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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.05.2024, RV/7102997/2022

Familienbeihilfe bei längerer Heimunterbringung ohne überwiegende Kostentragung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri über die Beschwerde des Bf.VN NN, Adr,Bf., vom gegen

1) den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , mit dem die Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für das Kind S. für den Zeitraum Dezember 2021 bis Jänner 2022 zurückgefordert wurden, und gegen

2) den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , mit dem der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge ab Februar 2022 abgewiesen wurde,

zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) bezog für seinen Sohn S., geb. 2006, bis Jänner 2022 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.

Am brachte er für S. einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Februar 2022 ein.

S. war vom bis im Krisenzentrum *** untergebracht. Seit ist S. im KIWOGE Mistelbach untergebracht.

Der Bf. hat sich zufolge des Schreibens der BH Hollabrunn vom , welches dem Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe beigefügt war, verpflichtet, für die Unterbringung von S. ab einen monatlichen Kostenersatzbeitrag von € 420,00 zu bezahlen.

Das Finanzamt forderte vom Bf. mit Bescheid vom die für den Zeitraum Dezember 2021 bis Jänner 2022 bezogenen Familienbeihilfen- und Kinderabsetzbeträge gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (kurz: FLAG 1967) mit der Begründung zurück, dass die Obsorge für S. am übergeben worden sei.

Mit weiterem Bescheid vom wurde der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Februar 2022 für S. mit der Begründung abgewiesen, dass S. nicht im Haushalt des Bf. lebe und er auch nicht überwiegend die Unterhaltskosten für das Kind leiste (§ 2 Abs. 2 FLAG 1967).

Der Bf. brachte beim Finanzamt am folgende Beschwerde ein:

"Das Finanzamt behauptet, es werden nicht überwiegend die Unterhaltskosten für S. NN geleistet. Laut Angaben der BH Hollabrunn wäre die Obsorge für S. am "übergeben" worden.

Der erste Satz enthält keine Begründung, sondern bloß eine Behauptung, ohne dass die Behörde erläutert, warum sie der Meinung ist, dass nicht der überwiegende Unterhalt geleistet wird. Daher wird gerügt, dass der Bescheid unbegründet ist.

Zum Sachverhalt:

Tatsache ist, dass die Obsorge am vorübergehend entzogen wurde. S. wurde vorläufig in der "Brücke" in Hollabrunn, ein Kriseninterventionszentrum, untergebracht. Die Erzieher und Psychologen hatten und haben bis heute den Auftrag, eine Rückführung in die Familie zu bewerkstelligen. S. hielt sich also nur vorübergehend dort auf, sodass ab diesem Zeitpunkt jedenfalls die Familienbeihilfe zusteht (§ 2 Abs 5 a FLAG).

Dies änderte sich erst am (siehe Protokoll des BG Hollabrunn in der Anlage). Mit der BH Hollabrunn wurde eine Vereinbarung vor Gericht erzielt. Die Obsorge wurde in den Teilbereichen Pflege und Erziehung an die BH übertragen, also nicht die gesamte Obsorge.

Erst ab diesem Zeitpunkt kann man von einer nicht nur vorübergehenden Unterbringung sprechen, auch wenn die Rückführung weiter Ziel ist. Im Hinblick auf den (auch sexuellen) Missbrauch, den S. durch die Verantwortlichen der Pfarre X. erlitten hat, wurde S. zu einer therapeutischen Begleitung auf unbestimmte Zeit verpflichtet. Dies wurde uns auch von Experten empfohlen (siehe Gutachten der Kinderschutzbeauftragten Dozentin D. im Anhang).

S. befindet sich also wegen eines psychischen Gebrechens (§ 2 Abs 5 c FLAG) im Heim. Es liegt daher eine fiktive Haushaltszugehörigkeit vor. Da wir einen Kostenbeitrag leisten, der höher ist als die Familienbeihilfe, steht sie uns zu.

Gemäß FLAG-DR Teil 1, 2.02 Haushaltszugehörigkeit oder überwiegende Kostentragung als Anspruchsvoraussetzung Z 3 sind für den Nachweis, ob eine Person die Unterhaltskosten für ein Kind überwiegend trägt, einerseits die Höhe der gesamten Unterhaltskosten für das Kind und andererseits die Höhe der von dieser Person tatsächlich geleisteten Unterhaltsbeiträge maßgebend. Wir zahlen nachweislich monatlich 400 Euro Unterhalt für die Versorgung unseres Kindes S.. Es ist anzunehmen, dass die tatsächlichen Kosten für die Versorgung von S. im Heim unter 800 Euro liegen, sodass die Familienbeihilfe uns zusteht. Jedenfalls enthält der vorliegende Bescheid keine Begründung, die auf Berechnungen basiert.

Diesbezüglich kann nur vermutet werden, welche Gedanken die Behauptung leiten, wir leisten nicht den überwiegenden Unterhalt. Zum Unterhalt gehören die Kosten für die Unterbringung sowie sonstige Kosten (Aufwendungen für Bekleidung, ärztliche Betreuung, zusätzliche Verpflegung, Geschenke etc.). Es kann wohl keinen vernünftigen Zweifel geben, dass sowohl in einem Familienverband als auch in einem Heim in der Regel ein Kind nicht 800 Euro im Monat beanspruchen wird. Andernfalls wäre es einer Familie wie unserer nicht möglich gewesen trotz zahlreicher Kinder (13) einen ausreichenden Wohlstand im täglichen Leben halten zu können.

Das ist wohl dadurch vor allem der Fall, weil gewisse Fixkosten wie Heizkosten im Wesentlichen unabhängig von der Anzahl der Bewohner gleich hoch bleiben, was in einem Jugendheim ebenso der Fall sein wird.

Mir ist zwar aus den Medien bekannt, dass etwa die Stadt Wien behauptet, ein Heimplatz koste ihr 2.400 im Monat. Diese Summe hat aber nichts mit dem Unterhalt im Sinne des Gesetzes zu tun. Es mag sein, dass ein Heimplatz hypothetisch so viel kostet, vor allem, wenn man die Kosten der Gebäudeerrichtung und vom laufenden Betrieb dazurechnet. Zum Unterhalt gehören aber nicht die Kosten für die Errichtung eines Gebäudes (anteilige Afa), die Kosten für die Mitarbeiter, Raumpflege usw. Sie werden in dieser Betrachtung eher als Gemeinkosten nicht direkt den Versorgungskosten für meinen Sohn zugerechnet werden können, weil diese Kosten nicht mein Sohn verursacht hat. Das Gebäude besteht unabhängig davon, ob er dort wohnt.

Auch die Heizkosten werden nicht höher, wenn ein weiteres Kind dort wohnt. Mitarbeiter werden unabhängig davon, ob S. dort wohnt oder nicht, angestellt. Diese Kosten bestehen zwar, sind aber nicht ursächlich.

Weiters wäre es wohl verfassungswidrig, wenn man das Recht auf Bezug der Familienbeihilfe davon abhängig machen würde, wie teuer oder billig ein Kind untergebracht wird. Familienbeihilfen sind Sozialleistungen, die einen Ausgleich zwischen denjenigen machen sollen, die Kinder haben, und denjenigen, die keine Kinder haben, der s.g. Familienlastenausgleich.

Im Ergebnis bedeutet das, dass man bei der Frage, ob der überwiegende Teil des Unterhaltes bezahlt wird oder nicht, auf einen normalen Lebensunterhalt abzielen muss. Dazu zählen etwa die Kosten für Verpflegung und ein geringer Anteil an den Gemeinkosten wie Heizung, Strom usw. Das wird in der Summe keine 800 Euro im Monat ausmachen. Andernfalls müsste man sich Gedanken darüber machen, freiwillig mehr Kostenersatz zu leisten, um (doch noch) FB beziehen zu können. Ein solches Ergebnis kann man dem Gesetzgeber nicht zusinnen.

Daher ersuche ich um Zuteilung der Familienbeihilfe für meinen Sohn S. NN, zukünftig und für die vergangenen Monate (November 2021 bis Mai 2022).

Anlage: Protokoll des BG Hollabrunn
Gutachten der Kinderschutzbeauftragte"

Das Finanzamt ersuchte den Bf. mit Schreiben vom um Übermittlung einer Aufstellung der monatlichen Lebenshaltungskosten von S. und deren Finanzierung.

Der Bf. teilte dem Finanzamt mit Schreiben vom mit, dass er - wie aus dem Akt hervorgehe, einen Kostenersatz für die Unterbringung von S. im Heim leiste. Den Bescheid der BH Hollabrunn habe das Finanzamt im Akt. Aus diesem gehe hervor, dass er monatlich 400 Euro leiste.

Es sei ihm eigentlich nicht klar, welche Unterlagen das Finanzamt noch benötige. Eine Aufstellung der monatlichen Lebenserhaltungskosten könne er nicht geben, da ihm diese selbstredend unbekannt seien. Er finanziere den Kostenersatz von seinem Gehalt, was aber wohl nichts zur Sache tue. Selbst wenn er nicht zahlen würde, hätte das Land einen Titel, der es zur Exekution berechtige. Selbstverständlich erfülle er seine Pflicht als Staatsbürger, den Unterhalt für seine Kinder zu leisten.

Sollten dem Finanzamt konkrete Angaben oder Urkunden fehlen, ersuche er höflich, den Auftrag genauer zu formulieren.

Am richtete das Finanzamt an die BH Hollabrunn folgendes Auskunftsersuchen:

"Im Namen von NN S. wurde ein Eigenantrag auf Familienbeihilfe ab gestellt (Maßnahme der vollen Erziehung).

Die gerichtliche Übertragung der Obsorge in Teilbereichen erfolgte am .

Im Gerichtsprotokoll wird erwähnt, dass S. im Februar 2022 bzw. März 2022 in die KIWOGE übersiedeln wird.

Wo war S. im Zeitraum - tatsächlich wohnhaft?"

Mit E-Mail vom wurde folgende Auskunft erteilt:

Krisenzentrum ***:
Tagsatz: € 202,71+ € 53,51

Aufenthalt: vom bis
KIWOGE Mistelbach:
Tagsatz:€ 202,71
Aufenthalt ab
Der Mj. war seit nicht mehr im elterlichen Haushalt.

Das Finanzamt wies die Beschwerde des Bf. vom gegen den Rückforderungsbescheid vom mit Beschwerdevorentscheidung vom mit der Begründung ab, dass S. nicht im Haushalt mit dem Bf. lebe und er auch nicht überwiegend die Unterhaltskosten für das Kind leiste (§ 2 Abs. 2 FLAG 1967).

Gemäß vorliegenden Informationen wohne S. seit laufend nicht in seinem Haushalt. Im Zeitraum bis habe der Tagsatz für die Unterbringung und Begleitung/Betreuung von S. € 202,71 betragen. Für die Unterbringung in der KIWOGE (ab laufend) betrage der Tagsatz € 202,71.

Im Zeitraum Dezember 2021 - Jänner 2022 bestehe ein gesetzlicher Eigenanspruch von S..

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid vom mit der Begründung ab, dass S. nicht in seinem Haushalt lebe und der Bf. auch nicht die überwiegenden Unterhaltskosten für das Kind trage (Verweis auf § 2 Abs. 2 FLAG 1967). Hinsichtlich der Begründung werde auf die Beschwerdevorentscheidung vom verwiesen.

Der Bf. bringt in seinem Vorlageantrag vom vor, dass das Finanzamt nicht einmal ansatzweise auf seine ausführliche Begründung eingegangen sei. Es sei nicht einmal ansatzweise erkennbar, auf welche Rechtsmeinung sich das Finanzamt stütze. In Wahrheit enthalte der Bescheid überhaupt keine Begründung, sodass die Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht werde.

Das einzig Neue in der Begründung sei die Behauptung, dass der "Tagsatz" für die Unterbringung Euro 202,71 betrage. Dem Gesetz sei ein "Tagsatz" für die Unterbringung fremd. Es gehe in der Sache nicht um behauptete Tagsätze, sondern um die tatsächlich erbrachten Leistungen. Wie schon in der Beschwerde ausführlich dargestellt worden sei, seien die Kosten, welche das Land an das Heim zahle, etwas anderes als Unterhaltskosten für S..

Er wiederhole daher seine früheren Ausführungen, wobei er einige Ergänzungen mache:

"Tatsache sei, dass die Obsorge am vorübergehend entzogen wurde. S. wurde vorläufig in der "Brücke" in Hollabrunn, ein Kriseninterventionszentrum, untergebracht. Die Erzieher und Psychologen hatten und haben bis heute den Auftrag, eine Rückführung in die Familie zu bewerkstelligen. S. hielt sich also nur vorübergehend dort auf, sodass ab diesem Zeitpunkt jedenfalls die Familienbeihilfe zusteht (§ 2 Abs 5 a FLAG).

Dies änderte sich erst am (siehe Protokoll des BG Hollabrunn in der Anlage). Mit der BH Hollabrunn wurde eine Vereinbarung vor Gericht erzielt. Die Obsorge wurde in den Teilbereichen Pflege und Erziehung an die BH übertragen, also nicht die gesamte Obsorge, erst ab diesem Zeitpunkt kann man von einer nicht nur vorübergehenden Unterbringung sprechen, auch wenn die Rückführung weiter Ziel ist. Im Hinblick auf den (auch sexuellen) Missbrauch, den S. durch die Verantwortlichen der Pfarre X. erlitten hat, wurde S. zu einer therapeutischen Begleitung auf unbestimmte Zeit verpflichtet. Dies wurde uns auch von Experten empfohlen (siehe Gutachten der Kinderschutzbeauftragten Dozentin D. im Anhang).

S. befindet sich also wegen eines psychischen Gebrechens (§ 2 Abs 5 c FLAG) im Heim. Es liegt daher eine fiktive Haushaltszugehörigkeit vor. Da wir einen Kostenbeitrag leisten, der höher ist als die Familienbeihilfe, steht sie uns zu.

Selbst wenn man aber diesen Argumenten nicht folgt, kommt man zu keinem anderen Ergebnis:

Gemäß FLAG-DR Teil 1, 2.02 Haushaltszugehörigkeit oder überwiegende Kostentragung als Anspruchsvoraussetzung Z 3 sind für den Nachweis, ob eine Person die Unterhaltskosten für ein Kind überwiegend trägt, einerseits die Höhe der gesamten Unterhaltskosten für das Kind und andererseits die Höhe der von dieser Person tatsächlich geleisteten Unterhaltsbeiträge maßgebend. Wir zahlen nachweislich monatlich 400 Euro Unterhalt für die Versorgung unseres Kindes S.. Dies ergibt sich aus der Vereinbarung mit der BH Hollabrunn. Es ist anzunehmen, dass die tatsächlichen Kosten für die Versorgung von S. im Heim unter 800 Euro liegen, sodass die Familienbeihilfe uns zusteht, jedenfalls enthält der vorliegende Bescheid keine Begründung, die auf Berechnungen basiert. Diesbezüglich kann nur vermutet werden, weiche Gedanken die Behauptung leiten, wir leisten nicht den überwiegenden Unterhalt. Zum Unterhalt gehören die Kosten für die Unterbringung sowie sonstige Kosten (Aufwendungen für Bekleidung, ärztliche Betreuung, zusätzliche Verpflegung, Geschenke etc.). Es kann wohl keinen vernünftigen Zweifel geben, dass sowohl in einem Familienverband als auch in einem Heim in der Regel ein Kind nicht 800 Euro im Monat beanspruchen wird. Andernfalls wäre es einer Familie wie unserer nicht möglich gewesen trotz zahlreicher Kinder (13) einen ausreichenden Wohlstand im täglichen Leben halten zu können. Das ist wohl dadurch vor allem der Fall, weil gewisse Fixkosten wie Heizkosten im Wesentlichen unabhängig von der Anzahl der Bewohner gleich hoch bleiben, was in einem Jugendheim ebenso der Fall sein wird.

Mir ist zwar aus den Medien bekannt, dass etwa die Stadt Wien behauptet, ein Heimplatz koste ihr 2.400 im Monat. Diese Summe hat aber nichts mit dem Unterhalt im Sinne des Gesetzes zu tun. Es mag sein, dass ein Heimplatz hypothetisch so viel kostet, vor allem, wenn man die Kosten der Gebäudereinigung) und vom laufenden Betrieb dazurechnet. Zum Unterhalt gehören aber nicht die Kosten für die Errichtung eines Gebäudes (anteilige Afa), die Kosten für die Mitarbeiter, Raumpflege usw. Sie werden in dieser Betrachtung eher als Gemeinkosten nicht direkt den Versorgungskosten für meinen Sohn zugerechnet werden können, weil diese Kosten nicht mein Sohn verursacht hat Das Gebäude besteht unabhängig davon, ob er dort wohnt Auch die Heizkosten werden nicht höher, wenn ein weiteres Kind dort wohnt, Mitarbeiter werden unabhängig davon, ob S. dort wohnt oder nicht, angestellt.

Diese Kosten bestehen zwar, sind aber nicht ursächlich.

In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass wir hier auch enorme Kosten weiterhin haben; Etwa muss das Zimmer von S. weiterhin erhalten werden, da er ja jederzeit zurückkommen kann. Unser siebensitziges Auto, das ich ohne S. nicht benötigen würde, muss erhalten werden. Solche Kosten hat nicht nur das Heim, sondern auch die Familie, die ich zu erhalten habe. Wir haben auch Kosten für S. Betreuung. Da wir weiterhin die gesetzliche Vertretung haben, sind wir verpflichtet, für S. rechtlich gegen die Verantwortlichen dieses Missbrauches vorzugehen, was hohe Verfahrens- und Anwaltskosten einschließt.

Weiters wäre es wohl verfassungswidrig, wenn man das Recht auf Bezug der Familienbeihilfe davon abhängig machen würde, wie teuer oder billig ein Kind untergebracht wird. Familienbeihilfen sind Sozialleistungen, die einen Ausgleich zwischen denjenigen machen sollen, die Kinder haben, und denjenigen, die keine Kinder haben, der s.g. Familienlastenausgleich. Die einschlägigen Bestimmungen müssen von der entscheidenden Behörde verfassungsgemäß ausgelegt werden und den Telos der Bestimmungen berücksichtigen. Solange das möglich ist, liegt auch keine Verfassungswidrigkeit vor. Die Behörde kommt aber bisher in allen Entscheidungen zu dem verfassungswidrigen Ergebnis, dass einem Unterhaltszahler, der weniger leisten kann, keine Familienbeihilfe zusteht, einem reichen Familienvater, der sehr viel mehr zahlen kann, aber schon. Eine solche Rechtsauslegung ist verfassungswidrig und daher unvertretbar.

Weiters ist anzunehmen, dass es sich um eine planwidrige Gesetzeslücke handelt. Der Gesetzgeber hat offensichtlich demjenigen Elternteil die Familienbeihilfe zusprechen wollen, der mehr Unterhalf leistet, nicht aber den Fall berücksichtigt, dass Kinder in Heimen untergebracht und dann auf einmal bei … (Anm.: nicht leserlich) keine Familienbeihilfe zusteht. Die Regelung ist daher überschießend. Der Telos des Gesetzes ist sicher nicht, dem Unterhaltszahler die ihm von Gesetzes wegen zustehende Familienbeihilfe wegzunehmen, sondern einen Ausgleich zwischen (geschiedenen) Elternteilen zu schaffen. Daher müsste eigentlich die Familienbeihilfe in einem Fall wie diesem immer zustehen, egal, wieviel Unterhalt geleistet wird.

Selbst wenn man diese Ansicht nicht teilt, muss man bei der Frage, ob der überwiegende Teil des Unterhaltes bezahlt wird oder nicht, auf einen normalen Lebensunterhalt abzielen. Dazu zählen etwa die Kosten für Verpflegung und ein geringer Anteil für Heizung Heizung, Strom usw. Das wird in der Summe keine 800 Euro im Monat ausmachen. Andernfalls müsste man sich Gedanken darüber machen, freiwillig mehr Kostenersatz zu leisten, um (doch noch) FB beziehen zu können. Ein solches Ergebnis kann man dem Gesetzgeber nicht zusinnen.

Daher ersuche ich um Zuteilung der Familienbeihilfe für meinen Sohn S. NN, zukünftig und für die vergangenen Monate (November 2021 bis Mai 2022)."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt

Unstrittig ist, dass der Sohn des Bf. seit nicht in seinem Haushalt lebt.

S. war vom bis im Sozialpädagogischem Betreuungszentrum Hollabrunn untergebracht. Der Tagsatz betrug € 202,71+ € 53,51.

Seit ist S. im KIWOGE Mistelbach untergebracht. Der Tagsatz beträgt € 202,71.

Die gerichtliche Übertragung der Obsorge in Teilbereichen (Pflege und Erziehung) erfolgte am .

Der Bf. hat die von ihm behauptete monatliche Bezahlung eines Betrages von € 420,00 nicht nachgewiesen.

Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Familienbeihilfenakt.

Unstrittig ist, dass der Sohn des Bf. seit nicht mehr seinem Haushalt zugehörig ist.

Aufgrund ähnlich gelagerter Unterbringungen ist dem Finanzamt bekannt, dass die Kosten dafür zumindest € 2.400,-- mtl. betragen. Dies ist auch hier der Fall und wurde von der BH Hollabrunn bestätigt (siehe die Angaben unter dem Punkt "Sachverhalt").

Das Bundesfinanzgericht hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Beschwerdeverfahrens in freier Beweiswürdigung nach § 167 Abs 2 BAO zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (siehe , ).

Das Bundesfinanzgericht geht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass der überwiegende Teil des Unterhaltes durch die öffentliche Hand getragen wurde bzw. wird, auch wenn der Bf. den auf ihn übergegangenen Unterhalt bzw. Kostenersätze leistet.

Gesetzliche Grundlagen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

§ 2 Abs. 2 FLAG 1967 normiert:

Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

§ 2 Abs. 5 FLAG 1967 lautet:

Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn

a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,

b) …

c) sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4).

§ 6 Abs. 5 FLAG 1967 lautet:

Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).

§ 10 Abs. 2 FLAG 1967 lautet:

Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Rechtliche Beurteilung:

Ist das Kind im Beschwerdezeitraum weder bei der Mutter noch beim Vater noch bei einem anderen Anspruchsberechtigten iSd § 2 Abs 3 FLAG 1967 haushaltszugehörig, ist zu prüfen, ob allenfalls eine Person die Unterhaltskosten überwiegend getragen hat.

Haushaltszugehörigkeit

§ 2 Abs 2 S 1 FLAG 1967 stellt hinsichtlich des Familienbeihilfenanspruches primär auf die Haushaltszugehörigkeit mit einem Kind und subsidiär (§ 2 Abs 2 S 2 FLAG 1967) darauf ab, welche Person die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt (vgl ).

Die Bedingungen einer Haushaltszugehörigkeit sind in § 2 Abs 5 FLAG 1967 näher umschrieben; dem gemäß kommt es ausschließlich auf die einheitliche Wirtschaftsführung mit dem Kind im Rahmen einer Wohngemeinschaft an (vgl ).

Nach § 2 Abs 5 lit a FLAG 1967 gilt die Haushaltszugehörigkeit des Kindes bei einem vorübergehenden Aufenthalt außerhalb der gemeinsamen Wohnung nicht als aufgehoben. Ungeachtet der faktischen Unmöglichkeit des gemeinsamen Wohnens in diesem Zeitraum stellt das Gesetz bei einer vorübergehenden Abwesenheit die Fiktion auf, dass die Haushaltszugehörigkeit nicht als aufgehoben gilt (Vgl ).

Um ein Kind, das sich außerhalb der gemeinsamen Wohnung der Familie aufhält, noch als haushaltszugehörig ansehen zu können, darf der anderweitige Aufenthalt des Kindes gemäß § 2 Abs 5 lit a FLAG 1967 nur ein "vorübergehender" sein (Vgl Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 145 f).

Laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann zB eine durchgehend rund zwei Jahre dauernde Unterbringung in einem Kinderheim im Zuge eine Maßnahme der Jugendwohlfahrt (volle Erziehung bei Übertragung der Obsorge an die Bezirkshauptmannschaft) nicht mehr als vorübergehend angesehen werden ().

Obsorgerecht bei Unterbringung eines Minderjährigen in einer sozialpädagogischen Einrichtung

Als Obsorge bezeichnet man die elterlichen Rechte und Pflichten gegenüber minderjährigen Kindern (bis zum 18. Geburtstag). Sie umfasst die Pflege und Erziehung, die Vermögensverwaltung sowie die entsprechende gesetzliche Vertretung.

Die "gesetzliche Vertretung" als Obsorgeträger umfasst die Berechtigung und Verpflichtung, das mj. Kind bei allen behördlichen und ausbildungsrelevanten Angelegenheiten zu vertreten.

Wird der/die Minderjährige in einer sozialpädagogischen Einrichtung oder in einer anderen geeigneten Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe betreut, so wird das Obsorgerecht dem Kinder- und Jugendhilfeträger übertragen, der auch im Rahmen der gesetzlichen Vertretung tätig zu werden hat (zB Unterzeichnung von Lehrvertrag, ärztl. Behandlungsvertrag etc.).

Nachweis der überwiegenden Unterhaltsleistung

Als Alternative zur Haushaltszugehörigkeit sieht § 2 Abs. 2 FLAG 1967 einen Familienbeihilfenanspruch auch dann vor, wenn der Antragsteller/die Antragstellerin die Unterhaltskosten des Kindes überwiegend trägt und das Kind bei niemandem sonst haushaltszugehörig ist (, ).

Zu den Kosten des Unterhaltes gehören nicht nur die Kosten für die Unterbringung, sondern auch die sonstigen Kosten, die für die Pflege und Erziehung eines Kindes aufgewendet werden, wie zB Kosten für Bekleidung, ärztliche Betreuung, zusätzliche Verpflegung, Geschenke. Es ist gleichgültig, ob diese Ausgaben freiwillig oder auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung erfolgen. Diese direkten Unterhaltsleistungen können jedoch nur dann anerkannt werden, wenn sie nachgewiesen werden (vgl. Nowotny in Csazsar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 150, vgl auch -I/08).

Voraussetzung für diesen alternativen Anknüpfungspunkt ist die überwiegende Tragung der Unterhaltskosten, nicht die überwiegende Leistung des - vom Einkommen des Unterhaltspflichtigenund dessen weiteren Sorgepflichten abhängigen (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 33 Anm. 100) - Unterhalts.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, hängt die Beurteilung, ob jemand die Unterhaltskosten für ein Kind überwiegend trägt, einerseits von der Höhe der gesamten Unterhaltskosten für ein den Anspruch auf Familienbeihilfe vermittelndes Kind in einem bestimmten Zeitraum und andererseits von der Höhe der im selben Zeitraum von dieser Person tatsächlich geleisteten Unterhaltsbeiträge ab (vgl. zB ).

Für die Fremdunterbringung eines Kindes in einer Betreuungseinrichtung fallen regelmäßig Kosten von zumindest € 2.400,00 für die Unterbringung und Betreuung an (vgl dazu die Feststellungen in zB , oder ). Zusätzliche Kosten entstehen für Bekleidung, Schuhe, Spielsachen, Arztkosten, Schulsachen, Friseurbesuche, Handyaufladung etc.

Das Bundesfinanzgericht sieht keinen Grund, die Ermittlungsergebnisse des zuständigen Finanzamts anzuzweifeln.

Die Argumentation des Bf. in der Beschwerde, dass die Gebäudekeosten aus angefallen wären, wenn der Sohn des Bf. dort nicht untergebracht sie, sind somit nicht zielführend. Dies auch deshalb, weil zu den Lebenshaltungskosten auch die Kosten der Unterbringung (im Heim) zählen.

Es wäre am Bf. gelegen gewesen, die von ihm getragenen Kosten entsprechend nachzuweisen. Dies hat der Bf. unterlassen.

Aber selbst wenn der Bf. einen Beitrag von € 420,00 mtl. - wie vereinbart - geleistet hat, ist auszuschließen, dass er nur annähernd einen Kostenbeitrag in Höhe von mehr als der Hälfte der tatsächlichen Unterhaltskosten getragen hat.

Zusammenfassend wird festgestellt, dass eine Haushaltszugehörigkeit im Streitzeitraum unbestritten nicht vorgelegen ist. Es kommt daher die gesetzliche Fiktion der Haushaltszugehörigkeit nicht zur Anwendung.

Der Bf. hat auch nicht die überwiegenden Unterhaltskosten für S. getragen.

Das Finanzamt hat daher vom Bf. zu Recht mit dem angefochtenen Bescheid vom die für für den Zeitraum Dezember 2021 bis Jänner 2022 bezogenen Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge zurückgefordert.

Weiters hat das Finanzamt mit dem angefochtenen Bescheid, ebenfalls vom den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Februar 2022 abgewiesen, da weder eine Haushaltszugehörigkeit vorliegt noch der Bf. für S. die überwiegenden Unterhaltskosten trägt.

Wie schon vom Finanzamt rechtsrichtig ausgeführt, hat S. in den Streitzeiträumen einen Eigenanspruch (§ 6 Abs. 5 FLAG 1967) auf Familienbeihilfe.

Zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe:

§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 lautet:

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Gemäß § 33 Abs. 3 EStG ist, wenn Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen wurden, § 26 FLAG 1967 anzuwenden.

Aus § 26 Abs 1 FLAG 1967 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, es kommt somit auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug an und sind subjektive Elemente unbeachtlich und unerheblich. Dies unabhängig davon, ob die Beträge an das Kind weitergegeben wurden (vgl ) oder ob diese gutgläubig verbraucht worden sind (vgl ). Die Rückforderung ist keine Ermessensentscheidung der Abgabenbehörde (vgl Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG², § 26 Rz 12ff mwN).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. (Art 133 Abs 4 B-VG).

Die Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage entspricht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bzw handelt es sich um Tatfragen, sodass keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Die Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at