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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.07.2024, RV/1100187/2023

Berücksichtigung von zusätzlichen, tatsächlichen, typischerweise anfallenden Fahrtkosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK


Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. W in der Beschwerdesache der Bf., H-Straße-xx, Gde X, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich, Postfach 260, 1000 Wien, vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2021 zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO im Umfang der Beschwerdevorentscheidung abgeändert.
Hinsichtlich der Bemessungsgrundlagen und der Höhe der festgesetzten Abgabe wird auf die Beschwerdevorentscheidung vom verwiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.


Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: Bf.) war im Streitjahr Grenzgängerin nach XY und bezog aus ihrer unselbständigen Beschäftigung bei der AB (XY) AG (GDe Y, R-Straße-yy) ganzjährig Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Mit ihrer (am bei der Abgabenbehörde elektronisch eingelangten) Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2021 machte sie eine Pendlerpauschale mit einem Gesamtjahresbetrag iHv 1.476,00 € [= jährlicher Pauschbetrag (sog. großes Pendlerpauschale) für eine einfache Wegstrecke von mehr als 20 km bis 40 km] sowie Kosten für Arbeitsmittel iHv 411,20 € als Werbungskosten geltend. Außerdem beantragte sie die Gewährung eines Pendlereuro in Höhe von jährlich 64,00 € sowie die Berücksichtigung von Krankheitskosten im Betrage von 455,12 € als außergewöhnliche Belastungen (mit Selbstbehalt).

Mit Bescheid vom wurde die Bf. zur Einkommensteuer für das Jahr 2021 erklärungsgemäß veranlagt; allein die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Krankheitskosten blieben unberücksichtigt, zumal diese den für die Bf. gültigen Selbstbehalt (5.123,38 €) nicht überstiegen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde (beim Finanzamt elektronisch eingelangt am ) begehrte die Bf. unter Vorlage einer "Erklärung/Nachweis zur Berücksichtigung des Pendlerpauschales und des Pendlereuro" (L 34-EDV) sowie eines Jahreslohnausweises für 2021 eine Pendlerpauschale mit einem Gesamtjahresbetrag iHv 2.568,00 € [= jährlicher Pauschbetrag (sog. großes Pendlerpauschale) für eine einfache Wegstrecke von mehr als 40 km bis 60 km] und zusätzlich die Anerkennung von tatsächlichen Fahrtkosten (Kilometergelder) iHv 11.563,00 € als Werbungskosten; weiters die Gewährung eines Pendlereuro in Höhe von jährlich 96,00 € (statt bisher 64,00 €) und wiederum Krankheitskosten im Betrage von 455,12 € als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt. Dazu brachte sie vor, dass sie täglich eine einfache Strecke von 48 km zur Arbeit zurücklege. Wenn sie dies auf ein Jahr bei Annahme von fünf Wochen Urlaub und einer Woche Krankheitstand hochrechne, so ergäben sich 22.080 km pro Jahr. Unter Anwendung des amtlichen Kilometergeldsatzes errechne sich damit eine Wegstreckenbelastung von 14.131,00 € pro Jahr. Die mit Bescheid anerkannte Wegstreckenkompensation betrage nicht einmal 11% dessen, weshalb sie ersuche, die Anerkennung der Wegstrecke zu verifizieren.

Mit Einkommensteuerbescheid 2021 (Beschwerdevorentscheidung gem. § 262 BAO) vom änderte die Abgabenbehörde den angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom insofern ab, als sie die mit Beschwerdeschriftsatz geltend gemachte Pendlerpauschale iHv 2.568,00 € samt Pendlereuro von 96,00 € anerkannte; tatsächliche Fahrtkosten (Kilometergelder) könnten - so die Abgabenbehörde - für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte keine Anerkennung finden. Die wiederum als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Krankheitskosten blieben unberücksichtigt, zumal diese den für die Bf. gültigen Selbstbehalt (4.992,34 €) nicht überstiegen.

Mit über FinanzOnline eingebrachtem Anbringen vom beantragte die Bf. eine Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Dabei wiederholte die Bf. - unter Vorlage des Jahreslohnausweises 2021 - im Wesentlichen ihr oben dargestelltes Beschwerdevorbringen; ergänzend führte sie hinzu, dass es aufgrund der Distanz und des Schichtbetriebs nicht möglich sei, ohne Fahrzeug die Wegstrecke zu bewerkstelligen.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt - wie der Bf. mitgeteilt wurde - die in Rede stehende Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Dabei beantragte die Abgabenbehörde, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat über die Beschwerde erwogen:


Wie im Verfahrensgang dargestellt, hat das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom den angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom insofern abgeändert, als es die mit Beschwerdeschriftsatz geltend gemachte Pendlerpauschale iHv 2.568,00 € [= jährlicher Pauschbetrag (sog. großes Pendlerpauschale) für eine einfache Wegstrecke von mehr als 40 km bis 60 km] samt entsprechendem Pendlereuro von jährlich 96,00 € anerkannte.
Das Finanzgericht schließt sich der diesbezüglichen (unstrittigen) Einschätzung bzw. Vorgehensweise der Abgabenbehörde gerade auch unter Berücksichtigung des vorgelegten Pendlerrechnerausdruckes (L 34-EDV) an.

Zur noch strittigen zusätzlichen Berücksichtigung von tatsächlichen Fahrtkosten (geschätzt mit dem amtlichen Kilometergeld) für Fahrten auf dem Arbeitsweg als Werbungskosten ist Folgendes zu sagen:

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Nach Z 6 dieser Gesetzesstelle (idF BGBl. I Nr. 96/2020) zählen zu den Werbungskosten die Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.

§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. a EStG 1988 lautet:

"6. Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:

a) Diese Ausgaben sind durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5 Z 1) abgegolten. Nach Maßgabe der lit. b bis j steht zusätzlich ein Pendlerpauschale sowie nach Maßgabe des § 33 Abs. 5 Z 4 ein Pendlereuro zu. Mit dem Verkehrsabsetzbetrag, dem Pendlerpauschale und dem Pendlereuro sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten."

Intention des Gesetzgebers des EStG 1988 war es, durch Neuregelung der Absetzbarkeit von Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte den bis dahin steuerlich begünstigten, aus umweltpolitischer Sicht aber unerwünschten Individualverkehr einzudämmen und die Bevölkerung zum Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel zu bewegen (, 0003). Vor diesem Hintergrund wurde § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 geschaffen und ist diese Bestimmung daher so zu verstehen und auszulegen.

Nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. a EStG 1988 sind die Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Arbeitsweg) somit grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetragabgegolten, der allen aktiven Arbeitnehmern unabhängig von den tatsächlichen Kosten zusteht.
Bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen stehen für diese Fahrten Werbungskosten in Form des Pendlerpauschales gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 zu. Dies grundsätzlich aber nur dann, wenn

- entweder der Arbeitsweg eine Entfernung von mindestens 20 Kilometer umfasst (sog. kleines Pendlerpauschale) oder

- die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumindest hinsichtlich des halben Arbeitsweges nicht möglich oder nicht zumutbar ist und der Arbeitsweg mindestens zwei Kilometer beträgt (sog. großes Pendlerpauschale).

Bei Anspruch auf das Pendlerpauschale steht nach Maßgabe des § 33 Abs. 5 Z 4 EStG 1988 auch ein Pendlereuro zu.

Angesichts dieser klaren gesetzlichen Regelungen sind alle (typischerweise anfallenden) Fahrtkosten, die für die Zurücklegung des Weges zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (und retour) entstehen, durch den Verkehrsabsetzbetrag (bis 2022: idR 400,00 €) abgegolten und können allenfalls noch - wie im konkreten Fall - zur Anerkennung eines Pendlerpauschales bzw. eines Pendlereuro führen.
Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind sohin abpauschaliert und sind folgedessen alle tatsächlichen (typischerweise anfallenden) Fahrtaufwendungen für Fahrten auf dem Arbeitsweg mit den Pauschalbeträgen (Verkehrsabsetzbetrag, Pendlerpauschale und Pendlereuro) abgegolten und nicht gesondert, zusätzlich abzugsfähig.
Der Verfassungsgerichthof hat mit Beschluss vom , B 21/95 und B 3056/95, die Behandlung einer die Verfassungswidrigkeit des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 behauptenden Beschwerde im Übrigen abgelehnt. Er verwies dabei auf seine ständige Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Pauschalierungen und zur Zulässigkeit unterschiedlicher Behandlung von selbständigen und unselbständigen Einkommen (vgl. dazu auch Jakom/Ebner EStG, 2024, § 16 Rz 25; Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21a, § 16 Tzen 115 f, mwN).

Dem diesbezüglichen Beschwerdebegehren war damit ein Erfolg zu versagen.

Zu den als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Krankheitskosten ist vollständigkeitshalber noch zu sagen, dass nach § 34 Abs. 1 EStG 1988 die Belastung außergewöhnlich sein muss, zwangsläufig erwachsen muss und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen wesentlich beeinträchtigen muss. § 34 Abs. 4 EStG 1988 bestimmt, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch die Belastung wesentlich beeinträchtigt wird, soweit die Belastung einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt, und legt in weiterer Folge die Höhe des Selbstbehaltes fest. Bei einem Einkommen von mehr als 36.400,00 € beträgt der Selbstbehalt 12%. Der Selbstbehalt für außergewöhnliche Belastungen ist im beschwerdegegenständlichen Fall vom Gesamtbetrag der (laufenden) Einkünfte (35.262,92 €), erhöht um die sonstigen Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988 (6.339,88 €), somit von 41.602,80 €, zu berechnen. Bei Anwendung des Satzes von 12% errechnet sich ein Selbstbehalt von 4.992,34 €. Da die beantragten Belastungen (in Höhe von 455,12 €) nicht den Selbstbehalt übersteigen, konnte eine Absetzung als außergewöhnliche Belastung nicht erfolgen.

Zulässigkeit der Revision:

Gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die ordentliche Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes uneinheitlich beantwortet wird.

Die im Beschwerdefall zu lösende Rechtsfrage (Frage der Berücksichtigung von zusätzlichen, tatsächlichen, typischerweise anfallenden Fahrtkosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten) ist im Gesetz (§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. a EStG 1988) eindeutig gelöst. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wurde dadurch nicht berührt und ist daher eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Gesamthaft war spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.1100187.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at