Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.06.2024, RV/7103426/2012

Anwendbarkeit der Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des FA Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom , vom und vom betreffend Einkommensteuer 2001 bis 2004, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2004 werden abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Laut den Feststellungsbescheiden des Finanzamts Neunkirchen Wiener Neustadt vom für die Jahre 2001 bis 2003 und Nichtfeststellungsbescheid für das Jahr 2004 betreffend ***1*** (St.nr.: ***2***) wurden von der Mitunternehmerschaft für den streitgegenständlichen Zeitraum auf Grund von Scheinrechnungen Verluste erklärt.

Diese mit Bescheid vom als unrechtmäßig beurteilten Verluste waren zunächst in den von den vorher erlassenen Grundlagenbescheiden abgeleiteten Einkommensteuerbescheiden bei den einzelnen Mitunternehmern einkommenswirksam berücksichtigt worden. Aufgrund des Grundlagenbescheids vom wurden diese Verluste bei den einzelnen Beteiligten in den Streitjahren gestrichen.

Im Vorfeld zu den genannten Grundlagenbescheiden waren wiederholt Nichtbescheide und anschließende neue Erstbescheide (Feststellungsbescheide) erlassen worden. Dementsprechend erfolgten mehrfach Abänderungen der abgeleiteten Einkommensteuerbescheide der Jahre 2001 bis 2004.

Mit den gegenständlich angefochtenen Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2001 bis 2004 vom sowie vom setzte das Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg (FA 07) die Einkommensteuer des Beschwerdeführers (Bf.) u.a. unter Berücksichtigung der Grundlagenbescheide vom betreffend Mitunternehmerschaft (atypisch stillen Beteiligung) an der ***1***, St.nr.: ***2***, (Beteiligung in den Streitjahren) fest.

In seiner rechtzeitig eingebrachten Berufung (nunmehr Beschwerde) vom wandte der Bf. Folgendes ein:

"Gemäß § 207 BAO beträgt die Frist für eine Festsetzungsverjährung 5 Jahre, welche gem. § 209 BAO regelmäßig um 1 Jahr verlängert wird. Nur wenn noch im letzten Jahr der Verlängerung nach außen erkennbare Amtshandlungen gesetzt werden, verlängert sich die Verjährung jeweils um 1 Jahr."

Er brachte in der Berufung im Wesentlichen vor, die Einkommensteuer 2001 sei daher im Jahr 2007 verjährt gewesen, die Einkommensteuer 2002 im Jahr 2008, die Einkommensteuer 2003 im Jahr 2009 und die Einkommensteuer 2004 im Jahr 2010.

Wenn einmal Verjährung eingetreten sei, könne das Recht eine Abgabe festzusetzen nicht mehr wiederaufleben.

Weiters wurde darin vorgebracht, es seien auch die Verjährungsbestimmungen für hinterzogene Abgaben nicht anzuwenden, zum Zeitpunkt bis 2006 könne eine Hinterziehung nicht nachgewiesen werden und ein Betrug könne aus den Aussagen und Handlungen des Geschäftsführers für diese Zeit nicht abgeleitet werden.

Zudem verwies der Bf. auf die Möglichkeit der Nichtigkeit der Grundlagenbescheide.

Der am eingebrachte Schriftsatz (bezeichnet als "Berufung gegen Einkommensteuerbescheid gem. § 295 Abs. 1 BAO für das Jahr 2004 vom ") gilt als ergänzender Schriftsatz zur Berufung, da die Berufung vom weitergilt (vgl. Vorlagebericht des FA). Darin wurde inhaltlich nichts Neues vorgebracht.

Die Berufung bzw. Beschwerde gegen die strittigen Einkommensteuerbescheide 2001 bis 2004 wurde ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung (nunmehr Beschwerdevorentscheidung) an das BFG vorgelegt.

Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 207 Abs. 2 BAO idF BGBl. I Nr. 57/2004 beträgt die Verjährungsfrist bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist sieben Jahre.

Durch BGBl. I Nr. 105/2010 wurde mit Wirksamkeit die Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben auf zehn Jahre verlängert. Die Verjährung beginnt gemäß § 208 Abs. 1 lit a BAO mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.

Gemäß § 209 Abs 1 BAO verlängern nach außen erkennbare, zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommene, Amtshandlungen die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.

Nach § 209 Abs. 3 BAO idF BGBl. I Nr. 180/2004 verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches.

Abgabenbehördliche Prüfungen, deren Gegenstand Feststellungsverfahren (Feststellungs-bescheide) sind, verlängern die Verjährungsfrist der von den Feststellungsbescheiden jeweils abgeleiteten Abgaben (; 98/15/0056; vgl. Ritz, BAO, 6. Auflage, § 209 Tz. 16). Dies gilt auch für auf Erlassung solcher Feststellungsbescheide gerichtete Amtshandlungen, wie z.B. Vorhalte (u.a. ) oder Außenprüfungen (Ritz, BAO-Kommentar, 4. Auflage, § 209 Tz 9 mit Verweis auf , 0060, 0061).

Der Bf. war unstrittig u.a. in den Jahren 2001 bis 2004 an der ***1*** (St.nr.: ***2***) als Mitunternehmer (atypisch stiller Gesellschafter) beteiligt.

Am erfolgte eine automatische Bescheidänderung des Einkommensteuerbescheids 2001 gemäß § 295 Abs. 1 BAO (mit endgültiger Festsetzung).

Am erging dann der hier angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2001, welcher eine Änderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO zum Bescheid vom ist.

Am erging der hier angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2002, welcher eine Änderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO zum Bescheid vom ist.

Am erging auch der hier angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2003, welcher eine Änderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO zum Bescheid vom ist.

Am erging auch der ebenfalls hier angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2004, welcher eine Änderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO zum Bescheid vom ist.

Daraus folgt für die gegenständlichen Streitjahre 2001 bis 2004:

Zum Zeitpunkt der Zustellung des Einkommensteuerbescheide 2001 (vom ) war die allgemeine Verjährungsfrist von fünf Jahren unstrittig bereits abgelaufen, somit wäre unter Anwendung der um ein Jahr verlängerten Fünfjahresfrist des § 207 Abs. 2 erster Satz BAO bereits Festsetzungsverjährung eingetreten. Streit besteht darüber, ob nach Lage des Falles die Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben von sieben Jahren (§ 207 Abs. 2 BAO) zum Tragen kommt (bezüglich der erstmaligen Anwendung der Verlängerung von sieben Jahren auf zehn Jahre siehe Ritz, BAO, 5. Auflage, § 207 Tz 14a).

Im Jahr 2007 konnten hinsichtlich der Einkommensteuer 2001 keine Verlängerungshandlungen - welche den Eintritt der Verjährung um ein weiteres Jahr verlängert hätten - festgestellt werden. Es ist jedoch auch die Verjährungsfrist nach § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO zu prüfen. Diese längere Frist setzt eine Abgabenhinterziehung voraus.

Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich einer Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt. Gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.

Vorsätzliches Handeln beruht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen (z.B. ).

Die Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben kommt unabhängig davon zur Anwendung, welcher konkreten Person die Hinterziehung der Abgabe vorzuwerfen ist (). Wird eine vorsätzliche Abgabenhinterziehung festgestellt, kommt es daher nicht darauf an, ob der Abgabenschuldner selbst die Abgabe hinterzogen hat, sondern nur darauf, dass sie überhaupt hinterzogen wurde (). Die Verjährungsfrist bezieht sich nicht auf ein Rechtssubjekt, sondern auf eine Forderung ().

Die Abgabenbehörde ist im Abgabenverfahren nicht daran gehindert, ohne finanzstrafbehördliche Entscheidung festzustellen, dass Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO hinterzogen worden sind; liegt daher eine Entscheidung der zuständigen Behörde nicht vor, hat die Abgabenbehörde diese Frage als Vorfrage in eigener Verantwortung zu beurteilen ().

Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen wurden, setzt eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus. Die maßgebenden Hinterziehungskriterien der Straftatbestände sind von der Abgabenbehörde nachzuweisen (VwGH 2007/15/0292; VwGH 2005/15/0072).

Bei der Beurteilung durch die Abgabenbehörde ist vor allem zu beachten, dass eine Abgabenhinterziehung nicht schon bei einer objektiven Abgabenverkürzung vorliegt, sondern Vorsatz als Schuldform erfordert, und eine Abgabenhinterziehung somit erst als erwiesen gelten kann, wenn in nachprüfbarer Weise auch der Vorsatz feststeht. Vorsätzliches Handeln beruht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (VwGH 2007/15/0292; VwGH 2005/15/0072).

Die Beurteilung der Vorfrage hat in der Begründung des Bescheides (bzw. Beschlusses oder Erkenntnisses) zu erfolgen. Aus der Begründung muss sich somit ergeben, auf Grund welcher Ermittlungsergebnisse sowie auf Grund welcher Überlegungen zur Beweiswürdigung und zur rechtlichen Beurteilung die Annahme der Hinterziehung gerechtfertigt ist (vgl. Ritz, BAO, 6. Auflage, § 207 BAO, Tz 15; ; , 96/17/0453).

Wird eine vorsätzliche Abgabenhinterziehung festgestellt, kommt es nicht darauf an, ob der Abgabenschuldner selbst die Abgabe hinterzogen hat, sondern nur darauf, dass sei überhaupt hinterzogen wurde (; , 1197/61; , 83/16/0182;14.7.189, 86/17/0198; , 94/16/0275; , 96/14/0152; , 2004/16/0146). Die Verjährungsfrist bezieht sich nicht auf ein Rechtssubjekt, sondern auf eine Forderung (, 2002/16/0005).

Zum Tatbestand der Steuerhinterziehung genügt auch die vorübergehende Erlangung eines Steuervorteils. Verkürzt wird eine Steuereinnahme nicht bloß dann, wenn sie überhaupt nicht eingeht, sondern auch dann, wenn sie ganz oder teilweise dem Abgabengläubiger nicht in dem Zeitpunkt zukommt, in welchem er nach dem betreffenden Steuergesetz darauf Anspruch gehabt hätte (Seewald in Tannert, Finanzstrafrecht § 33 FinStrG E4).

Im Zuge von Wiederholungsprüfungen gem. § 99 FinStrG u.a. bei der ***1***. Für die Jahre 2001 bis 2003 wurde vom Finanzamt Neunkirchen Wr. Neustadt zu Eingangsrechnungen der geprüften Gesellschaften festgestellt, dass diesen seitens der entsprechenden Geschäftspartner niemals Gegenleistungen gegenübergestanden hatten, sondern die Erbringung von Leistungen durch die in den Rechnungen angeführten Personen vorgetäuscht worden seien. Der Alleingeschäftsführer ***12*** gab im Lauf der Betriebsprüfung (Bp) an, dass zwei näher genannte Geschäftspartner für den Zeitraum 2001 - 2003 niemals Gegenleistungen erbracht hatten. Nach seinen glaubwürdigen Aussagen habe es sich um Scheinrechnungen zur Erzeugung von Verlusten für die Anleger gehandelt (siehe detaillierte Darstellung unter Punkt 3.7. der Feststellungsbescheide vom bzw. ). Da kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Ausführungen zu zweifeln, geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass diese Handlungen im Hinblick auf den ermittelten Verlust der Mitunternehmerschaft als vorsätzliche Abgabenhinterziehung der vom Feststellungsbescheid abgeleiteten Abgaben anzusehen sind. Die Beurteilung des FA Neunkirchen Wr. Neustadt in den genannten Feststellungsbescheiden wird daher als zutreffend angenommen und von einer Abgabenhinterziehung iSd § 33 FinStrG ausgegangen.

Aus diesem Grund liegt der Eintritt der Festsetzungsverjährung betreffend Einkommensteuer 2001 jedenfalls nicht vor dem und Verlängerungshandlungen seitens des Finanzamtes im Jahr 2007 betreffend Einkommensteuer 2001 waren somit nicht erforderlich.

Im Jahr 2008 wurde am ein Bescheid gemäß § 293b BAO betreffend das Feststellungsverfahren der ***13*** erlassen, mit welchem die Feststellungsbescheide für 2001 und 2002, beide vom , abgeändert wurden.

Weiters wurde am im Rahmen der Ermittlungen zu den Feststellungsbescheiden 2000 bis 2007 zur Geltendmachung des Angabenanspruchs ein Ergänzungsersuchen des FA Neunkirchen Wiener Neustadt an ***14*** gerichtet mit dem Auftrag, Anlegerinformationen und Prospekte sowie die ausgesandten Ergebnismitteilungen zu übermitteln. Durch all diese nach außen gerichteten Amtshandlungen in den Feststellungsverfahren verlängerte sich für 2001 die Verjährung bis zum Ablauf des Jahres 2009.

Im Jahr 2009 wurde am der Prüfungsauftrag betreffend die ***14*** mit Prüfungsgegenstand der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung 2000 - 2007 erlassen und mit den Prüfungshandlungen begonnen.

Im Einkommensteuerverfahren des Bf. ergingen u.a. am gemäß § 295 BAO abgeänderte Bescheide für 2002 bis 2004. Diese nach außen gerichtete Amtshandlungen in den Feststellungs- und Einkommensteuerverfahren verlängerten den Eintritt der Verjährung für 2001 bis 2004 bis zum Ablauf des Jahres 2010.

Im Jahr 2010 wurden am nach Wiederaufnahme geänderte Festellungsbescheide für 2001 bis 2004 betreffend ***1*** sowie am Abänderungsbescheide gemäß § 295 BAO zur Einkommensteuer des Bf. für 2001 bis 2004 erlassen.

Betreffend Einkommensteuer (ESt) 2001 bis 2004 gab es dann am im Feststellungsverfahren (vom Prüfungsergebnis ausgehend) Wiederaufnahmen gemäß § 303 Abs. 4 BAO sowie neue Feststellungsbescheide mit diesem Datum. Obwohl sich im weiteren Verfahren (beim UFS/BFG) herausstellte, dass dies sogenannte "Nichtbescheide" waren, ist die Erlassung dieser Schriftstücke nach Rechtsansicht des BFG trotzdem als nach außen gerichtete Amtshandlung zu werten.

Verschiedentlich war zwar die Auffassung vertreten worden, dass "schriftliche Bescheide nur dann als sonstige Erledigungen im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO gelten würden, wenn diese auch zugestellt wurden, was für nichtexistente Bescheide jedenfalls zu verneinen sein wird."

Dieser Auffassung ist jedoch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2022/15/0001, entgegenzuhalten. Demnach hält der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) die zur Rechtslage vor dem AbgÄG 2004 (BGBl. I 2004/180) bestehende Rechtsprechungslinie, wonach schriftliche Bescheide nur bei rechtswirksamer Zustellung Amtshandlungen iSd § 209 BAO für die neue Rechtslage - in der § 209 BAO von einem bisherigen Unterbrechungs- in einen bloßen Verlängerungstatbestand verwandelt wurde - nicht mehr aufrecht. Der VwGH erkannte weiters, dass nicht nur bescheidmäßige Erledigungen Verlängerungshandlungen darstellen. Vielmehr kommt diese Eigenschaft jeder nach außen erkennbaren Handlung zur Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruches zu. Es kommt auch nicht darauf an, ob diese Amtshandlung konkret geeignet ist, den angestrebten Erfolg, nämlich die Durchsetzung des Anspruches, zu erreichen.

Es genügt vielmehr, dass die Amtshandlung nach außen in Erscheinung tritt und erkennbar den Zweck verfolgt, den Anspruch gegen einen bestimmten Abgabenschuldner durchzusetzen. Sogar der Umstand, dass dieser Abgabenschuldner im Zeitpunkt dieser Amtshandlung nicht mehr existiert und die Geltendmachung des Abgabenanspruchs etwa richtigerweise gegen dessen Rechtsnachfolger erfolgen müsste, führt zu keiner anderen Beurteilung (; zu einer möglichen Verlängerungswirkung von Bescheiden unabhängig von ihrer rechtswirksamen Zustellung vgl. auch bereits ).

Mit all den (oben angeführten) nach außen gerichteten Amtshandlungen zur Durchsetzung des Abgabenanspruches - u.a. wurde in den Jahren 2005 bis 2006 erstmals eine Außenprüfung durchgeführt (= Verlängerungshandlung) sowie Durchführung der Bp im Feststellungsverfahren in den Jahren 2009 (= Verlängerungshandlung) und 2010 sowie den Abschluss der Bp im Jahr 2010 (= Verlängerungshandlung) - verlängerte sich somit die Verjährungsfrist für 2001 bis 2004 jedenfalls bis zum Ablauf des Jahres 2011.

Im Jahre 2011, nämlich am , wurden die gegenständlich bekämpften Bescheide erlassen. Der Berichtigungsbescheid gemäß § 293 BAO zum geändertem Bescheid vom betreffend Einkommensteuer 2004 wurde nach § 302 Abs. 2 lit. a BAO innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft des zu berichtigenden Bescheides erlassen und war damit zulässig (vgl. Ritz, BAO, 6. Auflage § 293, Tz. 14).

Diese Feststellungen sind aus dem Akteninhalt der Finanzamtsakten zu den Einkommensteuer- und Feststellungsverfahren ableitbar und besteht kein Grund die Richtigkeit des Akteninhaltes anzuzweifeln.

Aufgrund des in der Mitunternehmerschaft begründeten Gesamtschuldverhältnisses und der oben dargestellten Judikatur folgt aus der durch die Geschäftsführer vorsätzlich unrechtmäßig überhöhten Darstellung des steuerlichen Verlustes der Geschäftsherrin bzw. der Mitunternehmerschaft die Anwendung der längeren Verjährungsfrist für die Einkommensteuer sämtlicher an der Mitunternehmerschaft beteiligten Gesellschafter (vgl. Stoll, BAO Kommentar, § 207, 2172).

Nach § 207 Abs. 2 BAO ist die verlängerte Verjährungsfrist von sieben Jahren auf "hinterzogenen Abgaben" anzuwenden. Aufgrund des in der Mitunternehmerschaft des vorliegenden Gesamtschuldverhältnisses und der oben dargestellten Judikatur folgt aus der durch die Geschäftsführer bewirkten vorsätzlich unrechtmäßig überhöhten Darstellung des steuerlichen Verlustes der Geschäftsherrin und der Mitunternehmerschaft die Anwendung der längeren Verjährungsfrist für die Abgaben der Gesellschafter der Mitunternehmerschaft (vgl. Stoll, BAO Kommentar, § 207, 2172).

Daher ist auf die Festsetzung der Einkommensteuer 2001 bis 2003, aufgrund Vorliegens einer von einer vorsätzlichen Hinterziehung umfasster Abgaben, die Siebenjahresfrist gemäß § 207 Abs. 2 Satz idF BGBl I 2000/142 anzuwenden. Dementsprechend lief die Verjährungsfrist für 2001 jedenfalls bis Ende 2008. In den Jahren 2008, 2009 und 2010 wurden die oben dargestellten Verlängerungshandlungen auch betreffend 2001 gesetzt und damit die Festsetzungsverjährung bis zum Ablauf des Jahres 2011 verlängert. Die absolute Verjährung wäre hinsichtlich 2001 mit Ablauf des Jahre 2011 eingetreten, die Einkommensteuer 2001 war daher zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung am noch nicht verjährt. Für die Jahre 2002, 2003 und 2004 wäre grundsätzlich ebenfalls die 7-jährige Verjährungsfrist anzuwenden, die Prüfung kann jedoch unterbleiben, da bereits unter Zugrundelegung der 5-jährigen Verjährungsfrist keine Verjährung eingetreten ist (siehe oben).

So begann beispielsweise die fünfjährige Festsetzungsverjährung für die Einkommensteuer des Jahres 2003 mit Ablauf des Jahres 2003 zu laufen und endet - sofern keine Verlängerungshandlung iSd § 9 Abs. 1 BAO gesetzt wurde - mit Ablauf des Jahres 2008.

Während dieser fünfjährigen Festsetzungsverjährung erging nicht nur der Einkommensteuer-Erstbescheid vom sowie der vom (mit endgültiger Festsetzung), sondern auch der gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderte Einkommensteuerbescheid vom , wodurch sich die Verjährungsfrist bis zu Ablauf des Jahres 2010 verlängerte.

Die gegen diesen Einkommensteuerbescheid erhobene Berufung vom erledigte das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung ab , somit vor Ablauf des Jahres 2010. Folglich verlängerte sich die Verjährungsfrist bis zum Ablauf des Jahres 2011.

Mit den genannten von der Abgabenbehörde gesetzten Verfahrenshandlungen im Sinne des § 209 Abs. 1 2. Satz BAO verlängerte sich die Verjährungsfrist bis zu Ablauf des Jahres 2011. Der Einwand der (damaligen) steuerlichen Vertretung des Bf., wonach die Festsetzungsverjährung der Einkommensteuer 2003 mit Ablauf des Jahres 2009 eingetreten sei, vermag der Beschwerde in diesem Punkt nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dies gilt analog auch für die Veranlagungsjahre 2002 und 2004.

Das Bundesfinanzgericht sieht weiters keinen Grund, die den bekämpften Einkommensteuerbescheiden zugrundeliegenden Feststellungsbescheide der Mitunternehmerschaft als Nichtbescheide zu qualifizieren, zumal dazu seitens des Bf. kein konkretes Vorbringen erstattet wurde und die Grundlagenbescheide nach Ansicht des erkennenden Gerichts keine offensichtlichen Mängel aufweisen, die ihre Bescheidqualität in Zweifel ziehen.

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Bundesfinanzgerichtes immer in der Sache selbst zu entscheiden. Das Bundesfinanzgericht ist danach berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen. Dabei hat das Bundesfinanzgericht nach der Sach- und Rechtslage zu entscheiden, die im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegt und somit auch jene Feststellungsbescheide zu Grunde zu legen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesfinanzgerichts dem Rechtsbestand angehören ().

Für den Beschwerdefall bedeutet dies, dass die zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen des Bundesfinanzgerichts hinsichtlich der Feststellungsbescheide zur ***3*** - RV/7100470/2014 vom - und zur ***4*** - RV/7101107/2018 vom (bei der Festsetzung der Einkommensteuer für 2002 bis 2004) sowie (aufgrund des rechtskräftigem BFG-Erkenntnisses RV/7102483/2013 vom bzw. BP-Bericht vom 29.22.2010 (ABNr.: 121095/09) zur St.nr. ***2*** - bei der Festsetzung der Einkommensteuer für 2001 bis 2004) zu berücksichtigen sind.

Aufgrund der zwischenzeitlichen Änderungen der Feststellungen betragen die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nunmehr wie folgt (in Euro):

Einkommensteuer 2001:

Beteiligung ***5***

(St.nr. ***6***): -18.047,21

Beteiligung ***7*** (***8***): -9.654,20

Beteiligung ***9*** (***10***): 359,73

Beteiligung ***1*** (***2***): -7.489,52 (aufgrund des rechtskräftigem BFG-Erkenntnisses RV/7102483/2013 vom bzw. BP-Bericht vom 29.22.2010 (ABNr.: 121095/09) zur St.nr. ***2***)

Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2001 laut BFG: -34.831,20 (= öS -479.289,00)

Einkommensteuer 2002

Beteiligung ***11*** (***18***): -588,73

Beteiligung ***7***: -7.686,09

Beteiligung ***9***: 0,00

Beteiligung ***1***: -2.044,14 (aufgrund des rechtskräftigem BFG-Erkenntnisses RV/7102483/2013 vom bzw. BP-Bericht vom 29.22.2010 (ABNr.: 121095/09) zur St.nr. ***2***)

Beteiligung ***5***: - 14.695,70

Beteiligung ***4*** (***15***): -20.000,00 (gemäß rechtskräftigem BFG-Erkenntnis RV/7101106/2018 vom )

Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2002 laut BFG: -45.014,66

Einkommensteuer 2003

Beteiligung ***5***: -4.406,64

Beteiligung ***9***: 0,00

Beteiligung ***1***: 1.830,33 (aufgrund des rechtskräftigem BFG-Erkenntnisses RV/7102483/2013 vom bzw. BP-Bericht vom 29.22.2010 (ABNr.: 121095/09) zur St.nr. ***2***)

Beteiligung ***11***: -4.170,24

Beteiligung ***4***: -30.868,65 (aufgrund des rechtskräftigen BFG-Erkenntnisses vom , RV/7101107/2018)

Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2003 laut BFG: - 37.615,20

Einkommensteuer 2004

Beteiligung ***1***: 0,00

Beteiligung ***4***: - 2.272,39 (aufgrund des rechtskräftigen BFG-Erkenntnisses vom , RV/7101107/2018)

Beteiligung ***3*** (***16*** bzw. ***17***): - 102.953,40 (aufgrund des rechtskräftigen BFG-Erkenntnisses vom , RV/7100470/2014109)

***9***: 0,00

***1***: 0,00

***5***: - 4.322,01

Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2004 laut BFG: -109.547,40

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Beilagen: 3 Berechnungsblätter - Einkommensteuer 2002, 2003, 2004

Zur Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Einer Rechtsfrage kann nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (z.B. ).

Zu den Rechtsfragen, ob Verlängerungshandlungen im Rahmen des Feststellungsverfahrens auch für die abgeleiteten Bescheide Wirkung entfalten (; 98/15/0056) und welche Handlungen der Abgabenbehörde eine Verlängerungshandlung darstellen (; , 2001/13/0059, 0060, 0061) besteht bereits eine umfangreiche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs.

Die gegenständliche Entscheidung weicht von der zur Anwendbarkeit der Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben ergangenen Rechtsprechung des VwGH nicht ab. Die Beantwortung der Frage, ob von einer Hinterziehung von Einkommensteuer auszugehen ist, hing in erster Linie von der im Rahmen der Beweiswürdigung vorgenommenen Beurteilung von Tatfragen ab, denen keine über den vorliegenden Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Die Revision war daher spruchgemäß nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 207 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103426.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at