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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.05.2024, RV/7100724/2023

Rückzahlung von Arbeitslosengeld/Notstandshilfe im Wege der Legalzession gem. § 23 Abs. 6 AlVG 1977 als Werbungskosten i.S.d. § 16 Abs. 2 EStG 1988

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 Steuernummer ***BFStNr*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die Einkommensteuer 2019 wird mit € 0,00 festgesetzt.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Nachdem der Beschwerdeführer trotz Aufforderung seitens der belangte Behörde keine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 eingebracht hatte, wurde er mit Bescheid vom amtswegig zur Einkommensteuer veranlagt. Unter Berücksichtigung der anrechenbaren Lohnsteuer ergab sich eine Nachforderung i.H.v. € 1.495,00. Bei den Einkünften wurde eine Zahlung der Österreichischen Gesundheitskasse (laut Lohnzettel "Krankengelder (210)"; als Zeitraum ist angeführt: " bis ") i.H.v. € 8.335,25 berücksichtigt, von der sonstige Bezüge vor Abzug d. SV-Beträge (220) i.H.v. € 1.190,75 abgezogen wurden, sodass sich steuerpflichtige Bezüge (245) i.H.v. € 7.144,50 ergaben. Ausgewiesen ist i.Z.m. dieser Zahlung weiters eine einbehaltene und anrechenbare Lohnsteuer (260) i.H.v. € 22,00.

In der dagegen erhobenen Beschwerde vom führt der Beschwerdeführer aus, dass das im Bescheid angeführte Einkommen nicht mit seinen tatsächlichen Einkünften übereinstimme. Er habe nie Krankengeld i.H.v. € 8.335,25 bzw. € 7.144,50 bezogen. Er habe "Rehageld" erhalten, einen Kuraufenthalt und einen längeren Krankenhausaufenthalt absolviert und sei mitunter geringfügig beschäftigt gewesen. Die "Angaben von ***A*** GmbH" (gemeint offenbar: die Angaben im Lohnzettel zu seinen Bezügen von der ***A*** GmbH) seien unzutreffend.

Nachdem der Beschwerdeführer ein Ergänzungsersuchen der belangten Behörde, in dem er aufgefordert wurde, Beweise für die von ihm behaupteten Unrichtigkeiten der Lohnzettel vorzulegen, unbeantwortet gelassen hatte, wurde seine Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen.

Mit Schreiben vom brachte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag i.S.d. § 264 BAO (von ihm als "Einspruch" bzw. "Beschwerde" bezeichnet) ein. Darin wiederholte er die bereits in der Beschwerde vom geltend gemachten Einwände und legte einen Bankkonto-Auszug über den Zeitraum Dezember 2018 bis Dezember 2019 vor.

In der Folge unternahm die belangte Behörde ergänzende Erhebungen durch Anfragen bei der ÖGK. Hierbei stellte sich heraus, dass es sich bei dem o.a. Betrag von € 8.335,25 brutto (bzw. abzüglich der anrechenbaren Lohnsteuer € 8.313,25 netto) um Rehabilitationsgeld für den Zeitraum bis handelt, welches dem Beschwerdeführer im Jahr 2019 zuerkannt wurde. Effektiv ausbezahlt wurde dieser Betrag nicht an den Beschwerdeführer, sondern an das Arbeitsmarktservice, welches dem Beschwerdeführer einen Pensionsvorschuss gewährt hatte und auf welches der Anspruch auf Rehabilitationsgeld insoweit im Wege einer Legalzession übergegangen ist. Im Vorlagebericht beantragte die belangte Behörde, der Beschwerde insoweit stattzugeben, als der Gesamtbetrag der Einkünfte um € 8.313,25 zu verringern ist, da die Zahlung an das Arbeitsmarktservice als Rückzahlung von Einnahmen i.S.d. § 16 Abs. 2 EStG 1988 zu qualifizieren sei.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer bezog im Jahr 2019 (nach Abzug des Pauschbetrages für Werbungskosten) Einkünfte i.H.v. € 18.452,22. Hiervon entfällt ein Teilbetrag i.H.v. € 1.037,01 auf eine geringfügige Beschäftigung bei der ***A*** GmbH und ein Teilbetrag i.H.v. € 672,88 auf eine geringfügige Beschäftigung bei der ***B*** Handelsgesellschaft mbH. Der Rest entfällt auf die Österreichische Gesundheitskasse (Rehabilitationsgeld). Dieses Rehabilitationsgeld wurde dem Beschwerdeführer im Jahr 2019 rückwirkend für den Zeitraum ab zuerkannt. Das auf den Zeitraum bis entfallende Rehabilitationsgeld i.H.v. € 8.313,25 netto wurde nicht an den Beschwerdeführer ausbezahlt, sondern an das Arbeitsmarktservice, welches an den Beschwerdeführer Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung als Pensionsvorschuss erbracht hatte und auf welches der Anspruch auf Rehabilitationsgeld insoweit im Wege einer Legalzession übergegangen ist.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zu den Einkünften des Beschwerdeführers sowie zur Zuerkennung von Rehabilitationsgeld und der Leistung eines Pensionsvorschusses durch das AMS gründen sich auf die (im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen) Lohnzettel sowie die von der belangten Behörde nach dem Vorlageantrag eingeholten ergänzenden Informationen (Sozialversicherungsdaten-Auszug vom , E-Mail der ÖGK vom ). Der Beschwerdeführer machte in der Beschwerde zwar geltend, dass die Angaben bezüglich der ***A*** GmbH unzutreffend seien, legte jedoch trotz Aufforderung seitens der Behörde keinerlei Beweismittel hierzu vor und führte auch nicht näher aus, inwiefern diese Angaben unzutreffend sein sollen. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte muss daher davon ausgegangen werden, dass die Daten des Lohnzettels, die auf einer entsprechenden Bekanntgabe durch den Arbeitgeber beruhen, zutreffend sind, also dass der Beschwerdeführer im Jahr 2019 (auch) bei der ***A*** GmbH beschäftigt war und hierfür € 1.037,01 bezogen hat. Diese Beschäftigung ist (mit einem Betrag von € 1.077,87) im Übrigen auch in dem von der belangten Behörde abgefragten Sozialversicherungsdaten-Auszug enthalten. Anzumerken ist jedoch, dass es sich betraglich nicht auswirken würde, wenn man die Einkünfte von der ***A*** GmbH aus dem Gesamtbetrag der Einkünfte ausscheiden würde (s.u.).

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gem. § 23 Abs. 1 Z. 1 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG 1977) kann Arbeitslosen, die die Zuerkennung einer Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit oder eines Übergangsgeldes aus der gesetzlichen Pensions- oder Unfallversicherung beantragt haben, bis zur Entscheidung über ihren Antrag als Vorschuss auf die Leistung Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe gewährt werden. Wurde ein derartiger Vorschuss gewährt, geht ein in der Folge zuerkannter Anspruch des Arbeitslosen auf Rehabilitationsgeld für denselben Zeitraum im Ausmaß der gewährten Leistung auf den Bund zugunsten der Gebarung der Arbeitsmarktpolitik, vertreten durch das Arbeitsmarktservice über (Legalzession; § 23 Abs. 6 AlVG 1977; vgl. auch § 1 Abs. 1 AMSG, wonach die Durchführung der Arbeitsmarktpolitik des Bundes dem AMS obliegt).

Das Rehabilitationsgeld zählt zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit i.S.d. § 25 Abs. 1 Z. 1 lit. c EStG 1988 (). Für die zeitliche Zuordnung dieser Einkünfte ist § 19 Abs. 1 EStG 1988 maßgeblich, wonach Einnahmen grundsätzlich in jenem Kalenderjahr bezogen sind, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Eine Ausnahme sah § 19 Abs. 1 Z. 2 TS 1 EStG 1988 für Nachzahlungen von Pensionen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird, vor. Diese galten als in jenem Kalenderjahr zugeflossen, für welches der Anspruch besteht. Mit Erkenntnis vom , G 223/2020-8, kundgemacht am in BGBl Nr. 134/2021, hat der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge "von Pensionen" in § 19 Abs. 1 Z. 2 TS 1 EStG 1988 als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die Aufhebung mit Ablauf des in Kraft tritt sowie dass die aufgehobene Wortfolge in den beim Bundesfinanzgericht anhängigen Verfahren (sog. "Anlassfälle") nicht mehr anzuwenden ist. Für die Anlassfälle hatte dies zur Folge, dass alle Nachzahlungen, über diese bescheidmäßig abgesprochen wird (daher auch das Rehabilitationsgeld) in jenem Kalenderjahr, für das der Anspruch besteht, als zugeflossen galten. Mit BGBl I Nr. 108/2022 erfolgte eine Novellierung des § 19 Abs. 1 Z. 2 TS 1 EStG 1988 dergestalt, dass die Einnahmen, die in jenem Kalenderjahr, für das der Anspruch besteht als zugeflossen gelten, ausdrücklich und taxativ aufgezählt werden. Unter anderem ist hier nun das Rehabilitationsgeld gemäß § 143a ASVG angeführt. Nach der Übergangsbestimmung des § 124b Z. 399 EStG 1988 ist § 19 Abs. 1 Z. 2 TS 1 EStG 1988 i.d.F. BGBl I Nr. 108/2022 für Zahlungen und Rückzahlungen ab anzuwenden sowie über Antrag des Steuerpflichtigen auf alle offenen Veranlagungsverfahren.

Das gegenständliche Beschwerdeverfahren wurde erst aufgrund des Vorlageberichtes vom beim Bundesfinanzgericht anhängig. Im Zeitpunkt der o.a. Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ( bzw. ) war es daher nicht anhängig und zählt damit nicht zu den Anlassfällen. Die Auszahlung des Rehabilitationsgeldes erfolgte im vorliegenden Fall im Jahr 2019, sodass § 19 Abs. 1 Z. 2 TS 1 EStG 1988 i.d.F. BGBl I Nr. 108/2022 nach der o.a. Übergangsbestimmung nur über Antrag des Beschwerdeführers (der hier nicht vorliegt) anzuwenden wäre. § 19 Abs. 1 EStG 1988 ist daher in der Fassung vor BGBl I Nr. 134/2021 anzuwenden, wonach nur Nachzahlungen von bescheidmäßig zuerkannten Pensionen in jenem Jahr, für welches der Anspruch besteht, als zugeflossen gelten, sodass für das Rehabilitationsgeld keine derartige Ausnahmebestimmung bestand und dieses daher - unabhängig davon, für welchen Zeitraum es gebührt - in jenem Jahr bezogen wurde, in dem es dem Beschwerdeführer zugeflossen ist. Das hier gegenständliche Rehabilitationsgeld i.H.v. € 8.313,25 netto ist daher ungeachtet dessen, dass es für den Zeitraum bis gebührt, im Jahr 2019 steuerlich wirksam zugeflossen. Allerdings ist zu beachten, dass es dem Beschwerdeführer nicht ausbezahlt, sondern infolge der Legalzession des § 23 Abs. 6 AlVG 1977 einbehalten und an das AMS überwiesen wurde. Hierdurch wurden jene Einnahmen, die der Beschwerdeführer vom AMS erhalten hat (Pensionsvorschüsse), zurückbezahlt und stellen derartige Rückzahlungen (nicht auf den Pauschbetrag anzurechnende) Werbungskosten dar (§ 16 Abs. 2 u. 3 TS 5 EStG 1988; s. auch ).

Der angefochtene Bescheid war daher - wie auch von der belangten Behörde im Vorlagebericht beantragt - dahingehend abzuändern, dass diese Werbungskosten von den Einnahmen abzuziehen sind, wodurch sich der Gesamtbetrag der Einkünfte um € 8.313,25 auf € 10.138,97 reduziert. Das Einkommen beträgt daher weniger als € 11.000,00, sodass die Einkommensteuer (auf laufende Bezüge) € 0,00 beträgt (s. blgd. Berechnungsblatt). Mangels eines Alleinverdienerabsetzbetrages oder Alleinerzieherabsetzbetrages sowie in Ermangelung von Werbungskosten i.S.d. § 16 Abs. 1 Z. 3 bis 5 EStG 1988 (Pflichtbeiträge zu gesetzlichen Interessenvertretungen, Sozialversicherungsbeiträge, Wohnbauförderungsbeiträge) kommt eine Negativsteuer bzw. SV-Rückerstattung i.S.d. § 33 Abs. 8 EStG 1988 hier nicht infrage. Die Einkommensteuer 2019 war daher mit € 0,00 festzusetzen, wobei aus verwaltungsökonomischen Gründen eine Kleinbetragskürzung (§ 206 Abs. 1 lit. c BAO) im Ausmaß von € 7,35 vorgenommen wurde.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die hier gegenständlichen Rechtsfragen, also die steuerliche Behandlung von Rehabilitationsgeld und Rückzahlungen von Pensionsvorschüssen im Wege einer Legalzession nach § 23 Abs. 6 AlVG 1977 sind durch die zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt. Rechtsfragen von grundlegender Bedeutung waren daher nicht zu lösen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100724.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at