Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 15.07.2024, RV/7100556/2023

Feststellung einer Unternehmensgruppe: Keine finanzielle Verbindung während des gesamten Wirtschaftsjahres des jeweiligen Gruppenmitgliedes (§ 9 Abs 5 KStG 1988) / Unternehmensgruppe bestand nicht für mindestens drei Jahre aufgrund vorzeitiger Liquidation des Gruppenträgers (§ 9 Abs 10 KStG 1988)

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7100556/2023-RS1
Das Ausscheiden des Gruppenträgers innerhalb von drei Jahren nach dem Eintritt in die Unternehmensgruppe aufgrund von Liquidation gilt als rückwirkendes Ereignis nach § 295a BAO. Dieses rückwirkende Ereignis ist als „Umstand“ im Sinne von § 270 Abs 1 BAO vom Bundesfinanzgericht in seiner Entscheidung zu berücksichtigen (vgl Tanzer/Unger in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO: Stoll Kommentar 2.06 § 295a Rz 32).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende MMag. Elisabeth Brunner, den Richter Mag. Gerhard Konrad sowie die fachkundigen Laienrichter Ing. KomzlR. Hans Eisenkölbl und Mag. Heinrich Witetschka in der Beschwerdesache

Mutter GmbH in Liqu., Adresse 1, vertreten durch Andreas X., Adresse 2,
als beantragter Gruppenträger und

Bf 1 GmbH und Bf 2 GmbH, Adresse 3 vertreten durch Geschäftsführer, Adresse 4,
als beantragte Gruppenmitglieder

betreffend die Beschwerden der Bf 1 GmbH und der Bf 2 GmbH vom gegen den Gruppenfeststellungsbescheid 2021 des Finanzamtes Österreich vom , mit dem der Antrag der Mutter GmbH in Liqu. vom auf Feststellung einer Unternehmensgruppe gemäß § 9 Abs 8 KStG 1988 ab der Veranlagung 2021 teilweise abgewiesen wurde, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Antrag, unterfertigt am , eingebracht am , beantragte die Mutter GmbH in Liqu. (vormals Mutter GmbH) als Gruppenträgerin die Feststellung einer Unternehmensgruppe ab der Veranlagung 2021 unter Einbeziehung der beiden Beschwerdeführerinnen Bf 1 GmbH (ehemals Bf 1 ALT GmbH) und Bf 2 GmbH (vormals Bf 2 ALT GmbH) sowie der Tochter2 (vormals Tochter2 ALT GmbH), Enkel1 GmbH (vormals Enkel1 ALT GmbH), Enkel2 GmbH (vormals Enkel2 ALT GmbH bzw. Enkel2 ALTALT GmbH), Enkel3 GmbH (vormals Enkel3 ALT GmbH bzw. Enkel3 ALTALT GmbH), Tochter1 GmbH, GM1 GmbH in Liqu. (vormals GM1 GmbH) und GM2 GmbH in Liqu. (vormals GM2 ALT GmbH) als Gruppenmitglieder.

Dieser Antrag wurde hinsichtlich der beiden Beschwerdeführerinnen mit dem verfahrensgegenständlichen Gruppenfeststellungsbescheid vom teilweise abgewiesen. Hinsichtlich der beschwerdeführenden Körperschaften sei die ausreichende finanzielle Verbindung gemäß § 9 Abs 4 KStG 1988 entgegen § 9 Abs 5 KStG 1988 nicht im gesamten Wirtschaftsjahr 2021 vorgelegen. Die Zugehörigkeit zur Unternehmensgruppe wurde im Übrigen mit Gruppenfeststellungsbescheid 2022 (Änderung gemäß § 9 Abs 9 KStG 1988) ab 2022 festgestellt.

Mit Gruppenfeststellungsbescheid vom wurde dem og. Antrag hinsichtlich der Gruppenmitglieder GM1 GmbH in Liqu. (ehemals GM1 GmbH) und GM2 GmbH in Liqu. (ehemals GM2 ALT GmbH) ab der Veranlagung 2021 stattgegeben. Hinsichtlich aller sonstigen beantragten Gruppenmitglieder wurde der Antrag ebenso teilweise abgewiesen.

Mit Beschwerden vom wurde die Stattgabe des ursprünglichen Antrages begehrt. Begründend wurde auf Beilagen (ein Notariatsakt betreffend die Abtretung von 90% der Anteile an der Bf 1 GmbH von Mag. Gesellschafter an Andreas X. vom sowie ein Sideletter zu einem Vertrag über die Errichtung einer Stillen Gesellschaft hinsichtlich eines Wandlungsrechts der Stillen Gesellschaft in Anteile am Stammkapital an der Bf 1 GmbH vom ) verwiesen.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Mutter GmbH in Liqu. habe die Beteiligung an der Bf 1 GmbH erst mit Wirkung vom erworben. Letztere war zu 99% an der Bf 2 GmbH beteiligt. Beide Beschwerdeführerinnen haben als Bilanzstichtag den 31.12. Die Beteiligung liege daher hinsichtlich beider Körperschaften nicht im gesamten Wirtschaftsjahr 2021 vor.

Mit Vorlageanträgen vom begehrten die Beschwerdeführerinnen die Entscheidung durch das Verwaltungsgericht, die Entscheidung durch den Senat gemäß § 272 BAO sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 BAO.

Mit Vorlageberichten vom wurden die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Am fand vor dem Bundesfinanzgericht eine mündliche Verhandlung in Abwesenheit der Parteien statt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Mutter GmbH in Liqu. hat mit Einbringungs- und Abtretungsvertrag vom (= Einbringungsstichtag) eine Beteiligung an der Bf 1 GmbH im Ausmaß von 90% von Andreas X., geboren am TT.9.1984, erworben. Die Bf 1 GmbH war seit Gründung (Gesellschaftsvertrag vom ) Gesellschafterin der Bf 2 GmbH im Ausmaß von 99%.

Am brachte die Mutter GmbH in Liqu. einen Antrag auf Feststellung einer Unternehmensgruppe ab der Veranlagung 2021 als Gruppenträgerin mit Einbeziehung der (unter anderem) Bf 1 GmbH und der Bf 2 GmbH als Gruppenmitglieder ein. Der Bilanzstichtag dieser drei Körperschaften war jeweils der 31. Dezember.

Mit Generalversammlungsbeschluss vom wurde die Mutter GmbH in Liqu. aufgelöst und trat in das Stadium der Liquidation ein. Die Firma wurde nach Genehmigung der Beendigung der Liquidation mit Gesellschafterbeschluss vom am im Firmenbuch gelöscht.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akt und den Erhebungen des Bundesfinanzgerichts, insbesondere aus der Urkundensammlung des Firmenbuchs.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Gruppenfeststellung für das Wirtschaftsjahr 2021 (Spruchpunkt I.)

Finanziell verbundene Körperschaften können gemäß § 9 Abs 1 Körperschaftsteuergesetz 1988 (KStG 1988) eine Unternehmensgruppe bilden. Als finanziell verbunden gelten gemäß § 9 Abs 4 KStG 1988 unter anderem solche, bei denen die beteiligte Körperschaft unmittelbar (1. Teilstrich) oder mittelbar über eine oder mehrere unmittelbar gehaltene Beteiligung(en) an Gruppenmitgliedern (3. Teilstrich), mehr als 50% des Grund-, Stamm- oder Genossenschaftskapitals und der Stimmrechte der Beteiligungskörperschaft besitzt.

Nach § 9 Abs 5 KStG 1988 muss die finanzielle Verbindung während des gesamten Wirtschaftsjahres des jeweiligen Gruppenmitgliedes vorliegen.

Die Mutter GmbH in Liqu. erwarb am eine unmittelbare Beteiligung von 90% an der Bf 1 GmbH und (durchgerechnet) eine mittelbare Beteiligung von 89,1% an der Bf 2 GmbH.

Aufgrund der getroffenen Feststellungen ergibt sich unzweifelhaft, dass die Beteiligung hinsichtlich beider Körperschaften nicht im gesamten Wirtschaftsjahr 2021 vorlag.

Die Beschwerde ist daher schon aus diesem Grund nicht begründet. Zudem konnte dem Beschwerdeantrag aufgrund der Liquidation der vermeintlichen Gruppenträgerin nicht gefolgt werden.

§ 9 Abs 10 KStG 1988 lautet:

"Die Unternehmensgruppe muss für einen Zeitraum von mindestens drei Jahren bestehen. Dabei gilt Folgendes:

- Die Mindestdauer ist nur erfüllt, wenn das steuerlich maßgebende Ergebnis von drei jeweils zwölf Monate umfassenden Wirtschaftsjahren in Sinne des Abs. 6 zugerechnet wird.

- Die Regelung über die Mindestdauer gilt im Falle des nachträglichen Eintritts einer weiteren Körperschaft (Abs. 2) in eine bestehende Unternehmensgruppe für die eintretende Körperschaft.

- Scheidet eine Körperschaft innerhalb von drei Jahren nach dem Eintritt aus der Unternehmensgruppe aus, gilt dieses Ausscheiden als rückwirkendes Ereignis im Sinn des § 295a der Bundesabgabenordnung. Im Wege der Veranlagung und der Anpassung der abgeleiteten Bescheide gemäß § 295 der Bundesabgabenordnung sind jene steuerlich maßgebenden Verhältnisse herzustellen, die sich ohne Gruppenzugehörigkeit ergeben hätten."

Mit Generalversammlungsbeschluss vom trat die Mutter GmbH in Liqu. in das Stadium der Liquidation ein. Mit Gesellschafterbeschluss vom wurde die Beendigung der Liquidation genehmigt.

Der Verwaltungsgerichtshof geht in teleologischer Interpretation davon aus, dass eine nach § 19 KStG 1988 in Liquidation befindliche Kapitalgesellschaft nicht als Gruppenträger im Sinne des § 9 KStG 1988 in Betracht kommt ().

Der eigene Besteuerungszeitraum für die Liquidation beginnt mit dem Schluss des der Auflösung vorangegangenen Wirtschaftsjahres, somit mit Ablauf des (§ 19 Abs 5 KStG 1988).

Das Ausscheiden des Gruppenträgers innerhalb von drei Jahren nach dem Eintritt in die Unternehmensgruppe gilt als rückwirkendes Ereignis nach § 295a BAO. Dieses rückwirkende Ereignis ist als "Umstand" im Sinne von § 270 Abs 1 BAO vom Bundesfinanzgericht in seiner Entscheidung zu berücksichtigen (vgl Tanzer/Unger in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO: Stoll Kommentar 2.06 § 295a Rz 32).

Der verfahrensgegenständliche Gruppenantrag wurde für die Feststellung einer Unternehmensgruppe ab der Veranlagung 2021 eingereicht. Die beantragte Unternehmensgruppe mit den vermeintlichen Gruppenmitgliedern würde mit Ablauf des letzten Wirtschaftsjahres des vermeintlichen Gruppenträgers vor Beginn des besonderen Liquidationsbesteuerungszeitraumes enden, somit mit der Veranlagung 2022.

Da das steuerlich maßgebende Ergebnis von drei jeweils zwölf Monate umfassenden Wirtschaftsjahren tatsächlich nicht zugerechnet werden kann, kann die Mindestbestandsdauer der Unternehmensgruppe des § 9 Abs 10 KStG 1988 gegenständlich nicht mehr erfüllt werden.

Daher ist auch aus diesem Grund der Gruppenantrag mit Wirkung ex tunc abzuweisen, da eine Feststellung der Unternehmensgruppe eine direkt darauffolgende Rückabwicklung der Unternehmensgruppe iSd § 9 Abs 10 dritter Teilstrich KStG 1988 zur Folge hätte.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision (Spruchpunkt II.)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgt der unter Punkt 3.1. wiedergegebenen Rechtsprechung bzw. dem eindeutigen Gesetzestext, sodass keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100556.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at