Zurückweisung einer Beschwerde, weil der Fristverlängerungsantrag zur Einbringung einer Beschwerde nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist gestellt wurde
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch ***Stb***, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom für Kapitalertragsteuer für 12/2020, Steuernummer ***Bf-StNr1***, beschlossen:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Verfahrensgang
Der Haftungsbescheid betreffend Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 12/2020 datiert vom .
Aus dem Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist vom für den Haftungs-bescheid für Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 12/2020 vom und der Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid für Kapitalertragsteuer für 12/2020 vom geht hervor, dass der angefochtene Bescheid am zugestellt ("eingelangt am ") wurde.
In der Beschwerde vom stellte die beschwerdeführende Partei unter anderem den Antrag auf Entscheidung durch den Senat, auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und auf Unterbleiben der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung.
Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde vom unter anderem gegen den Haftungsbescheid für Kapitalertragsteuer für 12/2020 vom - ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung - zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vorgelegt.
Mit Beschluss vom wurde die beschwerdeführende Partei ersucht, bis spätestens dazu Stellung zu nehmen, dass das Bundesfinanzgericht vorläufig davon ausgehe, dass der Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist vom für den Haftungs-bescheid für Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 12/2020 vom , eingelangt am , nicht fristgerecht eingebracht worden sei und die Beschwerde daher zurückzuweisen sei.
Der Beschluss vom wurde an die steuerliche Vertretung der beschwerdeführenden Partei mit Zustellnachweis (RSb) übermittelt und laut Übernahmebestätigung am übernommen.
Eine Stellungahme wurde bis dato nicht übermittelt.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 260 Abs 1 lit b BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie nicht fristgerecht eingebracht wurde.
Gemäß § 97 Abs 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt gemäß § 97 Abs 1 lit a BAO bei schriftlichen Erledigungen […] durch Zustellung.
Gemäß § 245 Abs 1 BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat.
Gemäß § 108 Abs 2 BAO enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht.
Gemäß § 245 Abs 3 BAO ist die Beschwerdefrist auf Antrag von der Abgabenbehörde aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, zu verlängern. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Beschwerdefrist gehemmt.
Der Antrag auf Fristverlängerung kann rechtswirksam nur innerhalb der Rechtsmittelfrist gestellt werden (vgl ; , 93/15/0192; , 2009/17/0110; LVwG NÖ , LVwG-AV-188/001-2019). Ein verspäteter Antrag hat keine fristhemmende Wirkung (vgl ; RV 1261-L/09); er ist zurückzuweisen (vgl ; Ritz/Koran, BAO7, § 245 Tz 14).
Wie aus dem Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist vom für den Haftungsbescheid für Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 12/2020 vom und der Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid für Kapitalertragsteuer für 12/2020 vom hervorgeht, wurde der angefochtene Bescheid am zugestellt ("eingelangt am ").
Die einmonatige Beschwerdefrist endete am (einem Donnerstag). Ein rechtswirksamer Antrag auf Fristverlängerung konnte daher nur bis gestellt werden. Da der erste Fristverlängerungsantrag aber erst am und somit nach Ablauf der Beschwerdefrist gestellt wurde, hatte er keine fristhemmende Wirkung; dementsprechend wurde auch die Beschwerde nicht innerhalb offener Rechtsmittelfrist gestellt.
Die Beschwerdefrist für den Haftungsbescheid für Kapitalertragsteuer für 12/2020 war daher bei Einbringung der Beschwerde am bereits abgelaufen, weshalb die Beschwerde gemäß § 260 Abs 1 lit b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückzuweisen ist.
Liegen die Voraussetzungen für eine Zurückweisung vor, ist diese zwingend zu erlassen. Dem Verwaltungsgericht ist daher verwehrt, auf das materielle Beschwerdevorbringen einzugehen und eine Sachentscheidung zu treffen.
Gemäß § 274 Abs 3 Z 1 BAO kann der Senat ungeachtet eines Antrages von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn die Beschwerde als unzulässig (…) zurückzuweisen ist (§ 260).
Abs 5 leg cit lautet: "Obliegt die Entscheidung über die Beschwerde dem Einzelrichter und hat nach Abs 1 eine mündliche Verhandlung stattzufinden, so sind Abs 3 (…) sinngemäß anzuwenden; hierbei sind die Obliegenheiten und Befugnisse des Senatsvorsitzenden dem Einzelrichter auferlegt bzw eingeräumt.
§ 272 Abs 4 lautet: "Obliegt die Entscheidung über Beschwerden dem Senat, so können die dem Verwaltungsgericht gemäß § 269 eingeräumten Rechte zunächst vom Berichterstatter ausgeübt werden. Diesem obliegen auch zunächst (…) Zurückweisungen (§ 260), (…).
Der Einzelrichter kann trotz rechtzeitigen Antrages eine mündliche Verhandlung unterlassen, wenn eine Formalentscheidung über die Beschwerde (zB Zurückweisung) zu erfolgen hat.
§ 274 Abs 3 gestattet das Unterbleiben beantragter mündlicher Verhandlungen. Die Durchführung liegt auch bei Vorliegen der Voraussetzungen dieser Bestimmung im Ermessen (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 274 Tz 11f).
Gemäß § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 20 Tz 7f).
Unter "Billigkeit" versteht die ständige Rechtsprechung die "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", unter "Zweckmäßigkeit" das "öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben". Zur Zweckmäßigkeit gehört auch die Berücksichtigung der Verwaltungsökonomie (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 20 Tz 7 und die dort zitierte Judikatur). Bei der Ermessensübung ist zudem das Gebot der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Vollziehung zu beachten.
Im Hinblick darauf, dass überwiegende Parteiinteressen nicht erkennbar sind, die der Unterlassung der beantragten mündlichen Verhandlung entgegenstünden und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich die Rechtsfolge eines nicht fristgerecht eingebrachten Antrages auf Fristverlängerung aus § 245 BAO ergibt, wurde aus verwaltungsökonomischen Gründen sowie aufgrund des Gebotes der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit das Ermessen dahingehend geübt, dass von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung Abstand genommen wurde.
Hingewiesen wird darauf, dass über die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 2018 bis 2020 sowie den Bescheid über die Festsetzung eines Säumniszuschlages von der Umsatzsteuer 2019 gesondert, im Rahmen einer mündlichen Verhandlung durch den Senat, entschieden wird.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da über die Rechtsfolgen eines nicht fristgerecht eingebrachten Fristverlängerungsantrages im Sinne der dargestellten Literatur und Judikatur entschieden wurde, war die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen.
Bezüglich der Unterlassung der beantragten mündlichen Verhandlung wurde durch das Bundesfinanzgericht eine Ermessensentscheidung getroffen und dabei über die von Judikatur und Literatur herausgearbeiteten Grenzen der Ermessensübung nicht hinausgegangen. Auch diesbezüglich war somit keine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, zu lösen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 97 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 245 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 108 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 245 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 274 Abs. 3 Z 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 245 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 |
Schlagworte | fristhemmende Wirkung Fristverlängerung Zurückweisung Beschwerdefrist |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101172.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at