuchte die belangte Behörde die Anstaltsleitung der Justizanstalt Wien-Josefstadt um Beurteilung der oben genannten Befunde in Hinblick auf eine daraus ableitbare aktuelle bestehende Haft(un)tauglichkeit, zumal der Sachverhalt im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Bestraften nicht genügend geklärt erscheine (ON 15).
Mit Schriftsatz vom übermittelte die Justizanstalt Wien-Josefstadt eine Stellungnahme des Leiters des ärztlichen Dienstes ***Name2***, wonach dem Gutachten des ***Name1*** folgend, ein Strafvollzug nur unter den äußeren Bedingungen einer Krankenanstalt zu realisieren sei und definitionsgemäß nur die Justizanstalten Wien-Josefstadt und Wilhelmshöhe in Betracht kommen würden (ON 16).
Mit Schreiben vom wurde das Polizeikommissariat ***Ort1*** ersucht den Beschwerdeführer zum Strafantritt vorzuführen (ON 17). Diese teilte mit Schriftsatz vom mit, dass der Beschwerdeführer noch am vorläufig festgenommen worden sei, die Amtsärztin ***Name3*** ihn aber als nicht haftfähig befunden habe und er daher unverzüglich aus der Haft entlassen worden sei (ON 18).
Mit Schreiben vom teilte der Beschwerdeführer mit, dass er aus medizinischer Sicht weiterhin nicht strafvollzugstauglich sei und legte zum einen das Gutachten des ***Name1*** vom und zum anderen die bezughabenden Arztbriefe sowie seine Medikamentenverordnung vor und stellte den Antrag auf Aufschiebung der Einleitung des Strafvollzugs wegen Vollzugsuntauglichkeit bis zur Besserung seines Gesundheitszustands (ON 20).
Am wurde die Anstaltsleitung der Justizanstalt Wien-Josefstadt unter Verweis auf die vorgelegten Unterlagen um neuerliche ärztliche Begutachtung der Haftuntauglichkeit ersucht (ON 21).
Mit Schriftsatz vom übermittelte diese eine undatierte Stellungnahme des Leiters des ärztlichen Dienstes ***Name2***, wonach kein Hinweis festzustellen sei, dass sich an seiner primären Einschätzung vom September 2023 (gemeint wohl Juni 2023) etwas geändert habe, sodass zusammenfassend die Möglichkeit des Strafvollzuges unter den äußeren Bedingungen einer Krankenanstalt realisierbar sei (ON 22).
Mit Schreiben vom wurde das Polizeikommissariat ***Ort1*** erneut ersucht den Beschwerdeführer zum Strafantritt vorzuführen (ON 24). Diese teilte mit Schriftsatz vom mit, dass der Beschwerdeführer am vorläufig festgenommen worden sei, sein Anwalt aber auf den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom und auf das Gutachten des ***Name1*** vom hingewiesen habe und er deswegen wieder aus der Haft entlassen worden sei (ON 25).
Mit Schriftsatz vom forderte der Beschwerdeführer die belangte Behörde unter Verweis auf den Vorfall vom zur Stellungnahme auf, wieso diese in Kenntnis des gerichtlich angeordneten Gutachtens eine Direktvorführung zum Strafantritt angeordnet habe. Mit Schreiben vom antwortete die belangte Behörde, wobei sie im Wesentlichen die Abweisungsbegründung des bekämpften Bescheides vom heranzog (ON 26).
In diesem Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag vom ab und jenen vom mangels gültiger Berufung auf die Vollmacht und somit fehlender Aktivlegitimation als unzulässig zurück. Hinsichtlich der Abweisung führte sie im Wesentlichen aus, dass die Beurteilung, ob der Tatbestand des § 176 Abs 1 FinStrG erfüllt sei, der Finanzstrafbehörde obliege und ein ärztliches Gutachten ausschließlich dazu diene, der erkennenden Behörde die Ermittlung des zugrundeliegenden Sachverhaltes zu ermöglichen und dieses daher nicht die Aufgabe habe die rechtliche Würdigung vorzunehmen. Zudem habe der Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien keine Bindungswirkung, da eine solche (nur) an ein rechtskräftiges Strafurteil hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Spruch beruht, bestehe. Darüber hinaus sei dem Gutachten vom zu entnehmen, dass ein Strafvollzug unter den äußeren Bedingungen einer Krankenanstalt zu realisieren sei und teilte die Justizanstalt Wien-Josefstadt mit, die entsprechenden äußeren Bedingungen einer Krankenanstalt gewährleisten zu können. An dieser von der Finanzstrafbehörde festgestellten Vollzugstauglichkeit ändere auch der Wissenstand der Finanzstrafbehörde zum nichts, nämlich das Gutachten vom , mit welchem ein Vollzug weiterhin unter den Bedingungen einer Krankenanstalt realisierbar sei, und der Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom , welcher der Finanzstrafbehörde erstmalig im Zuge der Berichtserstattung der Polizei vom zur Kenntnis gelangt sei (ON 1).
Mit Schriftsatz vom wiederholte der Beschwerdeführer unter Verweis auf seine bisherigen Eingaben, dass er vollzugsuntauglich sei und man diesen Umstand nun endlich zur Kenntnis nehmen solle. Zudem sei eine neuerliche Überprüfung seines Gesundheitszustandes für Mai/Juni nächsten Jahres vorgesehen und werde daher beantragt die Vollstreckung der verhängten (Ersatz)freiheitsstrafe im Ausmaß des Beschlusses des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom aufzuschieben (ON 31).
Mit Schreiben vom ersuchte die belangte Behörde ***Name4*** um Erstellung eines "Gegengutachtens" bezüglich der Beurteilung der Vollzugstauglichkeit, da Zweifel daran bestehen würden, ob der Bestrafte gänzlich vollzugsuntauglich sei oder unter den Bedingungen vollzugstauglich sei, welche die Justizanstalt Wien-Josefstadt gewährleisten könne (ON 30).
Mit Schriftsatz vom erhob der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, dass dem bekämpften Bescheid wesentliche Stoffsammlungsmängel anhaften würden und durch die Unterlassung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen einerseits unrichtig und andererseits ergänzungsbedürftig seien, die Subsumtion der gestellten Anträge unter § 177 Abs 1 FinStrG schlichtweg falsch sei und mangels richtiger Subsumtion die belangte Behörde folglich auch nicht in der Lage gewesen sei, eine rechtsrichtige Entscheidung über die gestellten Anträge nach § 176 Abs. 1 FinStrG zu treffen. Zudem stellte die belangte Behörde in ihrem Bescheid unsubstantiiert und daher unrichtig sowie mit dem Gutachten des Sachverständigen ***Name1*** und dem Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom in Widerspruch stehend fest, dass der Beschwerdeführer vollzugstauglich sei, ohne selbst Erhebungen oder Ermittlungen durchgeführt und ohne die vorliegenden Beweisergebnisse entsprechend gewürdigt zu haben. Weiters sei die angeblich erfolgte "Rücksprache" mit der Justizanstalt Wien-Josefstadt, zu welcher keine Dokumentation vorliege, für eine Beurteilung der Vollzugstauglichkeit des Beschwerdeführers nicht ausreichend, da ein Strafvollzug nur unter den äußeren Bedingungen einer Krankenanstalt realisierbar wäre, aber im Hinblick auf die Multimorbidität und den schlechten Gesundheits- und Allgemeinzustand des Beschwerdeführers von einem hohen Betreuungsaufwand auszugehen sei. Darüber hinaus sei die rechtliche Beurteilung der Zurückweisung des Antrages vom verfehlt, da die Kanzlei Ainedter & Ainedter Rechtsanwälte den Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren seit März 2022 nachweislich vertrete habe und sei die Abweisung des Antrages vom ausgehend vom festgestellten Sachverhalt allein schon deshalb zu Unrecht erfolgt, da ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung entfalte (ON 3).
Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde samt wesentlicher Aktenteile dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor (ON 29).
In weiterer Folge stellte ***Name4*** in seinem Sachverständigengutachten vom fest, dass nach Zusammenfassung aller vorliegenden Fakten der Beschwerdeführer aus ärztlicher Sicht als nicht vollzugstauglich zu beurteilen sei und prognostisch mit keiner Änderung des Zustandes zu rechnen sei (ON 30).
Aufgrund dieses Gutachtens gab die belangte Behörde mit Bescheid vom dem Antrag vom statt und schob die Vollstreckung der verhängten (Ersatz)freiheitsstrafe bis zum auf (ON 31).
Am teilte die belangte Behörde informationshalber mit, dass sie eine Lohnpfändung eingeleitet habe.
Über die Beschwerde wurde erwogen
Festgestellter Sachverhalt
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 146 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3, 148 2 Fall StGB zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt, wovon zwei Jahre bedingt nachgesehen wurden. Aufgrund Vollzugsuntauglichkeit infolge Krankheit wird seitens des Landesgerichtes für Strafsachen Wien seit 2014 Strafaufschub gewährt, wobei dieser bisher jährlich nach Vorlage eines entsprechenden Gutachtens, letztmals mit Beschluss vom , verlängert wurde.
Mit Erkenntnis vom wurde der Beschwerdeführer wegen Abgabenhinterziehungen zu einer Geldstrafe iHv € 32.000,00 im Nichteinbringungsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 80 Tagen verurteilt. Die Geldstrafe wurde bisher nicht entrichtet.
Der 73-jährige Beschwerdeführer ist vermögenslos und bezog im Jahr 2023 eine Pension von € 1.900,00 netto. Das Abschöpfungsverfahren wurde im Jänner 2024 mit Restschuldbefreiung beendet. Es steht nicht fest, ob die Anfang Juni 2024 eingeleitete Pfändung der Pensionsansprüche erfolgreich sein wird.
Der Beschwerdeführer ist multimorbid und leidet unter Herzmuskelschwäche, respiratorische Insuffizienz, Zustand nach Herzinfarkt, Zustand nach Stent (8x), Bluthochdruck, Zuckererkrankung, coronare Herzerkrankung, Zustand nach Kniegelenksersatz beidseitig, massives Übergewicht, degenerative Erkrankung der Wirbelsäule, Erhöhung der Blutfette, Hydrozele links und Prostatahyperplasie mit mehrmaliger Nykturie. Aufgrund dieser Krankheiten ist der Beschwerdeführer an einen nahezu 100%igen sitzenden oder liegenden Tagesablauf gebunden.
Mit Bescheid vom hat die belangte Behörde aufgrund eines weiteren Antrages des Beschwerdeführers (eingebracht am ) den Strafvollzug bis zum aufgeschoben.
Beweiswürdigung
Aus der Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit ergibt sich, dass neue Tatsachen und Beweismittel auch noch im Rechtsmittelverfahren berücksichtigt werden müssen. Dabei ist es unerheblich, ob diese vom Rechtsmittelwerber vorgebracht oder vom Bundesfinanzgericht von Amts wegen erhoben werden (Köck in Köck/Kalcher/Judmaier/Schmitt, FinStrG, Band 25, § 161, Rz 8). Das Bundesfinanzgericht ist daher bei Erlassung der Beschwerdeentscheidung verpflichtet, auf die während des Rechtsmittelverfahrens festgestellten Tatsachen Bedacht zu nehmen ().
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Akt der belangten Behörde zu GZ ***Zahl1*** und den verfahrensrelevanten Unterlagen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zu GZ ***Zahl2***.
Die wirtschaftliche Situation des Beschwerdeführers erschließt sich für das Bundesfinanzgericht aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers, welche sich mit den Ermittlungsergebnissen der belangten Behörde decken, insbesondere ist der Beschwerdeführer vermögenslos und hat sich bis vor kurzem in einem Abschöpfungsverfahren (BG ***Ort1***, AZ ***Zahl3***) befunden.
Hinsichtlich des gesundheitlichen Zustandes des Beschwerdeführers stützt sich das Gericht insbesondere auf die vorgelegten Sachverständigengutachten des ***Name1*** vom sowie und des ***Name4*** vom , welche für das Gericht schlüssig und nachvollziehbar sind. Aufgrund der in den Gutachten festgestellten Krankheiten steht für das Gericht fest, dass der Strafvollzug für den Beschwerdeführer in einer Justizanstalt ohne Sonderkrankenanstalt nicht möglich ist. Hinsichtlich der Unterbringung in einer Justizanstalt mit Sonderkrankenanstalt teilt das Gericht die Bedenken des ***Name4***, dass diese, wenn überhaupt, nur mit einem deutlich erhöhten Aufwand durchführbar wäre, zumal der Beschwerdeführer in persönlichen Teilbereichen pflegebedürftig ist und die Körperpflege, das An- und Auskleiden sowie Transfers fremdübernommen werden müssten. Zudem ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer immer wieder Untersuchungen und Behandlungen im ambulanten oder stationären Bereich brauchen würde, sodass sich der Aufenthalt in der Sonderkrankenanstalt nicht auf eventuelle notärztliche Einsätze beschränken würde.
Aufgrund dieser Fakten kommt das Gericht nach Würdigung sämtlicher Beweise und Berücksichtigung ökonomischer und ethischer Überlegungen zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer derzeit vollzugsuntauglich ist.
Rechtliche Erwägungen
Zu Spruchpunkt I.)
Nachdem die belangte Behörde im bekämpften Bescheid das Anbringen vom als einen weiteren Antrag auf Strafaufschub qualifizierte, war zunächst zu klären, ob tatsächlich zwei Anträge eingebracht wurden.
Für die Beurteilung von Anbringen kommt es auf den Inhalt und auf das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischritts an. Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist eine davon abweichende, nach außen nicht zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht maßgebend. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Behörde gehalten, die Absicht der Partei zu erforschen (). Parteierklärungen im Verwaltungsverfahren sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, dh es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss ().
Nachdem der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde auf Seite 3 klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass mit Schriftsatz vom eine Urkundenvorlage zum Antrag vom erfolgt ist und der Antrag vom wiederholt wurde, liegt entsprechend des zu erschließenden Ziels der Partei (lediglich) ein Antrag vor und zwar jener vom , welcher mit Schriftsatz vom wiederholt bzw. ergänzt wurde. Aus diesem Grund hat der Beschwerdeführer auch nur eine Beschwerde erhoben und zwar hinsichtlich des Bescheides vom . Das Bundesfinanzgericht folgt dieser Ansicht, sodass gegenständlich nur über eine Beschwerde abzusprechen war. Diese Beschwerde lässt erkennen, dass sich die Partei durch diese Entscheidung der Finanzstrafbehörde beschwert fühlt und einen Rechtsanspruch auf Überprüfung des Bescheides geltend macht.
Gem. § 161 Abs 1 FinStrG hat das Bundesfinanzgericht grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden. Sache kann nur diejenige Angelegenheit sein, die den Spruch des angefochtenen Bescheids bildet (). Gegenständlich ist dem Spruch zu entnehmen, dass über den Antrag vom (einschließlich Ergänzung vom ) auf Aufschiebung der Vollstreckung gem. § 177 Abs. 1 FinStrG abgesprochen wurde. Da sich die belangte Behörde in ihrer Begründung aber ausschließlich auf § 176 Abs. 1 FinStrG bezogen hat (vgl. ; ), erschließt sich für das Gericht in Zusammenschau mit den Schriftsätzen des Beschwerdeführers, welche die Vollzugsuntauglichkeit ausschließlich mit seiner Krankheit begründen, dass die belangte Behörde über einen Aufschub des Strafvollzuges nach § 176 Abs. 1 FinStrG abgesprochen hat. Dies bestätigt die belangte Behörde auch im Vorlagebericht vom , wonach sie im Spruch irrtümlicherweise § 177 Abs. 1 FinStrG anstatt § 176 Abs. 1 FinStrG angeführt habe. Ein Subsumtionsfehler, wie vom Beschwerdeführer behauptet, liegt daher nicht vor.
In weiterer Folge war zu prüfen, ob der Beschwerdeführer überhaupt noch beschwert ist, nachdem die belangte Behörde zwischenzeitig mit Bescheid vom den Strafvollzug gem. § 176 Abs. 1 FinStrG aufgrund eines weiteren (später eingebrachten) Antrages des Beschwerdeführers bis zum aufgeschoben hat.
Dahingehend ist auszuführen, dass in den beiden Anträgen unterschiedliche Beantragungszeiträume begehrt wurden. Während im Anbringen vom , ergänzt durch Schriftsatz vom , die Aufschiebung des Strafvollzuges bis zur Besserung des Gesundheitszustandes beantragt wurde, wird im Antrag vom (lediglich) begehrt, die Vollstreckung der verhängten (Ersatz)freiheitsstrafe im Ausmaß des Beschlusses des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , somit faktisch bis , aufzuschieben. Da die Besserung des Gesundheitszustandes, als unbestimmter zeitlicher Begriff, somit nicht konkret auf den abstellt, liegt nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes keine entschiedene Sache vor.
Bezüglich eines möglichen Rechtschutzinteresses hinsichtlich des Zeitraumes (Abweisung des ersten Antrages) bis (Stattgabe des zweiten Antrages) wird darauf hingewiesen, dass Verwaltungsentscheidungen zwar überprüfbar sein müssen, aber im Rechtsmittelverfahren kein Neuerungsverbot besteht und daher das Bundesfinanzgericht bei Erlassung der Beschwerdeentscheidung verpflichtet ist, auf die während des Rechtsmittelverfahrens festgestellten neuen Beweise und Tatsachen (hier insbesondere auf das Gutachten des ***Name4*** vom ) Bedacht zu nehmen (). Aus diesem Grund tritt dieses mögliche Rechtschutzinteresse in den Hintergrund und hat das Bundesfinanzgericht gegenständlich (nur) zu beurteilen, ob aufgrund der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung die Voraussetzungen des § 176 Abs. 1 FinStrG vorliegen.
Dazu wird Folgendes ausgeführt:
Gem. § 179 Abs. 1 FinStrG gelten die Bestimmungen für den Vollzug von Freiheitsstrafen auch für den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen.
Gemäß § 175 Abs. 1 FinStrG sind die Freiheitsstrafen in den gerichtlichen Gefangenenhäusern und in den Strafvollzugsanstalten zu vollziehen. Der Vollzug in einer Strafvollzugsanstalt ist jedoch nur in unmittelbarem Anschluss an eine gerichtliche Freiheitsstrafe und mit Zustimmung des Bestraften zulässig. Soweit dieses Bundesgesetz nicht besondere Bestimmungen enthält, sind für den Vollzug die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit achtzehn Monate nicht übersteigt, sinngemäß anzuwenden.
Gem. § 176 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde im Falle, dass ein dem Wesen der Freiheitsstrafe entsprechender Strafvollzug wegen einer Krankheit oder Verletzung, wegen Invalidität oder eines sonstigen körperlichen oder geistigen Schwächezustandes des Bestraften nicht durchführbar ist, den Strafvollzug so lange aufzuschieben, bis dieser Zustand aufgehört hat.
Aus dem in § 176 Abs 1 FinStrG im Falle des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen vorgesehenen amtswegigen Vorgehen der Finanzstrafbehörde ist allerdings nicht zu folgern, dass dem Bestraften ein Recht auf Antragstellung mit der Behauptung des Vorliegens eines Strafaufschubsgrundes nach § 176 Abs 1 FinStrG abgesprochen werden dürfe (; ). Aus diesem Grund war über den Antrag vom , ergänzt durch den Schriftsatz vom , von der Finanzstrafbehörde abzusprechen.
Ein subjektiv-öffentliches Recht des Beschwerdeführers darauf, dass im Falle des Vorliegens eines der Tatbestände des § 176 Abs 1 FinStrG der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe im Sinne des § 179 Abs 1 FinStrG so lange aufgeschoben wird, bis der den Tatbestand erfüllende Zustand aufgehört hat, ist damit zu bejahen. Ist einem Bestraften ungeachtet des Umstandes, dass § 176 Abs 1 FinStrG lediglich ein amtswegiges Vorgehen vorsieht, doch ein Antragsrecht auf Strafaufschub auch nach der genannten Gesetzesstelle einzuräumen, so muss von ihm in Verbindung mit einem nach dieser Gesetzesstelle erhobenen Aufschubsbegehren aber auch gefordert werden, jenen Zustand ausreichend deutlich und einer Beurteilung zugänglich darzustellen, dessentwegen ein dem Wesen der Freiheitsstrafe entsprechender Strafvollzug bei ihm nicht durchführbar sein soll (). Diesem Erfordernis ist der Beschwerdeführer ausreichend nachgekommen, indem er unverzüglich und vollumfänglich die Gutachten und ärztlichen Bescheinigungen über seinen Gesundheitszustand vorgelegt hat.
Ausschlaggebend für die grundsätzlich von Amts wegen oder bei einem entsprechenden Antrag des Bestraften von der Finanzstrafbehörde zu treffende Beurteilung (vgl. ), ob bzw. inwieweit ein sich nach den Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes (StVG) richtender Strafvollzug wegen eines (oder mehrerer) der in § 176 Abs. 1 FinStrG genannten Zustände möglich bzw. geboten ist, ist dabei nicht schon das Vorliegen eines derartigen Zustandes an sich, sondern, ob der jeweilige Zustand zum Zeitpunkt der Einleitung des Vollzuges (§ 175 FinStrG) solche Beschwerden verursacht, dass bereits feststeht, dass ein den gesetzlichen Strafzwecken entsprechender Vollzug nicht durchführbar ist bzw. sein wird (vgl. ; FSRV/0105-L/10).
Ein dem Wesen der Freiheitsstrafe entsprechender Strafvollzug ist in den im § 176 Abs 1 und 2 FinStrG aufgezählten Fällen der Krankheit oder Verletzung sowie Invalidität ausgeschlossen. Der Vollzug der Freiheitsstrafe muss daher von Amts wegen, ohne dass es eines Antrages des Bestraften bedürfte, bis zum Wegfall des Hindernisses aufgeschoben werden, wenn der Bestrafte in dem Zeitpunkt, in dem der Strafvollzug beginnen soll, laut amtsärztlicher oder gefängnisärztlicher Bescheinigung körperlich schwer krank oder geisteskrank ist. Die Beurteilung, ob auf Grund eines festgestellten Sachverhaltes der Tatbestand des § 176 Abs 1 FinStrG erfüllt ist, obliegt der Finanzstrafbehörde. Ein ärztliches Sachverständigengutachten dient ausschließlich dazu, der erkennenden Behörde die Ermittlung des zugrundeliegenden Sachverhaltes zu ermöglichen und sie dabei zu unterstützen. Ein ärztliches Sachverständigengutachten hat jedoch nicht die Aufgabe, die rechtliche Würdigung des von der Behörde festzustellenden Sachverhaltes vorzunehmen () (Köck in Köck/Kalcher/Judmaier/Schmitt, FinStrG, Band 25, § 176, Rz 1).
Da - wie bereits oben ausgeführt - das Bundesfinanzgericht nach Würdigung sämtlicher Beweise zum Ergebnis gekommen ist, dass der Beschwerdeführer multimorbid und aufgrund dieser schweren Krankheiten vollzugsuntauglich ist, liegen die Voraussetzungen für die Gewährung eines Strafaufschubes gem. § 176 Abs. 1 FinStrG vor. Das Gericht ist zur Überzeugung gekommen, dass aufgrund der schweren Erkrankungen des Beschwerdeführers ein den gesetzlichen Strafzwecken entsprechender Vollzug nicht durchführbar ist.
Um eine mögliche Besserung des Gesundheitszustandes überprüfen zu können, war es erforderlich den Strafaufschub zeitlich zu befristen. Dahingehend erachtet es das Bundesfinanzgericht für zweckmäßig die Vorgehensweise des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zu übernehmen. Demnach erfolgen jährliche Kontrolluntersuchungen und wurde der letzte Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien am gefasst, sodass gegenständlich der Strafaufschub ebenfalls bis gewährt wird. Sollte sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers nicht verbessern, werden die Voraussetzungen für die Gewährung eines Strafaufschubes gem. § 176 Abs. 1 FinStrG auch nach dem gegeben sein, sodass dieser schon von Amtes wegen aufzuschieben sein wird. Zu diesem Zweck wird der Beschwerdeführer ersucht nach Vorliegen neuer ärztlicher Gutachten oder Bescheinigungen, diese unverzüglich und unaufgefordert der Finanzstrafbehörde zu übermitteln. Durch diese Gleichschaltung ist eine zweckmäßige und verfahrensökonomische Vorgehensweise gewährleistet, zumal nach den vorgelegten Gutachten eine Verbesserung des Gesundheitszustandes nicht zu erwarten ist.
Abschließend wird noch angemerkt, dass gegenständlich entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers die belangte Behörde und nunmehr das Bundesfinanzgericht nicht am Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien im Verfahren zu GZ ***Zahl2*** gebunden war, zumal es sich weder um ein Strafurteil noch um eine Vorfrage () handelt. Zudem entfaltet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Spruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zusammensetzt (). Die Einstufung der Vollzugsuntauglichkeit durch das Landesgericht für Strafsachen Wien entfaltet daher keine Bindungswirkung und war diese von der Finanzstrafbehörde bzw. nunmehr vom Bundesfinanzgericht selbständig vorzunehmen.
Darüber hinaus wird die belangte Behörde aufgrund des mittlerweile abgeschlossenen Abschöpfungsverfahrens und der damit einhergehenden möglichen Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse festzustellen haben, ob die Geldstrafe nunmehr (zumindest teilweise) einbringlich ist, zumal der Beschwerdeführer eine monatliche Pension von netto € 1.900,00 bezieht. Diesbezüglich wurden von der belangten Behörde bereits Pfändungsmaßnahmen in Gang gesetzt, wobei zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden konnte, ob diese überhaupt zum Erfolg führen. Folglich ging das Bundesfinanzgericht in dieser Entscheidung von der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe aus.
Gem. § 160 Abs. 2 lit d FinStrG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da sich die Beschwerde nicht gegen ein Erkenntnis richtet und keine Partei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II.)
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das gegenständliche Erkenntnis weicht von der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab und hat die Beurteilung der Voraussetzungen für die Gewährung eines Strafaufschubes nach § 176 Abs. 1 FinStrG im Einzelfall und keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zum Gegenstand, sodass eine ordentliche Revision nicht zuzulassen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 176 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7300008.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at