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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.06.2024, RV/7101255/2024

Keine Nachsicht bei versäumter Revision

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Abweisung eines Nachsichtsantrag gem § 236 BAO zur Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Schreiben vom brachte der Beschwerdeführer ein Nachsichtsansuchen gemäß § 236 BAO hinsichtlich der Einkommensteuer 2012 ein. Als Begründung brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, dass sein ehemaliger Arbeitgeber eine Barabfindung aus einem Pensionskassenvergleich, die an den Beschwerdeführer ausbezahlt wurde, laut Tarif voll versteuert habe und nicht mit 1/5 steuerfrei gestellt habe. Daher habe der Beschwerdeführer gegen den Einkommensteuerbescheid 2012 eine Beschwerde erhoben, um die seiner Ansicht nach korrekte Besteuerung der Abfindungszahlung zu erwirken.

Die Beschwerde sei mit Erkenntnis vom (RV/7102536/2015) als unbegründet abgewiesen worden. Bei zwei Kollegen des Beschwerdeführers, die ebenfalls eine Abfindungszahlung aus dem Pensionskassenvergleich erhalten haben, kam das Bundesfinanzgericht in den gleichgelagerten Fällen (RV/7101771/2019 und RV/7104866/2014) allerdings zu einer anderen rechtlichen Beurteilung und gewährte die Steuerbegünstigung, die dem Beschwerdeführer in seinem Rechtsmittelverfahren nicht zugesprochen wurde.

Daher beantrage der Beschwerdeführer eine Nachsicht der betreffenden Steuerschuld, um diese offensichtliche Ungleichbehandlung nachträglich zu beseitigen.

Das ***FA*** wies diesen Antrag mit dem angefochtenen Bescheid vom ab. Nach Ansicht der belangten Behörde diene das Nachsichtsverfahren nicht der Nachholung unterlassener Rechtsmittel und der Korrektur von Fehlern des Festsetzungsverfahrens. Der Beschwerdeführer habe jedoch im Festsetzungsverfahren die Erhebung einer Revision unterlassen. Das Vorbringen, es liege im Vergleich zu den Rechtssachen RV/7101771/2019 und RV/7104866/2014 eine Ungleichbehandlung vor, wäre ebenso im Festsetzungsverfahren zu erstatten gewesen. Im Einklang mit der zitierten unmissverständlichen und ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei daher festzustellen gewesen, dass mit dem verfahrensgegenständlichen Antrag keine Unbilligkeit der Einhebung iSd § 236 BAO aufgezeigt werden konnte. Da keine Unbilligkeit vorliege, bleibe kein Raum für eine Ermessensentscheidung.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom Beschwerde und beantragte das Unterbleiben der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 Abs 2 BAO. Es seien im angefochtenen Bescheid zwar wohl formal juristische Umstände im Detail untersucht worden, nicht aber auf das Kernproblem einer meritorisch eklatanten Ungleichbehandlung eingegangen worden. Dadurch sei der Beschwerdeführer in seinem Grundrecht als Staatsbürger verletzt worden. Es liege eine sachliche Diskriminierung für ihn in der unterschiedlichen Anwendungsinterpretation für den ermäßigen Steuersatz und damit eine Ungleichbehandlung vor. Der Beschwerdeführer habe beschlossen, das dritte Urteil betreffend einen Arbeitskollegen in diesem Zusammenhang abzuwarten, das positiv für den Steuerpflichtigen ausgefallen sei. In der Folge habe der Beschwerdeführer auf Empfehlung das Nachsichtsansuchen eingebracht. Der Bescheid reduziere sich auf das Verfahrensrecht, sodass er diese neuerliche Beschwerde einbringe mit der Bitte die Ungleichbehandlung zu beseitigen, die durch das dritte Urteil bestätigt wurde.

Der Beschwerdeführer brachte am eine Ergänzung der Beschwerde ein. Sofern das Gesetz hinsichtlich der Beurteilung der Pensionskassenvergleiche hier eine Auslegung zulasse, so sei entweder der Gesetzestext zu ändern, oder das in seinem Fall ergangene Fehlurteil aufzuheben.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Einkommensteuer 2012 des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid vom festgesetzt, wobei ein von der ***AG*** bezahlter Abfindungsbetrag iHv EUR 60.073,89 zur Gänze der Tarifbesteuerung unterworfen wurde.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde, welche - nach Ergehen einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung und Einbringung eines Vorlageantrags - vom BFG mit Erkenntnis vom zu GZ RV/7102536/2015 als unbegründet abgewiesen wurde. Das BFG kam zu dem Ergebnis, dass ein Vergleich iSd § 67 Abs 8 lit a EStG im gegenständlichen Fall nicht vorliegt.

Gegen dieses Erkenntnis brachte der Beschwerdeführer weder eine Revision gemäß Art 133 BVG noch eine Beschwerde gemäß Art 144 B-VG ein. Die Einkommensteuer 2012 ist bereits entrichtet.

Mit Schreiben vom brachte der Beschwerdeführer einen Nachsichtsantrag gem § 236 BAO ein. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Darstellungen im Teil Verfahrensgang verwiesen.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich für das Bundesfinanzgericht unzweifelhaft aus den vorgelegten Akten und ist auch zwischen den Parteien unstrittig. Daher konnte der Sachverhalt der rechtlichen Beurteilung des Bundesfinanzgerichts zugrunde gelegt werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Hinsichtlich der Nachsicht regelt der § 236 BAO Folgendes:

"(1) Fällige Abgabenschuldigkeiten können auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

(2)Abs. 1 findet auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.

[…]"

Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist eine Nachsicht daher nur möglich, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Im vorliegenden Fall ist lediglich strittig, ob die unterschiedliche Beurteilung ähnlicher Sachverhalte durch das Bundesfinanzgericht, die schlussendlich zu einer höheren steuerlichen Belastung des Beschwerdeführers geführt hat, eine Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO ist.

In ständiger Rechtsprechung verneint der Verwaltungsgerichtshof, dass in einem solchen Fall eine Unbilligkeit vorliegt, die eine Nachsicht rechtfertigen könnte. So spricht der Verwaltungsgerichthof in seiner Rechtsprechung aus, dass das Verfahren nach § 236 BAO nicht das geeignete Mittel für eine nachträgliche inhaltliche Kontrolle der im Abgabenverfahren ergangenen Entscheidung ist (vgl ; ).

Ein Nachsichtsverfahren ersetzt nach der ständigen, eindeutigen und auch jüngst bestätigten Rechtsprechung weder ein Rechtsmittelverfahren noch ein Beschwerdeverfahren oder ein Revisionsverfahren vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes (vgl ; ; Vgl ; ).

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass der Beschwerdeführer, wenn er das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts für rechtswidrig gehalten hätte, das Rechtsmittel der außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof erheben hätte können. Außerdem wäre ihm das Rechtsmittel der Entscheidungsbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof offen gestanden, wenn er sich in seinen verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten verletzt gefühlt hätte. In beiden Rechtsmittelverfahren hätte eine höchstgerichtliche Kontrolle des unterinstanzlichen Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts herbeigeführt werden können.

Aber selbst wenn man hypothetisch davon ausgehen würde, dass sich das damalige Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts durch eine spätere, klarstellende höchstgerichtliche Rechtsprechung in einem gleichgelagerten Fall als tatsächlich unrichtig herausstellen sollte, wäre nach der klaren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes keine Unbilligkeit iSd § 236 BAO gegeben und eine Nachsicht nicht zulässig. Das Nachsichtverfahren dient nicht dazu die materielle Rechtskraft eines Bescheides oder Erkenntnises aufzuheben.

Konkret führt der VwGH in diesem Zusammenhang folgendes aus: "Wäre die Einhebung von Abgaben stets schon dann unbillig, wenn ihre Vorschreibung nicht im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen stünde, würde ein Abgabennachsichtsverfahren ein Rechtsmittelverfahren ersetzen bzw den Effekt der "Nachholung" eines versäumten Rechtsmittels haben, was aber nicht Sinn und Zweck dieses Rechtsinstitutes ist ()."

Der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, dass soweit ersichtlich bislang keine abschließende höchstgerichtliche Klärung der ihm Ursprungsverfahren strittigen Rechtsfrage erfolgt ist und lediglich divergierende Beurteilungen durch verschiedene Richter des Bundesfinanzgerichts vorliegen.

In der Beschwerde bringt der Beschwerdeführer konkret vor, dass die belangte Behörde lediglich formell juristische Umstände im Detail untersucht hätte, aber nicht auf die meritorische Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall eingegangen wäre.

Zu diesem Argument ist festzuhalten, dass die belangte Behörde im Nachsichtsverfahren ausschließlich das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 236 BAO zu prüfen hatte. Liegen diese Voraussetzungen - wie im vorliegenden Fall höchstrichterlich bestätigt - nicht vor, kann eine Nachsicht nicht gewährt werden. Würde die Behörde bspw im Ermessen die monierte "meritorische Ungleichbehandlung" des Beschwerdeführers berücksichtigen, wäre dies als rechtwidriger Ermessensexzess zu werten. Denn im Nachsichtverfahren, darf das Ermessen erst geübt werden, wenn nach der Lage des Falles die Einhebung unbillig wäre. Für die bloße Berücksichtigung einer vorgebrachten Ungleichbehandlung durch divergierende Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichts in vergleichbaren Fällen, ist daher im Nachsichtverfahren kein Raum.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das vorliegende Erkenntnis beruht auf der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101255.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at