Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.07.2024, RV/2100519/2018

AVAB bei Bezug der Familienbeihilfe für ein Kind

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Umgebung (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend
Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017, Steuernummer ***BF1StNr1***,
zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) beantragte in der elektronisch eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2017 neben Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und Kinderfreibeträgen für zwei Kinder auch den Alleinerzieherabsetzbetrag.

Im Einkommensteuerbescheid 2017 vom wurden das Sonderausgabenviertel mit der Einschleifregelung, die außergewöhnlichen Belastungen (jedoch wegen des Selbstbehaltes nicht einkünftemindernd) und der Kinderfreibetrag für ein haushaltszugehöriges Kind gewährt. In der Begründung wurde ausgeführt:
"Der Alleinerzieherabsetzbetrag konnte nicht berücksichtigt werden, da Sie im Veranlagungsjahr mehr als sechs Monate in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe-) Partner gelebt haben.
Der Kinderfreibetrag für das Kind mit der Sozialversicherungsnummer/mit dem Geburtsdatum
xx.xx.98 kann nicht berücksichtigt werden, da für dieses Kind im Kalenderjahr für nicht mehr als sechs Monate der Kinderabsetzbetrag zusteht.
Bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte zwischen 36.400 € und 60.000 € vermindert sich das Sonderausgabenviertel gleichmäßig in einem solchen Ausmaß, dass sich ab einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 60.000 € ein absetzbarer Betrag in Höhe 60 € ergibt. Verpflichtende Beiträge an gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgemeinschaften können höchstens im Ausmaß von 400 € als Sonderausgabe berücksichtigt werden (§ 18 Abs.1 Z.5 EStG 1988).
Die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen, von denen ein Selbstbehalt abzuziehen ist, konnten nicht berücksichtigt werden, da sie den Selbstbehalt in Höhe von 8.996,25 € nicht übersteigen
."

Dagegen erhob der Bf. fristgerecht die Beschwerde mit der Begründung, dass er nicht den Alleinerzieher-, sondern den Alleinverdienerabsetzbetrag gemeint habe, da er der einzige Verdiener im Haushalt sei. Weiters verstehe er nicht, dass die Sonderausgaben (Versicherungen, Kredite) nicht berücksichtigt werden, weil die Einkünfte zwischen 36.400 € und 60.000 € liegen. Auch verstehe er nicht, dass eine Zahnarztrechnung mindestens den Selbstbehalt von 8.996,25 € ergeben müsse.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt:
"§ 16 EStG 1988
Bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte zwischen 36.400 € und 60.000 € vermindert sich das Sonderausgabenviertel gleichmäßig in einem solchen Ausmaß, dass sich ab einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 60.000 € ein absetzbarer Betrag in Hohe 60 € ergibt.
Der Gesamtbetrag der Einkünfte beträgt 72.345,78 Euro für das Jahr 2017 und ergibt sich somit ein absetzbarer Betrag in Hohe von 60 Euro (Pauschbetrag für Sonderausgaben.
§ 34 Abs. 4 EStG 1988
Die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen, von denen ein Selbstbehalt abzuziehen ist, konnten nicht berücksichtigt werden, da sie den Selbstbehalt in Höhe von 8.996,25 € nicht übersteigen. Daher waren die von Ihnen geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von 935 Euro steuerlich nicht zu berücksichtigen. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Der Alleinverdienerabsetzbetrag konnte nicht berücksichtigt werden, da keine Kinder vorhanden sind, für die Sie oder Ihr (Ehe-)Partner mindestens sieben Monate den Kinderabsetzbetrag (Auszahlung mit der Familienbeihilfe) bezogen haben
."

Daraufhin stellte der Bf. fristgerecht einen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag), mit der Begründung, dass der Alleinverdienerabsetzbetrag berücksichtigt werden sollte, da sein Sohn ***1***, geb. yy.yy.1997, das ganze Jahr an der Uni ***2*** studiert habe. Beigelegt wurden das Studienblatt der Universität ***2*** für das Wintersemester 2017/2018 für ***1***, in dem bestätigt wird, dass er seit für das Bachelorstudium Pharmazeutische Wissenschaften gemeldet ist, und die Bestätigung des Studienerfolges vom für das erste Studienjahr über 20 ECTS-Anrechnungspunkte.

Nach Vorlage der Beschwerde stellte das Bundesfinanzgericht fest, dass lt. Familienbeihilfen-Datenbank die Ehegattin des Beschwerdeführers für den gemeinsamen Sohn ***1***, SV-Nr.-yy.yy97, in den Monaten Jänner bis Dezember 2017 Familienbeihilfe bezogen hat.

Weiters geht aus der Datenbank der Finanzverwaltung hervor, dass die Ehegattin des Bf. im Jahr 2017 keine Einkünfte erzielt hat.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 118/2015, steht Alleinverdienenden ein Alleinverdienerabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich
- bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) 494 Euro,
- bei zwei Kindern (§ 106 Abs. 1) 669 Euro.
Dieser Betrag erhöht sich für das dritte und jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um jeweils 220 Euro jährlich.
Alleinverdienende sind Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1), die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragene Partner sind und von ihren unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten oder eingetragenen Partnern nicht dauernd getrennt leben oder die mehr als sechs Monate mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer Lebensgemeinschaft leben. […]. Voraussetzung ist, dass der (Ehe-) Partner (§ 106 Abs. 3) Einkünfte von höchstens 6.000 Euro jährlich erzielt. […]

In § 106 Abs. 1 EStG 1988 wird normiert, dass als Kinder im Sinne dieses Bundesgesetzes Kinder gelten, für die dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner (Abs. 3) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 zusteht.

§ 106 Abs. 3 EStG 1988 lautet:
(Ehe-)Partner ist eine Person, mit der der Steuerpflichtige verheiratet ist oder mit mindestens einem Kind (Abs. 1) in einer Lebensgemeinschaft lebt. Einem (Ehe-)Partner ist gleichzuhalten, wer in einer Partnerschaft im Sinn des Eingetragene Partnerschaft-Gesetzes - EPG eingetragen ist.

Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. […]

Der Beschwerdeführer schränkte im Vorlageantrag sein Beschwerdebegehren auf die Gewährung des Alleinverdienerabsetzbetrages ein.

Laut den Abfragen des Bundesfinanzgerichtes in den Datenbanken der Finanzverwaltung hatte die Ehegattin des Bf. im Jahr 2017 keine Einkünfte und sie bezog für den gemeinsamen Sohn ***1***, SV-Nr. yy.yy, in den Monaten Jänner bis Dezember 2017 die Familienbeihilfe mit dem Kinderabsetzbetrag.

Damit ist aber das Schicksal der gegenständlichen Beschwerde entschieden:
Beträgt der von der Ehegattin erzielte Gesamtbetrag der Einkünfte höchstens 6.000 € und hat der Beschwerdeführer ein Kind, für das ihm oder seinem (Ehe)Partner mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 zusteht, so wird von Gesetzes wegen der Alleinverdienerabsetzbetrag gewährt.

Da im vorliegenden Fall die Anspruchsvoraussetzungen für die Zuerkennung des Alleinverdienerabsetzbetrages vorliegen, wird der Beschwerde Folge gegeben.

Die Einkommensteuer für das Jahr 2017 berechnet sich wie folgt:


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Abgabengutschrift lt. ESt-Bescheid vom
436,00 €
zuzüglich AVAB bei einem Kind
+ 494,00 €
neu berechnete Abgabengutschrift
930,00 €

Es war wie im Spruch zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Gewährung des Alleinverdienerabsetzbetrages auf Grund des Vorliegens der gesetzlich geforderten Anspruchsvoraussetzungen ist eine sich aus dem Gesetz unmittelbar ergebende Rechtsfolge. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung wurden durch das gegenständliche Erkenntnis nicht berührt. Eine ordentliche Revision ist daher unzulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100519.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at