Aussetzung der Einhebung, Aussetzungszinsen, kein Ermessen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Dr. Wolfgang Pavlik, die Richterin Mag. Daniela Regina Denk sowie die fachkundigen Laienrichter Erwin Agneter und Christian Schuckert über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Thomas Werner Klein, Kärntner Straße 7b, 8020 Graz, vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom betreffend Aussetzungszinsen 2020 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid vom wurden bei der beschwerdeführenden Partei die Aussetzungszinsen für den Zeitraum von bis in Höhe von EUR 448,32 gemäß § 212a BAO festgesetzt. Sie wurden für jene Abgaben vorgeschrieben, für die auf Grund eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung bzw. auf Grund der Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung ein Zahlungsaufschub eingetreten war. Die Berechnung der Aussetzungszinsen für den genannten Zeitraum stellte sich wie folgt dar:
In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde vom wird ausgeführt, der Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen sei rechtswidrig und zu Unrecht erfolgt, da das zugrundeliegende Beschwerdeverfahren nicht rechtskräftig entschieden sei. Es wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Senat beantragt.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setze die Pflicht zur Erhebung von Aussetzungszinsen nicht den Bestand einer sachlich richtigen oder rechtskräftigen, sondern einer formellen Abgabenschuld voraus. Im Fall der Abänderung der formellen Abgabenschuld seien nach den ausdrücklichen Regelungen im § 212a Abs. 9 BAO die Aussetzungszinsen abzuändern. Die zugrundeliegenden formellen Abgabenbescheide seien seitens der beschwerdeführenden Partei in den Beschwerden bzw. in den Vorlageanträgen selbst ausführlich dargestellt worden und sind daher unstrittig.
Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag vom wiederholte die beschwerdeführende Partei ihr Beschwerdevorbringen, den die belangte Behörde mit vorlegte.
Die Verhandlung vom wurde mit Beschluss vom abberaumt.
Mit Beschluss vom wurde zur Verhandlung am geladen.
Mit Schreiben vom wurde um Vertagung der Verhandlung ersucht, ein Antrag auf Akteneinsicht in den Akt zu Gz. RV/7104882/2020 und ein Antrag, das Bundesfinanzgericht möge die vollständigen Akten von der belangten Behörde anfordern, gestellt.
Die Akteneinsicht wurde am in beide Akte (Gz. RV/7104882/2020 und RV/7104883/2020) Frau ***Name***, Gesellschafterin der ***Bf1***, gewährt.
Den Anträgen auf Vertagung sowie Beischaffung des vollständigen Aktes des Finanzamtes Österreichs wurde nicht entsprochen, da dem Bundesfinanzgericht ein vollständiger Akt vorlag, und die zu beschaffenden Aktenteile das Verfahren über die Entscheidung der Sachbescheide, nicht anhängig in gegenständlicher Gerichtsabteilung, betrafen und für das hier vorliegende Verfahren nicht von Relevanz waren, da ausschließlich über die Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO abgesprochen werden musste. Dies wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter am telefonisch mitgeteilt.
In der mündlichen Verhandlung am wurde auf das bisherige Vorbringen verwiesen und der Antrag gestellt, dem Vertreter der belangten Behörde aufzutragen, der Tondatenträger von der Akteneinsicht bei der belangten Behörde betreffend Sachbescheid-Beschwerdeverfahren sei der beschwerdeführenden Partei zugänglich zu machen, bzw. seien Aktenbestandteile des unvollständigen Aktes beizuschaffen. Der Antrag wurde in der Verhandlung mit Beschluss als unerheblich abgewiesen, da das Vorbringen nicht die Gz. RV/7104882/2020 und RV/7104883/2020 betraf. Das dem Vorbringen zu Grunde liegende Verfahren wurde am vor dem Bundesfinanzgericht verhandelt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Mit Bescheid vom wurde dem aus Anlass einer Beschwerde eingebrachten Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Aussetzung der Einhebung für nachstehende Abgabenschulden gemäß § 212a BAO stattgegeben:
Mit Bescheid vom erfolgte die antragsgemäße Aussetzung der Einhebung für folgende Abgaben:
Beschwerdevorentscheidungen betreffend der zu Grunde liegenden Sachbescheide:
Die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom über die Festsetzung von Umsatzsteuer für April bis Dezember 2015 wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als nicht zulässig zurückgewiesen.
Die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom über die Festsetzung von Umsatzsteuer für Jänner 2016 wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als zurückgenommen erklärt.
Die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom über die Festsetzung von Umsatzsteuer für Februar 2016 wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als zurückgenommen erklärt.
Die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom über die Festsetzung von Umsatzsteuer für März 2016 wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als zurückgenommen erklärt.
Die Beschwerde vom gegen den Umsatzsteuerbescheid 2014 wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als zurückgenommen erklärt.
Die Beschwerde vom gegen den Umsatzsteuerbescheid 2015 wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als zurückgenommen erklärt.
Die Beschwerde vom gegen den Bescheid über die Festsetzung einer Zwangsstrafe vom wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen.
Mit angefochtenem Bescheid vom wurde der Ablauf der Aussetzung infolge Beschwerdeerledigung verfügt:
Mit angefochtenem Bescheid vom wurde der Ablauf der Aussetzung infolge Beschwerdeerledigung verfügt:
Mit angefochtenem Bescheid vom wurde der Ablauf der Aussetzung infolge Beschwerdeerledigung verfügt:
Die beschwerdeführende Partei wurde zudem aufgefordert, die ausstehenden Abgabenschulden bis zu den angeführten Zahlungsterminen zu entrichten.
Mit Bescheid vom wurden bei der beschwerdeführenden Partei die Aussetzungszinsen für den Zeitraum von bis in Höhe von EUR 448,32 gemäß § 212a BAO festgesetzt.
Die Beschwerden, datiert mit und , gegen die Bescheide vom , , sowie betreffend Ablauf der Aussetzung der Einhebung wurden mit Beschwerdevorentscheidungen, datiert mit sowie , als unbegründet abgewiesen.
2. Beweiswürdigung
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich zusammen mit dem unter I. wiedergegebenem Verfahrensgang, aus dem Verwaltungsakt bzw. den Eingaben der beschwerdeführenden Partei sowie aus den Vorbringen in der mündlichen Verhandlung und sind insoweit unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Strittig ist im vorliegenden Verfahren nur, ob die belangte Behörde den Ablauf der Aussetzung verfügen konnte, obwohl das Beschwerdeverfahren über die Sachbescheide noch nicht rechtskräftig erledigt wurde.
Gemäß § 212a Abs. 9 BAO sind für Abgabenschuldigkeiten, solange auf Grund eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung, über den noch nicht entschieden wurde, Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden (§ 230 Abs. 6) oder soweit infolge einer Aussetzung der Einhebung ein Zahlungsaufschub eintritt, Aussetzungszinsen in Höhe von zwei Prozent über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr zu entrichten. Aussetzungszinsen, die den Betrag von EUR 50,00 nicht erreichen, sind nicht festzusetzen.
Daraus folgt, dass Bemessungsgrundlage der Aussetzungszinsen der für die Aussetzung in Betracht kommende Abgabenbetrag, der im Antrag darzustellen ist (vgl. § 212a Abs. 3 BAO), bzw. die im Aussetzungsbescheid angeführte Abgabenschuldigkeit ist. Mit dem Bescheid über die Aussetzung der Einhebung wird der Betrag der ausgesetzten Abgabenschuldigkeit mit Rechtskraftwirkung festgesetzt (vgl. ; , Ra 2015/15/0005).
Dass eine beantragte Aussetzung der Einhebung grundsätzlich zu Aussetzungszinsen führt und die Einhebung von Aussetzungszinsen im Hinblick darauf, dass diese Zinsen durch den vom Abgabepflichtigen eingebrachten Antrag auf Aussetzung der Einhebung strittiger Abgaben ausgelöst wurden, nicht sachlich unbillig ist, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, zumal den Aussetzungszinsen der Aspekt des Zinsengewinnes durch den Zahlungsaufschub beim Abgabepflichtigen gegenübersteht (; , Ra 2015/15/0005).
Will der Abgabepflichtige Aussetzungszinsen vermeiden oder gering halten, kann er entweder von einer Antragstellung gemäß § 212a Abs. 1 BAO Abstand nehmen oder - wenn ihm über seinen Antrag die Aussetzung bereits bewilligt wurde - den dadurch bewirkten Zahlungsaufschub jederzeit durch die in § 212a Abs. 8 BAO vorgesehene Tilgung beenden (vgl. ).
Gemäß dem auch für Aussetzungszinsen geltenden § 4 Abs. 1 BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Dabei knüpft § 212a Abs. 9 BAO die Verpflichtung zur Entrichtung von Aussetzungszinsen bereits an den Zeitpunkt, ab welchem infolge eines Antrages, über den noch nicht entschieden wurde, Einhebungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden dürfen, somit an die Antragstellung selbst. Der Umstand, dass die Festsetzung von Aussetzungszinsen vor der Erlassung des dem Aussetzungsantrag nicht stattgebenden Bescheides oder im Fall der Bewilligung der Aussetzung vor der Verfügung des Ablaufes oder des Widerrufes der Aussetzung nicht festzusetzen sind, ändert nichts daran, dass der Tatbestand, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft, bereits mit erfolgter Antragstellung verwirklicht ist, wobei der Aussetzungszinsenanspruch laufend während jener Zeit entsteht, in der der Zahlungsaufschub in Anspruch genommen wird (vgl. , sowie , 92/17/0166).
Gemäß § 212a Abs. 5 BAO besteht die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung in einem Zahlungsaufschub. Dieser endet mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf. Der Ablauf der Aussetzung ist u.a. anlässlich einer über die Berufung ergehenden Berufungsvorentscheidung zu verfügen. Dies schließt eine neuerliche Antragstellung auf Aussetzung der Einhebung im Fall der Einbringung eines Antrages auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht nicht aus.
Die belangte Behörde hatte anlässlich der Erlassung der Berufungsvorentscheidungen betreffend der zu Grunde liegenden Sachbescheide vom und den Ablauf der zum damaligen Zeitpunkt bewilligten Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a Abs. 5 lit. a BAO zu verfügen gehabt. Entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Partei erlosch diese Verpflichtung nicht dadurch, dass die beschwerdeführende Partei einen Antrag auf Entscheidung über ihre Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht stellte, sodass das Beschwerdeverfahren betreffend die strittigen Abgaben nach wie vor aufrecht war, und somit wie in den Beschwerden vorgebracht, kein rechtskräftig beendetes Verfahren vorlag.
Auf ein rechtskräftig beendetes Verfahren kommt es hier nicht an, dies zeigt auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer der oben wiedergegebenen Gesetzesanordnung entsprechend, einen neuerlichen Antrag auf Aussetzung der Einhebung eingebracht hat. Das Gesetz sieht genau für den Fall eines nicht rechtskräftig entschiedenen Beschwerdeverfahrens die Möglichkeit einer neuerlichen Antragstellung im Fall der Einbringung eines Vorlageantrages vor. Der Ablauf der Aussetzung war gemäß § 212a Abs. 5 lit. a BAO zwingend durch die belangte Behörde zu verfügen und erfolgte daher zu Recht.
Somit war auch die Vorschreibung der Aussetzungszinsen im Sinne des § 212a Abs. 9 BAO zwingend vorzunehmen, ein Ermessen lag für die Abgabenbehörde nicht vor. Die Festsetzung der Aussetzungszinsen ist somit auf Grundlage des § 212a Abs. 9 BAO gesetzeskonform erfolgt. Die sachliche Richtigkeit der zu Grunde liegenden Abgabenbescheide war im Beschwerdeverfahren über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Aussetzungszinsen nicht zu prüfen.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses/ Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil sich die Rechtsfolge unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.
3.3. Sonstiges
Die in der mündlichen Verhandlung am bezüglich Akteneinsicht gestellten Anträge wurden mit Beschluss als unerheblich abgewiesen, da das Vorbringen nicht die Gz. RV/7104882/2020 und RV/7104883/2020 betraf. Das dem Vorbringen zu Grunde liegende Verfahren wurde am vor dem Bundesfinanzgericht verhandelt.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 212a Abs. 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 212a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 212a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7104883.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at