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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.05.2024, RV/3100001/2022

Familienbonus Plus bei einem Grenzgänger

Beachte

Revision eingebracht (Amtsrevision). Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2024/15/0045.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Einkommensteuer wird für das Jahr 2020 iHv € 5.159,- festgesetzt.

Die Bemessungsgrundlage ist dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bildet einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Im Fokus der vorliegenden Entscheidung steht die Rechtsfrage, ob ein Grenzgänger, dessen getrennt lebende Ehefrau mit den gemeinsamen Kindern in Deutschland lebt und dort Kindergeld bezieht, bei Erfüllung seiner Unterhaltsverpflichtungen Anspruch auf Familienbonus Plus hat.

I. Verfahrensgang

Mit Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2020 vom beantragte der Beschwerdeführer (in Folge kurz: Bf) die Berücksichtigung des Alleinverdienerabsetzbetrages sowie des Familienbonus Plus und des Unterhaltsabsetzbetrages für drei Kinder.

Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurde die Einkommensteuer iHv € 9.700,- festgesetzt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Familienbonus Plus nicht zustehe, da in Österreich keine Familienbeihilfe bezogen werde. Ebenso könne der Alleinverdienerabsetzbetrag nicht berücksichtigt werden, da dieser nur Personen in eheähnlichen Lebensgemeinschaften und nur unter bestimmten Voraussetzungen zustehe. Der Unterhaltsabsetzbetrag sei hingegen iHv € 1.535,76 anerkannt worden, allerdings sei dieser für Kinder im Ausland zu indexieren gewesen.

Mit rechtzeitig am eingebrachter Beschwerde brachte der Bf zusammengefasst vor, dass die Familienbeihilfe von seiner Gattin in Deutschland bezogen werde. Der Bf bezahle den gesetzlichen Unterhalt, deshalb stehe ihm der Familienbonus Plus zu. Die Gattin des Bf lebe mit den gemeinsamen Kindern in Deutschland und könne daher den Familienbonus Plus in Österreich nicht beantragen.

Der Beschwerde waren der angefochtene Einkommensteuerbescheid des Bf mit handschriftlichen Vermerken, ein Auszug aus dem Steuerbuch, eine Bestätigung der Haushaltsgemeinschaft der Gemeinde ***x***, ein Bescheid über Kindergeld von der Familienkasse (Bundesagentur für Arbeit) in ***xx*** sowie Anträge auf Gewährung von Ausgleichszulage für die seine drei Kinder beigefügt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, da nach Ansicht des Finanzamtes Österreich, der Familienbonus Plus nur zustehe, wenn Familienbeihilfe in Österreich bezogen werde. Ein Antrag auf Ausgleichszahlung sei einem Antrag auf Familienbeihilfe gleichzusetzen. Weder der Bf noch seine Ehefrau hätten in Österreich Familienbeihilfe bezogen oder einen Antrag auf Ausgleichszahlung gestellt.

Mit Eingabe vom brachte der Bf ergänzend vor, er habe ja einen Antrag auf Ausgleichszahlung beim Finanzamt eingereicht. Er sei österreichischer Staatsbürger, wohne in Österreich und bezahle auch seine Einkommensteuer im Inland. Aus dem Steuerbuch könne entnommen werden, dass der Familienbonus Plus zustehe, wenn Unterhalt bezahlt werde.

In einer weiteren Eingabe vom beantragte der rechtsfreundliche Vertreter des Bf die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

Das Finanzamt Österreich hat die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf ist österreichischer Staatsbürger und wohnt in der Gemeinde ***x*** (ZMR Auszug). Der Bf lebt von seiner Gattin seit getrennt. Die Gattin lebt mit den gemeinsamen minderjährigen Kindern in Deutschland. ***1*** wurde am ***x.x.xxxx***, ***2*** am ***x.x.xxx1*** und ***3*** am ***x.x.xxx2*** geboren (ZMR). Seit ist der Bf geschieden (Abgabenakt).

Der Bf arbeitet - wenige Kilometer (Luftlinie 11 km) von seinem Wohnsitz in Österreich entfernt - bei der ***A*** GmbH in Deutschland. Der Bf ist Grenzgänger und bezog aus seiner Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit iHv € 65.529,05 (Lohnnachweis 2020).

Für die in Deutschland lebenden Kindern wird weder vom Bf noch von seiner getrennt lebenden Gattin österreichische Familienbeihilfe oder eine Ausgleichs- bzw Differenzzahlung bezogen. Der Antrag auf Ausgleichzahlung des Bf wurde mit Bescheid vom mit der Begründung abgewiesen, dass Familienleistungen nur für jene Monate zustehen würden, in denen der Bf selbständig oder unselbständig beschäftigt sei bzw eine Geldleistung wie zB Arbeitslosengeld beziehe.

Die Kindesmutter bezog im Jahr 2020 in Deutschland für die drei Kinder Kindergeld (Bescheid Familienkasse Süd vom ). Laut Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend sichert das Kindergeld die grundlegende Versorgung von Kindern bis zum 18. Geburtstag.

Der Bf zahlt seiner getrennt lebenden Gattin den gesetzlichen Unterhalt für die gemeinsamen Kinder. Für ***3*** und ***1*** werden monatlich € 365,-, für ***2*** € 301,- an die Gattin überwiesen. Seiner Unterhaltsverpflichtung ist der Bf iHv € 12.372,- voll nachgekommen. Der Unterhaltsabsetzbetrag wurde im Einkommensteuerbescheid iHv € 1.535,76 berücksichtigt.

2. Beweiswürdigung

Zunächst ist auf die bei den einzelnen Feststellungen in Klammern angeführten Beweismittel zu verweisen, die - sofern im Folgenden keine näheren beweiswürdigenden Erwägungen dargelegt werden - im jeweiligen Zusammenhang schlüssig und widerspruchsfrei waren und daher den entsprechenden Feststellungen zu Grunde gelegt werden konnten. Auch hat das Bundesfinanzgericht hinsichtlich der Urkunden an der Echtheit und Richtigkeit keine Bedenken.

Die Feststellung, wonach der Bf von seiner Gattin und den gemeinsamen Kindern getrennt lebt, war aufgrund des diesbezüglichen glaubwürdigen Vorbringens des Bf zu treffen. Auch die Abgabenbehörde stellt dies nicht in Abrede, weshalb auch das Bundesfinanzgericht sich dieser Ansicht bedenkenlos anschließt. Ebenso ergibt sich aus dem Abgabenakt widerspruchsfrei, dass der Bf seit von seiner Gattin getrennt lebt.

Dass der Bf den gesetzlichen Unterhalt bezahlt, steht zwischen den Verfahrensparteien außer Streit und ergibt sich zweifelsfrei aus den vorliegenden Kontoauszügen des Bf.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 1 Abs 2 EStG 1988 sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt steuerpflichtig.

Nach Art 15 Abs 6 DBA A-D hat Österreich für eine Person, welche in der Nähe der Grenze zu Deutschland ihren Wohnsitz und in dem anderen Staat in der Nähe der Grenze ihren Arbeitsort hat und täglich von ihrem Arbeitsort an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Grenzgänger), das Besteuerungsrecht.

Festzuhalten ist zunächst, dass der Bf Grenzgänger ist und in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig ist. Der Bf unterliegt den österreichischen Rechtsvorschriften.

Gemäß § 33 Abs 2 EStG 1988 iddgF sind von dem sich nach Abs 1 leg cit ergebenden Betrag Absetzbeträge in folgender Reihenfolge abzuziehen:

1. Der Familienbonus Plus gemäß Abs 3a; er Familienbonus Plus ist insoweit nicht abzuziehen, als er jene Steuer übersteigt, die auf das gemäß Abs. 1 zu versteuernde Einkommen entfällt.

2. Die Absetzbeträge nach Abs. 4 bis 6.

Gemäß § 33 Abs 3a EStG 1988 lautet:

Für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, steht auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:

1. Der Familienbonus Plus beträgt

a) bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 125 Euro,

b) nach Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 41,68 Euro.

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 2 Z 4, BGBl. I Nr. 135/2022)

3. Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:

a) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat kein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder dessen (Ehe-)Partner der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

- beim Familienbeihilfenberechtigten und dessen (Ehe-)Partner jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

b) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

- beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu.

Nach § 33 Abs 4 Z 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, die für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leisten, ein Unterhaltsabsetzbetrag von 29,20 Euro monatlich zu, wenn das Kind nicht ihrem Haushalt zugehört (§ 2 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und für das Kind weder ihnen noch ihrem jeweils von ihnen nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe-)Partner Familienbeihilfe gewährt wird.
Leisten sie für mehr als ein nicht haushaltszugehöriges Kind den gesetzlichen Unterhalt, so steht für das zweite Kind ein Absetzbetrag von 43,80 Euro und für jedes weitere Kind ein Absetzbetrag von jeweils 58,40 Euro monatlich zu. Erfüllen mehrere Personen in Bezug auf ein Kind die Voraussetzungen für den Unterhaltsabsetzbetrag, so steht der Absetzbetrag nur einmal zu.

Aufgrund der getroffenen Feststellungen ist in einem weiteren Schritt festzuhalten, dass der Bf die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung des Unterhaltsabsetzbetrages erfüllt. Der Bf lebt mit seinen minderjährigen Kindern nicht im gemeinsamen Haushalt, bezieht keine Familienbeihilfe und kommt seiner Unterhaltsverpflichtung zur Gänze nach. Auch die Abgabenbehörde hat den Unterhaltsabsetzbetrag - wenn auch indexierter Höhe - anerkannt. Der , ausgesprochen, dass die Indexierung der Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den EWR oder der Schweiz aufgehalten haben oder aufhalten und die Indexierung der steuerlichen Absetzbeträge nicht dem EU-Recht entspricht. Insofern war der Unterhaltsabsetzbetrag nach den angeführten Beträgen abzuändern.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2021/15/0067 besteht im Falle eines Anspruchs auf eine der Familienbeihilfe vergleichbare ausländische Beihilfe gemäß § 4 FLAG 1967 kein Anspruch auf Familienbeihilfe oder nur ein verminderter Anspruch im Ausmaß einer Ausgleichszahlung. In solchen - in § 33 Abs 3a EStG 1988 nicht ausdrücklich geregelten - Fällen, in denen also (teilweise) an Stelle der Familienbeihilfe eine gleichartige ausländische Beihilfe iSd § 4 FLAG gewährt wird, ist in gleicher Weise die in § 33 Abs. 3a erster Satz EStG 1988 normierte Voraussetzung der Beihilfengewährung erfüllt (Mayr/Gensluckner in Doralt et al, EStG22, § 33 Tz 34/2).

Im gegenständlichen Fall bezieht die Mutter der Kinder während des verfahrensgegenständlichen Zeitraums Kindergeld in Deutschland. Im Sinne der vorzitierten Judikatur handelt es sich beim Kindergeld in Deutschland um eine der Familienbeihilfe gleichartige ausländische Beihilfe. Somit sind die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 33 Abs 3a erster Satz EStG 1988 erfüllt, und aufgrund des Umstands, dass dem Bf der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, hat er auch Anspruch auf den Familienbonus Plus (; ; ).

Abschließend ist noch festzuhalten, dass der beantragte Alleinverdienerabsetzbetrag nicht zusteht, zumal Voraussetzung hiefür ist, dass (u.a.) der Steuerpflichtige mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und von ihrer unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegattin bzw. oder eingetragenen Partnerin nicht dauernd getrennt lebt. Dies ist im gegenständlichen Fall nicht gegeben.

Berechnung der Einkommensteuer 2020


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Gesamtbetrag der Einkünfte
44.364,42 €
Einkommen laut Bescheid
43.857,14 €
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
11.350,00 €
Familienbonus Plus (3 Kinder a 1.500,-)
  • 4.500,- €
Unterhaltsabsetzbetrag
  • 1.576,80 €
Verkehrsabsetzbetrag
  • 400 €
Pendlereuro
  • 46 €
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge
4.827,20 €
Steuer für sonstige Bezüge (0% für die ersten 620)
0 €
Steuer für sonstige Bezüge (6 % für die restlichen 5.534,17)
332,05 €
Einkommensteuer
5.159,25 €
Rundung gem. § 39 Abs 3 EStG
  • 0,25
Festgesetzte Einkommensteuer
  • 5.159,- €

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei der Lösung der Rechtsfrage an die zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Die Revision ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100001.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at